01.02.2014 | Intensivmedizin
Flüssigkeits- und Volumentherapie 2013
Ein Spagat zwischen Physiologie, Evidenz und Politik
Erschienen in: Wiener klinisches Magazin | Ausgabe 1/2014
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Hintergrund
Nachdem der Ausschuss für Risikobewertung (PRAC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) am 14.06.2013 empfahl, die Zulassung für hydroxyethylstärkehaltige Präparate zurückzuziehen, wurde ein Revisionsverfahren initiiert, das in diesen Tagen der Europäischen Kommission zur endgültigen Entscheidungsfindung über die Zukunft dieser Präparateklasse vorliegt. Voraussichtlich werden die europäischen Kliniker im Bereich der Intensivmedizin künftig mit starken Beschränkungen leben müssen, für die blutungsbedingte Hypovolämie jedoch – und damit für den perioperativen und notfallmedizinischen Bereich – werden hydroxyethylstärkehaltige Präparate aller Voraussicht nach weiterhin zur Verfügung stehen.
Die Fakten
Messungen am Menschen konnten belegen, dass der Einsatz isotoner Kristalloide bei akuter Blutung allenfalls zu verzögerter Restitution des Blutvolumens führt. Isoonkotische Kolloide hingegen verbleiben zu einem hohen Prozentsatz intravasal. Unter dem Postulat, der Patient im hypovolämen Schock profitiere von der zeitnahen Stabilisierung seiner kardialen Vorlast, erscheinen isotone Kristalloide als Alternative zu Kolloiden daher nur wenig sinnvoll. Bis zum heutigen Tag ist auch die evidenzbasierte Medizin nicht in der Lage, von einem rationalen Kolloideinsatz zur frühen Stabilisierung im hypovolämen Schock abzuraten: Die kardiale Vorlast der meisten Patienten in allen Studien, die Hydroxyethylstärke (HES) mit negativen Effekten in Verbindung brachten, wurde primär, noch außerhalb der Studie, mit natürlichen und künstlichen Kolloiden stabilisiert. Der Einsatz dieser Präparateklasse mit dieser Indikation ist somit gut etabliert und kann anhand wissenschaftlicher Daten bislang kaum in Zweifel gezogen werden. Darüber hinaus zeigt die kürzlich publizierte CRISTAL-Studie an rund 3000 Intensivpatienten, die erstmals die Phase der initialen Stabilisierung schwerst schockierter Patienten mit abbilden konnte, einen signifikanten Vorteil der Verwendung von Kolloiden gegenüber Kristalloiden im 90-Tage-Überleben.
Schlussfolgerung
Die Datenlage zur Flüssigkeits- und Volumentherapie ist derzeit alles andere als trivial. Es ist erfreulich, dass die Europäische Kommission dieser Tatsache nach erneuter Sichtung aller verfügbaren Daten voraussichtlich durch ein relativ differenziertes Urteil Rechnung tragen wird.
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