Melanome im Kindesalter sind selten, werden aber aufgrund des atypischen klinischen Erscheinungsbilds oftmals verzögert diagnostiziert. Wir berichten über den Fall eines juvenilen Melanoms bei einem 14-jährigen Patienten und stellen die Literatur in Bezug auf diese Entität inklusive Diagnostik und Behandlung kompakt dar. Pädiatrische Melanome sind eine Herausforderung im klinischen Alltag, insbesondere da Studiendaten bei Kindern und Jugendlichen in Hinblick auf eine Systemtherapie meist fehlen. Eine engmaschige interdisziplinäre Zusammenarbeit durch pädiatrische Onkologen und Dermatoonkologen ist bei der Betreuung dieser Patientengruppe wichtig.
Hinweise
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Das Melanom ist der häufigste Hautkrebs im Kindes- und Jugendalter. Im Vergleich zu Erwachsenen kommen pädiatrische Melanome jedoch nur selten vor, insgesamt machen diese ungefähr 1–2 % aller Melanome sowie ca. 3 % aller Malignome im Kindesalter aus [1, 2]. Epidemiologische Studien zeigen in den USA einen Abwärtstrend bei der Inzidenzrate seit der Jahrtausendwende [3]. Die Mehrzahl an Neuerkrankungen tritt ab dem 10. Lebensjahr und nach der Pubertät auf [4]. Pädiatrische Melanome werden aufgrund der Seltenheit und einem atypischen klinischen Erscheinungsbild spät diagnostiziert und weisen eine höhere Tumordicke (TD) als adulte Melanome auf [5]. Histopathologisch unterscheidet man verschiedene Subtypen, wobei Melanome im Kleinkindesalter vorwiegend zu den spitzoiden melanozytären Neoplasien zählen und Tumoren in der Adoleszenz eine hohe Ähnlichkeit mit konventionellen Melanomen im Erwachsenenalter aufweisen. Pädiatrische Melanome stellen weiterhin eine große Herausforderung in der Diagnostik und Therapie dar und erfordern eine engmaschige interdisziplinäre Zusammenarbeit durch pädiatrische Onkologen und Dermatoonkologen.
Fallbericht
Abklärung und Diagnose
Ein 14-jähriger Patient, Hauttyp II nach Fitzpatrick, wurde unserer dermatologischen Abteilung im Jänner 2021 aufgrund einer generalisierten Lymphadenopathie sowie multiplen subkutanen Tumoren am Stamm von der Kinderklinik vorgestellt (Abb. 1). Eine B‑Symptomatik war nicht erhebbar. Vor einem Jahr erfolgte die Exzision eines Nävus an der rechten Schulter. Die Diagnose eines atypischen Spitznävus mit erheblichen Atypiemerkmalen wurde gestellt (Abb. 2). Immunhistochemisch fand sich eine geringe bis fehlende Expression von p21 und ein hoher Proliferationsindex mit Anti-Phosphohiston-H3-Antikörper(pHH-3)-positiven Mitosen. Molekulargenetisch konnte eine Deletion am Chromosom 9p21 ausgeschlossen werden, die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) zeigte keine chromosomalen Veränderungen mit Zugewinnen oder Verlusten von DNA-Abschnitten (Copy Number Variation). Postoperativ wurden geplante dermatologische Nachsorgekontrollen aufgrund der COVID-19-Pandemie verschoben.
Abb. 1
Subkutane Metastasen am Stamm bei Erstbegutachtung: a Multiple subkutane Metastasen (Pfeile). b Narbe nach Primärexzision des Tumors (Stern), weitere Weichteilmetastasen (Pfeile)
Abb. 2
Histopathologischer Befund atypischer Spitznävus: a Übersichtsbild: nodulärer exophytischer Tumorknoten mit oberflächlicher flächenhafter Ulzeration (Hämatoxylin-Eosin-Färbung). b Rundliche/epitheloide Zellen mit vesikulärem Kern und akzentuierten Nukleolen. Fehlende Reifung der Melanozyten zur Tiefe hin. Originalvergrößerung: 1:200. c Nachweis von Mitosen in den tieferen Tumoranteilen (Pfeile)
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Zur weiteren Abklärung wurde eine Lymphknotenexstirpation axillär rechts durchgeführt. In der Histologie fand sich nun das Bild einer Lymphknotenmetastase eines malignen Melanoms (Abb. 3). Mittels Next-Generation-Sequencing (Archer FusionPlex Sarcoma v5 Panel, Ion Torrent AmpliSeq Melanom Panel von Thermo Fisher Scientific, Waltham, MA, USA) konnte eine BRAF-V600E-Mutation nachgewiesen werden, ansonsten waren keine Genfusionen oder Genmutationen detektierbar.
Abb. 3
Lymphknotenmetastase eines malignen Melanoms: a Tumorzellen mit überwiegend epitheloidzelliger Zytomorphologie sowie vergrößerten Zellkernen mit prominenten Nukleolen. Sie werden von einem eosinophilen Zytoplasma umgeben. Deutlich erhöhte mitotische Aktivität mit Nachweis von atypischen Mitosen (Pfeil). b,c Positive Immunhistochemie für SOX-10 (b) und S‑100 (c). Nicht abgebildet weitere positive immunhistochemische Färbungen für Melan A, HMB45, PD-L1 (> 1 %) und dem Proliferationsmarker Ki67
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Im initialen Staging (Ganzkörper-MRT, CT-Thorax) zeigte sich eine fortgeschrittene Metastasierung mit zerebralen (insgesamt 3 Filiae bis max. 5 mm DM), pulmonalen, lymphogenen, subkutanen und adrenalen Raumforderungen. Die Tumormarker S100 (0,97 µg/l, Norm < 0,2 µg/l) und LDH (449 U/l, Norm < 290 U/l) waren erhöht. Das betroffene Kind war subjektiv beschwerdefrei (ECOG 0).
Unmittelbar nach Diagnosestellung des metastasierten malignen Melanoms entwickelte das Kind zusätzlich neue Hautveränderungen mit dem Bild eines Schmetterlingserythems, periorbitale heliotrope Erytheme, Nagelfalzhyperkeratosen, Gottron-Papeln über den Metakarpophalangeal(MCP)- und proximalen Interphalangeal(PIP)-Gelenken sowie Myalgien ohne Muskelschwäche im Bereich der Extremitäten (Abb. 4). Laborchemisch auffällig war eine Erhöhung der Kreatininkinase (CK, 1442 U/l, Norm < 190 U/l). In der Autoimmundiagnostik zeigten sich positive antinukleäre Antikörper (Titer 1:1280, Norm < 1:160) und der Nachweis von SS-A/Ro und TIF‑1 Gamma Auto-Antikörper. Die Diagnose einer paraneoplastischen juvenilen Dermatomyositis bei malignem Melanom wurde gestellt.
Abb. 4
Paraneoplastische juvenile Dermatomyositis. a,b Klinisches Bild eines Schmetterlingserythems und heliotrope periorale Erytheme. c Gottron-Papeln und periunguale Erytheme an den Händen bds.
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Therapeutisches Management
In Anbetracht der Gesamtsituation wurde vorerst auf die Einleitung einer immunsuppressiven Therapie verzichtet. Angesichts fehlender evidenzbasierter Studien bei metastasiertem pädiatrischem Melanom, wurde im interdisziplinären Tumorboard eine kombinierte Systemtherapie mit den Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) Ipilimumab und Nivolumab in der Standarddosierung empfohlen. Nach komplikationsloser Gabe von 2 Zyklen der ICI kam es zum erstmaligen Auftreten eines generalisierten tonisch-klonischen Anfalls, in der Bildgebung stellten sich neue sowie größenprogrediente zerebrale Metastasen mit Umgebungsödem (Abb. 5) dar. Bei nun symptomatischer zerebraler Metastasierung erfolgte ein Therapiewechsel auf eine zielgerichtete Therapie mit den BRAF/MEK-Inhibitoren Dabrafenib (300 mg/Tag) und Trametinib (2 mg/Tag). Hierunter kam es zum Auftreten von Fieberschüben und eines morbiliformen Exanthems, die Gabe einer antipyretischen Therapie in Kombination mit systemischen Glukokortikoiden war notwendig. Bei anhaltender Pyrexie erfolgte eine Therapieumstellung auf die alternative Wirkstoffkombination mit Encorafenib (300 mg/Tag) und Binimetinib (60 mg/Tag) in reduzierter Dosierung. Im erneuten Staging (3 Monate nach Einleitung der Targeted-Therapie) fand sich eine signifikante Größenregredienz aller zerebralen Metastasen bei ansonsten unveränderter viszeraler und subkutaner Metastasierung im Sinne einer „mixed response“. Auch konnte in diesem Zeitraum eine Verbesserung der Dermatomyositis-spezifischen Hautveränderungen mit Abnahme der Myalgien und Normalisierung der CK beobachtet werden. Der Tumormarker S100 lag zu diesem Zeitpunkt im Normbereich, die LDH zeigte eine abnehmende Tendenz.
Abb. 5
Bildvergleich zerebrale Metastasierung hochparietal links im Krankheitsverlauf (T1-gewichtete Spin-Echo-Sequenzen mit Kontrastmittel): a Ausgangsbefund: Ringförmig KM-anreichernde Metastase hochparietal links (Pfeil, Monat 0). b Progress unter Immunkombinationstherapie mit größenprogredienten und neuen (nicht abgebildet) zerebralen Filiae (Monat 2). c Therapieansprechen unter BRAF/MEK-Inhibition (Monat 5). d Massiver Progress der zerebralen Metastasierung nach sekundärem Wirkverlust unter BRAF/MEK-Inhibition (Monat 7)
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Fünf Monate nach Therapieumstellung auf Encorafenib und Binimetinib trat eine sekundäre Resistenz der Zweitlinientherapie mit BRAF/MEK-Inhibitoren auf, klinisch äußerte sich dies durch Schwindel, Übelkeit und rezidivierende epileptische Anfälle. Bei progredienter zerebraler Metastasierung mit ausgeprägtem perifokalem Ödem wurde nach Ausschöpfung aller etablierten Systemtherapien bei malignem Melanom, als Drittlinientherapie eine Triple-Therapie mit BRAF/MEK-Inhibitor plus Nivolumab und eine stereotaktische Radiatio etabliert. Es zeigte sich kein erneutes Therapieansprechen in den bildgebenden Kontrollen. Das Kind verstarb ca. ein Jahr nach erstmaliger Vorstellung an unserer dermatologischen Abteilung an den Folgen des metastasierten Melanoms.
Diskussion
Pädiatrische vs. adulte Melanome
Nach heutigem Wissensstand unterscheiden sich pädiatrische Melanome wesentlich im klinischen Erscheinungsbild, in den histopathologischen Kriterien und im biologischen Verhalten von Melanomen des Erwachsenen. Grundsätzlich spricht man von Melanomen im Kindes- und Jugendalter bei Krankheitsmanifestation vor dem 18.–20. Lebensjahr, eine einheitliche Definition der Altersobergrenze findet sich in der Literatur jedoch nicht [6]. Bekannte Risikofaktoren für das adulte Melanom gelten auch für die jüngere Bevölkerungsgruppe, wobei auch altersspezifische Risikofaktoren wie hereditäre Tumorsyndrome (u. a. Xeroderma pigmentosum), große kongenitale Nävi, neurokutane Melanozytose, Immunsuppression und eine positive Familienanamnese von Bedeutung sind [6]. Familiäre Melanome betreffen ca. 10 % aller kutanen Melanome [7]. In diesem Fall war die Familienanamnese negativ, in der genetischen Abklärung konnte keine Mutation im CDKN2A- (p16) und CDK-4-Gen nachgewiesen werden. Über genetische Veränderungen in Suszeptibilitätsgenen bei Kindern und Jugendlichen ist wenig bekannt, die Prävalenz dürfte jedoch niedrig sein [8, 9].
Pädiatrische Melanome entsprechen oft nicht den definierten ABCDE-Kriterien
Die Diagnosestellung von pädiatrischen Melanomen wird durch ein atypisches Erscheinungsbild der Tumoren, insbesondere bei präpubertären Kindern, erschwert. Häufig präsentieren sich Melanome in dieser Altersgruppe mit einer höheren TD nach Breslow, Ulzeration sowie klinischen Kennzeichen wie Amelanose, Symmetrie, Blutung, Einfarbigkeit, geringem Größendurchmesser und als papulonoduläre Läsionen [10, 11]. In einer Studie von Cordora et al. mit 70 pädiatrischen Melanomen konnte gezeigt werden, dass die Tumoren in der Altersgruppe 0–10 Jahre in 60 % und in der Altersgruppe 11–19 Jahre in 40 % nicht den definierten ABCDE-Kriterien entsprachen. Zur Verbesserung der diagnostischen Sensitivität wurden modifizierte ABCDE-Kriterien vorgeschlagen, welche um die Merkmale Amelanose, Blutung und Erhebung, Einfarbigkeit, beliebiger Durchmesser und De-novo-Entstehung erweitert wurden [10].
Unterteilung pädiatrischer Melanome
Die Einteilung von pädiatrischen Melanomen erfolgt anhand von histopathologischen und insbesondere molekulargenetischen Merkmalen in 3 unabhängige Subtypen: Spitzmelanome, konventionelle Melanome („adult-type“) und Melanome aus einem kongenitalen melanozytären Nävus [12]. Während im Kleinkindesalter bzw. präpubertär überwiegend Spitzmelanome und seltener auch Melanome aus einem kongenitalem Nävus auftreten, dominieren postpubertär sog. konventionelle Melanome und in geringerem Maße Spitzmelanome [4].
Spitzmelanome
Die Gruppe der spitzoiden melanozytären Tumoren umfasst den benignen Spitznävus, atypischen Spitztumor (AST), STUMP („spitzoid tumor of uncertain malignant potential“) und das maligne Spitzmelanom. Neben den typischen histopathologischen Merkmalen mit großen epithelioiden und/oder spindelförmigen Melanozyten, finden sich charakteristischerweise bei allen Entitäten Genfusionen der Kinasen ROS1, NTRK1, NTRK3, ALK, BRAF, MAP3K8, MET und RET sowie HRAS-Mutationen [13]. Homozygote Deletionen im Chromosom 9p21, TERT-Promotor Mutationen sowie BRAF- und MAP3K8-Genfusionen sind mit einem aggressiveren klinischen Verlauf assoziiert [4, 13]. Trotz häufiger regionaler Lymphknotenbeteiligungen zeichnen sich spitzoide melanozytäre Tumoren durch eine seltene Fernmetastasierung und eine gute Prognose aus [4, 12]. Im Gegensatz zu konventionellen Melanomen kommen in der Regel keine aktivierenden BRAF- oder NRAS-Mutationen vor [13].
Melanome aus einem kongenitalen melanozytären Nävus
Melanome aus einem kongenitalen Nävus treten überwiegend im ersten Lebensjahrzehnt auf und gelten als aggressivster Subtyp pädiatrischer Melanome [4]. Molekulargenetisch wird überwiegend eine NRASQ61K- und NRASQ61R-Mutation nachgewiesen [4, 12]. Kongenitale melanozytäre Nävi (CMN) betreffen 1–2 % aller Neugeborenen [14]. Diese werden basierend nach ihrer voraussichtlichen Größe im Erwachsenenalter in kleine (< 1,5 cm), mittlere (M1: 1,5–10 cm, M2: > 10–20 cm), große (L1: > 20–30 cm, L2: > 30–40 cm) und riesige (G1: > 40–60 cm, G2: > 60 cm) CMN eingeteilt [14, 15]. Das Entartungsrisiko von CMN ist abhängig von der Nävusgröße und wurde in der Vergangenheit überschätzt, nach heutigen Erkenntnissen beträgt dieses für alle CMN durchschnittlich 1–2 %. Bei riesigen CMN (> 40 cm) wird das Lebenszeitrisiko jedoch auf 10–15 % geschätzt [4, 16, 17]. Als wichtigste Differenzialdiagnose müssen benigne proliferative Knoten innerhalb kongenitaler Nävi abgegrenzt werden [16].
Konventionelle Melanome
Konventionelle Melanome treten nahezu ausschließlich in der Adoleszenz auf und weisen ein ähnliches UV-induziertes Mutationsspektrum auf wie adulte Melanome [18]. Hauptsächlich können aktivierende BRAF-V600E-Mutationen sowie TERT-Promotor-Mutationen nachgewiesen werden [12, 18]. Als häufigster histologischer Subtyp treten superfiziell-spreitende Melanome (SSM) und noduläre Melanome (NM) auf, wohingegen Lentigo-maligna-Melanome und akrale Melanome die Ausnahme sind [4]. Während sich Melanome im Erwachsenenalter überwiegend de novo entwickeln, entstehen konventionelle Melanome im Jugendalter in bis zu 80 % aus einem vorbestehenden Nävus [19].
Spitzoide Melanome vs. Spitzmelanome
Neben den oben genannten Subtypen des pädiatrischen Melanoms wird in der aktuellen WHO-Klassifikation 2018 zwischen echten Spitzmelanomen und spitzoiden Melanomen differenziert. Letztere werden aufgrund des genetischen Profils den konventionellen Melanomen zugeordnet [20]. Das histopathologische Muster von spitzoiden Melanomen ist vergleichbar mit anderen spitzoiden melanozytären Neoplasien, allerdings findet sich zusätzlich der Nachweis von BRAF- oder NRAS-Mutationen, aber keine Genfusionen [13]. Eine Unterscheidung dieser Tumorentitäten ist aus prognostischer Sicht von hoher Relevanz. In der Vergangenheit wurden aggressive Tumorverläufe im Kindes- und Jugendalter häufig fälschlicherweise als Spitzmelanome klassifiziert [13, 21].
Dignität und Prognose
Der geschilderte Patientenfall verdeutlicht die komplexe histopathologische Beurteilung sowie die Herausforderungen bezüglich der Einschätzung der Dignität und Prognose von spitzoiden melanozytären Tumoren im Kindes- und Jugendalter [22]. Molekulargenetische Untersuchungsmethoden wie die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, komparative genomische Hybridisierung (CGH) oder das Next-Generation-Sequencing (NGS) können aufgrund von Fortschritten in der Aufschlüsselung der molekularen Signalwege unterschiedlicher Subtypen von pädiatrischen Melanomen die Diagnosestellung erleichtern [23].
Ob sich die Prognose pädiatrischer Melanome bei unterschiedlichen histologischen Subtypen und in Abhängigkeit vom Alter unterscheidet, ist bislang nicht ausreichend erforscht [24]. Eine rezente Metaanalyse von 213 Studien mit 1002 Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ergab für NM ein niedrigeres melanomspezifisches Überleben als für SSM und spitzoide Melanome. Außerdem wurde bei Kindern mit spitzoiden Melanomen trotz häufiger Lymphknotenmetastasierung eine niedrige Sterberate beobachtet. Melanome aus einem kongenitalen Nävus hatten eine höhere krebsspezifische Mortalität als erworbene oder neu entstandene Nävus-assoziierte Melanome [25]. In einer weiteren retrospektiven Kohortenstudie von Lorimer et al. wurde der Krankheitsverlauf von Melanomen im Kindes‑, Jugend- und Erwachsenenalter verglichen, insgesamt wurden 350.928 Patienten eingeschlossen, davon 306 Kinder und 3659 Jugendliche. Für die Untergruppe der Kinder (1–10 Jahre) zeigte sich trotz höherer TD nach Breslow, das beste Gesamtüberleben, gefolgt von den Adoleszenten (11–20 Jahre). Ein positiver Sentinel-Lymphknoten hatte keinen Einfluss auf die Prognose bei Kindern, war aber bei Adoleszenten mit einem schlechteren Gesamtüberleben assoziiert [5].
Unser Patient entwickelte vor Therapieeinleitung mit ICI Symptome einer Dermatomyositis. Während die adulte Dermatomyositis mit Malignomen assoziiert sein kann, gilt die juvenile Dermatomyositis per se nicht als paraneoplastische Erkrankung [26, 27]. Eine Tumorsuche wird daher im Kindes- und Jugendalter nicht empfohlen. Dennoch existieren in der Literatur Fallberichte über das Auftreten einer juvenilen Dermatomyositis bei Tumorerkrankungen [28‐30]. Nach unseren Erkenntnissen ist dies der erste publizierte Fall einer juvenilen Dermatomyositis bei metastasiertem Melanom.
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Therapeutisches Management
Das therapeutische Management von pädiatrischen Melanomen orientiert sich an den Therapieempfehlungen bei Erwachsenen. Ein Therapieleitfaden für Melanome im Kindes- und Jugendalter steht von der „European Cooperative Study Group of Pediatric Rare Tumors (EXPeRT)“ seit 2021 zur Verfügung [31]. Primär wird zur Diagnosesicherung eine komplette Exzision mit knappem Sicherheitsabstand angestrebt. Danach soll analog zu Erwachsenen in Abhängigkeit von der TD nach Breslow eine Nachexzision mit einem Sicherheitsabstand und bis zur Muskelfaszie erfolgen: 1 cm bei Melanomen mit TD < 2 mm (pT1, pT2) und 2 cm bei TD > 2 mm (pT3, pT4). Bei Kleinkindern könnten aufgrund der kleineren Körperoberfläche geringere Sicherheitsabstände ausreichend sein [31]. Die Indikation zur Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SLNB) wird ab einer TD von 0,8 mm gestellt, die prognostische Aussagekraft bei atypischen spitzoiden Tumoren und Spitzmelanomen ist jedoch fraglich [20, 32, 33]. Möglicherweise ist der Nutzen der SLNB abhängig vom Subtyp des pädiatrischen Melanoms [4]. Eine komplettierende Lymphknotendissektion bei positivem Sentinel-Lymphknoten wird nicht mehr empfohlen [34].
Moderne Systemtherapien
Bedingt durch die niedrige Prävalenz kindlicher Melanome und Ausschluss von Minderjährigen in klinischen Studien, liegen nur wenige evidenzbasierte Daten zur Anwendung moderner Systemtherapien wie ICI oder zielgerichteter Therapie bei pädiatrischen Melanomen vor. Um diese sehr effektiven Systemtherapeutika auch Kindern und Jugendlichen zur Verfügung zu stellen, wurden Therapieempfehlungen aus Phase-III-Studien von Erwachsenen übernommen. Für das nichtresezierbare oder metastasierte Melanom ab 12 Jahren stehen folgende Systemtherapeutika in Europa zur Verfügung: Ipilimumab (seit 01/2018), Pembrolizumab (seit 05/2022), LAG‑3 Inhibitor Relatlimab in Kombination mit Nivolumab (seit 09/2022) und Nivolumab als Monotherapie sowie in Kombination mit Ipilimumab (seit 04/2023) [35‐38]. Das Sicherheitsprofil bei Kindern und Jugendlichen ist wahrscheinlich vergleichbar mit Erwachsenen [39]. In unserem Fall sind keine immunvermittelten Nebenwirkungen aufgetreten. Neben der Immuntherapie werden beim metastasiertem Melanom auch zielgerichtete Therapien mit BRAF- und MEK-Inhibitoren häufig eingesetzt. In Europa sind derzeit 3 verschiedene Kombinationen grundsätzlich verfügbar: Binimetinib/Encorafenib, Dabrafenib/Trametinib und Vemurafenib/Cobimetinib. Im Gegensatz zu ICI sind derzeit keine BRAF/MEK-Inhibitoren für Kinder und Jugendliche beim Melanom zugelassen, die Anwendung dieser Präparate stellt daher einen „off-label use“ dar. Bei Nachweis einer neurotrophen Tyrosin-Rezeptor-Kinase(NTRK)-Genfusion können die spezifischen Inhibitoren Entrectinib und Larotrectinib eine interessante Therapiealternative darstellen [40]. NTRK-Genfusionen kommen bei Spitz-Melanomen in ca. 10 % vor [13]. Ein Screening auf NTRK-Genfusionen mittels Next-Generation-Sequenzierung oder FISH sollte daher bei pädiatrischen Melanomen zum festen Bestandteil der molekularen Tumordiagnostik gehören. Eine adjuvante Therapie mit ICI oder zielgerichteter Therapie kann das Rezidivrisiko von Patienten mit reseziertem malignem Melanom im Stadium IIB, IIC, Stadium III und Stadium IV senken. Aktuell ist für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren Pembrolizumab im Stadium IIB/IIC und Stadium III sowie Nivolumab ab 12 Jahren im Stadium IIB/IIC (ab Juli 2023), Stadium III und Stadium IV zugelassen [41, 42]. Die BRAF/MEK-Inhibitoren Dabrafenib/Trametinib sind wie beim metastasierten Melanom ab 18 Jahren zugelassen [43]. Alle therapeutischen Entscheidungen bei Kindern und Jugendlichen sollen individuell im interdisziplinären Tumorboard besprochen werden.
Conclusio
Melanome im Kindes- und Jugendalter sind selten und haben eine bessere Prognose als Melanome im Erwachsenenalter. Letale Krankheitsverläufe kommen vor und treten insbesondere postpubertär auf. Die Diagnose pädiatrischer Melanome stellt weiterhin eine große Herausforderung bei niedriger Prävalenz, atypischer klinischer Präsentation und schlecht definierter histopathologischer Kriterien dar. Der technische Fortschritt in der molekulargenetischen Diagnostik hat zu einem besseren Verständnis der Pathogenese pädiatrischer Melanome und zu einer höheren diagnostischen Sicherheit geführt. Mangels vorliegender prospektiver randomisierter Studien bei Kindern und Jugendlichen wurden Diagnosemethoden und Behandlungsprotokolle von Erwachsenen übernommen. Moderne Systemtherapien wie ICI oder BRAF/MEK-Inhibitoren stehen nun auch Jugendlichen als Systemtherapie im metastasierten Stadium wie auch als adjuvante Therapie zur Verfügung.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. Enzelsberger, G. Ebetsberger-Dachs, P. Noack, W. Hötzenecker und A. Öllinger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Vom beteiligten Patienten bzw. dessen gesetzlichen Vertreter/-innen liegt eine Einverständniserklärung vor.
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