Endometriose bildet sich nach der Menopause (postmenopausal) in der Regel zurück, jedoch zeigen sich bei 2–5 % der postmenopausalen Frauen persistierende Beschwerden oder Rezidive nach Hormonersatztherapie (HRT). Für diesen Artikel wurden eine Umfrage unter Gynäkologen zum Wissensstand über HRT und Endometriose sowie eine Literaturrecherche zu diesem Thema durchgeführt. Unter den befragten Gynäkologen zeigte sich ein eher uneinheitliches Bild. In der Literatur wurde unterstrichen, dass die Möglichkeit eines Rezidivs auch postmenopausal nicht ausser Acht gelassen werden darf. Die Wahl der richtigen Hormonersatztherapie ist dabei von höchster Bedeutung. Empfohlen wird eine kontinuierlich-kombinierte HRT, bevorzugt mit Dienogest als Gestagen, alternativ ist Tibolon einsetzbar.
Hinweise
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Einführung
Endometriose ist das Vorkommen endometriumartiger Zellverbände bestehend aus endometrioiden Drüsenzellverbänden und/oder Stromazellen ausserhalb des Cavum uteri. Sie ist eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Verlässliche Daten zur Prävalenz und Inzidenz liegen nicht vor. Als Erstliniensubstanz in der hormonellen Therapie wird in der Leitlinie der deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zur Diagnostik und Therapie der Endometriose eine Gestagenmonotherapie (bevorzugt Dienogest) empfohlen. Als Zweitlinientherapie können kombiniert orale Kontrazeptiva, lokale Gestagene und GnRH-Analoga eingesetzt werden [1].
Die Endometriose bildet sich in der Regel nach der Menopause zurück. Gelegentlich bleibt sie aber bestehen und führt zu persistierenden Beschwerden [2]. Es sind etwa 2–5 % der postmenopausalen Frauen betroffen [3]. Es gibt bestimmte Patientengruppen mit erhöhtem Risiko für ein Rezidiv (Abb. 1; [4]). Bezüglich des Einflusses einer Hormonersatztherapie (HRT) auf eine Endometriose findet man in der Leitlinie und in der Literatur nur sehr wenig.
Abb. 1
High-risk-Gruppe für ein Endometrioserezidiv durch eine HRT
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Fragebögen zum Wissenstand HRT und Endometriose
Wir entwickelten einen Fragebogen, der uns einen Überblick über das Wissen bezüglich des Themas „Hormonersatztherapie nach Endometriose“ unter den Gynäkologen verschaffen sollte. Dieser wurde auf verschiedenen Tagungen und Kongressen an niedergelassene und klinisch tätige Kollegen verteilt. In diesen Fragebögen wurden zwei fiktive Fälle beschrieben. Es wurde daraufhin gefragt, ob die Kollegen in diesen Fällen eine HRT verschreiben würden und, wenn ja, welche sie wählen würden (Östrogen mono, Östrogen/Gestagen sequenziell oder kombiniert-kontinuierlich, Tibolon). Des Weiteren wurde gefragt, welches Gestagen bei einer Kombinationstherapie bevorzugt würde.
Von den ausgegebenen Fragebögen erhielten wir 59 zurück. Von den Teilnehmern waren 41 (69,5 %) in einer Praxis tätige Ärzte und 13 (22 %) in der Klinik tätige Ärzte. Fünf Ärzte machten keine Aussage bezüglich ihrer Tätigkeit.
Erster Fall
Der erste Fall handelt von einer 48-jährigen Patientin im Zustand nach laparoskopisch suprazervikaler Hysterektomie (LASH), bei der intraoperativ per Zufall eine Endometriose entdeckt und saniert wurde. Sie stellt sich nun 8 Jahre später mit 10 Hitzewallungen täglich vor. Es bestehen keine weiteren Risikofaktoren für eine HRT.
Resultate
Insgesamt sprachen sich im ersten Fall 96,6 % (n = 57) für eine HRT aus; 29 Ärzte (49,2 %) wählten hierfür eine Östrogenmonotherapie und 16 (27,1 %) eine kombiniert-kontinuierliche Kombinationstherapie. Tibolon wählten 6 (10,2 %) und eine sequenzielle Kombinationstherapie wählten 4 (6,8 %) Teilnehmer (Abb. 2). In der Frage nach dem Gestagen gaben mehr Teilnehmer eine Stimme für ein Gestagen ab, als überhaupt im Vorfeld eine Kombinationstherapie gewählt hatten. 13 (22 %) bevorzugten Dienogest, 8 (13,6 %) Progesteron, jeweils 2 (3,4 %) CMA und Desogestrel und 1 (1,7 %) MPA (Abb. 3).
Abb. 2
Ergebnis der Therapieauswahl im ersten Fall
Abb. 3
Ergebnis der Wahl für ein Gestagen im ersten Fall
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Zweiter Fall
Der zweite Fall handelt von einer 51-jährigen Patientin im Zustand nach totaler laparoskopischer Hysterektomie (TLH) und Darmteilresektion bei Adenomyosis und rektovaginaler Endometriose, welche komplett saniert wurde. Aktuelle Vorstellung bei 15 Hitzewallungen pro Tag. Es bestehen keine Risikofaktoren für eine HRT.
Resultate
Im zweiten Fall wählten 53 (89,8 %) eine HRT als Therapie der Wahl, nur 6 (10,2 %) sahen keine Indikation hierfür. Davon entschieden sich jeweils 18 Ärzte (30,5 %) für Östrogen/Gestagen kombiniert-kontinuierlich und ebenfalls 18 Ärzte für Tibolon als bevorzugte HRT. Nur 14 (23,7 %) wählten Östrogen mono und 1 (1,7 %) eine sequenzielle Kombinationstherapie (Abb. 4). Auch in diesem Fall war die Anzahl derer, die sich für ein Gestagen aussprachen, höher als die Anzahl derer, die eine Kombinationstherapie wählten. Mit einer Mehrheit von 18 (30,5 %) wurde auch dieses Mal Dienogest bevorzugt. Bei 7 (11,9 %) fiel die Wahl auf Progesteron, bei 3 (5,1 %) auf Dydrogesteron und einmal (1,7 %) war Desogestrel die Wahl (Abb. 5).
Abb. 4
Ergebnis der Therapieauswahl im zweiten Fall
Abb. 5
Ergebnis der Wahl für ein Gestagen im zweiten Fall
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Unter den Gynäkologen, die die Fragebögen beantworteten, zeigte sich ein eher uneinheitliches Bild. Es gibt für die Praxis keine klaren Vorgaben bezüglich dieses Themas und es scheinen noch viele Unklarheiten zu bestehen. Daher wurde im zweiten Teil der Publikation analysiert, was die Empfehlungen in der Literatur der letzten Jahre waren.
Literaturrecherche
Methode und Material
Für diesen Artikel wurde eine Literaturrecherche in PubMed und der Cochrane Library bis Mai/Juni 2023 durchgeführt. Suchwörter waren „postmenopausale Endometriose“, „Menopause und Endometriose“, „Endometriose und Hormonersatztherapie“. Nach eingehender Prüfung der Treffer konnten wir 16 Reviews, 4 „case reports“, 7 Studien (davon 4 retro- und 3 prospektiv) sowie ein „national survey“ und ein „EMAS position paper“ zu diesem Thema einschliessen (Tab. 1 und 2).
Nach OP oder KI: medikamentös kombinierte HRT (Gestagen: Progesteron oder Dienogest), gefolgt von Tibolon
Resultate
Diverse „case reports“ zeigen, dass unter einer HRT ein Endometrioserezidiv [18, 19] und auch Endometriose als De-novo-Erkrankung auftreten kann [20].
In der Literaturrecherche zeigte eine epidemiologische Studie bezüglich des Auftretens von Endometriose postmenopausal eine Rate von 2,6 %. Es bestand häufig ein Zusammenhang mit einer HRT. Aber es gab auch Fälle, in denen die Erkrankung ohne Zusammenhang mit einer HRT auftrat [21]. In einer prospektiven, randomisierten Studie von 2002 konnte ein erhöhtes Endometrioserezidivrisiko postmenopausal unter HRT festgestellt werden. Hierbei wurden als weitere Risikofaktoren ein Peritonealbefall > 3 cm und inkomplette Voroperationen genannt [10]. Ein noch vorhandener Uterus wird in einer anderen Studie als weiterer Risikofaktor betrachtet. Daher wird in der Literatur postmenopausal eine Operation der Endometriose als Therapie der Wahl empfohlen [13, 15‐17, 22].
Eine Observationsstudie aus dem Jahr 2003 begleitete 123 Frauen nach Hysterektomie und Adnexektomie beidseits unter verschiedenen HRT (Östrogen mono, zyklisches Östrogen und Progesteron, kontinuierliches kombiniertes E/P) über eine Zeit von im Durchschnitt 3,5 Jahren. Ein Wiederauftreten der Endometriose wurde nur in der Gruppe der Östrogenmono-Patientinnen festgestellt. Die Schlussfolgerung war daher, dass das Gestagen während einer HRT die Patientinnen vor einem Rezidiv schützen könnte. Zusätzlich weisen sie auf ein erhöhtes Mammakarzinomrisiko bei Langzeiteinnahme hin [12].
Fedele et al. betrachteten in ihrer Studie 21 Frauen nach Operation mit Oophorektomie beidseits mit oder ohne Hysterektomie, die Endometrioseresiduen aufwiesen. Sie verglichen den Effekt von transdermalem Östrogen (ohne Hysterektomie mit Medroxyprogesteronacetat) versus Tibolon und konnten zeigen, dass Letzteres ein niedrigeres Risiko für ein Endometrioserezidiv hatte [7].
Auch die verschiedenen Reviews nannten eine Östrogenmonotherapie bei postmenopausalen Frauen als Ursache für Endometrioserezidive. Sie rieten zu einer gründlichen Nutzen-Risiko-Abschätzung bezüglich einer HRT. Insgesamt wurde eine insuffiziente Datenlage mit wenigen gut randomisierten, kontrollierten, prospektiven Studien kritisiert [23]. Es wurde unterstrichen, dass eine Abhängigkeit besteht zwischen OP-Residuen und der Höhe des Endometrioserezidivrisikos. Um ein Rezidiv zu vermeiden, sollte dann eine kombinierte kontinuierliche HRT mit Dienogest als Gestagen, alternativ Tibolon eingesetzt werden [11, 13, 17, 24]. Nach Hysterektomie ohne Endometrioseresiduen sollte eine niedrig dosierte Östrogentherapie gewählt werden [6]. Auch im „EMAS position statement“ wird bei Frauen mit vorzeitiger Menopause und Frauen mit starken klimakterischen Beschwerden und Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Osteoporose, Demenz eine kontinuierlich kombinierte HRT oder Tibolon vorgezogen. Dabei wird das Verhalten von Endometriose verglichen mit dem Verhalten des Endometriums. Von pflanzlichen Präparaten wird abgeraten, da einige östrogene Verbindungen enthalten. Zudem wird das Absetzen der HRT nach Auftreten neuer Endometriosesymptome empfohlen [25]. Auch Gemell et al. weisen auf eine kleinere Rezidivrate unter kontinuierlich-kombinierter HRT hin, äussern aber auch Bedenken hinsichtlich der Risiken bezüglich maligner Erkrankungen und erwarten daher eine individuelle Therapieentscheidung im Konsens mit der betroffenen Patientin [8]. Daher wird empfohlen, postmenopausal eine genaue Aufklärung über ein erhöhtes Karzinomrisiko durchzuführen und die Indikationsstellung in regelmässigen ambulanten Vorstellungen zu kontrollieren [3]. Bei Neuauftreten von Beckenläsionen im Zustand nach Endometriose unter langjähriger HRT, vor allem einer Östrogenmonotherapie, soll immer an eine maligne Transformation gedacht werden [26]. In einem „case report“ wird dabei ein Nachuntersuchungsintervall bei residueller Endometriose unter HRT mit transvaginalem Ultraschall sowie Abnahme von CA-125 alle 6 bis 12 Monate vorgeschlagen [26, 27]. Aus unserer Sicht ist CA-125 jedoch kein Verlaufsmarker (Ausnahme suspekte Ovarialendometriose).
Eine retrospektive Studie aus dem Jahr 2023 untersuchte die Inzidenz für Ovarialkarzinome. Hierfür wurden jeweils 10.304 Frauen mit und ohne HRT beobachtet. Als Kovariablen wurde die Dauer der Anwendung einer kombiniert-kontinuierlichen HRT sowie von Tibolon betrachtet. Hier konnte keine Risikoerhöhung festgestellt werden. Lediglich der Einsatz von Östrogen mono zeigte sich als signifikanter Risikofaktor [28]. Bezüglich einer Rezidivquote nach iatrogener Menopause, hervorgerufen durch Hysterektomie und Adnexektomie beidseits, konnte kein signifikanter Unterschied zwischen einem Start der HRT direkt nach Op. oder nach 6 Wochen festgestellt werden [29].
Praktische Relevanz für die Praxis
Die Diagnose Endometriose sollte auch bei postmenopausalen Frauen nicht ausser Acht gelassen werden. Vor allem bei Frauen mit klimakterischen Beschwerden ist vor Start einer HRT eine gewissenhafte Anamnese und Nutzen-Risiko-Abwägung vorzunehmen, da eine unausgewogene HRT zu einem Rezidiv oder selten sogar Erstauftreten einer Endometriose führen kann. Bei Operabilität ist eine Sanierung als Erstlinientherapie zu empfehlen. Die Wahl der richtigen Präparate für eine HRT ist entscheidend. Die Empfehlung geht hierbei zu einer kontinuierlich-kombinierten HRT bevorzugt mit Dienogest als Gestagen, besonders bei Hochrisikopatienten. Als Alternative ist Tibolon einsetzbar (Abb. 6; [4]). Auch wenn in der aktuellen ESHRE-Leitlinie generell eine kombinierte HRT empfohlen ist, ist aus klinischer Sicht in bestimmten Situationen (länger zurückliegende Endometriose und Hysterektomie) eine Östrogenmonotherapie aufgrund der bekannten Vorteile individuell vertretbar. Dabei ist in regelmässigen Abständen eine Reevaluation der Indikation vorzunehmen. Insgesamt ist die Datenlage jedoch sehr gering und es fehlen prospektive, randomisierte Kontrollstudien.
Abb. 6
Empfehlung HRT in Peri- und Postmenopause
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
Die im Rahmen des Mentoring-Programms entstandene wissenschaftliche Arbeit von K. Müller wird unterstützt durch Besins Healthcare Germany GmbH. T. Römer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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