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Open Access 08.05.2024 | Psychiatrie

Gewalt gegen Frauen und ihre psychischen Auswirkungen

Warum es wichtig ist, danach zu fragen

verfasst von: Assoc. Prof.in Priv. Doz.in Dr.in Nilufar Mossaheb, M. Sc

Erschienen in: psychopraxis. neuropraxis

Zusammenfassung

Weltweit haben 35 % der Mädchen und Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Strukturelle Ungleichbehandlung und hegemoniale Männlichkeitskonzepte bilden die Grundlage für Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Frauen mit Gewalterfahrung entwickeln deutlich häufiger psychische Erkrankungen. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit, lebenszeitlich Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt zu werden, für Frauen mit psychischen Erkrankungen erhöht. Mental health professionals haben eine wichtige Rolle und Verantwortung hinsichtlich der Möglichkeiten zur Unterstützung bei – und zur Prävention von – Gewalt gegen Frauen. Eine Anamneseerhebung im psychiatrischen Kontext sollte geschlechtssensibel sein, Traumata berücksichtigen und routinemäßig ein Erfragen von Gewalterfahrungen beinhalten. Hierfür ist neben dem psychiatrischen Wissen auch eine Kenntnis über weitere Maßnahmen zum Schutz der Opfer notwendig als auch Unterstützungsmöglichkeit bei eigener Betroffenheit.
Hinweise
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Am 23. Februar 2024 wurden in Österreich fünf Frauen tot aufgefunden – erwürgt, erstochen. Wenige Tage später wurde eine weitere Frau tot aufgefunden – erschossen.
Das erschütternde Ende dieser Woche bildete schließlich die Meldung der monatelangen Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens durch multiple Täter.
Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist ein globales und nicht zuletzt ubiquitäres Verbrechen, ein massives gesellschaftliches Problem. Im Jahr 2022 wurden weltweit 89.000 Mädchen und Frauen ermordet, ein Höchststand der letzten 20 Jahre. Wenngleich global die meisten Morde Männer oder Jungen betreffen, sind Mädchen und Frauen disproportional häufiger durch Morde im häuslichen Umfeld betroffen. Von den Morden mit einem weiblichen Opfer werden 82 % durch einen Beziehungspartner begangen, im Vergleich zu 18 % männlicher Mordopfer. Weltweit werden täglich etwa 133 Mädchen oder Frauen durch eine Person aus der eigenen Familie getötet. Und die Rate an Femiziden fällt nicht.
Strukturelle Ungleichbehandlung und hegemoniale Männlichkeitskonzepte bilden gemeinsam mit anderen Faktoren eine toxische Dynamik, die die Grundlage für Gewalt gegen Mädchen und Frauen bildet und diese befeuert.
Weltweit haben 35 % der Mädchen und Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren
Gewalt gegen Frauen ist nicht nur strafrechtlich relevant, sondern stellt auch einen klaren Verstoß gegen grundlegende Menschenrechte von Mädchen und Frauen dar. Die Europäische Kommission verpflichtete sich mit 1. Oktober 2023 dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (CETS210) und somit auch dazu, entsprechende Maßnahmen hierzu umzusetzen.
Gewalt gegen Mädchen und Frauen kann unterschiedliche Ausformungen annehmen. Diese kann sich als physische, sexuelle, psychische, ökonomische oder soziale Gewalt äußern. Zumeist sind Überschneidungen beziehungsweise fließende Übergänge zwischen den Gewaltformen fassbar. Beispielsweise zeigt sich häusliche Gewalt häufig multimodal mit körperlicher Gewalt (wie schlagen, treten, würgen etc.), sexueller Gewalt (Vergewaltigung oder sonstige sexuelle Kontakte ohne Einwilligung), psychischer Gewalt (wie Demütigung, Erniedrigung, Einschüchterung, Drohungen inkl. solcher, die Kinder wegzunehmen etc.), Kontrollverhalten (Isolieren der Partnerin, Handy kontrollieren, finanzielle Einschränkung, Verbote an Arbeit/Ausbildung teilzunehmen) und ähnlichen Akten (Tab. 1).
Tab. 1
Häufigste Formen von Gewalt gegen Mädchen und Frauen
Formen der Gewalt
Beschreibung und Beispiele
Partnerschaftliche Gewalt
Gewalt durch Partner/Expartner, physischer/sexueller/psychischer Natur inkludiert auch Kontrollverhalten, Drohungen, Demütigung, soziale Isolation, ökonomische Gewalt usw.
Sexuelle Gewalt
Jegliche Form unerwünschten sexualisierten Verhaltens, das einer Frau aufoktroyiert wird, inkl. sexuelle Belästigung, Drohungen, unerwünschte Berührungen, Vergewaltigung, sexuelle Gewalt als Kriegswaffe usw.
Femizid
Tötung von Mädchen oder Frauen aufgrund ihres Geschlechts, häufig einhergehend mit vorangehenden anderen Gewaltformen
Frauenhandel
Gewaltsames Führen von Mädchen und Frauen in eine Zwangslage mit dem Ziel der Ausbeutung (häufig mittels Prostitution) zwecks finanziellen Profits
Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
Jeglicher Akt, der die teilweise oder gänzliche Entfernung der externen weiblichen Genitalien oder andere Verletzungen weiblicher Genitalien aus nichtmedizinischen Gründen beinhaltet
Zwangsheirat
Kinderheirat
Unfreiwillige Verheiratung
Digitale Gewalt
Durch digitale Technologien fazilitierte Gewalt, die zu Schaden auf physischer/sexualisierter/psychischer/sozialer/politischer/ökonomischer Ebene führt oder führen kann bzw. Rechte beschränken inkl. online stalking, deepfake videos, cyberbullying, sexting ohne gegenseitiges Einverständnis, sextortion, cybergrooming, doxing (Veröffentlichung privater Informationen)
Psychische Gewalt
Systematisches psychisches Quälen über einen längeren Zeitraum inkl. Einschüchterungen, Erniedrigungen, Beschimpfungen, Verboten, Drohungen, Anschreien, soziale Isolation, Kontrollverhalten, Stalking. Ist häufig auch mit ökonomischer Gewalt verbunden
Körperliche Gewalt
Körperliche Übergriffe und Misshandlungen jeglicher Art inkl. schlagen, prügeln, stoßen, an den Haaren ziehen, schmerzhaft zupacken, würgen, treten, mit Gegenständen bewerfen, persönliche Dinge zerstören usw.
Stalking
Unterform der psychischen Gewalt. Wiederholte unerwünschte Kontaktaufnahmen über verschiedene Kanäle, Kontakt mit Umfeld, verfolgen, abpassen, bedrohen, Mail- oder SMS-Terror, unerwünschte Geschenke
Die häufigste Form von Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist häusliche sowie sexuelle Gewalt. Weltweit, somit auch in Österreich, haben 35 % der Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch den Beziehungspartner, im häuslichen Umfeld oder außerhalb des familiären Kontextes erfahren.
Die häufigste Form von Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist häusliche sowie sexuelle Gewalt
Im Jahr 2023 wurden in Österreich 15.115 Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt. Das lässt ansatzweise erahnen, welches Ausmaß die Dunkelziffer häuslicher Gewalt haben muss, denn Gewalt findet häufig hinter verschlossenen Türen statt. Die Aufklärungsrate von Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist gering. Die Konsequenzen sind teilweise fatal, wie zuletzt in Österreich an den Femiziden und Vergewaltigungen junger Mädchen ersichtlich ist. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang auch, dass Femiziden fast immer Misshandlungen durch den Täter vorangehen und diese einen essenziellen Risikofaktor für nachfolgende Femizide darstellen.

Auswirkungen geschlechtsspezifischer Gewalt auf die psychische Gesundheit

Sowohl bei Frauen als auch bei Männern sind Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen entlang eines breiten diagnostischen Spektrums – und entlang des gesamten Altersspektrums – und häuslicher Gewalt eindeutig beschrieben. Nachdem Frauen aber deutlich häufiger Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt sind, ist dieser Aspekt bei Frauen von noch größerer psychosozialer, versorgungsspezifischer und gesamtgesellschaftlicher Relevanz.
Metaanalytische Daten zeigen eine dreifach erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung depressiver Störungen, eine vierfach erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Angststörungen und eine siebenfache Erhöhung für posttraumatische Belastungsreaktionen (PTBS) für Frauen, die häusliche Gewalt erlebt haben. Die negativen Effekte auf die psychische Gesundheit und das erhöhte Auftreten von Angststörungen, Depressionen, posttraumatischen Belastungsreaktionen, Suizidalität u. a. zeigen sich sowohl bei physischer als auch bei psychologischer häuslicher Gewalt. Ebenso treten selbstverletzendes Verhalten, Persönlichkeitsentwicklungsstörungen, psychotische Erkrankungen und substanzassoziierte Störungen bei Frauen mit insbesondere häuslicher Gewalterfahrung häufiger auf.
Frauen mit Gewalterfahrung entwickeln häufiger psychische Erkrankungen
Besonders hervorzuheben sind Untersuchungen, die zeigen konnten, dass es hinsichtlich der Inzidenz und der Schwere der Symptomatik depressiver und Angststörungen sowie PTBS und Suizidgedanken keine Unterschiede zwischen Frauen, die ausschließlich psychische Gewalt und Frauen, die psychische und physische Misshandlung erlebt haben, gibt, wohl jedoch zu solchen, die keinerlei Misshandlungen erfahren haben. Frauen, die mehr als eine Form von Missbrauch erfahren, haben insgesamt ein höheres Risiko, eine oder mehrere psychische Erkrankungen zu entwickeln.
Festzuhalten sind auch weitere Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen, nämlich jene, die die miterlebenden Kinder betreffen. So führt häusliche Gewalt zu einer vermehrten Stressexposition in utero, die die Gehirnentwicklung beeinflussen und das Risiko für psychische Erkrankungen im weiteren Leben erhöhen kann. Weiters können gewalttätige Verhaltensweisen auch durch Lernen am Modell weitergegeben werden, was zu transgenerationaler Gewalt, aber auch zu transgenerationalen psychischen Problemen führen kann. Für Kinder, die Gewalt im häuslichen Umfeld miterlebt haben, ebenso für Kinder, die direkt Gewalt erfahren haben, besteht ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Im dramatischsten Fall miterlebter Gewalt, bei einem Femizid, stehen Kinder zudem vor der Situation, zusätzlich zum Trauma der miterlebten Gewalt Halbwaisen oder potenziell Vollwaisen zu sein.
Risikofaktoren für das Erleben häuslicher und sexueller Gewalt sind u. a. weibliches Geschlecht, jüngeres Alter, Behinderungen, Armut, sexueller Missbrauch im Kindesalter, miterlebte Gewalt, Substanzmissbrauch, psychische Erkrankungen, Arbeitslosigkeit und gewaltfördernde gesellschaftliche Geschlechternormen. Viele dieser Variablen sind auch Risikofaktoren für psychische Erkrankungen. Hier verdeutlicht sich nicht zuletzt der Einfluss sozialer Determinanten, die sowohl für die Entwicklung psychischer Erkrankungen als auch für Gewalt gegen Mädchen und Frauen eine Rolle als Risikofaktoren spielen. Ebenso eröffnet dieses Wissen unzählige Möglichkeiten zur Entwicklung von Präventionsstrategien, die es zu nutzen gilt.
Gerade in psychiatrischen Gesundheitseinrichtungen zeigt sich bei Patient:innen eine hohe Prävalenz an Gewalt- und Missbrauchserfahrung. Eine Untersuchung in London wies auf 70 % der Patientinnen und 50 % der Patienten mit Erfahrung von häuslicher Gewalt und Missbrauch hin, wobei ein Drittel der Frauen noch zum Erhebungszeitpunkt weiterhin Opfer häuslicher Gewalt und Misshandlung waren. Auch hinsichtlich sexueller Gewalt besteht bei Personen, die eine psychiatrische Einrichtung oder psychiatrische Hilfe aufsuchen, eine hohe Prävalenz. In der o. g. Untersuchung beschrieben etwa 60 % sexuelle Gewalterfahrungen.
Frauen mit Gewalterfahrung entwickeln häufiger psychische Erkrankungen. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit, lebenszeitlich Opfer sexueller Gewalt zu werden, für Frauen mit psychischen Erkrankungen etwa sechsfach erhöht im Vergleich zu Frauen aus der Allgemeinbevölkerung.
Eine geschlechtssensible Anamnese beinhaltet ein Erfragen von Gewalterfahrungen
Die genannten Aspekte zeigen, welche Rolle, welche Verantwortung und welche Möglichkeiten jene Personen haben, die im Bereich der psychischen Gesundheit tätig sind.
Eine Anamneseerhebung im psychiatrischen Kontext sollte in Anbetracht dessen routinemäßig auch ein Erfragen von Gewalterfahrungen und Missbrauch beinhalten. Hierfür ist es jedoch notwendig, dass Psychiater:innen, Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen, Pflegepersonen und weitere im Mental-Health-Bereich Tätige Kenntnis darüber haben, welche Maßnahmen in der Folge notwendig und möglich sind. Die Kooperation mit multiprofessionellen Opferschutzgruppen, wie sie in vielen Einrichtungen existieren, ist hier von besonders großer Relevanz.

Empfehlungen zur geschlechtssensiblen, traumaberücksichtigenden Anamneseerhebung

Die Weltgesundheitsorganisation und die Lancet Psychiatry Commission on Intimate Partner Violence and Mental Health empfehlen zusammenfassend folgende Aspekte zu berücksichtigen:
  • Gewährleistung eines vertrauensvollen, sicheren Umfeldes, in dem es möglich ist, im Rahmen einer ausführlichen klinischen Anamneseerhebung und Exploration über Gewalterfahrung zu sprechen bzw. diese zu offenbaren. Hier ist ein ruhiger Raum und, falls sprachlich notwendig, eine professionelle, unabhängige Dolmetschperson notwendig. Frauen muss die Gelegenheit gegeben werden, auch ohne Familienmitglieder/Partner/anwesende Bekannte gesehen zu werden, um gegebenenfalls Gewalterfahrungen mitteilen zu können. Allgemeinere Fragen können dabei helfen, z. B. „Wie ist die Situation zu Hause?“, „Wie erleben Sie Ihre Beziehung?“, „Haben Sie manchmal Angst vor Ihrem Partner?“
  • Empathische, validierende, ernst nehmende und wertfreie Kommunikation, die die Komplexität der Gewalterfahrung berücksichtigt und Sorgen und Entscheidungen der Betroffenen respektiert. Ein Victim-Blaming, sprich eine explizite oder implizite Beschuldigung des Opfers als (mit)schuldig für die Gewalterfahrung ist abzulehnen.
  • Sicherheit gewährleisten: Sicherheit beinhaltet auch emotionale Sicherheit, Wertfreiheit und ein Unterstützungsangebot, das Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Etwaige Sicherheitsbedenken sollen auch während des Behandlungsverlaufes erfragt werden. Hier können Fragen wie „Ist es für Sie sicher, nach Hause zu gehen?“, „Wovor haben Sie Angst?“, „Womit hat (die misshandelnde Person) gedroht?“ hilfreich sein. Auch Risikoindikatoren wie vermehrtes Kontrollverhalten, Würgen, Anwenden von Waffen, Eskalation der Gewalt sollten insbesondere auch bei Beziehungsende beachtet werden.
  • Nach Kindern und deren Befinden und Sicherheit fragen. Gewaltbetroffene und Gewaltüberlebende fürchten sich oft davor, Misshandlungen ihrer Kinder zu offenbaren, aus Angst vor einer Kindesabnahme.
  • Adäquate Dokumentation der Gewalterfahrung unter Berücksichtigung der Gesetzeslage und dem Einverständnis der Betroffenen.
  • Konkreten Notfallplan für den Fall einer weiteren Eskalation gemeinsam erstellen.
  • Kooperation mit Opferschutzeinrichtungen.
  • Aufklärung über Gesetzeslage, z. B. über verpflichtende Meldungen nach Ärztegesetz offenlegen.
  • Bereitstellen von praktischer Unterstützung und Sicherheitsmaßnahmen unter Wahrung der Autonomie der Betroffenen.
  • In-die-Wege-Leiten der Behandlung körperlicher Auswirkungen und Schäden der Gewalt.
  • Behandlung psychischer Auswirkungen und Erkrankungen der Gewalt unter Berücksichtigung des entsprechenden Wissens, der Evidenzlage und der Erfahrung.
  • Unter Berücksichtigung der Belastung, die das Thema auch bei den Helfer:innen auslösen kann – nicht zuletzt auch hinsichtlich der potenziellen Möglichkeit des Vorhandenseins eigener Gewalterfahrungen –, sind Unterstützungsangebote für selbige ebenso anzubieten
Nicht zuletzt sind die Erfassung von Gewaltbereitschaft und der entsprechenden Risikoindikatoren bei potenziellen Tätern häuslicher Gewalt – die in den meisten Fällen nicht Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen sind – im Sinne einer Präventionsarbeit sowie die sekundärpräventive Täterarbeit relevante Aufgaben im Kontext der Arbeit an psychischer Gesundheit.
Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist ein multifaktorielles, multidimensionales Verbrechen mit massiven Auswirkungen auf psychische und andere Lebensbereiche, hernach simplifizierende und populistische Maßnahmen zu kurz greifen.
Als mental health professionals und als Gesellschaft haben wir gemeinsam eine Verantwortung, nicht nur auf die unmittelbare Not von Mädchen und Frauen in unserem (Arbeits‑)Umfeld adäquat zu reagieren, sondern uns auch für einen systematischen Abbau von struktureller und sozialer Ungleichbehandlung, eine Dekonstruktion toxischer Geschlechterstereotype und eine gesamtgesellschaftliche Präventionsstrategie gegen Gewalt einzusetzen (Abb. 1).

Fazit für die Praxis

  • Frauen mit Gewalterfahrung entwickeln deutlich häufiger psychische Erkrankungen.
  • Mental health professionals können zur Aufklärung von Gewalt gegen Frauen, in der Behandlung psychischer Auswirkungen und in der primären und sekundären Prävention von Gewalt beitragen.
  • Eine Anamneseerhebung im psychiatrischen Kontext sollte geschlechtssensibel sein, Traumata berücksichtigen und routinemäßig ein Erfragen von Gewalterfahrungen beinhalten.
  • Dies erfordert die Gewährleistung von Sicherheit, Ruhe, empathischer und validierender Kommunikation, Wahrung von Autonomie, shared decision making über weitere Schritte, Kooperation mit Opferschutzeinrichtungen und eine Berücksichtigung der möglichen eigenen Betroffenheit.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

N. Mossaheb gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Metadaten
Titel
Gewalt gegen Frauen und ihre psychischen Auswirkungen
Warum es wichtig ist, danach zu fragen
verfasst von
Assoc. Prof.in Priv. Doz.in Dr.in Nilufar Mossaheb, M. Sc
Publikationsdatum
08.05.2024
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
psychopraxis. neuropraxis
Print ISSN: 2197-9707
Elektronische ISSN: 2197-9715
DOI
https://doi.org/10.1007/s00739-024-01004-4