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28.02.2025

Frauenfinden leicht gemacht

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Sie haben viel gesammelt, gezeichnet, präpariert und neue Arten beschrieben. Ihnen zu Ehren wurden Tiere und Pflanzen benannt. Doch die Schicksale der Frauen, die für das Naturhistorische Museum Wien tätig waren, werden erst jetzt nach und nach erforscht.

Die Geschichte der großen naturkundlichen Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) ist geprägt von Lücken. Nicht nur Frauen fehlen in den Aufzeichnungen, sondern auch lokale, indigene Helfer, Sammler, Träger, Jäger, Führer und Übersetzer auf kolonialen Forschungsreisen. Wer wie die Autorinnen Stefanie Jovanovic-Kruspel, Andrea Zaremba und Andrea Krapf versucht, die historischen Akteurinnen hinter den Kulissen des NHM ausfindig zu machen, stößt auf Schwierigkeiten. Es gibt nur wenige Namen und kaum Porträts. Von der ersten Säugetierpräparatorin des Hauses weiß man beispielsweise nur noch, dass sie existiert hat.

Dabei sind Frauen im NHM heute omnipräsent. Nicht nur in den wissenschaftlichen Abteilungen bestimmen, etikettieren, präparieren und forschen Frauen, der NHM-Verlag ist weiblich bestimmt, die Öffentlichkeitsarbeit ohnehin, und Karin Vohland ist seit 2020 die erste Generaldirektorin im Haus am Burgring 7. Der internationale Frauentag bot also den perfekten Anlass, den Frauen im NHM eine Publikation zu widmen. Vohland dazu: „Es geht darum, in der visuellen Gedankenwelt Frauen in ihren vielen Rollen und Funktionen sichtbar zu machen und nicht nur mitzumeinen.“ Leerstellen in der Bild-Recherche wurden mithilfe von Comic-Zeichnungen gefüllt.

Dreizehn Frauenschicksale werden im neuen Werk des NHM-Verlags beispielhaft erzählt: zwölf historische und eine fiktive zukünftige – stellvertretend für die vielen kaum dokumentierten Frauen – von der Mäzenin über die Präparatorin, Kuratorin und Sammlerin bis hin zur Reinigungsfrau – und sogar zum Sammelobjekt: Ein präpariertes, sechsjähriges Mädchen wurde von 1798 bis 1848 in einem Schaukasten des damaligen Naturalienkabinetts ausgestellt, den sie sich mit dem berühmten Angelo Soliman teilte.

Wer sind die Ausnahmefrauen?

Die frühen Frauen des Museums könnten gegensätzlicher nicht sein. Auf der einen Seite stehen prominente Frauen wie die

- Regentin Maria Theresia (1717-1780) – sie öffnete die Sammlungen für die Öffentlichkeit – und

- Erzherzogin Leopoldine (1797-1826), die eine naturkundliche und ethnografische Expedition nach Brasilien ausstattete; ihr zu Ehren wurde eine Palmengattung und eine Dinosaurierart benannt.

Neben diesen Adeligen stehen die

- Künstlerin Leontine von Littrow (1856-1925), deren Bild „Küste bei Ragusa, Dalmatien“ im Saal 6 des NHM zu sehen ist, aber auch die

- Weltreisende Ida Pfeiffer (1797-1858), die auf fünf großen Reisen fast 240.000 km auf dem Seeweg und 32.000 km zu Land zurückgelegt hat, sowie die erste offiziell am Museum angestellte

- Hilfs-Präparatorin Marie Müllner (geboren 1867), zuständig für die Insektensammlung; sie wurde 1919, nach 29 Dienstjahren, zur Präparatorin befördert.


Das Buch zeichnet aber auch Frauenschicksale im Schatten der Weltkriege und in der Zeit nach 1945 nach. Die Gründe für die bisher unterbelichtete Rolle der Frauen im Museumsbetrieb sind schriftlich dokumentiert, erläutert Andrea Zaremba vom Archiv für Wissenschaftsgeschichte des NHM. „Wegen ihrer Geduld und Ausdauer“ würden Frauen eine „übermäßige Konkurrenz für ihre männlichen Kollegen bedeuten“, heißt es in einer Unterlage aus dem Jahr 1895. „Diese Angst vor Konkurrenz ist immer noch da.“

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Metadaten
Titel
Frauenfinden leicht gemacht
Publikationsdatum
28.02.2025