Warum hat die zielgerichtete Therapie bei AML bisher versagt?

Der Fortschritt in der Behandlung der therapieresistenten AML lässt noch zu wünschen übrig. Auf der DGHO-Jahrestagung erläuterte Lars Bullinger, Berlin, woran das liegen könnte und wie Forscher:innen versuchen, das Problem zu überwinden. National Cancer Institute/cancer.gov × „Es ist sehr übersichtlich, was wir derzeit als zielgerichtete Therapie bei akuter myeloischer Leukämie (AML) in der Klinik haben“, zeigte sich Prof. Lars Bullinger, Charité - Universitätsmedizin Berlin, ernüchtert. Das könnte seiner Ansicht nach an verschiedenen biologischen Hürden liegen. Zum einen wiesen AML-Stammzellen sehr ähnliche Oberflächenmarker auf wie gesunde hämatopoetischen Stammzellen (HSC), sodass das „therapeutische Fenster limitiert“ sei und ein Eliminieren der leukämischen Stammzellen auch große Auswirkungen auf die gesunde Hämatopoese habe. Gleichzeitig wiesen die genomischen Aberrationen in der AML auf altersabhängige Mechanismen der Leukämieentstehung hin. So verändere sich die Biologie der AML jenseits des 50. Lebensjahres stark mit vermehrtem Auftreten von Mutationen, die mit einem myelodysplastisches Syndrom (MDS) und Chemotherapieresistenz assoziiert seien. Ein weiterer Punkt, der die Behandlung der AML erschwere und der in den letzten Jahren immer intensiver erforscht würde, betonte Bullinger, sei das Tumormikro-Environment: „Die leukämischen Stammzellen verstecken sich ganz gut in der Knochenmarknische und schaffen ein Environment, das es dem Immunsystem extrem schwer macht, an sie hinzukommen.“ So würden leukämische Blasten u.a. Enzyme wie Arginase 2 sezernieren, die die Funktion von zytotoxischen T-Zellen hemmen, oder sie regulieren MHC-Moleküle herunter, um für das Immunsystem weniger sichtbar zu werden, zählte Bullinger auf. Was befindet sich in der Pipeline? „Bei der AML haben wir an zielgerichteter Therapie im Prinzip nur das gegen CD33 gerichtete Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Gemtuzumab-Ozogamicin (GO) plus klassischer Chemotherapie zur Krankheitskontrolle bei Patienten mit niedrigem bis intermediärem Risiko, zur Konsolidierung setzt man dann die allogene Stammzelltransplantation (HSCT) ein“, resümierte Bullinger die aktuellen DGHO-Leitlinie.1 Auf Basis der Daten der Phase-III-Studie ALFA-0701 wurde GO durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen für die Behandlung von bislang unbehandelter de novo CD33-positiver AML außer APL ab einem Alter von 15 Jahren, erläuterte Bullinger.2, 3 Geforscht würde derzeit an verschiedenen neuen Therapieansätzen – mit durchwachsenem Erfolgt, so Bullinger. So wurde unter anderem der Anti-CD47-Antikörper Magrolimab in Kombination mit Chemotherapie getestet, der das „do not eat me“-Signal aushebeln sollte, mit dem sich Krebszellen vor dem Zugriff der Makrophagen zu schützen versuchen. Nach ersten vielversprechenden Daten aus einer Phase-I/II-Studie4 ergab sich in der Phase III jedoch kein OS-Vorteil, sodass die Studie beendet wurde, erläuterte Bullinger. Ähnlich erging es dem TIM3-Inhibitor Sabatolimab. Auch hier ergab die Phase-III-Studie trotz positiver Daten aus früheren Studienprogrammen keinen OS-Vorteil. „Ich glaube, man muss sehr vorsichtig sein mit selektierten Patienten in frühen Phasen. Man muss besser verstehen, warum viele Patienten in früher Phase so gut angesprochen haben, um die Phase-III-Designs besser zu gestalten“, lautete Bullingers Einschätzung. In der Pipeline befinden sich derzeit auch mehrere CAR-T-Zell-Projekte,5 beispielweise CAR-T-Zellen gegen FLT3, CLL1 oder CD123. Der große therapeutische Durchbruch sei aber bislang noch nicht erreicht. „Myeloische Zellen reagieren einfach anders auf CAR-T-Zellen“, resümierte Bullinger, „da müssen wir neue Wege finden, um die Nische zu beeinflussen, wir brauchen ein besseres Verständnis der Biologie“. Referenzen: 1www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/akute-myeloische-leukaemie-aml/@@guideline/html/index.html 2Castaigne S et al.: Effect of gemtuzumab ozogamicin on survival of adult patients with de-novo acute myeloid leukaemia (ALFA-0701): a randomised, open-label, phase 3 study. Lancet 2012; 379(9825): 1508-16 3Lambert J et al.: Gemtuzumab ozogamicin for de novo acute myeloid leukemia: final efficacy and safety updates from the open-label, phase III ALFA-0701 trial. Haematologica 2019; 104(1): 113-19 4Daver NG et al.: Tolerability and Efficacy of the Anticluster of Differentiation 47 Antibody Magrolimab Combined With Azacitidine in Patients With Previously Untreated AML: Phase Ib Results. J Clin Oncol 2023; 41(31): 4893-904 5Restelli C et al.: Recent Advances in Immune-Based Therapies for Acute Myeloid Leukemia. Blood Cancer Discov 2024; 5(4): 234-48 Quelle: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie 2024, Basel, 11.10.-14.10.2024. AML Therapieresistenz; Vortrag 73: Warum hat zielgerichtete Immuntherapie bisher versagt?

Springer Medizin Österreich

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten