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31.01.2025 | Geriatrie und Gerontologie

Kein Alter für leere Teller

Einsamkeit, Krankheiten, eingeschränkte Kaukraft – und plötzlich fehlt es an lebenswichtigen Nährstoffen. Doch es gibt Strategien, die den Erhalt der Selbstständigkeit bis ins hohe Alter gewährleisten.

Die Empfehlungen für die Energie- und Nährstoffzufuhr, die DACH-Referenzwerte, werden von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften für Ernährung in Deutschland (DGE), Österreich (ÖGE) und der Schweiz (SGE) publiziert. Sie beinhalten Mengenangaben für die Zufuhr von Energie und Nährstoffen einschließlich Wasser, Ballaststoffe und Alkohol. Es handelt sich dabei, je nach Nährstoff, um Referenzwerte als empfohlene Zufuhr, Schätzwert oder Richtwert. Die Empfehlungen decken gemäß ihrer Definition den Bedarf fast aller Personen (nahezu 98 %) einer definierten Gruppe der gesunden Bevölkerung. Auf die Einzelperson angewandt, ist die empfohlene Zufuhr aber nur eine Zielgröße, um die ausreichende Zufuhr des jeweiligen Nährstoffs angenähert sicherzustellen. Eine tägliche Nährstoffzufuhr in Höhe der Empfehlung macht eine unzureichende Versorgung sehr unwahrscheinlich. Eine Unterschreitung der empfohlenen Zufuhr erlaubt nicht zwangsläufig den Rückschluss auf einen Mangel, sondern erhöht nur die Wahrscheinlichkeit einer Unterversorgung. Dies gilt ebenso für das Unterschreiten der Schätzwerte. Zur exakten Beurteilung des individuellen Ernährungszustandes sind zusätzlich anthropometrische, klinische oder biochemische Parameter einzubeziehen.

Problemfeld Nährstoffmangel

Allgemein wird unter Mangelernährung ein anhaltender Zustand der Verknappung von Energie, Eiweiß und/oder anderen Nährstoffen verstanden. Das bedeutet, es besteht ein Ungleichgewicht zwischen der Zufuhr und dem Bedarf an Nährstoffen. Es kommt zu messbaren Veränderungen von körperlichen und psychischen Funktionen. Das zieht einen ungünstigen gesundheitlichen Verlauf nach sich, lässt sich jedoch nur durch rasches Eingreifen mit entsprechender Ernährungstherapie behandeln.

Zu einer Mangelernährung kommt es, wenn die Nahrungsaufnahme vermindert, der Nährstoffbedarf erhöht (z. B. Erkrankung, Fieber) oder die Nährstoffverwertung gestört ist. Häufig treffen auch mehrere Ursachen zusammen auf, die allerdings nicht ausschließlich medizinischer Natur sein müssen. Soziale Aspekte wie Geldmangel, Einsamkeit oder aber Depressionen und Demenzerkrankungen sind weitere mögliche Ursachen. Mangelernährung wird differenziert in einen mit einer Krankheit in Verbindung stehenden ungewollten raschen Gewichtsverlust (mehr als 10 % des Körpergewichts in 6 Monaten) oder einen Eiweißmangel mit Verlust der Muskelmasse. Charakteristisch für die Mangelernährung im Alter ist, dass diese zwar meist, aber nicht zwangsläufig mit einer Krankheit einhergeht. Hochbetagte nehmen oft aus unterschiedlichsten Gründen eine unzureichende Menge an energie- und nährstoffreichen Lebensmitteln zu sich. Das liegt einerseits daran, dass mit steigender Lebenserwartung die Häufigkeit von chronischen Erkrankungen zunimmt. Andererseits ältere Erwachsene weniger eiweißreiche Lebensmittel essen, als für die Kompensation des physiologisch bedingten Muskelabbaus erforderlich wären. Dies führt in weiterer Folge zu erhöhter Sturzgefahr. Mangelernährung ist auch mit einer verlängerten Dauer des Krankenhausaufenthalts, einer erhöhten Komplikationsrate und einer schlechten Prognose beim Verlassen des Spitals verbunden. Gewichtsverluste, die durch lange Krankenhausaufenthalte entstehen, können später trotz ausreichender Versorgung schwer oder gar nicht mehr wettgemacht werden. Dieser Teufelskreis birgt ein hohes Risiko für frühzeitige Gebrechlichkeit und den Verlust der Selbstständigkeit. Das rechtzeitige Erkennen einer drohenden Mangelernährung ist die wichtigste Erstmaßnahme für eine Verbesserung der Ernährungssituation und damit den Zugewinn an Lebensfreude und Lebensqualität.

Schreitet eine Mangelernährung ohne Gegenmaßnahme voran, ist es sehr schwierig, eine ausgeglichene oder sogar aufbauende Stoffwechselsituation herzustellen. Sie geht auch mit einer Schwächung des Allgemeinzustandes einher. Muskelkraft und Muskelkoordination sind reduziert, ein geschwächtes Immunsystem und eine schlechte Wundheilung offener Hautstellen sind die Folge. Die unzureichende Nährstoffversorgung führt auch zu einer reduzierten Herzleistung und Lungenkapazität, sodass bereits kleine Wege und Bewegungseinheiten als sehr anstrengend empfunden werden. Durch den Abbau von eiweißhaltigem Gewebe (Muskel, Herz) erhöht sich der Anteil von Harnstoff, der von einer geschwächten Niere nur unzureichend filtriert werden kann. Zugleich leidet die Psyche unter der unzureichenden Nährstoffzufuhr. Konzentrationsschwierigkeiten, Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Introvertiertheit bis hin zu Depressionen können die Folge sein.

Personen mit komplexen Grunderkrankungen, Tumorpatienten, Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten und Betagte bis Hochbetagte zählen genauso zu den Risikogruppen für Mangelernährung wie diejenigen, die an chronischen Verdauungserkrankungen leiden. Auch Personen mit psychischen Erkrankungen (v. a. Demenz, Depressionen), ungewollt einsame und stark körperlich eingeschränkte Personen sind gefährdet. Nicht zu vergessen sind ältere Erwachsene mit chronischem Alkohol- oder Nikotinkonsum. Ganz entscheidend ist zu hinterfragen, ob jemand nicht essen kann oder nicht essen will. Aus den Antworten auf diese Fragen können ganz unterschiedliche Ursachen und damit auch die richtigen Maßnahmen abgeleitet werden.

Wie viel Energie und Nährstoffe sind ab dem 65. Lebensjahr ausreichend?

Energiebedarf und Nährstoffzufuhr müssen an den jeweiligen Gesundheits- und Ernährungszustand angepasst werden. Geschlecht, Körpergewicht, Muskelmasse, Alter, Umgebungstemperatur und natürlich die körperliche Bewegung beeinflussen unter anderem den individuellen Energiebedarf. Ob im Einzelfall die Energie- und Nährstoffzufuhr dem Energieverbrauch entspricht, zeigt ein stabiles Gewicht bei regelmäßigen Gewichtskontrollen auf der Waage.

Neben der Energiemenge werden täglich Nährstoffe in unterschiedlichen Mengen benötigt, um alle physiologischen Funktionen zu erhalten. Die notwendigen Nährstoffe sind unterteilbar in die Gruppe der Makro- und die der Mikronährstoffe. Dabei gilt für die Makronährstoffe nur bei der Proteinversorgung eine höhere Bedarfsempfehlung ab dem 65. Lebensjahr. Diese beträgt statt 0,8 g/kgKG (Kilogramm Körpergewicht)/T im höheren Alter für gesunde ältere Erwachsene 1 g/kgKG/T. Die Eiweißzufuhr bei krankheitsbedingtem Mehrbedarf oder bei Untergewicht kann individuell angepasst werden. Diese Menge verbessert den Skelettmuskelaufbau und ist damit auch eine unterstützende Maßnahme bei Osteoporose. Sicherheitshalber sollte jedoch bei erhöhter Eiweißzufuhr die Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden. Die Obergrenze der Proteinzufuhr liegt bei 2 g/kgKG/T. Oft ist jedoch bereits die regelmäßige Aufnahme von 1 g/kgKG/T für ältere Erwachsene eine Herausforderung.

Ausreichende Proteinversorgung

In der Praxis ist es wichtig, zu wissen, welche Lebensmittel gute Proteinquellen sind, denn mit höherem Alter wird aus unterschiedlichen Gründen, wie beispielsweise der eingeschränkten Kaufähigkeit, häufig auf Fleisch verzichtet. Proteinreiche Milchprodukte und auch pflanzliche Eiweißquellen sind daher mit zunehmendem Alter sehr empfehlenswerte Lebensmittelgruppen für die ausreichende Versorgung. Eine Tabelle proteinreicher Lebensmittel ( siehe QR-Code ) kann zur Orientierung an ältere Personen und deren Begleitung ausgehändigt werden.

Versorgung mit Mikronährstoffen

Der Bedarf an Mikronährstoffen (Vitamine und Mineralstoffe) bleibt im Alter meist gleich, obwohl weniger Energie aufgenommen wird. Der entsprechenden Tabelle ( siehe QR-Code ) sind die empfohlenen Mengen für die ausreichende Mikronährstoffaufnahme zu entnehmen. Die permanente Einnahme von verschiedenen Medikamenten (beispielsweise Diuretika, Statine) kann den Bedarf an Mikronährstoffen erhöhen und bei unzureichender Zufuhr zu ernährungsbedingten Mangelzuständen führen. Die Auswahl der Lebensmittel ist daher an den Bedarf anzupassen. Die Zufuhr sollte über verträgliche Quellen erfolgen und diese Lebensmittel sind nährstoffschonend zuzubereiten.

Ergänzend sei noch erwähnt, dass die Durchführung einer Essbiografie Betreuungspersonen ermöglicht, die Vorlieben von Speisen und individuelle Wünsche der älteren Person zu dokumentieren und darauf Rücksicht zu nehmen. Hilfreich dabei ist die ausfüllbare Grazer-Check-Essbiografie ( siehe dazu QR-Code zur Fortbildung ).

Die Ernährungswissenschafterinnen  Mag. Dr. Brigitte Pleyer und Mag. Alexandra Raidl gründeten die Bildungsplattform ERNährungsGEragogik. Diese dient der Verbreitung von wissenschaftlicher Information rund um die Ernährung im Alter.

Mikronährstoffe Tabelle

Proteinreiche Quellen

Buch Seite 108


Metadaten
Titel
Kein Alter für leere Teller
Publikationsdatum
31.01.2025