Infektionen mit >12 sexuell übertragbaren genitalen „high-risk“ (hr) humanen Papillomviren (HPV) sind hauptverantwortlich für anogenitale Karzinome, insbesondere Zervix- und Analkarzinome sowie oropharyngeale Karzinome, insgesamt für 5 % der Karzinome weltweit. Genitale „low-risk“ (lr) HPV und kutane HPV verursachen Anogenitalwarzen (Kondylome) bzw. Hautwarzen, kutane Genus β‑HPV sind ein potenzieller Kofaktor für die Entwicklung nichtmelanozytärer Hautkarzinome in Immunsupprimierten. Die zugelassenen HPV-Vakzinen sind Spaltimpfstoffe bestehend aus leeren Hauptkapsidproteinhüllen (L1-virus-like particles, VLP). Die prophylaktische Impfung mit dem modernen nonavalenten Impfstoff Gardasil‑9 (HPV6/11/16/18/31/33/45/52/58) verhindert persistierende Infektionen mit Typen, die bis zu 90 % der Zervixkarzinome und Kondylome verursachen. Der Impfschutz ist vorwiegend typenspezifisch, daher besteht kein Schutz gegen Infektionen mit den übrigen genitalen hrHPV oder Hauttypen. RG1-VLP ist ein experimenteller „next generation“-Impfstoff, bestehend aus HPV16L1-VLP, welche ein Kreuzneutralisierungs-Epitop des HPV16 Nebenkapsidproteins L2 („RG1“; Aminosäuren 17–36) repetitiv (360×) an der Oberfläche tragen. Eine Vakzinierung mit RG1-VLP schützt im Tierversuch gegen experimentelle Infektionen mit allen relevanten genitalen hrHPV (~96 % aller Zervixkarzinome), lrHPV (~90 % der Kondylome) sowie gegen einige kutane und β‑HPV. Präklinische Daten zeigen langanhaltende Protektion ohne Boosterimmunisierung ein Jahr nach der Impfung sowie Wirksamkeit nach nur 2 Dosen. Auch in lyophilisierter, thermostabiler Form bleibt die Immunogenität der RG1-VLP erhalten. Eine Phase-I-Studie ist mit Unterstützung des US NCI/NIH in Vorbereitung. Der vorliegende Artikel diskutiert Fragestellungen zur HPV-Impfstoffoptimierung und präsentiert den pan-HPV-Impfstoffkandidat RG1-VLP.
Hinweise
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Über 200 Typen des humanen Papillomvirus (HPV) wurden bereits charakterisiert, welche das Epithel der anogenitalen und oropharyngealen Schleimhaut oder Haut des Menschen infizieren und vorwiegend gutartige Papillome (Warzen) verursachen [1, 2]. Neben der überwiegenden Anzahl subklinischer Infektionen induzieren HPV ein breites Spektrum von Erkrankungen unterschiedlicher klinischer Relevanz [3]. Dieses umfasst benigne Hautwarzen (Verrucae) und anogenitale Warzen (Condylomata acuminata), ebenso wie intraepitheliale Neoplasien und nachfolgend invasive Karzinome der anogenitalen und oropharyngealen Schleimhaut.
Das 8 Kilobasen lange Doppelstrang-DNA-Genom der HPV kodiert für 6 „early genes“, die Genomreplikation, Transkription und Virusfreisetzung regulieren, darunter die Onkogene E6 und E7, sowie für zwei „late genes“ (L1, L2) für die das Genom einschließende Proteinhülle. Dieses Viruskapsid besteht aus 72 L1-Pentameren (360 Kopien) des strukturgebenden Hauptkapsidproteins L1 sowie dem Nebenkapsidprotein L2.
Anzeige
Die Infektion verläuft strikt epitheliotrop ohne Virämie, die Virusreproduktion mit Freisetzung infektiöser viraler Partikel in den obersten Schichten des Epithelverbands ist eng an die Differenzierung der Keratinozyten gebunden. Die Klassifizierung der Virustypen und ihre Zuordnung zu Gruppen und Genera erfolgt anhand der Sequenzhomologie im L1-Gen.
Klinisch können nach dem bevorzugten Zielepithel genitale und kutane HPV unterschieden werden. Die genitalen HPV werden nach ihrem onkogenen Potenzial in karzinogene („high-risk“, hr) HPV16/18/31/33/35/39/45/51/52/56/58/59- bzw. weitere potenziell karzinogene HPV26/30/34/53/66/67/68/69/70/73/82/85/97- sowie nichtkarzinogene („low-risk“, lr) HPV6/11/13/40/43/44/74-Typen unterteilt. Persistierende Infektionen mit hrHPV verursachen die meisten Zervixkarzinome, 88 % der Analkarzinome, einen Teil der Vaginal‑, Vulva‑, Peniskarzinome (78 %; 25 %; 50 %) sowie der Oropharynxkarzinome (~30 %; [4]). HPV16 und 18 verursachen jeweils etwa 50 % bzw. 20 % der Zervixkarzinome, sie finden sich zudem in einem überwiegenden Anteil der übrigen HPV-assoziierten Karzinome [5].
Das Zervixkarzinom ist weltweit für 250.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich
Etwa 690.000 HPV-bedingte Karzinome werden jährlich diagnostiziert. Das Zervixkarzinom ist als vierthäufigstes Karzinom weltweit für 250.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich, insbesondere bei Frauen in Ländern, in denen das Angebot zum zytologischen (PAP) Screening fehlt [6]. Die meist sexuell übertragenen Infektionen mit genitalen HPV sind besonders bei jungen Erwachsenen sehr häufig nachweisbar, mit einer Lebenszeitprävalenz von bis zu 90 % [7].
Anzeige
Etwa zwei Drittel der Infektionen werden durch eine zelluläre Immunantwort erfolgreich innerhalb von 1 bis 2 Jahren eliminiert. Bei Persistenz entstehen jedoch aus einem geringeren Anteil (HPV16: 25 %) höhergradige Präkanzerosen, die sich bei fehlender Therapie zu invasiven Karzinomen entwickeln können [8]. Die von lrHPV (90 % HPV6/11) verursachten anogenitalen Warzen sind üblicherweise benigne und selbstlimitierend. Aufgrund ihrer Prävalenz ca. 1 % der sexuell aktiven Erwachsenen stellen sie neben der oft beträchtlichen subjektiven Belastung einen relevanten medizinisch-ökonomischen Faktor dar [9].
Eine spezifische Therapie von anogenitalen Warzen und Präkanzerosen ist nicht verfügbar
Eine spezifische Therapie von anogenitalen Warzen und Präkanzerosen ist nicht verfügbar, für die HPV-assoziierten oropharyngealen Karzinome sind zudem keine obligaten Präkanzerosen definiert, was die Bedeutung der Impfstoffprophylaxe unterstreicht. Die phylogenetisch sehr unterschiedlichen kutanen HPV können bei Kindern und Jugendlichen sowie Immunsupprimierten (insbesondere Organtransplantatempfängern, OTR) häufig palmoplantare Warzen verursachen [10, 11].
Kutane β‑HPV stellen in der Bevölkerung Hautkommensale dar [12]. Darüber hinaus werden einige β‑HPV (5 und 8) seit ihrer Beschreibung als karzinogenes Agens in nichtmelanozytären Hauttumoren (NMSC) von Patienten mit der seltenen Genodermatose Epidermodysplasia verruciformis auch als Kokarzinogene für die Entwicklung von NMSC in OTR diskutiert [11, 12], welche ein mehr als 100-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten dieser Tumoren haben.
Lizensierte HPV-Impfstoffe
Die zugelassenen HPV-Vakzinen sind L1-Protein-Spaltimpfstoffe. Ihre Herstellung basiert auf der Fähigkeit von rekombinant produziertem L1, spontan leere virusähnliche Hüllen (VLP) zu bilden [13‐16]. Immunisierung mit L1-VLP induziert hochtitrige neutralisierende Antikörper gegen die in repetitiver parakristalliner Struktur angeordneten konformationellen L1-Epitope [17].
Diese Antikörper verhindern die initiale Bindung des Viruskapsids an die Basalmembran mit anschließender Opsonisierung durch Phagozyten und in einem späteren Schritt die Bindung an die Keratinozyten über einen noch unbekannten sekundären Rezeptor [18]. Die Antikörper erkennen dabei HPV-typenspezifische hypervariable Oberflächenstrukturen des L1. Die Serumspiegel sind nach Immunisierung mehrere Titerstufen höher als nach natürlicher Infektion [19, 20].
Die ersten zugelassenen HPV-Impfstoffe waren der bivalente Impfstoff Cervarix® (hrHPV16/18 L1-VLP, produziert in Insektenzellen; GSK, London, Vereinigtes Königreich) und der quadrivalente Impfstoff Gardasil® (hrHPV16/18 und lrHPV6/11 L1-VLP, produziert in Hefe, Merck, Kenilworth, NJ, Vereinigte Staaten). Beide Impfstoffe schützen gegen 70 % der Zervixkarzinome, Gardasil zusätzlich gegen 90 % der anogenitalen Warzen. Verhinderung weiterer ~20 % der Zervixkarzinome kann von dem um hrHPV31/33/45/52/58 L1-VLP erweiterten hochmodernen nonavalenten Gardasil-9® erwartet werden.
Die Gardasil-Impfstoffe sind an Aluminiumsalz als Adjuvans gebunden, Cervarix an ASO4, welches den TLR4-Agonisten Monophosphoryl Lipid A (MPL) und Aluminium enthält. In groß angelegten Prä- und Postlizensierungsstudien vermitteln die Impfstoffe bei rechtzeitiger prophylaktischer Gabe (vor dem ersten Sexualkontakt) hocheffizienten Schutz gegen Infektion mit den Impfstofftypen und durch sie verursachte zervikale, vulväre, vaginale und anale intraepitheliale Neoplasien (CIN, VIN, VaIN, AIN) sowie Genitalwarzen [21‐25].
Anzeige
Obwohl orale HPV-Infektionen nicht Endpunkte der HPV-Impfstoffstudien waren, konnte auch eine >90 %ige Reduktion der oralen Prävalenz von DNA der Impfstofftypen in Immunisierten gezeigt werden [26]. Die zugelassenen Impfstoffe inkludieren keine VLP kutaner HPV und können daher vor Infektionen mit diesen nicht schützen. Der Nutzen der HPV-Impfung nimmt mit zunehmendem Alter bzw. nach bereits stattgefundenen Infektionen rasch ab, insbesondere besteht keine Wirkung auf bereits bestehende Infektionen, Kondylome und Dysplasien.
Die HPV-Impfung sollte daher möglichst bei Kindern und Jugendlichen zwischen dem 9. und 12. (bis 14.) Lebensjahr, also vor Aufnahme sexueller Aktivität, im Rahmen des kostenlosen Impfprogramms erfolgen, „Catch-up“-Vakzinierungen für junge Erwachsene bis 26 Jahre (in Österreich bis 30 Jahre) werden unabhängig vom Geschlecht empfohlen. Aufgrund der besseren Immunantwort wird für Jugendliche zwischen 9 und 14 Jahren die Impfung in einem 2‑fach-Immunisierungsschema (wichtig: Abstand von ≥6 Monaten) empfohlen [27], danach wird eine 3‑fache Immunisierung empfohlen.
In einem großen Metaanalyse-Review von Daten aus 14 Industrieländern konnte gezeigt werden, dass 5 bis 8 Jahre nach Impfung bei 13- bis 19-jährigen Mädchen Infektionen mit HPV16/18 um 83 %, anogenitale Warzen um 67 % und zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN2+) um 51 % (bei 20-bis 24-Jährigen um 66 %, 54 % und 31 %) gegenüber der Periode vor Impfung abnahmen [28]. Neben einem teilweisen Herdeneffekt fand die Metaanalyse für Länder mit Impfempfehlung für mehrere Alterskohorten (z. B. bis 26 Jahre) und über 50 % Geimpften in der adressierten Zielgruppe einen schnelleren und deutlicheren Abfall von CIN2+, was die Bedeutung einer breiten Impfstoffimplementierung unterstreicht.
Vor Einführung der HPV-Impfung wurde diskutiert, ob die Impfung einer Population zu einem Shift zu Nicht-Vakzine-Typen (durch Besetzen einer durch die Impfung entstandenen biologischen Nische) führen könnte [29]. Eine finnische Studie zeigte bei einer Impfquote von ~50 % keine Effekte im Sinne eines Shifts zu Seropositivität für genitale HPV, die nicht durch die Vakzine abgedeckt sind [30].
Anzeige
Prophylaktische HPV-Impfstoffe sind sehr sicher und hocheffizient
Prophylaktische HPV-Impfstoffe sind sehr sicher und hocheffizient. Als Spalt-Impfstoffe, bestehend aus L1-Protein, enthalten sie keine potenziell onkogene virale DNA und können nicht replizieren. Wegen des positiven Sicherheitsprofils wird die Impfung daher auch für immunsupprimierte und immunkompromittierte Patienten von 9 bis 26 Jahren empfohlen (siehe evidenz- und konsensbasierte S3-Leitlinie Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien – Langfassung – AWMF-Register Nr.: 082-002, 2020; [31]). Die zitierte Leitlinie schließt sich auch bei HIV-positiven Jugendlichen im Alter von 9 bis 17 Jahren der Empfehlung zur Impfung wie in den USA an [32], verweist aber im Gegensatz zu dieser auf eine Einzelfallentscheidung für 18- bis 26-jährige HIV-Infizierte.
Bei allen immunsupprimierten oder immunkompromittierten Patienten soll aufgrund einer möglicherweise reduzierten Immunantwort altersunabhängig eine HPV-Impfung mit 3 Impfdosen erfolgen. L1-Antikörper verhindern die initialen Schritte der Infektion; L1 wird zudem lediglich in differenzierten Keratinozyten in den obersten Schichten des Epithels, jedoch nicht in den (latent infizierten) Basalzellen exprimiert [33]. Die Impfung hat aufgrund dessen keine therapeutische Wirkung auf bestehende HPV-Infektionen oder assoziierte Erkrankungen und wird daher zu diesem Zweck nicht empfohlen [31]. Eine aufrechte Vakzineffizienz gegen die Entwicklung zervikaler Dysplasien 12 Jahre nach Immunisierung und Antikörperspiegel gegen HPV6/11/16/18 14 Jahre nach Immunisierung wurden beschrieben [34], eine Auffrischungsimpfung wird daher derzeit nicht empfohlen.
Mit den lizensierten HPV-Impfstoffen liegen hochimmunogene, effektive und sichere prophylaktische Impfstoffe vor. Dennoch fanden Bruni et al. 2016 HPV-Impfraten von lediglich 33,6 % bei Frauen im Alter von 10 bis 20 Jahren in Industrieländern. Die Raten in weniger entwickelten Ländern lagen bei gerade 2,7 % [35]. Zur Steigerung der Akzeptanz der Impfung könnte eine Reduktion der Impfdosen beitragen. Protektion gegen hrHPV16/18 konnte bei jungen Frauen auch 4 Jahre nach einmaliger Immunisierung mit einem bivalenten Impfstoff trotz relativ niedriger Antikörpertiter nachgewiesen werden [36, 37].
Anzeige
Eine Dosisreduktion zu einmaliger Immunisierung wird derzeit aber noch für keine Alterskohorte empfohlen. Ein anderer Ansatz verfolgt, die HPV-Immunisierung in einem früheren Alter zu verabreichen, in dem regelmäßige Kinderarztbesuche und Impfungen stattfinden. Eine Studie mit 72 Mädchen im Alter von 4 bis 6 Jahren zeigte gute Verträglichkeit und hohe Impfantikörpertiter 30 Monate nach 2 Dosen Immunisierung mit dem bivalenten HPV-Impfstoff [38]. Um die Impfraten in Nichtindustrieländern, in denen aufgrund des fehlenden zytologischen Screening-Angebots ein Großteil der weltweiten Zervixkarzinomfälle auftritt, zu erhöhen, sind die Etablierung weniger kostenintensiver Vakzinproduktionsverfahren und thermostabile Formulierungen wünschenswert.
Zwar wurde in China bereits eine bivalente (hrHPV16/18), in E. coli produzierte Vakzine (Cecolin) zugelassen, jedoch kann langfristig nur ein Impfstoff mit Wirksamkeit gegen sämtliche relevanten hrHPV, idealerweise als oligo- oder monovalente Formulierung die Screening-Lücke füllen. Thermostabilisierung bei erhaltener Immunogenität durch Lyophilisation wurde für HPV16L1-Kapsomere beschrieben [39]. Neue Technologien, wie die „atomic layer deposition“ (ALD) könnten thermostabile Formulierungen mit adjuvanter Wirkung schaffen. Spray-getrocknete, nanotechnologisch mit Aluminium ummantelte HPV16L1-Kapsomere, die für 1 Monat bei 50 °C gelagert wurden, zeigten nach 1‑maliger Immunisierung eine mindestens gleichwertige protektive Antikörperantwort im Vergleich zu wässrigen Formulierungen mit Aluminium-Adjuvans [40].
HPV-Impfstoffe der nächsten Generation sollten idealerweise (a) gegen alle klinisch relevanten hrHPV, lrHPV und kutane HPV schützen, (b) eine oligo- oder monovalente Antigenformulierung enthalten und günstige Produktionssysteme (z. B. bakterielle Expression) nützen, (c) immunogen nach zwei- oder einmaliger Verabreichung und (d) unabhängig von komplexen Kühlketten sein.
L2-basierte Breitspektrum-Impfstoffe
Impfstoffe, die eine Immunantwort gegen hochkonservierte L2-Epitope evozieren, können via kreuzneutralisierender Antikörper gegen ein breites Spektrum genitaler (und teilweise kutaner) HPV-Typen schützen. L2 ist nicht essenziell für die Kapsidbildung [41] und in nativen infektiösen Virionen erst nach Bindung des Kapsids an die Basalmembran für Antikörper zugängig. Eine Antikörperantwort gegen L2 nach natürlicher Infektion ist daher selten [42]. Die Immunisierung im Tierversuch mit isolierten aminoterminalen L2-Peptiden kann jedoch niedrigtitrige Antikörper gegen Infektion mit dem Impftyp und darüber hinaus kreuzneutralisierende Antikörper gegen heterologe Papillomviren hervorrufen [43‐46].
L2-basierte Impfstoffe der nächsten Generation, die sich in (prä)klinischen Phasen der Entwicklung oder Phase-I-Studien befinden, verwenden verschiedene technische Ansätze, um die Immunogenität der L2-Epitope zu erhöhen, darunter die Präsentation auf Virushüllen von HP16L1 (RG1-VLP), Bakteriophagen, Adenovirus, multimere Peptide oder die Bindung von L2-Epitopen an immunstimulatorische Moleküle. Alle L2-basierten Impfstoffkandidaten konnten eine Kreuzprotektion gegen unterschiedliche Panels heterologer hrHPV im Tiermodell zeigen (siehe Review Huber et al. 2021 [47]).
HPV-Impfstoff-Kandidat der nächsten Generation RG1-VLP
Bei dem L2-basierten Impfstoffkandidat RG1-VLP werden HPV16L1-VLP, die Bestandteil der lizensierten Impfstoffe sind, als Plattform zur Präsentation eines L2-Epitops genutzt. Durch genetische Insertion des Kreuz-Neutralisationsepitops „RG1“ von HPV16L2 (Aminosäuren 17–36) in eine Oberflächenschlinge von HPV16L1 entsteht ein chimäres HPV16L1-RG1-Protein. Dieses lagert sich effizient zu VLP („RG1-VLP“, Abb. 1) zusammen, die das RG1-Epitop in repetitiver Anordnung 360-mal auf der Kapsidoberfläche präsentieren [48]. Die Immunisierung mit RG1-VLP und Aluminium/MPL-Adjuvans führt im Tierversuch zu breit kreuzneutralisierenden Antikörpern, die gegen eine Vielzahl von HPV-Typen gerichtet sind (hr HPV16/18/45/31/33/52/58/35/39/51/59/68/73/26/69/34/70, lrHPV/11/32/40 und kutane HPV2/27/3/76 und β‑HPV5). Passiver Transfer von RG1-VLP-Kaninchenseren schützt Mäuse vor experimenteller genitaler Infektion mit allen relevanten hrHPV16/18/45/31/33/52/58/35/39/51/59/68/56/73/26/53/66/34 [49].
Abb. 1
Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme („negative stain“) von RG1-VLP
×
Erfolgreiche Booster-Immunisierungen nach einem Jahr zeigten die Induktion einer B‑Cell-Memory-Antwort gegen RG1-VLP an, zudem konnte eine Kreuzprotektion gegen hrHPV58 nach 2 Dosen RG1-VLP induziert werden. Die Beobachtung der Immunogenität von 2 Dosen RG1-VLP wurde in einer Studie zur Evaluierung des Toll-like-Rezeptor 4-Agonists BECC („bacterial enzymatic combinatorial chemistry“) zur Einsparung von Antigen bestätigt. Hier konnte nach Immunisierung mit reduzierter Dosis (75 %) RG1-VLP und BECC/Alhydrogel äquivalente Immunogenität zu RG1-VLP/Alhydrogel gezeigt werden [50].
Präklinische Dosisfindungsstudien in Kaninchen zeigten ähnliche Antikörperspiegel gegen HPV16 mit 5 µg RG1-VLP und der HPV16L1-VLP-Äquivalenzdosis Cervarix sowie darüber hinaus kreuzneutralisierende Antikörper gegen die getesteten genitalen hrHPV16/18/33/58/26/70 [51]. RG1-VLP konnte präklinisch somit als Breitspektrum-Impfstoffkandidat identifiziert werden, der potenziell Schutz gegen ~96 % aller Zervixkarzinome, >90 % anogenitaler Warzen sowie darüber hinaus gegen einige kutane HPV induziert. Nichtpublizierte Daten zeigen zudem eine Kreuzneutralisierung eines breiten Spektrums von β‑HPV (Huber Bettina, nicht publiziert). Es darf angenommen werden, dass die Nutzung des klinisch erfolgreich verwendeten und sicheren Impfstoffs HPV16L1-VLP mit Erweiterung um ein singuläres 20 Aminosäuren-Epitop zu einem ähnlich positiven Sicherheitsprofil von RG1-VLP führt. Die erfolgreiche Generierung von HPV18L1-VLP, die das homologe RG1-Epitop von HPV45 präsentieren, zeigte zudem, dass eine oligovalente Vakzineformulierung mit alternativen RG1-VLP zur weiteren Erweiterung des Impfspektrums möglich ist [47].
RG1-VLP ist ein vielversprechender HPV-Vakzinkandidat der nächsten Generation
Die cGMP(„current good manufacturing procedure“)-Produktion von RG1-VLP und toxikologische Studien zur Verwendung in einer geplanten klinischen Phase-I-Studie (Studienstart geplant 2022) wurden durch das PREVENT Cancer Programm des National Cancer Institute/NIH in den USA ermöglicht und zeigten ein gutes Sicherheitsprofil. Kaninchen wurden weiters mit RG1-VLP (Adjuvans Aluminiumhydroxid) oder Gardasil‑9 immunisiert und experimentell mit genitalen HPV-Quasivirionen infiziert. RG1-VLP-Vakzinierung schützte gegen eine Infektion mit HPV6/16/31/45/52/58/35/39/59. Die Impfung mit Gardasil‑9 hingegen vermittelte erwartbar keinen Schutz gegen HPV35, 39 oder 59. Der Impfschutz durch lizensierte L1-VLP-Vakzine ist typenspezifisch und HPV35, 39 und 59 L1-VLP sind in Gardasil‑9 nicht enthalten. Ebenso bedeutsam war der Umstand, dass der Impfschutz gegen Infektion ein Jahr nach Immunisierung ohne weitere Boosterimmunisierung erhalten blieb [52]. Durch Lyophilisation von RG1-VLP konnten hitzestabile Antigenpräparationen produziert werden, die bis zu 1 Monat bei 70 °C gelagert werden konnten, ohne das Potenzial zur Bildung kreuzneutralisierender Antikörper gegen hrHPrHPV und kutane HPV zu verlieren (Huber Bettina, nicht publiziert).
RG1-VLP ist ein vielversprechender HPV-Vakzinkandidat der nächsten Generation aufgrund (a) des erschöpfenden Wirkspektrums gegen alle relevanten genitalen HPV sowie viele kutane HPV, (b) der klinisch erfolgreich verwendeten Antigenplattform HPV16L1, (c) der monovalenten Impfstoffformulierung (d) sowie der Möglichkeit für eine thermostabile Formulierung.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Schellenbacher und R. Kirnbauer sind PatentinhaberInnen der experimentellen RG1-VLP Vakzine, die unter Lizenzvereinbarung zwischen Pathovax LLC, der Medizinischen Universität Wien und der Johns Hopkins University entwickelt wird. B. Huber und S. Shafti-Keramat geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.