Die chronische Nebenniereninsuffizienz ist trotz adäquater Hormonersatzstrategien nach wie vor mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Der Grund hierfür liegt im Auftreten von Addison-Krisen, hervorgerufen durch einen Zustand eines akuten Cortisolmangels in erster Linie durch erhöhten Bedarf (beispielsweise bei Gastroenteritis, Infektionskrankheiten, inadäquater Medikamenteneinnahme etc.). Eine pragmatische Definition der Addison-Krise ist eine Verschlechterung des Allgemeinzustands mit absoluter (systolischer Blutdruck <100 mmHg) oder relativer Hypotonie (systolischer Blutdruck ≥20 mmHg niedriger als normalerweise) und mit typischen Symptomen, die sich innerhalb von 1–2 h nach parenteraler Glukokortikoid-Verabreichung deutlich verbessern. Durch die unspezifischen Symptome und das seltene Vorkommen einer Addison-Krise werden viele PatientInnen inadäquat behandelt. Regelmäßige Schulungen von PatientInnen mit primärer und sekundärer Nebenniereninsuffizienz zur Prävention einer Addison-Krise, zur Erkennung einer Krise und zum korrekten Management sind daher unerlässlich. Ziel ist das Erlernen der korrekten Hydrocortison-Dosissteigerung in Situationen mit erhöhtem Bedarf sowie der Handhabung des Notfallsets mit enthaltener Hydrocortison-Ampulle, die bei drohender Addison-Krise subkutan verabreicht werden sollte.
Hinweise
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Merkmale der Addison-Krise
Trotz etablierter Hormonersatzstrategien zur Therapie der chronischen Nebenniereninsuffizienz ist die Mortalität betroffener PatientInnen nach wie vor erhöht [1]. Das Auftreten einer Addison-Krise zeichnet maßgeblich für die gesteigerte Mortalität verantwortlich.
Die Addison-Krise ist ein Zustand eines akuten Cortisolmangels bedingt durch erhöhten Bedarf [2, 3]. Trigger dafür sind vor allem Gastroenterititiden, die die Aufnahme der oral zugeführten Cortisolsubstitution verhindern, Infektionskrankheiten, chirurgische Eingriffe, physischer Stress oder Schmerz, aber auch extreme psychische Belastungen oder inadäquate Medikamenteneinnahme [4]. Im Rahmen dieser Triggersituationen ist neben einem erhöhten Glukokortikoidbedarf vermutlich auch eine teils durch Inflammation verursachte „Cortisolresistenz“ pathophysiologisch relevant. In einer prospektiven Untersuchung konnte von 8,3 Krisen pro 100 PatientInnenjahren berichtet werden, was impliziert, dass eine/r von 12 PatientInnen im nachfolgenden Jahr von einer potenziell lebensbedrohlichen Addison-Krise betroffen sein wird [5] – eine alarmierende Zahl.
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Wiewohl in der Literatur ein Konsens über die möglichen klinischen Symptome einer Addison-Krise herrscht, liegt bislang immer noch keine einheitlich akzeptierte Definition der Addison-Krise vor. Gründe dafür sind in erster Linie das Fehlen eines singulären charakteristischen Symptoms sowie die unspezifischen Beschwerden, die von PatientInnen beim Auftreten einer Addison-Krise empfunden werden. Die Endocrine Society definiert die Addison-Krise als medizinischen Notfall, der mit Hypotonie, ausgeprägten akuten Bauchschmerzen und deutlichen Laborauslenkungen einhergeht und einer unverzüglichen Behandlung bedarf [6]. Eine andere Definition beschreibt die Addison-Krise als (a) massive Einschränkung des Allgemeinbefindens mit Vorliegen von zumindest zwei der folgenden Symptome/Zeichen: Hypotonie (systolischer Blutdruck <100 mmHg), Übelkeit und Erbrechen, starke Müdigkeit, Fieber, Somnolenz, Hyponatriämie (≤132 mmol/l) oder Hyperkaliämie, Hypoglykämie und (b) parenterale Glukokortikoid-Verabreichung gefolgt von klinischer Besserung [3]. Eine pragmatische Definition wäre eine Verschlechterung des Allgemeinzustands mit absoluter Hypotonie (systolischer Blutdruck <100 mmHg) oder relativer Hypotonie (systolischer Blutdruck ≥20 mmHg niedriger als normalerweise), mit typischen Symptomen, die sich innerhalb von 1–2 h nach parenteraler Glukokortikoid-Verabreichung deutlich bessern (d. h. deutlicher Rückgang der Hypotonie innerhalb einer Stunde und Verbesserung der klinischen Symptome innerhalb von 2 h) [1].
Nicht nur die unspezifischen Symptome der Addison-Krise, sondern auch das seltene Vorkommen derselben und die dadurch fehlende Erfahrung vieler Ärztinnen und Ärzte bedingen die Tatsache, dass PatientInnen mit Addison-Krise häufig inadäquat behandelt werden [3].
Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung
Die Problematik unterstreicht die Notwendigkeit der regelmäßigen und ausführlichen Schulung von PatientInnen mit primärer und sekundärer Nebenniereninsuffizienz zur Prävention einer Addison-Krise, zur Erkennung einer Krise und zum korrekten Management derselben. Da jedoch gezeigt werden konnte, dass selbst geschulte PatientInnen vorhandenes Wissen zur Dosissteigerung im Falle einer akuten Erkrankung nicht adäquat anwenden konnten [7], sollten diese Schulungen standardisiert, strukturiert und wiederholt erfolgen, am besten gemeinsam mit Familienangehörigen/Freunden [4, 7] sowie anderen Betroffenen, um einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, der sich ebenso als günstig erwiesen hat [8].
PatientInnen müssen lernen, ihre Glukokortikoidsubstitution (Hydrocortison 10–12 mg/m2 aufgeteilt auf 2 oder 3 Dosen mit Verabreichung der Hälfte oder von 2/3 der Tagesdosis in der Früh [9]) in Situationen mit erhöhtem Bedarf adäquat zu steigern. Sie erhalten einen Notfallausweis sowie ein Notfallset (1 Ampulle Hydrocortison 100 mg, Spritze und Nadeln zur subkutanen Selbstverabreichung) mit Anleitung (siehe Abb. 1) und einen Merkzettel zur Dosissteigerung (siehe Abb. 2). Auch die praktische Anwendung des Notfallsets muss in oben genannten Schulungen regelmäßig geübt werden [8, 10], um eine korrekte Handhabung im Akutfall zu ermöglichen.
Abb. 1
Anleitung zur Verabreichung der subkutanen Hydrocortison-Injektion bei (drohender) Addison-Krise
Abb. 2
Merkzettel für PatientInnen und medizinisches Fachpersonal zur Hydrocortison-Dosissteigerung
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An der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Medizinischen Universität Graz werden PatientInnen mit Nebenniereninsuffizienz seit März 2018 strukturiert mit einem Hydrocortison-Notfallset versorgt. Bei Ausgabe des Notfallsets werden PatientInnen und deren Angehörige vom behandelnden Endokrinologen sowie einer diplomierten Pflegeperson hinsichtlich der Anwendung geschult. Es erfolgt zusätzlich eine Aufklärung darüber, dass auch nach Verwendung des Notfallsets umgehend ärztliche Hilfe zur weiteren Therapie aufgesucht werden muss.
Insgesamt wurden bisher (Stand Juli 2019) über 80 Notfallsets an PatientInnen ausgegeben, die an einer primären oder sekundären Nebenniereninsuffizienz leiden und eine regelmäßige orale Glukokortikoidsubstitution benötigen. Soweit bekannt, verabreichten sich seitdem zumindest zwei dieser PatientInnen im Rahmen einer (drohenden) Addison-Krise selbstständig komplikationslos Hydrocortison, beide wurden anschließend in einer internistischen Notaufnahme weiterbehandelt und konnten das Krankenhaus beschwerdefrei wieder verlassen.
Das beiliegende Begleitblatt zur Glukokortikoid-Dosissteigerung und Behandlung einer (drohenden) Addison-Krise soll sowohl betroffenen PatientInnen als auch medizinischem Fachpersonal helfen, Situationen mit erhöhtem Glukokortikoidbedarf adäquat zu managen. Es basiert auf einer systematischen Literaturrecherche, welche nach internem Review der Autorenschaft dieses Manuskriptes erstellt wurde [3, 6, 11‐15]. Es kann Grundlage oder Ergänzung für die unabkömmlichen, regelmäßig notwendigen Schulungen sein, die PatientInnen mit primärer oder sekundärer Nebenniereninsuffizienz benötigen, mit dem Ziel, die Mortalität Betroffener zu senken.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Trummer, B. Ratz, M. Pandis, S. Pilz und V. Theiler-Schwetz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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