Gezieltes Screening der Medikation im Sinne eines Patient-Centered Care verbessert die Lebensqualität und reduziert Arzneimittelinteraktionen. Um funktionelle Dyspepsie zu diagnostizieren, müssen mögliche organische Ursachen und eine Helicobacter pylori -Infektion ausgeschlossen werden.
Verzicht auf fettes Essen Fettreiche Mahlzeiten zu streichen ist eine der ersten Maßnahmen bei Magenschmerzen. Das kann helfen, ist aber nicht immer die Lösung.
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Die 43-jährige Frau O. steht mitten im Leben und ist mit ihrem Mann und den zwei Kindern rundum glücklich. Wären da nicht die lästigen Oberbauchbeschwerden seit einigen Wochen, die einfach nicht weggehen wollen. Sie ist rasch satt, hat aber trotzdem das Gefühl viel gegessen zu haben. Nach fettreichen Mahlzeiten verspürt Frau O. zeitweise ein Brennen hinter dem Brustbein. Allgemeine Ratschläge wie der Verzicht auf kohlensäurehaltige Getränke und Alkohol oder ein Glas lauwarmes Wasser nach dem Essen haben nicht geholfen. Auch die von der Apotheke empfohlenen OTC-Medikamente führten nicht zur gewünschten Besserung, weshalb Frau O. die Beschwerden nun ärztlich abklären lassen will. Die Einnahme von Schmerzmitteln aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wird verneint. Frau O. nimmt abgesehen von einem Nahrungsergänzungsmittel keine Dauermedikamente (Tab. 1).
Auslöser und Screening
Im Zuge der ärztlichen Untersuchung sind weder Alarmsymptome (wie u. a. blutiges Erbrechen, Blut im Stuhlgang, Koliken, Fieber) noch Risikofaktoren feststellbar. Das Gewicht der Patienten ist stabil, sie hat guten Appetit. An Übelkeit oder gar Erbrechen kann sich Frau O. nicht erinnern. In der Abdomen-Sonografie präsentieren sich Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse und Milz unauffällig. Die Palpation des Bauches bleibt ohne Befund. Auf Nachfrage erzählt die Patientin, nichts an ihrer Ernährung verändert zu haben– abgesehen davon auf besonders fette Speisen wie Speck und Grammeln zu verzichten. Der Arzt verordnet eine zeitlich befristete niedrig dosierte Therapie mit einem Protonenpumpeninhibitor (PPI) und pflanzliche Magentropfen (Tab. 2). Da die Patientin gerne Tee trinkt, erhält sie ergänzend ein Rezept für einen Magen-Darm-Tee gegen dyspeptische Beschwerden nach Österreichischem Arzneibuch (Species stomachicae dyspepsiae). Bis zum Kontrolltermin erfolgt eine Medikationsanalyse nach dem SOAP-Prinzip ( S ubjective- O bjective- A ssessment- P lan) .
Ergebnis der Analyse
- Funktionelle Dyspepsie (Reizmagensyndrom) bezeichnet Magenbeschwerden, für die es keine diagnostisch nachweisbare organische Ursache gibt. Die Leitsymptome umfassen frühes Sättigungsgefühl, postprandiales Völlegefühl, epigastrische Schmerzen und epigastrisches Brennen. Beschwerden wie Blähungen im Oberbauch, Übelkeit, Sodbrennen und Aufstoßen sind ebenfalls möglich.
- Die genaue Ursache des Reizmagensyndroms ist bislang nicht bekannt. Stress und psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen können die Beschwerden verschlimmern und scheinen bei der Entstehung eine wichtige Rolle zu spielen. Im angloamerikanischen Raum wird funktionelle Dyspepsie den Disorders of Gut-Brain Axis zugeordnet und damit das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Darm hervorgehoben.
- Um funktionelle Dyspepsie zu diagnostizieren, müssen mögliche organische Ursachen und eine Helicobacter pylori -Infektion ausgeschlossen werden. Zudem wird eine Gastroskopie gefordert. Funktionelle Dyspepsie kann in der Primärversorgung, sofern keine Alarmsymptome oder Risikofaktoren vorliegen, auch ohne Gastroskopie behandelt werden. Mittel der Wahl sind niedrig dosierte PPI. Halten die Beschwerden weiterhin an oder treten nach dem Absetzen des PPI wieder auf, ist eine Gastroskopie obligatorisch.
- Zwölffingerdarmschleimhautveränderungen, veränderte Magensäuresekretion und übermäßige Freisetzung von Peptidhormonen sind keine pathophysiologischen Mechanismen bei funktioneller Dyspepsie. Entgegen der verbreiteten Meinung kommen Nahrungsmittelunverträglichkeiten nur bei einem Bruchteil der Patienten als Auslöser infrage.
- Bei Patienten mit aktiver H. pylori -Infektion und dyspeptischen Beschwerden ist eine antibiotische Eradikationstherapie indiziert. Gemäß der aktualisierten deutschen S2k-Leitlinie besteht die Erstlinientherapie aus Metronidazol + Tetrazyklin + PPI + Bismut (Bismut-haltige Quadrupeltherapie) über mindestens zehn Tage. Bei Therapieversagen wird eine Resistenztestung empfohlen. Je nach Ergebnis kann in der Zweitlinie eine Standard-Triple-Therapie mit Amoxicillin/Metronidazol + Clarithromycin + PPI oder eine Fluorchinolon-haltige Triple-Therapie mit Levofloxacin/Moxifloxacin + Amoxicillin/Rifabutin + PPI über 14 Tage zum Einsatz kommen.
- Bei Patienten, die auf niedrig dosierte PPI nicht ansprechen und H . pylori -negativ sind bzw. bei denen die Beschwerden trotz Eradikation weiter bestehen, erfolgt eine symptombasierte Unterteilung in das postprandiale Distress-Syndrom (PDS) oder in das epigastrische Schmerzsyndrom (EPS). Etwa die Hälfte der Patienten hat einen PDS/EPS-Mischtyp. Die Unterscheidung zwischen PDS und EPS ist für die nachfolgende medikamentöse Therapiewahl entscheidend.
- Beim PDS stehen eine verringerte gastrointestinale Motilität und mahlzeitenbedingte Beschwerden im Vordergrund. EPS ist durch Schmerzen und/oder Brennen im Oberbauch gekennzeichnet. Anders als beim PDS ist der zeitliche Zusammenhang mit einer Mahlzeit deutlich weniger ausgeprägt oder überhaupt nicht vorhanden. PDS spricht in der Regel gut auf Prokinetika an. Bei EPS sind niedrig dosierte trizyklische Antidepressiva eine Option.
Auswirkungen der Analyse
Im vorliegenden Fall berichtet die Patientin nach der dreiwöchigen PPI-Therapie über eine moderate, aber nicht vollständige Verbesserung ihrer Beschwerden. Sie erhält daraufhin eine Überweisung zum Gastroenterologen. Die Fachärztin stellt im Zuge der Gastroskopie eine aktive H. pylori -Infektion fest.
Angesichts der persistierenden Symptome folgt eine antibiotische Eradikation mit nachfolgender Bestätigung. Zum Zeitpunkt der Bestätigung haben sich die Beschwerden bereits deutlich gebessert. PPI und Magen-Tee konnten abgesetzt und die pflanzlichen Magentropfen auf eine bedarfsorientierte Therapie umgestellt werden.
Resümee
Funktionelle Dyspepsie ist eine der häufigsten Erkrankungen in der klinischen Praxis, für die nach wie vor kein zufriedenstellendes Krankheitsmodell existiert. Manche Patienten fühlen sich unsicher und belastet, weil es keine organisch nachweisbare Ursache für ihre Beschwerden gibt. Die Aufklärung über den funktionellen und ungefährlichen Charakter erfordert dann Zeit und viel Zuwendung. Patienten mit funktioneller Dyspepsie haben eine gute Langzeitprognose und unbeeinträchtigte Lebenserwartung.