Die Österreichische Ärztekammer schlägt Alarm. Vertreter der niedergelassenen Ärzteschaft aus allen neun Bundesländer sagen unisono: „So kann es nicht weitergehen. Die Politik muss dringend helfen.“
ÖÄK-Vizepräsident Dr. Edgar Wutscher (Mitte sitzend) umringt von Kollegen aus Wien und aus den Bundesländern: Prof. Dr. Dietmar Bayer Obmann-Stellvertreter der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Dr.Naghme Kamaleyan-Schmied Obmann-Stellvertreterin der Bundeskurie niedergelassene Ärzte (vordere Reihe); Dr. Max Wudy Vizepräsident und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte der Ärztinnen- und Ärztekammer für Niederösterreich, Dr. Michael Schriefl Vizepräsident und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer Burgenland, OMR Dr. Wolfgang Ziegler Vizepräsident und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Oberösterreich sowie MR Dr. Christoph Fürthauer Vizepräsident und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer Salzburg
ÖÄK/Bernhard Noll
Für Aufregung unter der Ärzteschaft sorgt die Aussage von ÖGK-Obmann Andreas Huss, wonach die ÖGK in Konkurs gehen könnte, wenn ihre Ausgaben weiter sehr viel höher sind als ihre Einnahmen. Der bei der Fusion der Gebietskrankenkassen bestehende Geldposter von 1,4 Milliarden Euro sei fast aufgebraucht. Im Jahr 2025 sei ein Defizit von 800 Millionen Euro möglich, sagt die ÖGK.
Angeführt vom Obmann der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte, Dr. Edgar Wutscher, stellen die Bundesland-Vertreter eine vernichtende Diagnose aus: „In allen Bundesländern spitzen sich die Verhältnisse zu. Die Österreichische Gesundheitskassa ist in einigen Bundesländern als Verhandlungspartner nichtexistent.“
Hier sind die wichtigsten Aussagen in Schlagworten:
Dr. Edgar Wutscher, Bundeskurie: „Wenn sich die Politik zum solidarischen Gesundheitssystem bekennt, dass muss sie dieses auch finanzieren. Dies ließe sich ermöglichen durch eine verbindliche Patientenlenkung – wie sie uns seit 20 Jahren, seit Einführung der E-Card, fehlt. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass Patientinnen und Patienten auf Eigeninitiative beliebige Ebenen des Gesundheitssystems in Anspruch nehmen.“
Dr. Dietmar Bayer, Steiermark: „Unser Gesundheitssystem ist immer noch auf acht Millionen Einwohner ausgelegt, wie Anfang der 2000er Jahre. Inzwischen haben wir mehr als neun Millionen Einwohner, aber immer noch fast dieselbe Zahl an Kassenärztinnen und -ärzten. Diese konstante Zahl muss immer mehr leisten – das zeigt die steigende Zahl der e-Card-Konsultationen. Dazu kommt eine völlig verpfuschte Kassenreform.“
ÖÄK
Dr.in Naghme Kamaleyan-Schmied, Wien: „Wir befinden uns seit Jahren in einer Abwärtsspirale. Unser Gesundheitssystem zerbricht unter der Last. Die „3-Minuten-Medizin“ ist im Kassensystem längst Realität. Ärzte und Ärztinnen sind durch den Zeitdruck am Limit. Die Kassenmedizin muss aufgewertet werden. Wir brauchen faire Honorare und die Möglichkeit, moderne medizinische Leistungen in den Ordinationen anzubieten.“
Dr. Christoph Fürthauer, Salzburg: „Das Kassensystem wird attraktiver, wenn es flexibler wird. Neben der klassischen Einzelordination soll es auch möglich sein, Gruppenpraxen, Job-Sharing-Modelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Primärversorgungszentren sind eine Möglichkeit, aber im ländlichen Raum könnten auch Ärzte-Netzwerke eine Lösung bieten. Für Kassenärzte sollte auch Teilzeit möglich sein.“
Dr. Max Wudy, Niederösterreich: „Hausärzte am Land sollten Medikamente an ihre Patienten abgeben können. Das würde den Patienten enorm helfen und Landarzt-Praxen attraktiver machen.“
Dr. Michael Schriefl, Burgenland: „Wir Kassenärzte haben immer weniger Zeit für immer mehr Patienten. Wir dürfen leider nach wie vor nicht alle Medikamente nach unserer medizinischen Expertise verschreiben. Die chef- und kontrollärztliche Bewilligung ist eine unnötige Belastung. Während der Pandemie konnten wir alle Medikamente direkt verordnen – die Befürchtung, dass damit teure Medikament schneller verordnet werden, erwies sich als unbegründet.