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Diagnostik
Unter Diabetes mellitus versteht man eine Gruppe von metabolischen Erkrankungen, die, durch eine verminderte Insulinsekretion und/oder auch Insulinwirkung verursacht, zu einer chronischen Hyperglykämie führen. Meistens kann in der Pädiatrie die Diagnose durch das Vorhandensein der klassischen Symptome (Polyurie, Polydipsie, Gewichtsverlust, Müdigkeit und andere) und einer Blutzuckermessung (≥200 mg/dl) gestellt werden. Ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) ist bei Kindern nur selten notwendig und vereinzelten Situationen vorbehalten, in denen die Diagnose des Diabetes unklar ist. Die Glukosebelastung muss gewichtsbezogen durchgeführt werden. Ansonsten sind in der Pädiatrie die gleichen Diagnosekriterien wie bei Erwachsenen gültig.
Die Diagnose Diabetes mellitus kann gestellt werden [1, 2]:
IGT bzw. IFG können Vorstufen in der Entwicklung eines Diabetes mellitus darstellen und mit einem metabolischen Syndrom vergesellschaftet sein.
Klassifikation
Nach der American Diabetes Association werden 4 große Diabetesgruppen unterschieden [1].
1.
Typ-1-Diabetes (T1D)
Zerstörung der B‑Zellen, die zu einer Störung der Insulinsekretion und in Folge zu einem absoluten Insulinmangel führt.
A.
Autoimmun-Diabetes (spezifische Antikörper: ICA, GAD, IA 2, IAA, ZnT 8)
B.
Idiopathisch (Hypoplasie, PDX-Mangel)
2.
Typ-2-Diabetes (T2D)
Kann variieren von überwiegender Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel bis zu einem überwiegenden Sekretionsdefekt mit Insulinresistenz.
3.
Andere Diabetesformen
A.
Genetische Defekte der B‑Zell-Funktion (v. a. MODY, neonataler Diabetes mellitus)
B.
Genetische Defekte in der Insulinwirkung
C.
Erkrankungen des exokrinen Pankreas (pankreatopriver Diabetes, v. a. CF-related Diabetes, Pankreatitis)
D.
Endokrinopathien (z. B. Cushing, Hyperthyreose)
E.
Medikamenten- oder chemikalieninduzierter Diabetes mellitus (z. B. Glukokortikoide)
F.
Assoziation mit Infektionen
G.
Seltene Formen eines immunologisch bedingten Diabetes
H.
Genetische Syndrome, die mit einem Diabetes assoziiert sind
4.
Gestationsdiabetes
T1D
T1D ist in der europäischen Bevölkerung mit > 90 % die häufigste Diabetesform im Kindes- und Jugendalter [2].
Dem T1D liegt in der überwiegenden Zahl der Fälle ein Autoimmunprozess gegen die B‑Zellen zugrunde. Dieser spiegelt sich in der Positivität von B‑Zell-spezifischen Autoantikörpern wider (Insulinautoantikörper, GAD-Antikörper, IA 2-Antikörper, Inselzellantikörper, Zink-8-Transporter-Antikörper). Der Beginn ist meist akut (2–3 Wochen) mit der klassischen diabetischen Symptomatik (Polyurie, Polydipsie, Enuresis/Nykturie, Gewichtsverlust usw.). Die Kinder sind meist normal- oder sogar untergewichtig.
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T2D
Der T2D kommt im Kindes- und Jugendalter in der kaukasischen Bevölkerung wesentlich seltener vor als der T1D. Die Patienten sind meist übergewichtig mit einem BMI > 90 Perzentile. Sie haben in der Mehrzahl der Fälle nur eine milde diabetische Symptomatik und nur in Ausnahmefällen eine Ketonurie (oder Ketoazidose). Die Manifestation erfolgt meist um die Pubertät und die Patienten weisen Zeichen der Insulinresistenz auf (Acanthosis nigricans, erhöhte C‑Peptidspiegel). Häufig findet sich eine positive Familienanamnese für T2D.
Andere häufigere Diabetesformen
„Maturity onset diabetes of the young“
Unter „maturity onset diabetes of the young“ (MODY) ist eine Gruppe von Diabetesformen zusammengefasst, die einer autosomal dominanten Vererbung folgen. Es sind inzwischen mehr als 10 MODY-Typen beschrieben worden, die häufigsten sind in Tab. 1 aufgeführt. Je nach molekulargenetischem Befund zeigen sie einen sehr milden (MODY 2) oder progredienten (MODY 3) Verlauf [3].
Von neonatalem Diabetes mellitus spricht man, wenn in den ersten 6 Lebensmonaten eine Hyperglykämie mit einer Dauer von mehr als 2 Wochen auftritt. Neonataler Diabetes kann transient oder permanent sein [3].
Diabetes mellitus bei zystischer Fibrose
Der Diabetes mellitus bei zystischer Fibrose („CF-related diabetes“; CFRD) ist gekennzeichnet durch einen relativen Insulinmangel und durch eine wechselnde Insulinresistenz im Rahmen von Infektionen oder medikamentösen Behandlungen [4].
Epidemiologie
Die Inzidenz des T1D im Alter < 15 Jahre zeigt sehr große regionale Unterschiede, weltweit und auch innerhalb von Europa (Abb. 1). In den allermeisten Regionen ist die Inzidenz zunehmend [5], so auch in Österreich. Zwischen 1999 und 2012 lag bei Kindern und Jugendlichen mit T1D in Österreich die jährliche Zuwachsrate (APC) bei 4,5 % (95 % Konfidenzintervall [CI]: 3,94; 5,06). Danach konnte bis 2017 ein Plateau beobachtet werden (APC 0,28; 95 %CI: −3,94; 4,69). Diese Beobachtung wurde hauptsächlich durch die Dynamik in der jüngsten Altersgruppe (0–4 Jahre) gesteuert. Hier zeigte sich bis 2007 ein steiler Anstieg (APC 7,1; 95 %CI: 5,05; 9,19) und zwischen 2007–2017 ein Abfall (APC −0,86; 95 %CI: −4,41; 2,82; [6, 8]).
Abb. 1
Karte mit publizierten alters- und geschlechtsstandardisierten Inzidenzraten (pro 100.000) bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes unter 15 Jahren. (IDF 2019)
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Der T2D im Kindes- und Jugendalter < 15 Jahren kommt in ethnischen Risikopopulationen in einigen Regionen der Welt zunehmend vor [7]. Der T2D korreliert mit zunehmender Adipositas; es sind vermehrt Jugendliche und in einem höheren Prozentsatz Mädchen betroffen [9].
In Österreich zeigte sich im Zeitraum 1999–2017 keine signifikante Zunahme beim T2D <15 Jahren (nationale, populationsbezogene Kohorte). Nur 1,8 % aller Diabeteserstmanifestationen in Österreich sind in dieser Altersgruppe dem T2D zuzuordnen [6, 8].
Für die Gruppe der anderen Diabetesformen gibt es bisher keine validen Zahlen für die Inzidenz und Prävalenz. Innerhalb dieser Gruppe wurden aufgrund der verbesserten Genetik vermehrt Patienten mit MODY-Diabetes klassifiziert. Für Deutschland wird geschätzt, dass <1 % der jugendlichen Diabetespatienten einen MODY-Diabetes haben [10]. Die Prävalenz des CFRD steigt mit zunehmenden Alter der CF-Patienten (CFRD-Prävalenz in Europa bei 5 % [10–14 Jahre] bzw. 13 % [15–19 Jahre]; [4]). In Österreich macht die Gruppe der anderen Diabetesformen im Alter bis <15 Jahren 4,0 % der Erstmanifestation aus. Sie treten damit deutlich häufiger auf als T2D [6].
Der neonatale Diabetes ist eine äußerst seltene Erkrankung und wird in Österreich nur bei 1:160.000 Neugeborenen beobachtet [11].
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
B. Rami-Merhar, A. Jäger, M. Fritsch, U. Lück und E. Fröhlich-Reiterer geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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