Die genaue Ursache für die Entstehung des polyzystischen Ovarsyndroms (PCOS) ist bis dato immer noch ungeklärt, jedoch wird ein komplexes Zusammenspiel zwischen prädisponierenden genetischen Faktoren einerseits und Umwelteinflüssen andererseits angenommen.
Die phänotypische Manifestation des PCOS ist heterogen und individuell sehr variabel, die Diagnostik daher erschwert.
Das PCOS (polyzystisches Ovarsyndrom) wird oft auch das Syndrom der chronischen hyperandrogenämischen Anovulation genannt und ist mit 5–10 % Betroffenen die häufigste Endokrinopathie des reproduktiven Alters.
Oft manifestiert es sich bereits im Jugendalter.
Diagnostische Abklärung bei jungen Mädchen und Verdacht auf PCOS
In der sehr sensiblen Lebensphase der Pubertät ist die korrekte Diagnosestellung des PCOS extrem wichtig. Einerseits muss eine „Überdiagnostizierung“ und Stigmatisierung betroffener Adoleszentinnen vermieden werden, andererseits jedoch ist ein frühzeitiger Beginn mit geeigneten Therapeutika in diesem sog. „window of opportunity“ wesentlich, um Lebensqualität und Selbstbewusstsein der Betroffenen zu verbessern und dem Voranschreiten der Symptomatik mit der sonst erhöhten Langzeitmorbidität effektiv entgegenzuwirken.
Die akkurate Diagnosestellung in der Adoleszenz ist jedoch oft besonders schwierig, da adulte Diagnosekriterien (siehe Tab.
1) nur eingeschränkt anwendbar sind.
Tab. 1
Diagnosestellung des PCOS bei Erwachsenen
Unregelmäßige Zyklen (meist Oligomenorrhö) aufgrund von Anovulation |
Hyperandrogenämie (klinisch oder biochemisch) |
Typische polyzystische Ovarien im Ultraschall (viele kleine randständige, „perlschnurartig“ angeordnete Follikelzysten bei vermehrtem Stroma) |
In der Adoleszenz existiert eine Überlappung zwischen normaler Pubertätsentwicklung und Anzeichen des PCOS, beispielsweise sind anovulatorische Zyklen und Blutungsunregelmäßigkeiten in den ersten Jahren nach der Menarche keine Seltenheit.
Die Aussagekraft des abdominellen Ultraschalls bei den (oft adipösen) Jugendlichen ist stark eingeschränkt, sodass die rezente ESHRE-Leitlinie diesen zur Diagnosestellung bei Jugendlichen nicht empfiehlt – ebenso wenig wie die Bestimmung des Anti-Müller-Hormons (AMH). In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur wird diskutiert, inwiefern die Bestimmung des Anti-Müller-Hormons (AMH), welches positiv mit dem Antralfollikel-Count (AFC) assoziiert ist, künftig den stark untersucher- und geräteabhängigen Ultraschall ersetzen oder zumindest ergänzen könnte.
Für Jugendliche gibt es jedoch bis dato keine etablierten Referenzwerte des AMH.
Auch für Androgenspiegel existieren keine klar definierten Referenzbereiche für weibliche Jugendliche. Es gibt kein standardisiertes Hirsutismus-Scoring in dieser Altersgruppe und Akne in der Pubertät gilt als „physiologisch“.
Eine Adoleszentin mit Adipositas und/oder prämaturer Adrenarche (insbesondere in Kombination mit St.p. Frühgeburt) und/oder Acanthosis nigricans und/oder persistierenden Blutungsstörungen und/oder erhöhtem Testosteron und erniedrigtem SHBG soll als „at risk for PCOS“ klassifiziert werden. Anschließend ist eine regelmäßige Reevaluierung der Verdachtsdiagnose während der Adoleszenz zur definitiven Diagnosesicherung empfohlen.
Gemäß einer rezenten Publikation zur Diagnosestellung bei Jugendlichen sind über mehr als 2 Jahre nach der Menarche persistierende Zyklusstörungen und eine Hyperandrogenämie (biochemisch oder klinisch) die zuverlässigsten Symptome in diesem Zusammenhang.
Im Rahmen der klinischen Untersuchung soll besonders auf das Vorhandensein von Acanthosis nigricans – typischerweise im Achsel- oder Nackenbereich (oft ein erstes Anzeichen von Insulinresistenz) – und Hirsutismus geachtet werden. Zusätzlich ist die Dokumentation und regelmäßige Kontrolle von Körpergewicht, Body-Mass-Index (BMI), „waist-to-hip ratio“ und Blutdruck indiziert.
Im Rahmen der Blutuntersuchung sollen folgende Parameter erhoben werden:
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Testosteron/freies Testosteron/freier Androgenindex (FAI)/Dihydrotestosteron (DHT)
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SHBG
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Androstendion
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DHEAS
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17-Hydroxy-Progesteron (17-OHP) (zum differenzialdiagnostischen Ausschluss eines AGS)
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Prolaktin (bei grenzwertigen Befunden inkl. PGE-Fällung)
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Schilddrüsenparameter inkl. Antikörper
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HCG
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FSH/LH
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Östradiol
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Progesteron
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Vitamin D
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Nüchternlipidprofil
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Oraler Glukosetoleranztest (OGTT) und Nüchterninsulin
Bei auffälligem Befund und/oder Adipositas und/oder pos. Familienanamnese für Diabetes sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen angezeigt.
Es ist wichtig zu beachten, dass es sich beim PCOS immer um eine Ausschlussdiagnose handelt – differentialdiagnostisch muss man an andere endokrine Störungen, die mit unregelmäßigen Blutungen und erhöhten männlichen Hormonen einhergehen (z. B. adrenogenitales Syndrom, androgenproduzierender Tumor), denken (Tab.
2).
Tab. 2
Differenzialdiagnosen des PCO-Syndroms
Late-onset-AGS | 17-OH‑P, ACTH-Test, Molekulargenetik |
Hyperprolaktinämie, Prolaktinom | PRL |
M. Cushing/Cushing-Syndrom | Dexamethasonhemmtest, Mitternachtscortison, 24-Std.-Harn |
Gonadotrope Hypophysenstörung | LH, FSH, E2, ggf. GnRH-Test |
Androgenbildender Tumor der Nebenniere | DHEA, DHEAS, LH, ggf. Dexamethasonhemmtest, Bildgebung |
Androgenproduzierender Tumor der Ovarien | Testosteron, Androstendion, LH, typische Klinik, Bildgebung |
Primäre Ovarialinsuffizienz | LH, FSH, E2 |
Hypothyreose | TSH, fT4 |
Postmenopausaler Hirsutismus | LH, FSH, E2 |
Anorexia nervosa | BMI < 18, Amenorrhö, LH, FSH, E2 |
Medikamente (Danazol, androgene Gestagene) | Anamnese |
Therapeutische Optionen
Die gestellte korrekte Diagnose und Behandlung ist wesentlich, um Lebensqualität und Selbstbewusstsein der Betroffenen zu verbessern. Zudem haben Frauen mit unbehandeltem PCOS ein erhöhtes Lebenszeitrisiko für Erkrankungen des kardiovaskulären Formenkreises, Typ-2-Diabetes, Neoplasien (z. B. Endometriumkarzinom) und Sterilität.
Aufgrund des sehr heterogenen klinischen Erscheinungsbilds des PCO-Syndroms gibt es nicht eine Therapieoption, sondern je nach vorherrschender Beschwerdesymptomatik ist immer ein individueller therapeutischer Ansatz zu wählen.
Anmerken muss man, dass zu den meisten pharmakologischen Therapieansätzen lediglich klinische Studienergebnisse an Erwachsenen vorliegen und es sich bei vielen Präparaten um einen sog. „off label use“ handelt, über den die jugendliche Patientin und idealerweise auch ihre Mutter/erwachsene Begleitperson aufgeklärt sein müssen.
Häufig besteht ein Vitamin-D-Mangel bei Frauen mit PCOS, welcher durch entsprechende Substitution ausgeglichen werden soll.
Über positive Effekte von (Myo‑)Inositol berichten einige Studien: Eine vorhandene Insulinresistenz wird verbessert, Androgenspiegel effektiv gesenkt und dadurch Akne und Hirsutismus verbessert.
Zusätzlich wird über einen positiven Effekt diverser pflanzlicher/komplementärmedizinischer Ansätze (wie Mönchspfeffer, Berberin, Traubensilberkerze etc.) berichtet.
Bei signifikant erhöhter adrenaler Androgenkomponente bringt die zusätzliche Verabreichung von niedrig dosierten Kortikoiden in einigen Fällen einen deutlichen Vorteil. Zurückhaltung ist jedoch geboten, wenn bereits eine Insulinresistenz besteht.
Für den operativen Therapieansatz („Stichelung“, „laparoscopic ovarian drilling“ [LOD]) existiert hingegen lediglich Evidenz in der Behandlung des unerfüllten Kinderwunschs bei PCOS. Hirsutismus, Akne, Effluvium oder unregelmäßige Zyklen ohne Kinderwunsch sind keine Indikation zur operativen Therapie eines PCO-Syndroms – unabhängig vom Alter der Frau.
Insbesondere die kutanen Hyperandrogenisierungserscheinungen gehen oft mit großem Leidensdruck einher. Viele betroffene Jugendliche berichten über beeinträchtigtes Selbstwertgefühl, die Angst, öffentlich wegen Hirsutismus oder Effluvium angesprochen zu werden, Kontaktprobleme in der Beziehung – bis hin zu völliger Isolation.
Hier ist nach wie vor die Gabe kombinierter oraler Kontrazeptiva (unter Beachtung der Kontraindikationen!) die erste und wichtigste therapeutische Option, wobei – laut rezenten Empfehlungen der Fachgesellschaften – primär niedrig dosierte kombinierte Präparate zur oralen Anwendung kommen sollen. Darf ein kombiniertes Pillenpräparat aufgrund z. B. einer Gerinnungsstörung nicht zur Anwendung kommen, ist auch unter reiner Gestagenpille/Minipille (z. B. „drospirenone-only pill“) meist ein gewisser positiver Effekt auf Haut und Haare zu beobachten.
Kommt es innerhalb von 3 bis 6 Monaten nicht zu einer Verbesserung des Hautbilds, können zusätzlich antiandrogene Substanzen (wie Finasterid, Flutamid oder Spironolacton) gegeben werden – unter Beachtung der jeweiligen Kontraindikationen, nach Aufklärung über den sog. „off-label use“ und bei sicherer Kontrazeption aufgrund der potenziellen Teratogenität dieser Substanzen. Auch verschiedene Kombinationstherapien mit zusätzlicher Gabe von Metformin (bei pathologischem oGTT und/oder Adipositas) kommen als sekundäre Therapieoption infrage.
Bei Hirsutismus empfiehlt sich die additive Anwendung lokaler und mechanischer Therapien (wie Laser oder Creme). Bei Akne bestehen zusätzliche Therapieoptionen mit antibiotikahaltigen Cremen und/oder Retinoiden – Letztere unter Kontrazeptionsschutz!
Vor allem in den ersten Monaten nach Therapiebeginn sind hier regelmäßige klinische und laborchemische Kontrollen empfohlen.
Generell soll mit einer niedrigen Dosis begonnen werden. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen unter Metformin lassen sich reduzieren, wenn das Präparat einschleichend und zu den Mahlzeiten eingenommen wird.
Eine Lifestyle-Modifikation und Gewichtsabnahme ist bei allen übergewichtigen Frauen mit PCOS – unabhängig vom Lebensalter – die erste und wichtigste therapeutische Maßnahme und sollte immer zusätzlich angeraten werden, nicht zuletzt, um die langfristige Morbidität zu senken. Häufig werden bereits durch eine moderate Gewichtsabnahme von ca. 5 % des Ausgangsgewichts regelmäßige ovulatorische Zyklen und eine Verbesserung des Hirsutismus erzielt (Tab.
3).
Tab. 3
Auswirkungen verschiedener Therapieoptionen auf Symptome des PCO-Syndroms
Gewichtsabnahme | + | + | + |
Metformin | ○ | + | + |
Ovulationshemmer & antiandrogenes Gestagen | + | + | ○ bis (−) |
Antiandrogen | + | ○ bis − | ○ bis (−) |
Dabei ist es wichtig, bei den Jugendlichen Verständnis für gesunde Ernährungsgewohnheiten zu wecken und sie nachhaltig zu jeglicher Form der körperlichen Betätigung zu motivieren.
Auch ohne Beschwerden ist die regelmäßige Induktion einer Abbruchsblutung (zumindest alle 3–6 Monate) zur Endometriumprotektion obligat. Dieses Therapieziel kann ebenfalls durch hormonelle Kontrazeptiva, aber auch durch zyklische Gestagengabe, Depotgestagene oder durch Gewichtsreduktion (gefolgt vom Wiederauftreten ovulatorischer Zyklen) und Metformin erreicht werden.
Bei weiblichen Jugendlichen mit PCOS soll immer ein interdisziplinärer Betreuungsansatz gewählt und ggf. Pädiater, gynäkologische Endokrinologen, Dermatologen, Internisten, Hausärzte, Diätologen und Psychologen in therapeutische Entscheidungen einbezogen werden.
Gerade bei schwerer therapieresistenter Akne, androgenetisch bedingtem Effluvium oder ausgeprägtem Hirsutismus ist eine Vorstellung beim Dermatologen obligat.
Bei auffälligem OGTT soll stets auch eine internistische Begutachtung erfolgen.
Fazit für die Praxis
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Die korrekte Diagnosestellung des PCOS in der Jugend ist oft schwierig, da einige „key features“ in den ersten Jahren nach der Menarche physiologischerweise auftreten – zur Verifizierung der Verdachtsdiagnose PCOS ist daher eine regelmäßige Reevaluierung obligat.
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Die Therapie erfolgt je nach der vorherrschenden Beschwerdesymptomatik: Gewichtsreduktion durch Lifestyle-Modifikation ist bei übergewichtigen Jugendlichen stets die wichtigste therapeutische Maßnahme. Die Behandlung kutaner Hyperandrogenisierungserscheinungen erfolgt mit COC, Antiandrogenen oder Low-dose-Kombinationstherapien.
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Eine regelmäßige Zyklierung zur Endometriumprotektion ist essenziell.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von der Autorin keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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