Zielstrebig für die Berufsgruppe

Die Österreichische Apothekerkammer feiert heuer ihr 75-Jahr-Jubiläum. Daher steht auch der diesjährige APOkongress & APOtag im Juni in Wien ganz in diesem Zeichen. Apothekerkammerpräsidentin Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr zieht eine Bilanz des Erfolgs. Das Präsidium der Österreichischen Apothekerkammer mit Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr im Zentrum. ÖAK × Apotheker Plus: Was sind die wichtigsten Errungenschaften der Apothekerkammer im Verlauf ihres Bestehens und der vergangenen fünf Jahre? Mursch-Edlmayr: Im Jahr 1947, unmittelbar vor der Schaffung der Apothekerkammer, gab es nur etwa 660 Apotheken in ganz Österreich. Heute versorgen 1.415 öffentliche Apotheken die Bevölkerung wohnortnah mit Arzneimitteln. Auch die Zahl der Anstaltsapotheken hat sich von 22 auf 42 nahezu verdoppelt. Und während 1947 nur rund 800 Apothekerinnen und Apotheker in den Apotheken angestellt waren, finden heute fast 5.000 Pharmazeutinnen und Pharmazeuten hochwertige und leistungsgerecht bezahlte Arbeit in den österreichischen Apotheken. Ohne eine starke und engagierte Berufsvertretung, die sich beharrlich für die Schaffung der nötigen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eingesetzt hat, wäre der Aufbau dieses flächendeckenden Apothekennetzes zum Wohle der Bevölkerung nicht möglich gewesen. Die Apothekerkammer ist heute neben einer modernen Interessensvertretung auch eine breit aufgestellte Servicestelle, die ihre Mitglieder mit einem umfangreichen Dienstleistungs- und Beratungsangebot unterstützt. Als Beispiele für das zielstrebige Wirken der Apothekerkammer in jüngerer Vergangenheit sind u.a. der erfolgreiche Einsatz für die Bestätigung des Apothekenvorbehaltes für Arzneimittel durch den Verfassungsgerichtshof, die effektive Koordinierung der von Apotheken erbrachten Leistungen während der Pandemie, die Realisierung des zukunftsweisenden Pilotprojektes Medikationsanalyse und die Etablierung einer Qualitätsoffensive in Form systematischer Ringversuche durch das Apothekerlabor zu nennen. Apotheker Plus: Wie hat sich die Aufgabe der Arzneimittelberatung durch den Apotheker im Bewusstsein von Öffentlichkeit und Verantwortlichen des Gesundheitssystems entwickelt? Mursch-Edlmayr: Die Arzneimittelberatung war und ist eine der zentralen Tätigkeiten der Apothekerschaft. Diese Beratung ist über die Jahre immer komplexer geworden. Dahinter steht die Vielzahl von Medikamenten ebenso wie das immer breiter werdende Wissen über etwaige Neben- und Wechselwirkungen. Zuletzt waren es die COVID-19-Pandemie und die Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln, die den Stellenwert der apothekerlichen Beratung immens erhöht hat. Apotheker Plus: Welche Funktionen kennzeichnen die Tätigkeit des Apothekers heute – in der öffentlichen und in der Krankenhausapotheke? Mursch-Edlmayr: Apothekerinnen und Apotheker versorgen die Menschen mit Arzneimitteln. Ihre konkrete Aufgabe und ihr Kompetenzbereich sind Medikamente und Heilmittel, ihre Zusammensetzung, Wirkungsweise, ihre Herstellung, Lagerung und Zubereitung und vor allem die Beratung der Kundinnen und Kunden über die richtige Anwendung. Darüber hinaus bieten sie zahlreiche gesundheitsbezogene Dienstleistungen an, wie etwa Screenings auf verschiedene Risikofaktoren für Erkrankungen. Apotheker Plus: Welchen Stellenwert hat der Krankenhausapotheker in der Medikationsberatung heute im Team aber auch als Dienstleister im ambulanten Bereich für externe Patienten und auch Ärzte? Mursch-Edlmayr: Krankenhausapothekerinnen und -apotheker kümmern sich um die Beschaffung, Herstellung, Prüfung, Lagerung und Verteilung von Arzneimitteln im Spital inklusive der wichtigen Vorratssicherung für Not- und Krisenfälle. Sie sorgen für Arzneimitteltherapiesicherheit durch die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams, die gemeinsam einen verantwortungsvollen Umgang mit Arzneimitteln in allen erdenklichen Situationen gewährleisten. Krankenhausapotheken kommt, ebenso wie den öffentlichen Apotheken, eine besonders wichtige Rolle zu: Sie garantieren die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln. Das ist besonders in Krisenzeiten von elementarer Wichtigkeit. Apotheker Plus: Eine der ursprünglichen Tätigkeiten des Apothekers waren die magistralen Zubereitungen – gibt es Phasen, wann diese Tätigkeit einen größeren Anteil und wann sie weniger häufig durchgeführt wurde und in welcher Phase befinden wir uns derzeit? Mursch-Edlmayr: Als einzige Berufsgruppe besitzt die Apothekerschaft das Wissen und die Erfahrung, Arzneimittel selbst herzustellen. Pro Jahr werden in öffentlichen Apotheken knapp drei Millionen Arzneimittel individuell hergestellt. Diese Zahl ist über die Jahre relativ konstant geblieben. Diese besondere apothekerliche Leistung bildet seit Jahrzehnten eine wichtige Versorgungssäule des österreichischen Gesundheitssystems. In Zeiten zunehmender Lieferschwierigkeiten könnten diese Einzelanfertigungen aus den Apotheken helfen, den Medikamentenmangel partiell abzufedern. Der individuelle ‚Nachbau‘ eines Arzneimittels kommt nicht nur bei Kinder-Antibiotikasäften, sondern auch bei Medikamenten für Erwachsene zum Einsatz, sofern die benötigten Rohstoffe in Österreich zur Verfügung stehen. Apotheker Plus: Welche neuen Versorgungsmodelle und Aufgabenbereiche sind für österreichische Apotheken in nächster Zeit vorstellbar? Gibt es internationale Beispiele, die auch in Österreich umsetzbar wären? Mursch-Edlmayr: Es gibt zahlreiche neue Leistungen, die Apotheken künftig anbieten möchten, um die regionale Versorgung der Bevölkerung zu optimieren, wie zum Beispiel persönliche Gesundheits-Screenings, Impfungen oder telemedizinische Services. Jeden Tag besuchen bis zu 500.000 Personen eine Apotheke als Ort des Vertrauens und der Expertise. Das ergibt ein enormes, aber in einigen Bereichen noch ungenutztes Potenzial, um die Versorgung zu verbessern und das österreichische Gesundheitssystem zu stärken. Apotheker Plus: Ein Tagungspunkt ist auch das Miteinander der Gesundheitsberufe – wo stehen wir derzeit? Mursch-Edlmayr: Für die Angehörigen der Gesundheitsberufe steht die patientenorientierte gesundheitliche Versorgung der Menschen im Zentrum ihrer Tätigkeit. Eine gute Zusammenarbeit sorgt nicht nur für bessere Therapieerfolge bei den Patientinnen und Patienten, sondern auch für eine höhere berufliche Zufriedenheit der Berufsangehörigen und die Senkung der Gesundheitskosten für die öffentliche Hand. Der Beruf der Apothekerinnen und Apotheker ist naturgemäß mit jenem der Ärztinnen und Ärzte eng verwoben. Beim Thema Arzneimittel profitieren Patientinnen und Patienten von der Bündelung des vorhandenen Fachwissens der Gesundheitsberufe besonders stark. In der Apotheke überprüft die Apothekerin bzw. der Apotheker das ärztliche Rezept auf Plausibilität und Vollständigkeit und informiert die Patientin bzw. den Patienten über die richtige Einnahme und Dosierung sowie über etwaige unerwünschte Wechsel- und Nebenwirkungen der verordneten Präparate. Durch dieses seit Jahrhunderten bewährte Vier-Augen- Prinzip helfen die Apothekerinnen und Apotheker, Fehler zu vermeiden und die richtige und sichere Anwendung von verordneten Arzneimitteln sicherzustellen. Darüber hinaus interagieren Apothekerinnen und Apotheker und Ärztinnen und Ärzte auch direkt miteinander: etwa im Falle von Arzneimittel-Lieferengpässen. Wenn ein Arzneimittel gerade nicht verfügbar ist, nimmt die Apothekerin bzw. der Apotheker mit dem Arzt bzw. der Ärztin telefonisch Kontakt auf, sodass ein anderes, wirkstoffgleiches oder -ähnliches Medikament abgegeben werden kann. Dies ist nur ein Beispiel für die gute Kooperation zwischen den beiden Berufsgruppen. Apotheker Plus: Zwei ganz aktuelle Themen, die die Apotheken stark betreffen, sind Klimawandel und Umweltschutz und Möglichkeiten der Apotheker hier einen Beitrag zu leisten ...? Mursch-Edlmayr: Die Apothekerkammer spricht sich klar für das Zusammendenken von Umwelt, Klima und Gesundheit sowie für die Bündelung von Expertise aus Wissenschaft, Politik und Praxis aus. Denn Umwelt- und Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz. Beispielsweise gefährdet das dramatische Artensterben die Entwicklung neuer Arzneiwirkstoffe, und die Zunahme von Extremwettererscheinungen durch die Klimaerwärmung bringt vor allem für ältere und vulnerable Menschen erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich. Die Apothekerkammer beteiligt sich darum unter anderem an dem neuen Pilotprojekt des Kompetenzzentrums Klima und Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH, das Gesundheitseinrichtungen in ganz Österreich auf ihrem Weg zur Klimaneutralität unterstützt. Aber auch andere Bereiche wie die Förderung umweltfreundlicher Verpackungen und die Reduktion von Abfällen sind relevante Themen für uns. Die grüne Apotheke soll schon bald Realität werden. Darum wird sich auch der APOkongress 2024 in Pörtschach komplett dem Themenkomplex Umweltmedizin und Klimaschutz im Apothekenkontext widmen.

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