07.01.2020 | originalarbeit
Die Hadernkrankheit – vor 150 Jahren eine neue, heute verschwundene Berufskrankheit in Österreich
Erschienen in: Wiener Medizinische Wochenschrift | Ausgabe 3-4/2020
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Anfangs 1870 starben neun von 17 erkrankten Arbeiterinnen einer niederösterreichischen Papierfabrik an einer bisher nicht beachteten, doch retrospektiv verfolgbaren besonderen Lungenaffektion. Diese „neue“ Hadernkrankheit betraf nur Frauen, die mit dem Zerschneiden, Zerreißen und Sortieren von Hadern beschäftigt waren, welche zumeist Bekleidungs- und Haustextilien aus Ungarn, Kroatien und angrenzenden Gebieten waren oder gebrauchte, ungereinigte Verbandstoffe aus Spitälern. Bei der Arbeit der Frauen wurde sehr viel Staub freigesetzt, der von ihnen eingeatmet wurde. Dadurch entstanden verschiedene Krankheitserscheinungen, darunter auch eine ganz charakteristische hoch fieberhafte Erkrankung, die „Hadernkrankheit“. Diese begann meist ohne Prodromalsymptome ganz plötzlich als schwere lobäre oder lobuläre Pneumonie mit Atelektasen und ödematösen Erweichungen des Lungengewebes. Histologisch sah man gehäuft auf und zwischen den Epithelzellen der Alveolen und in deren Wandungen dicht gedrängt Bakterien. Diese wurden später als Anthrax-Erreger erkannt.
Die Hadernkrankheit konnte durch verschiedene technische Verbesserungen und Desinfektionsmaßnahmen eingeschränkt werden. Sie erlosch gänzlich nach dem Ersatz der Hadern durch Holzschliff.
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