Höhere Anspannung vor der Op. führt offenbar zu besserem Ergebnis

Erhöhte nervliche Anspannung zu Beginn einer Op. zeigte in einer Studie mit erfahrenen Chirurginnen und Chirurgen positive Auswirkungen auf das Ergebnis: In einer retrospektiven Studie war eine erhöhte sympathovagale Balance mit einer geringeren Komplikationsrate verbunden. Robert Kneschke / Stock.adobe.com × Die Arbeit im OP hat einiges mit Hochleistungssport gemeinsam: In beiden Fällen kommt es darauf an, in herausfordernden Situationen ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen. Ein gewisses Maß an Stress kann dabei förderlich sein, wie ein US-Team jetzt herausgefunden hat.1 Die Gruppe um Jack Awtry vom Brigham and Women’s Hospital in Boston hat über den Surrogatparameter „Herzfrequenzvariabilität“ – gemessen über einen Sensor an der Brust – den Stresspegel von 38 Chirurginnen und Chirurgen ermittelt. Um ein Bild von der Ausgangslage zu erhalten und um Einflüsse im Verlauf der Op. zu vermeiden, wurden nur die ersten fünf Minuten nach Inzision erfasst. Als „niedrig“ galten Herzfrequenzen zwischen 0,04 und 0,15 Hz (Low Frequency, LF), als „hoch“ solche zwischen 0,15 und 0,40 Hz (High Frequency, HF). Über das Verhältnis zwischen beiden, den LF/HF-Quotienten, wurde die „sympathovagale Balance“ bestimmt. Diese gilt als objektiver, validierter Parameter für die Quantifizierung von Stress in bestimmten Situationen. Ein größerer Quotient steht für einen höheren sympathischen Tonus, was wiederum einem höheren Stressniveau entspricht.Die Beteiligten (79% Männer) stammten aus vier Universitätskliniken in Lyon und waren durchschnittlich 46 Jahre alt. Ausgewertet wurden 793 Eingriffe (überwiegend orthopädisch, gastrointestinal oder gynäkologisch). „Sympathovagale“ Balance mit Komplikationsrate assoziiert Zu Beginn lag die mediane Herzfrequenz der Operierenden bei 88 pro Minute, der LF/HF-Quotient bei median 7,16. Nach Normalisierung auf den jeweiligen Mittelwert des einzelnen Operateurs ergab sich ein Quotient von median 1,00 (zwischen 0,001 und 4,69). Im 30-tägigen Beobachtungszeitraum ereigneten sich insgesamt 144 größere intra- oder postoperative Komplikationen. Ein erhöhter LF/LH-Quotient war signifikant mit einer geringeren Komplikationsrate assoziiert (Odds Ratio, OR 0,65; p = 0,03). Das war auch dann der Fall, wenn Einflussfaktoren wie Alter und Berufsstatus sowie Risiken auf Patientenseite berücksichtigt wurden (adjustierte OR 0,63; p = 0,04). Auf die Mortalität hatte das Stressniveau der Chirurgen keinen signifikanten Einfluss, ebenso wenig auf die Dauer einer Intensivbehandlung. Zusammenhang nicht linear Nach Awtry und seinem Team illustrieren die Ergebnisse „den komplexen Zusammenhang zwischen Stress und Leistung“. Dieser sei offenkundig nicht linear. Während „exzessiver“ Stress ein anerkannter Risikofaktor für Fehler sei, könne erhöhter physiologischer Stress zu Beginn einer Op. deren Ergebnis positiv beeinflussen. Worauf es ankomme, sei wahrscheinlich das optimale Verhältnis zwischen sympathischem und parasympathischem Tonus. Die richtige Balance zu finden, hänge wohl auch von fachlicher Erfahrung ab. Wie Awtry et al. betonen, wurden in der aktuellen Studie hauptsächlich elektive Operationen ausgewertet, die von erfahrenen Personen (Professoren oder Oberärzten/-ärztinnen) durchgeführt wurden. Atemübungen zur Stressbewältigung Künftige Studien müssen nun zeigen, wo das optimale Stressniveau liegt und wie dieses zu erreichen ist. In ihrem Kommentar mit dem Titel „Turning Stress into Success“ schlagen Steven und Jennifer Yule von der University of Edinburgh den Bogen zum Leistungssport: Spitzensportler zeichneten sich dadurch aus, dass sie in der Lage seien, sich auch unter hohem psychischem Druck zu fokussieren und so Erfolge einzufahren. Sie würden darauf trainiert, akuten Stress in verbesserte Entscheidungsfähigkeit und zielorientiertes Verhalten umzumünzen. Das schottische Wissenschaftlerpaar veranschaulicht das mit einem Beispiel aus der Fußballeuropameisterschaft 2024. Nach wiederholten Niederlagen habe das englische Team Atemübungen zur Stressbewältigung eingeführt – offenbar erfolgreich: Im Spiel gegen die Schweiz war es dem Arsenal-Spieler Bukayo Saka, der zuvor ein entsprechendes Training absolviert hatte, gelungen, den entscheidenden Elfmeter zu verwandeln. Referenz: 1Awtry J et al.: Association Between Surgeon Stress and Major Surgical Complications. JAMA Surg 2025; https://doi.org/10.1001/jamasurg.2024.6072 Quelle: springermedizin.de

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