Die Zunge hat eine zentrale Aufgabe bei vielerlei Aufgaben. Stillen, angemessene Ernährung und altersgemäßer Gewichtsverlauf sind einige davon – und wichtige Anliegen in der Pädiatrie. Auch bei Problemen mit Essen, Aussprache, Schlucken oder Zahnstellung kann eine eingeschränkte Zungenbeweglichkeit durch ein zu kurzes Zungenband eine Rolle spielen. Die ausgeprägte Variante des zu kurzen Zungenbandes, das Frenulum linguae breve anterior (zu kurzes Zungenband mit Ansatz an der Zungenspitze), ist sichtbar und wird meist behandelt; seltener ist die posteriore Variante (zu kurzes Zungenband mit Ansatz hinter der Zungenspitze), bei der die Zungenspitze frei ist und keine Einkerbung zeigt. Die Auseinandersetzung mit der Anatomie der Strukturen in der Mundhöhle, mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Beurteilung der Funktion der Zunge und der Frenotomie als Behandlung sollen die Entscheidung zu einer geeigneten, individuellen Therapie ermöglichen. Bleibt ein zu kurzes Zungenband unerkannt, zeigen die Maßnahmen oft nicht die erwünschte Wirkung. Daher ist es essenziell zu erkennen, wann eine Behandlung sinnvoll ist, damit das Ergebnis – nämlich eine verbesserte Beweglichkeit der Zunge für die erforderlichen Funktionen – erreicht wird.
In dieser dreiteiligen Serie zum Thema zu kurzes Zungenband wird ein vertiefter Überblick über das Thema geschaffen, insbesondere über den Zusammenhang mit Stillen, Ernährung, Gewichtsverlauf, Sprache und Zahnstellung. Teil 1 (Pädiatrie und Pädologie 2023‑1) befasste sich mit der Beurteilung des zu kurzen Zungenbandes, mit Hinweis auf die Notwendigkeit eines multifaktoriellen Beurteilungskonzeptes, das Vor- und Nachsorge sowie die Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften und die Beschäftigung mit erstellten Fotos (und Videos) berücksichtigt. Teil 2, der in dieser Folge von Pädiatrie und Pädologie erscheint, behandelt die Behandlungsmethoden des zu kurzen Zungenbandes. Teil 3 wird sich mit den Problemfeldern bezüglich der Behandlungsmethoden bei zu kurzem Zungenband (und Lippenband) und in der Nachbehandlung des zu kurzen Zungenbandes befassen.
Die Schritte der Beurteilung, Indikationsstellung/Diagnose und Therapie sowie die Nachsorge werden evidenzbasiert besprochen, mit dem Ziel, dass die Betroffenen und deren Familien die benötigte Hilfe kompetent und zeitgerecht erhalten.
Hinweise
Der gesamte Artikel ist in der Ausgabe 01-2022 im März 2022 bei Laktation & Stillen erschienen, dem offiziellen Magazin der Europäischen Laktationsberaterinnen Allianz (ELACTA). In Laktation & Stillen erscheinen regelmäßig Artikel im Themenbereich Zungenband und Frenotomie. Über den Shop des Magazins kann ein Themenbündel aller bis April 2020 erschienenen Artikel für 25 € erworben werden: https://www.elacta-magazine.eu/shop/PDF-Sammlung-Orale-Restriktionen-8-PDFs-p223295885. Die komplette Ausgabe 1‑2022 mit dem Schwerpunkt „Zu kurzes Zungenband“ ist für 12 € ebenfalls über den Shop erhältlich: https://www.elacta-magazine.eu/shop/Einzelhefte-c56725589
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Seit einigen Jahren wird das Thema „zu kurzes Zungenband“ intensiv diskutiert. Folgender Artikel beschreibt und kommentiert in drei Teilen die verschiedenen veröffentlichten Beurteilungsmethoden mit Evaluationsbögen zur Diagnostik und die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten und Konzepte zur Nachsorge.
Wir, die Autorinnen, haben umfangreiche Erfahrung mit einem multifaktoriellen Beurteilungskonzept für das zu kurze Zungenband, Schnittfrenotomie von anterioren und posterioren zu kurzen Zungenbändern und mit einer an den Grenzen des Babys und den Möglichkeiten der Familie orientierten Nachsorge. Auch wenn dies unser vorrangiger Erfahrungshintergrund ist, geben wir einen Überblick über das gesamte Spektrum der derzeitigen Möglichkeiten und diskutieren die aktuell vorhandene Evidenz. Der Artikel bezieht sich auf das Alter von 0–6 Monaten, nicht auf das spätere Kleinkind- oder Kindesalter.
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Infobox
Wir beschäftigen uns in drei Teilen mit dem Thema „zu kurzes Zungenband“. Der erste Teil erschien in Pädiatrie & Pädologie, Heft 01/23, die nächsten Teile werden in dieser und der nächsten Ausgabe erscheinen:
Teil 1 – Beurteilung des zu kurzen Zungenbandes
Teil 2 – Behandlungsmethoden des zu kurzen Zungenbandes
Teil 3 – Problemfelder bzgl. Behandlungsmethoden bei zu kurzem Zungenband, Lippenband, Nachbehandlung des zu kurzen Zungenbandes
Teil 2: Behandlungsmethoden des zu kurzen Zungenbandes
Es gibt unterschiedliche Behandlungsmethoden für das zu kurze Zungenband und auch kontroverse Standpunkte bezüglich Schnitt- und Laserfrenotomie. Unabhängig davon gelten zwei Punkte für alle Behandlungsmethoden. Es gibt Übereinstimmung darin, dass die Erfahrung und Kompetenz des Behandlers/der Behandlerin wichtiger sind als die gewählte Methode [1, S. 63, 2, S. 99, 3, S. 348].
Aus unserer Warte und von vielen Autoren [2, 4‐9] bestätigt ist die Kombination von Behandlung und Stillberatung vorrangig und unverzichtbar.
Beschreibung der Behandlungsmethoden
Folgende Behandlungsmethoden werden derzeit angewandt:
Schnittfrenotomie
Ohne oder mit Lokalanästhesie
Ohne Naht
Laserfrenotomie
Lokalanästhesie mit Gel oder Injektion
Ohne Naht
Verschiedene Lasergeräte
Operation
Vollnarkose
Schnitt mit Naht (z. B. Z‑Plastik)
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Seltener kommen auch Kombinationen vor, z. B. Schnitt ohne Naht mit Inhalationsnarkose oder Operation mit Lokalanästhesie mit Naht.
Im Folgenden beschreiben wir die Behandlung (Dauer, Setting, die benötigten Hilfsmittel, Schmerzen, Kosten, Narbenbildung, Auswirkungen), gefolgt von einer vergleichenden Diskussion. Die anschließenden Abschnitte behandeln Lippenbandbehandlung und die Nachsorge.
Ohne Frenotomie
Auch bei einer eindeutig eingeschränkten Zungenbeweglichkeit kann es vorkommen, dass keine Frenotomie durchgeführt wird, weil es keine Behandlungsmöglichkeit in erreichbarer Entfernung gibt, weil die Eltern die Kosten für eine Behandlungsmöglichkeit in der Nähe nicht aufbringen können oder sich die Eltern gegen eine Frenotomie entscheiden.
In manchen dieser Situationen kann das Stillen durch großen Einsatz der Mutter und der Familie mit Integration von sehr häufigen Stillmahlzeiten in den Alltag (> 12-mal/Tag), sorgfältiges, oft asymmetrisches Anlegen, zurückgelehntes Stillen [2, S. 105 ff], zusätzliches Pumpen, evtl. Zufütterung an der Brust mit Brusternährungsset (Hilfsmittel zur Zufütterung an der Brust während des Stillens; [10]), Massage im Mundbereich und Körpertherapien wie Kraniosakraltherapie oder Osteopathie länger erhalten bleiben. Die Familie lernt, das Zungenband als Puzzlestein vom Gesamtbild zu begreifen und alle Möglichkeiten außer Frenotomie auszuschöpfen, sozusagen mit der nicht idealen Situation zu leben.
In diesen Fällen ist es wichtig, eine angemessene Gewichtszunahme laufend zu überprüfen, um spätere Probleme zu vermeiden, auch beim Übergang auf feste Kost. Ein Gewichtsverlauf, der längerfristig unter der dritten Perzentile (P3) liegt, darf nicht akzeptiert werden, auch wenn dies Abstillen bedeuten würde. Die Familie benötigt die Information, welche Auswirkungen eine eingeschränkte Zungenbeweglichkeit später haben könnte, mit dem Hinweis, sich ggf. selbst aktiv um eine erneute Beurteilung zu kümmern.
Falls ein zu kurzes Zungenband nicht behandelt wird, können unter Umständen später die hier genannten Folgen beobachtet werden (aber nicht alle dieser möglichen Langzeitfolgen bei einem einzelnen Kind): Flaschenfütterung gepumpter Muttermilch über viele Monate, vorzeitiges Abstillen wegen zu wenig Milch und/oder Schmerzen beim Stillen, Zunahme der Zufütterungsmenge mit der Zeit, eine belastete Mutter-Kind-Beziehung, Gedeihstörung, Essstörung, Karies, Schnarchen, Zahnfehlstellungen, Sprachprobleme, Probleme mit der Aussprache und weitere Probleme, sehr selten obstruktive Schlafapnoe oder Sondenernährung [11‐13].
Schnittfrenotomie anteriorer zu kurzer Zungenbänder
Die anatomische Beschreibung von anterioren Zungenbändern ist, dass der Ansatz der Vorderkante der Zungenbandmembran an der Zungenspitze liegt (Abb. 1). Sie werden von vielen Fachkräften an der herzförmigen Zungenspitze und der gut sichtbaren Vorderkante der aufgespannten Zungenbandmembran leicht erkannt. Sie sind offensichtlich, die Einschränkung der Beweglichkeit der Zunge ist leicht erkennbar. Entsprechend werden diese häufig und in vielen Entbindungskliniken oder in der pädiatrischen Praxis bald nach der Geburt oder etwas später durchtrennt. Die Academy of Breastfeeding Medicine nennt diese „klassische Zungenbänder“ und empfiehlt deren Durchtrennung, falls konservative Maßnahmen nicht ausreichend waren [7, S. 279].
Das Vorgehen ist je nach Behandler:in unterschiedlich, durch Aufspannen mit dem Finger oder mit einem Zungenbandspatel, mit Schere oder Skalpell, der Schnitt kann wenige Millimeter in die Vorderkante der aufgespannten Zungenbandmembran oder in voller Länge bis zur Spitze des Zungenbandspatels erfolgen.
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Schnittfrenotomie posteriorer zu kurzer Zungenbänder
Die rein anatomische Beschreibung des posterioren Zungenbandes sagt nichts über die Funktion aus, die über die Behandlungsbedürftigkeit entscheidet:
Die Vorderkante der Zungenbandmembran reicht bei einem posterioren Zungenband nicht bis zur Zungenspitze; der Ansatz der Zungenbandmembran an der Zungenunterseite erreicht die Zungenspitze nicht (Abb. 2). Ein posteriores Zungenband kann sichtbar oder unsichtbar sein. Die sichtbare Variante ist beim Weinen als aufgespannte Membran klar zu erkennen (Abb. 8), die nicht sichtbare Variante ist beim Weinen nicht sichtbar und wird erst durch Aufspannen erkennbar (Abb. 9).
Dass anteriore und posteriore Zungenbänder in der sichtbaren und unsichtbaren Variante existieren, ist eine anatomische Tatsache (Abb. 1, 2 und 3). Behandler:innen stellen je nach ihrem Beurteilungskonzept die Diagnose, ob und wann ein posteriores Zungenband „zu kurz“ und behandlungsbedürftig ist.
Im Folgenden stellen wir unser Vorgehen vor, das inzwischen im deutschsprachigen Raum viele übernommen haben.
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Wichtige Elemente einer sorgfältigen Schnittfrenotomie eines posterioren zu kurzen Zungenbandes sind Stillberatung, unterstützende Atmosphäre, ausführliches Elterngespräch. Die Eltern können beim Eingriff dabei sein, Stillen vorher und nachher ist erwünscht und wird ermöglicht. Kopf und Kinn werden für den Schutz und die Qualität des Schnitts leicht überstreckt gehalten, das Aufspannen erfolgt symmetrisch mit dem Zungenbandspatel, nicht mit dem Finger. Entscheidend ist das klare Aufspannen, der Zungenbandspatel wird so tief wie möglich eingeführt, die Spitze drückt gegen den Genioglossus (Zungenmuskel). Die Durchtrennung erfolgt über die gesamte Länge der aufgespannten Membran mit einem einzigen Schnitt, ggf. bis zum Genioglossus, aber nicht in den Muskel.
Im Alter zwischen 0 und 6 Monaten erfolgt ein einziger Schnitt, damit ist der eventuelle Schmerz einmalig und sehr kurz. Ein zweiter Schnitt ist extrem selten erforderlich. Die meisten Behandler:innen frenotomieren von kaudal (Abb. 4), das heißt mit Blick in das Gesicht des Babys, es ist aber auch möglich, von kranial zu frenotomieren, das heißt hinter dem Kopf des liegenden Babys stehend.
Zur Schmerztherapie ist Muttermilch und Stillen vorher und nachher am effektivsten. Der eventuell schmerzhafte Teil des Eingriffs dauert ein bis zwei Sekunden, vergleichbar mit einem versehentlichen Biss innerhalb der Mundhöhle in die Wange oder mit einer Impfung oder Blutabnahme. Die entstehende Wunde ist rautenförmig. Die Wundheilung ist primär, das heißt ohne sekundäre Entzündung; Narbenbildung wurde nie beobachtet. Anschließend werden Stillberatung und Übungen zur Beweglichkeit der Zunge empfohlen, dabei die Grenzen des Babys beachtet, und es findet ein Informationsaustausch zwischen Behandler:in und zuweisender Fachkraft statt.
Frenotomie mit Inhalationsnarkose
Behandler:innen, die in einem Setting mit dem Angebot von Vollnarkose arbeiten, führen manchmal Frenotomien in Kurznarkose mit Inhalationsnarkose mit Schnitt oder Laser durch. Vor dem Eingriff darf das Baby mindestens eine Stunde lang, manchmal mehrere Stunden, nicht gestillt werden. Dabei wird die Zunge an der Zungenspitze hochgezogen oder mit einem Spatel angehoben. Aufspannen der Zunge ist nicht möglich, da sie in Narkose schlaff ist. Die Frenotomie erfolgt mittels Schnitt oder Laser. Manche führen auch nach dem Schnitt eine Wundversorgung mit Laser durch. Stillen ist möglich, nachdem das Baby aus der Narkose erwacht ist.
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Schnittfrenotomie mit Naht und Lokalanästhesie oder Vollnarkose
Andere führen eine Frenotomie durch und verschließen die Wunde grundsätzlich mit einer Naht. Dies wird in Lokalanästhesie nach Injektion oder in Vollnarkose durchgeführt. In der Regel wird diese Methode nicht im Alter von 0–6 Monaten angewandt, sondern bei älteren Kindern oder Erwachsenen.
Laserfrenotomie mit Lokalanästhesie
Vor einer Laserfrenotomie finden Stillberatung, Aufklärung der Eltern und Diagnostik statt. Die meisten Laserfrenotomien werden mit Lokalanästhesie durch Auftragen eines Lokalanästhetikums oder durch Spritze durchgeführt. Schutzbrillen für das Baby und alle im Raum Anwesenden sind notwendig. Das Baby wird gebündelt und gehalten, die Zunge mit einem Zungenbandspatel oder dem Finger aufgespannt. Verschiedene Lasergeräte kommen zum Einsatz, die unterschiedlich und mit oder ohne Kontakt arbeiten. Bei CO2-Lasern führt der Behandler/die Behandlerin die Laserspitze ohne Kontakt über das Gewebe, das auf 100 °C erhitzt wird. Das Gewebe wird kontinuierlich ohne Blutung von außen nach innen abgetragen. Den schmerzhaften Teil des Eingriffs selbst spürt das Baby ggf. bei der Injektion des Lokalanästhetikums und dann während der Trennung durch die Laserspitze. Falls das Lippenband auch durchtrennt wird (siehe unten), dauert der schmerzhafte Teil des Eingriffs entsprechend länger.
Diskussion der Behandlungsmethoden
Für alle Behandlungsmethoden ist die Einbettung in die Stillberatung vorrangig. Die Academy of Breastfeeding Medicine betont die Notwendigkeit der sorgfältigen Stillevaluation, Stillberatung und die Berücksichtigung von Differenzialdiagnosen [7, S. 279, 9]. Probleme wie mangelnde Gewichtszunahme, zu wenig Milch, große Mengen von Zufütterung, Schmerzen usw. werden allein durch Frenotomie nicht gelöst und erfordern eine Verbindung mit Stillberatung in den Tagen und Wochen vor und nach dem Eingriff. Unabhängig von der gewählten Methode gibt es große Unterschiede bei den Behandler:innen, ob die Frenotomie mit oder ohne Stillberatung vorher und nachher stattfindet. Bei nichtgestillten Babys ist ggf. individuelle Beratung zum Füttern mit der Flasche bzgl. Halten des Kindes beim Füttern, Häufigkeit und Gewichtsverlauf erforderlich.
Tendenziell werden bei der Laserfrenotomie höhere Erwartungen als bei der Schnittfrenotomie geweckt, der kurze Eingriff löse die Probleme. Wegen der komplexen Situation kann das leicht zu Enttäuschung führen. Sinnvoll ist die realistische Information für Eltern, dass eine Frenotomie lediglich ein Teil ist und zusammen mit den anderen Maßnahmen zur Verbesserung beitragen kann.
Bei jeder Behandlungsmethode mit Narkose ist die Anästhesie eine Belastung für das Kind und in der Regel nicht sinnvoll, da es Alternativen gibt. Unabhängig davon ist ein weiterer großer Nachteil einer Narkose, dass die Zunge während der Behandlung schlaff ist und es sehr schwierig ist, sie dem Aufspannen ähnlich anzuheben. Diese Wirkung wird verstärkt, wenn die schlaffe Zunge mit einer Pinzette an der Spitze hochgezogen wird. Trotzdem ist in seltenen Fällen eine Frenotomie in Narkose sinnvoll, beispielsweise, wenn das Baby für einen anderen Eingriff eine Narkose benötigt oder wenn emotional-soziale Gründe dafürsprechen. In diesen Fällen ist es wichtig, dass der Behandler/die Behandlerin Erfahrung in Frenotomie ohne Narkose hat, die Zunge vor der Narkose gesehen hat, sie mit einem Zungenbandspatel anhebt und der Wunde ohne Naht und ohne Versorgung mit Laser eine primäre Heilung ermöglicht, die dazu führt, dass das Gewebe nach der Heilung weich und elastisch ist und Narbenbildung vermieden wird.
Qualität der Durchtrennung
Die Erfahrung und Kompetenz des Behandlers/der Behandlerin, zu wissen was und wie es gemacht wird, sind das Wichtigste und wichtiger als die gewählte Methode.
Darin sind sich Behandler:innen unterschiedlicher Richtungen einig [2, S. 269 ff., 14, S. 127]. „Eine gute Schnittfrenotomie kann zu einem besseren Ergebnis führen als eine mittelmäßige Laserfrenotomie“ [1, S. 63].
Ghaheri berichtet, er habe früher Schnittfrenotomien durchgeführt und später wurde der CO2-Laser sein bevorzugtes Werkzeug, und er beobachtete während der Übergangszeit keine Änderung des Erfolges. Er betont, dass die Technik und der tiefe Schnitt der Schlüssel für den Erfolg sind [15, S. 1223].
Bei Schnittfrenotomien wird je nach Behandler die Zunge unterschiedlich angehoben (mit einem oder zwei Fingern, mit einem Zungenbandspatel) und unterschiedlich tief geschnitten. Durch Aufspannen mit einem Zungenbandspatel lässt sich die Zunge weiter anheben als mit dem Finger und somit tiefer bis kurz vor dem Genioglossus schneiden. Ein Teil der Behandler:innen durchtrennt grundsätzlich nur anteriore zu kurze Zungenbänder und verweist bei posterioren Zungenbändern auf andere Behandler:innen. Aus unserer Sicht ist das ein klares und angemessenes Vorgehen. Manchmal wird das anteriore zu kurze Zungenband nur an der Vorderkante angeschnitten, andere spannen auch bei einem anterioren zu kurzen Zungenband die ganze Membran auf und schneiden so tief wie möglich.
Eine wachsende Gruppe von Behandler:innen (insbesondere in Österreich) führt eine Schnittfrenotomie auch bei einem posterioren (auch nicht sichtbaren) zu kurzen Zungenband durch und hebt die Zunge mit dem Zungenbandspatel so weit wie möglich an. Bei entsprechender (und wachsender) Erfahrung ist mit einem einzigen Schnitt eine Durchtrennung von Schleimhaut und Faszie möglich, ohne den Genioglossus zu berühren. Die in der Situation maximal mögliche zusätzliche Beweglichkeit wird erreicht, und es entsteht eine klare rautenförmige Wunde (Abb. 5, 6, 7 und 8).
Laserbehandler:innen durchtrennen bei entsprechender Erfahrung und Kompetenz in 10–20 s Schleimhaut und Faszie, ohne den Genioglossus zu berühren, und erreichen die in der Situation maximal mögliche zusätzliche Beweglichkeit. Die Wunde ist rautenförmig.
„Vollständige“ Durchtrennung und mehrfache Frenotomien
Wenn bei einer Schnittfrenotomie beim Aufspannen mit Spatel so tief wie fast die gesamte Spatellänge geschnitten wird, wird die zum Zeitpunkt des Eingriffs maximal mögliche zusätzliche Beweglichkeit erreicht.
Wenn jedoch mit dem Finger aufgespannt wird oder mit Spatel nicht so tief geschnitten wird, wird diese maximal mögliche Beweglichkeit nicht erreicht. Vermutlich wegen des Vergleichs mit einer nichttiefen Schnittfrenotomie wird von Laserbehandler:innen immer wieder die vollständige Trennung als Vorteil der Laserfrenotomie genannt [1, S. 58, 14, S. 127, 16‐18]. Wie tief durchtrennt werden kann, ist jedoch beim Vergleich zwischen tiefer Schnittfrenotomie und Laserfrenotomie gleich (Abb. 7 und 8) und wird von der Anatomie bestimmt.
Wie lang die Unterseite des Zungenblattes ist, das heißt, wie tief nach hinten unter dem Zungenblatt Platz ist, sprich, wie tief die Bucht des Zungenmuskels ist, variiert sehr stark, erfahrungsgemäß zwischen ungefähr 5 und 20 mm (Abb. 9).
Wie viel Aufspannen möglich ist und damit wie tief durchtrennt werden kann, hängt damit von der Anatomie ab und ist für Schnittfrenotomie und Laserfrenotomie gleich. Nach dem Verheilen der Wunde lässt sich erneut das Zungenband aufspannen. Wenn wegen einer zu Beginn sehr engen Anatomie zwei (oder sehr selten drei) Frenotomien erforderlich sind, ist die Vorderkante der aufgespannten Membran nach Verheilen der ersten Frenotomie weiter posterior als vor der Frenotomie (Abb. 10). Dies bewirkt die zusätzliche Beweglichkeit.
Wiederholte Frenotomien kommen sowohl bei Schnitt- als auch Laserfrenotomien vor. Das Fallbeispiel eines Erwachsenen von Garrocho-Rangel zeigt, dass auch nach Verheilen der Wunde nach Laserfrenotomie das Zungenband aufgespannt werden kann, aber weiter posterior liegt ([16]; Abb. 11 und 12).
Abb. 11
Fallbeispiel von Garrocho-Rangel 2019 [16]. a, bvor Laserfrenotomie, der Ansatz des Zungenbandes ist nah an Zungenspitze (die gestrichelteLinie ist der Abstand). (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autoren)
Abb. 12
Fallbeispiel von Garrocho-Rangel 2019 [16], 6 Monate nach Laserfrenotomie, der Ansatz des aufgespannten Zungenbandes an der Zungenunterseite ist deutlich weiter von der Zungenspitze entfernt (die gestrichelteLinie ist der Abstand) und liegt stärker posterior, die Beweglichkeit hat zugenommen. (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autoren)
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Manchmal schränkt also nicht nur die Zungenbandmembran die Beweglichkeit ein, sondern die Bucht des Zungenmuskels kann tiefer oder weniger tief sein. In diesen Fällen kann es begrenzt sein, welche zusätzliche Beweglichkeit mit einer Frenotomie erreicht werden kann. Manchmal ist in diesen Fällen eine Wiederholung der Frenotomie erforderlich.
Zusammenfassung und Vorschau
In Teil 1 und 2 dieses Artikels wurden die Beurteilung und die Behandlungsmethoden des zu kurzen Zungenbandes besprochen. In Teil 3 in der nächsten Ausgabe folgt die Besprechung der Problemfelder bzgl. Behandlungsmethoden beim zu kurzen Zungenband. Weitere Themen sind Lippenband und Nachbehandlung des zu kurzen Zungenbandes.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Guóth-Gumberger und D. Karall geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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