Beim urogenitalen Menopausensyndrom („genitourinary syndrome of menopause“ [GSM]) handelt es sich um ein häufiges Problem, welches die Lebensqualität der postmenopausalen Frauen deutlich verschlechtert. Es ist entscheidend, dass man das kleine Becken dabei als Ganzheit sieht, um die mit dem Syndrom einhergehenden Symptome effektiv und multimodal behandeln zu können. Jeder Arzt sollte Frauen rechtzeitig über das Syndrom aufklären und frühzeitig mit einer Behandlung anfangen. Bei allen Formen des GSM ist die erste Therapie der Wahl die lokale Östrogenisierung (2 ×/Woche). Wichtig ist zu beachten, dass eine systemische Anwendung zu einer Beschwerdezunahme führen kann. Weitere konservative Therapieoptionen sind Beckenbodentraining mit Biofeedback und die Anwendung von Pessaren. Bei der Pulsationszystozele besteht ein zentraler Fasziendefekt, der durch eine vordere Kolporrhaphie behoben werden kann. Tension-free-vaginal-tape(TVT)-Einlagen, ob transobturatorisch oder retrosymphysär, sind der Goldstandard bei den Inkontinenzoperationen und zeigen hohe Kontinenzraten. Bei der überaktiven Blase (OAB) gilt eine Stufentherapie. Wenn die verschiedenen medikamentösen Optionen keine Linderung verschaffen, kann Botulinumtoxin A („off label“) injiziert werden. Bei fortbestehenden Beschwerden kann die Einlage eines Blasenschrittmachers erwogen werden.
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Vaginale Symptome in der Menopause sind nicht zu vernachlässigen, mit einer Prävalenz von 13 bis 87 % in der Literatur [11, 15]. Etwa 45 % der postmenopausalen Frauen berichten über Blasenbeschwerden [12].
Das urogenitale Menopausensyndrom (engl. „genitourinary syndrome of menopause“ [GSM]) umfasst drei Hauptsymptome:
Vaginale Atrophie (VA; Abb. 1) mit Symptomen wie vaginaler Trockenheit, Irritationen, Brennen, vermehrtem Ausfluss und postkoitalem Spotting
Sexuelle Dysfunktion, welche sich durch Dyspareunie und Libidoverlust äußert
Störungen des unteren Harntrakts umfassen rezidivierende Harnwegsinfektionen, Harninkontinenz (Belastungsinkontinenz, überaktive Blase [OAB]) sowie das Tiefertreten der Blase, des Darms und des Uterus im Sinne eines Organprolapses ggf. der Scheide im Zustand nach Hysterektomie [8, 13]. Die Prävalenz des Descensus genitalis bei Frauen von 50 bis 79 Jahren liegt bei bis zu 41 %. Bei der Zysto- und Rektozele handelt es sich um häufige Krankheitsbilder, bei denen eine genaue Prävalenz aufgrund der verschiedenen Schweregrade schwer zu erheben ist. Jedoch kommt die Zystozele häufiger vor. Die Belastungsharninkontinenz ist mit 30–40 % die häufigste Inkontinenzform der Frau. Die OAB ist mit ca. 20 % die zweithäufigste Form [4, 5, 7, 16].
Diese Problematik hat eine deutlich negative Auswirkung auf die Lebensqualität der Betroffenen. Ursächlich ist neben Geburten, der Geburtenzahl, Adipositas und genetischer Prädisposition postmenopausal der anhaltende Östrogenmangel, der degenerative Veränderungen an den Epithelien und Bindegewebsstrukturen verursacht. Die Durchblutung nimmt ab, der Scheiden-pH steigt, das Gewebe speichert weniger Wasser und die endokrinen Stimulationsmechanismen verschlechtern sich [7].
Diagnose
Wichtig in der Diagnostik ist eine ausführliche Anamnese, da die GSM-Symptome oft als Teil des Alterns hingenommen und aus Scham nicht angesprochen werden [9]. Eine gynäkologische Untersuchung inklusive eines abdominalen, vaginalen sowie perinealen Ultraschalls und die Abklärung des Urins zum Ausschluss anderer Pathologien wie chronischer Infektionen sind zwingend erforderlich, um unter anderem bösartige Veränderungen auszuschließen. Postmenopausal zeigt sich das Vaginalepithel glatt, dünn und trocken, die vaginalen Falten sind meist verstrichen, und es können Petechien oder Rugae auftreten [7, 12].
Therapie
Beim therapeutischen Vorgehen liegt die erste Wahl bei den konservativen Maßnahmen. Eine der wichtigsten Optionen zur Behandlung der atrophischen Veränderungen ist die hormonelle Therapie. Eine systemische Östrogenisierung zeigt keinen Vorteil für den Beckenboden. Einige Studien zeigten sogar einen negativen Effekt bei systemischer Östrogenisierung. Auch bei einer systemischen kombinierten HRT konnten Verschlechterungen der Symptome gezeigt werden, wenn auch in geringerem Ausmaß. Daher sollte eine vaginale Östrogenisierung konsequent lokal 2 ×/Woche angewendet werden [4, 5].
Studien zeigen, dass unter dauerhafter Östrogentherapie nach 12–52 Wochen eine deutliche Verbesserung der vaginalen Symptome, eine Wiederherstellung der Vaginalflora sowie eine Verbesserung der Miktionssymptome auftreten kann [1, 2, 10, 16]. Auch die Sexualität kann sich verbessern [17]. Bei Mammakarzinompatientinnen unter Aromatasetherapie empfiehlt das ACOG-Komitee eine kurzfristige lokale Anwendung von Östrogenen in ultraniedriger Dosierung (0,03 mg E3) sowie eine Befeuchtungstherapie [6].
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Dazu begleitend sind konservative Therapieoptionen zu empfehlen. Diese umfassen Beckenbodentraining, Biofeedback und bei einer Zystozele auch eine Pessartherapie. Lifestyle-Änderungen wie Nikotinabstinenz, Koffein- und Alkoholreduktion sowie Gewichtsreduktion sind ebenfalls zu empfehlen [4, 5, 16]. Unspezifische Agenzien wie Phytopräparate, befeuchtende Substanzen, Gleitcreme, „lubricants“ und Vitaminpräparate können probiert werden [5]. Die Evidenz für Lasertherapie bei menopausalen Frauen mit GSM ist noch unklar, da es noch zu wenige placebokontrollierte Studien gibt, um den Langzeiteffekt zu beurteilen [3].
Leider führt die konservative Therapie nicht immer zum gewünschten Ziel. Nach Ausschöpfen konservativer Methoden stehen, abhängig vom Beschwerdebild, verschiedene minimal-invasive Optionen zur Verfügung. Eine lokale Östrogenisierung sollte 4–6 Wochen vor einer Operation angewendet werden.
Minimal-invasive Therapieoptionen
Bei der Therapie der Zystozele muss man die Traktions- von der Pulsationszystozele unterscheiden. Bei der Pulsationszystozele (Abb. 2) besteht ein zentraler Fasziendefekt, der zur Senkung des Blasenbodens führt. Operation der Wahl ist eine vordere Kolporrhaphie (Abb. 2). Hierbei wird eine anteriore Kolpotomie vom Scheidenpol bis zu den Blasenpfeilern durchgeführt. Die Scheidenwand wird von der darunter liegenden Blase stumpf und scharf abpräpariert. Anschließend wird die endopelvine Faszie isoliert und mobilisiert, durch einzelne Nähte gerafft und so eine mediale Verdopplung der Faszie erreicht. Die Verdopplung und Nähte versenken die Blasenaussackung und die entstehende Narbenplatte wirkt zusätzlich stabilisierend. Dann wird die überschüssige Vaginalhaut reseziert und die Kolpotomie verschlossen. Dieser Eingriff kann bei einer Traktionszystozele die Beschwerden verschlimmern, da es sich hier um einen lateralen Defekt mit Abriss der Faszie am Arcus tendineus fasciae pelvis handelt [7].
Die Rektozele geht mit einer Senkung der hinteren Vaginalwand und der Rektumvorderwand einher (Abb. 3). Bei der hinteren Kolporrhaphie wird daher die hintere Vaginalwand vom Scheidenpol ausgehend eröffnet, vom Rektum stumpf abpräpariert, die rektovaginale Faszie verdoppelt und mit einzelnen Nähten stabilisiert. Anschließend wird auch hier die überschüssige Haut sparsam entfernt und die Kolpotomie spannungsfrei verschlossen [7].
Auch im Zustand nach Hysterektomie kann es zum Genitalprolaps (Abb. 4) kommen. Per Laparoskopie wird das Scheidenende/die Zervix am Ligamentum longitudinale des Promontoriums befestigt. Hierbei muss die Harnblase von der Scheidenkuppe abpräpariert sowie die hintere Scheidenwand freigelegt werden. Anschließend wird das Peritoneum parallel zum Lig. sacrouterinum bis zum Promontorium getunnelt. Die Fixierung erfolgt mittels Mesh, welches kaudal am Scheidenende und kranial am Lig. longitudinale am Peritoneum mit einer nichtresorbierbaren Naht befestigt wird [7].
Die Wahl der Inkontinenzoperation richtet sich ebenfalls nach der Art der Inkontinenz. Bei der Stressinkontinenz ist die Einlage von suburethralen spannungsfreien nichtresorbierbaren Kunststoffbändern der Goldstandard. Diese können mit retropubischer Passage und Ausstechen an der Hinterkante der Symphyse zur Bauchdecke eingebracht werden. Alternativ auf transobturatorischem Weg mit Ausstechen in der Beinbeuge (transobturatorisches Tape [TOT]). Ein Follow-up von über 10 Jahren zeigte eine Kontinenzrate von 87 bis 90 % bei dieser Methode [14].
Bei der überaktiven Blase ist eine Stufentherapie empfohlen. Nach erfolgloser medikamentöser Therapie kann im Rahmen einer Zystoskopie Botulinumtoxin A in den Musculus detrusor vesicae injiziert werden. Dies kann in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Eine weitere operative Methode ist die sakrale Neuromodulation. Dabei werden die somatisch afferenten Fasern der Sakralnerven mittels Blasenschrittmacher stimuliert. Es werden Aktionspotenziale ausgelöst, die die gestörten sensorischen Potenziale der Harnblase verändern. Die willkürliche Blasenentleerung wird hierbei nicht gehemmt. Unter Durchleuchtung werden die Elektroden in die Sakralforamina eingeführt. Wenn nach erfolgreicher Testphase die Beschwerden gebessert sind, wird der temporäre Schrittmacher in einer zweiten Operation gegen einen endgültigen ausgetauscht [7].
Postoperativ ist in jedem Fall eine supportive Fortführung der regelmäßigen Östrogenisierung dringend zu empfehlen.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. Müller und L. Najjari geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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