Be a Mensch! Der Musiker Willi Resetarits gründete nach dem Jugoslawienkrieg mit seinem Freund Sepp Stranig das Wiener Integrationshaus für traumatisierte Flüchtlinge.
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Aus Anlass des Todes von Willi Resetarits alias Ostbahn-Kurti, der nach einem Auftritt auf dem Flüchtlingsball zu Hause über die Treppe stürzte, bringen wir diesen Artikel zum Thema. Stürze sind bei alten Menschen nämlich ebenso häufig wie gefährlich. Deshalb ist es wichtig, mögliche Risiken zu erkennen und diese soweit wie möglich zu beseitigen.
„Die Daten zur Häufigkeit von Sturzereignissen sind alarmierend“, sagt die Altersmedizinerin Prof. Nathalie van der Velde. Jedes Jahr stürzen 30 Prozent aller > 65-Jährigen, 50 Prozent aller > 80-Jährigen und jeder Zweite, der in einer Langzeitpflegeeinrichtung lebt. 10 Prozent der Patienten erleiden Mehrfachstürze.
Laut Statistik Austria starben 2021 892 Menschen nach einem Sturz, 769 waren zum Zeitpunkt ihres Todes älter als 65 Jahre. Die Sturzprophylaxe ist somit eine wichtige Aufgabe für den Hausarzt. Ein Sturz muss nicht tödlich enden, er kann aber zu schweren Verletzungen führen: Blutungen bzw. Hämatomen (Gehirn), Frakturen (Oberschenkel, Oberarm, Schulter, Wirbelsäule), Gehirnerschütterung, Muskelquetschung mit konsekutivem Nierenversagen, Immobilisation, Thrombose und Lungenembolie. Die häufigsten sturz-assoziierten Todesursachen sind die Lungenembolie und die intrakranielle Blutung.
Darüber hinaus hat ein Sturz psychosoziale Folgen: Die Angst vor einem erneuten Sturz kann ein Vermeidungsverhalten induzieren, es kommt zum sozialen Rückzug und damit zum Verlust der funktionellen Kompetenzen. Welche Sturzarten gibt es?
- Synkopale Stürze durch Bewusstseinsstörungen.
- Extrinsische Stürze durch eine Krafteinwirkung von außen oder eine ungewöhnliche schwerpunktverlagernde Tätigkeit.
- Lokomotorische Stürze bei einer alltagsüblichen Tätigkeit bei einer Verschlechterung der Haltungskontrolle oder der Gehfähigkeit.
Die Sturzursachen sind multifaktoriell und folgende Risiken müssen beachtet werden:
- Muskuläre Leistungsminderung
- Störung von bzw. der Haltungskontrolle
- Visusverschlechterung
- Medikamente – Multimedikation
- (Starke) kognitive Beeinträchtigung.
Besonders gefährdet sind Patienten mit neurologischen, psychiatrischen, orthopädischen und HerzKreislauf-Erkrankungen. Zu den sturzbegünstigenden Medikamenten (Fall Risk Increasing Drugs = FRIDs) gehören unter anderem: Neuroleptika, Antidepressiva, Benzodiazepine, Opioide, Antikonvulsiva, Parkinsonmedikamente, Diuretika, Antihypertensiva (Orthostase), Abführmittel. Ohne Risikofaktor liegt das jährliche Sturzrisiko bei 8 Prozent, bei 4 und mehr Risikofaktoren steigt es auf 78 Prozent. Die Sturzprophylaxe beginnt mit allgemeinen Maßnahmen. Ziel dieser Bemühungen sollte es sein, ein möglichst sicheres Auftreten und eine sichere Umgebung zu schaffen. Dazu gehören:
- Übungen zum Erhalt der motorischen Funktionen
- Kraft- und Balance-Training
- Umgebungsanpassungen räumlicher und personeller Art
- Modifikation der Kleidung und Schuhe
- Hilfsmittel für die Fortbewegung und die optische bzw. akustische Wahrnehmung
- Signal- und Alarmtechniken
- Optimierung des sozialen Umfelds
- Anpassung der Medikation
So empfehlt es sich bei jedem Sprechstundenkontakt, alle Patienten über 65 Jahre gezielt nach Schwindel und Gangstörungen zu fragen. Die Frage nach Schlafstörungen darf nicht fehlen, denn nächtliche Schlafstörungen können zu einer Tagesschläfrigkeit führen, die dann mit einer schlechteren Koordination und einem erhöhten Sturzrisiko vergesellschaftet ist. Bei dem Sturz spricht nicht nur der Knochen, sondern auch das Selbstvertrauen.
Fazit für die Praxis
Patienten mit neurologischen, psychiatrischen, orthopädischen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind sturzgefährdet. Wichtig zu beachten: Es gibt sturzbegünstigende Medikamente. Patienten über 65 Jahre sollten gezielt nach Schwindel, Gang und Schlafstörungen befragt werden.
Originalbericht „Sturzprophylaxe: Eine wichtige Aufgabe für den Hausarzt“ ist erschienen in „MMW Fortschr Med.“ 2021; 163 (21-22), doi.org/10.1007/s15006-021-0580-6, © Springer Verlag