Einleitung
Immunsuppression beschreibt einen Zustand, bei dem die Funktion des Immunsystems signifikant eingeschränkt ist, was die Vulnerabilität für Infektionen und andere schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen deutlich erhöht. Dieser Zustand kann durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, darunter sowohl altersbedingte als auch krankheitsassoziierte Ursachen. Die steigende Anzahl und das zunehmend heterogene Spektrum immunsupprimierter Patientinnen und Patienten stellen behandelnde Ärztinnen und Ärzte vor komplexe klinische Herausforderungen, die eine präzise diagnostische und therapeutische Strategie erfordern.
Mit fortschreitendem Alter verliert das Immunsystem an Effizienz, wodurch ältere Menschen anfälliger für Infektionen werden. Auch chronische Erkrankungen wie Herz‑, Leber- und Niereninsuffizienz tragen erheblich zur Schwächung der Immunabwehr bei. Ein weiterer wichtiger Faktor für Immunsuppression ist die Organtransplantation, bei der Patientinnen und Patienten lebenslang immunsuppressive Medikamente einnehmen müssen, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern.
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Bei Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Lupus erythematodes, Multipler Sklerose, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa werden häufig immunmodulierende Therapien eingesetzt, um das überaktive Immunsystem zu kontrollieren. Diese Behandlungen, die oft Biologika oder andere immunsuppressive Medikamente umfassen, können jedoch die Abwehrkräfte der Betroffenen zusätzlich schwächen.
Moderne Therapien, insbesondere für hämatologische und onkologische Patientinnen und Patienten, wie zielgerichtete Therapien und CAR-T-Zelltherapien, bieten zwar oft lebensrettende Möglichkeiten, haben jedoch das Potenzial, das Immunsystem erheblich zu beeinträchtigen und das Risiko für opportunistische Infektionen deutlich zu erhöhen.
Darüber hinaus gibt es angeborene Immundefekte, die bereits von Geburt an die Funktionsfähigkeit des Immunsystems beeinträchtigen und Betroffene besonders anfällig für Infektionen machen.
Präventives Impfen minimiert das Risiko schwerer Infektionen bei Immunsuppression
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Angesichts dieser vielfältigen Ursachen für Immunsuppression spielt die präventive Impfung eine zentrale Rolle im Management dieser Patientengruppen, um das Risiko schwerer Infektionen zu minimieren.
Die Immuninkompetenz immunsupprimierter Personen ist abhängig von der Art und Schwere der Grunderkrankung beziehungsweise der eingesetzten Therapien. Totimpfstoffe sind ohne zusätzliche Sicherheitsrisiken anwendbar; allerdings kann der Impferfolg unzureichend sein, abhängig von der Art der Funktionsstörung des Immunsystems, und sollte kontrolliert werden.
Lebendimpfstoffe sind in der Regel bei schwerer Immundefizienz kontraindiziert [1]. In Einzelfällen kann jedoch nach einer genauen Nutzen-Risiko-Abwägung sowie umfassender Aufklärung und Dokumentation eine Lebendimpfung erwogen werden. Dies stellt jedoch einen Off-Label-Gebrauch dar.
Strategien zur Verbesserung des Impfansprechens bei älteren oder immunsupprimierten Personen umfassen beispielsweise die Verwendung von adjuvantierten Impfstoffen, die Verabreichung von Hochdosis-Impfstoffen und verkürzte Impfintervalle [2].
Der neue österreichische Impfplan 2023/2024 sowie die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) und die Richtlinien fachspezifischer Gesellschaften enthalten spezifische Empfehlungen, die sich gezielt an immunsupprimierte Patientinnen und Patienten richten [3‐6]. Diese Leitlinien sollen Ärztinnen und Ärzten helfen, maßgeschneiderte Impfstrategien für ihre Patienten zu entwickeln und somit deren Gesundheit bestmöglich zu schützen.
Grad der Immunsuppression und Impfung
Der Grad der Immunsuppression bestimmt maßgeblich das Risiko für die Entstehung schwerer Infektionen. Es lassen sich prinzipiell drei Grade der Immunsuppression unterscheiden [1]:
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Grad I: Erkrankungen oder Therapien ohne relevante Immunsuppression (z. B. Kortisontherapie mit einer Dosis unter 20 mg und einer Dauer unter 2 Wochen, HIV-Infektion mit CD4-Zellen ≥ 500/mm3, onkologische Patienten, deren letzte Chemotherapie mehr als 3 Monate zurückliegt, Patienten nach Stammzelltransplantation nach 2 Jahren ohne Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD), Autoimmunerkrankungen ohne immunsuppressive oder immunmodulierende Therapie, Diabetes mellitus).
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Grad II: Erkrankungen oder Therapien mit leichter bis mittelgradiger Immunsuppression (z. B. HIV-Infektion mit CD4-Zellen zwischen 200 und 499/mm3, Kortisontherapie unter 20 mg, aber länger als 2 Wochen, niedrig dosierte Immunsuppressiva wie Methotrexat unter 0,4 mg/kg/Woche, Azathioprin unter 3 mg/kg/Woche, 6‑Mercaptopurin 0,6 mg/kg/Woche, Asplenie, Diabetes mellitus, chronische Leber- und Nierenerkrankungen, MBL-Defizienz [Mangel an Mannose-bindendem-Lektin]).
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Grad III: Erkrankungen oder Therapien mit hochgradiger Immunsuppression (z. B. HIV-Infektion mit CD4-Zellen ≤ 200/mm3, Patienten nach Stammzelltransplantation unter 2 Jahren, Patienten nach Organtransplantation, hämatologische Patienten mit akuter hämatologischer Erkrankung, CLL (chronische lymphatische Leukämie), aplastische Anämie, Kortisontherapie über 20 mg und länger als 2 Wochen, der Großteil der Biologika, insbesondere CD20-Antikörper).
Bei Patienten mit Grad I und II der Immunsuppression können Totimpfstoffe und Lebendimpfstoffe verabreicht werden. Bei Grad II wird eine Titerkontrolle, wenn möglich, empfohlen.
Bei Immunsuppression Grad I und II können Tot- und Lebendimpfstoffe verabreicht werden
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Lebendimpfstoffe sind bei Patienten mit Grad III der Immunsuppression strikt kontraindiziert, da das Risiko einer Infektion durch den abgeschwächten Impfstoffvirus besteht. Gleichzeitig ist die Immunogenität von Totimpfstoffen bei diesen Patienten oft reduziert, was die Wirksamkeit der Impfung beeinträchtigen kann [1, 6].
Zeitpunkt der Impfung
Der Impfstatus sollte idealerweise vor Initiierung einer immunsuppressiven Therapie überprüft und vervollständigt werden. In Fällen, in denen die geplante Therapie eine schwere Immunsuppression zur Folge hat, ist die Verabreichung von Totimpfstoffen spätestens 2 Wochen vor Beginn der Therapie indiziert. Bei Patienten, die sich bereits unter immunsuppressiver Therapie befinden oder bei denen jährliche Auffrischungsimpfungen anstehen, sollte die Impfung außerhalb von Phasen hoher Krankheitsaktivität erfolgen. Lebendimpfstoffe sollten, wenn indiziert, spätestens 4 Wochen vor Therapiebeginn verabreicht werden. Bei laufenden Dauertherapien ist der zeitliche Abstand zu Lebendimpfungen in Abhängigkeit von Art und Dosierung der immunsuppressiven Medikation zu berücksichtigen. Die immunsuppressive Therapie kann in der Regel 4 Wochen nach der Gabe eines Lebendimpfstoffes fortgesetzt werden [1].
Relevante Impfstoffe
Tab. 1 umfasst die relevantesten empfohlenen Impfstoffe bei immunsupprimierten Personen
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Masern, Mumps, Röteln, Varizellen: Vor Beginn der immunsuppressiven Therapie ist die Erhebung des Immunstatus gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen dringend zu empfehlen. Die MMR-Impfung soll laut den Empfehlungen des österreichischen Impfplans allen seronegativen Personen zweimal im Mindestabstand von 4 bis 8 Wochen gegeben werden. Bei MMR-seronegativen Personen unter Immunsuppression darf die MMR-Lebendimpfung nicht gegeben werden. Laut einer Studie von Uziel et al. kann die MMR-Impfung bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen unter immunsuppressiver Therapie sicher angewendet werden, wenn eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgt [7]. Bei VZV-seronegativen immunsupprimierten Personen kann unter sorgfältiger Abwägung eine Immunisierung mit einem Totimpfstoff als Off-Label-Use erwogen werden. Da Immunsupprimierte ein erhöhtes Risiko haben, schwer an Masern zu erkranken, sollte im Falle eines Masern-Kontakts eine Postexpositionsprophylaxe mit Standardimmunglobulin (1 × 400 mg/kgKG i.v.; Off-Label-Use) möglichst innerhalb von 6 Tagen nach Exposition durchgeführt werden [5].
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COVID-19: Es kann davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Erwachsenen entweder durch Impfung, natürliche Infektion oder beides immunologisch exponiert wurde, sodass im Allgemeinen eine Grundimmunisierung vorliegt. Bei immunsupprimierten Patienten, insbesondere bei solchen mit schwerer Immunsuppression (Grad III), wird eine jährliche Auffrischungsimpfung gegen COVID-19 empfohlen. Basierend auf den bisherigen Daten ist bei diesen Patienten eine reduzierte Immunantwort zu erwarten [8, 9]. Daher sollte eine serologische Überprüfung des Antikörpertiters frühestens 4 Wochen nach der dritten Impfung erfolgen, um die Effektivität der Immunisierung zu beurteilen [5]. Je nach Ergebnis und individuellen Risikofaktoren können weitere Impfungen erforderlich sein, wobei die Entscheidung in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt getroffen werden sollte [5].
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Influenza: Bei Personen mit Immunsuppression Grad II und III ab dem 18. Lebensjahr wird – abweichend von der Fachinformation – eine Impfung mit einem adjuvantierten oder Hochdosis-Influenzaimpfstoff empfohlen. Studien zeigen, dass die Wirksamkeit der Influenza-Impfung bei immunsupprimierten Patienten zwar verringert sein kann, aber dennoch einen signifikanten Schutz vor Infektionen bietet [10]. Um einen optimalen Schutz über die gesamte Influenzasaison zu gewährleisten, kann bei Grad III der Immunsuppression zusätzlich eine zweite Impfung mit einem inaktivierten Standardimpfstoff (ohne Adjuvans und ohne Hochdosis) in Betracht gezogen werden. Sollte der adjuvantierte oder Hochdosis-Impfstoff (z. B. Fluad Tetra oder Efluelda) nicht verfügbar sein, können alternative inaktivierte Influenzaimpfstoffe verwendet werden. In diesem Fall wird eine doppelte Impfung mit einem Mindestabstand von 4 Wochen zwischen den Dosen empfohlen (Off-Label-Use) [5].
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Pneumokokken: Pneumokokken: Bei Personen mit hohem Risiko für schwere Verläufe einer Pneumokokken-Infektion (Grad II und III der Immunsuppression) sollte die Impfung unbedingt 4–6 Wochen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie erfolgen. In Österreich wird weiterhin eine sequenzielle Impfung empfohlen, beginnend mit einem konjugierten Impfstoff (13,15- oder 20-valent), gefolgt 8 Wochen später von einem Polysaccharid-Impfstoff (23-valent). Diese Impfserie sollte alle 6 Jahre wiederholt werden [5]. In Deutschland wird ab dem 01.01.2024 ausschließlich der 20-valente konjugierte Impfstoff (PCV20) empfohlen [11]. Die STIKO begründet diese Änderung mit der breiten Serotypenabdeckung von PCV20 sowie der erwarteten besseren und länger anhaltenden Immunantwort. PCV20 wird sowohl dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23) als auch der bisher empfohlenen sequenziellen Impfung mit PCV13 gefolgt von PPSV23 als überlegen angesehen [12‐14]. Für Patienten, die bereits eine sequenzielle Impfung erhalten haben, wird nach 6 Jahren eine Auffrischimpfung mit dem 20-valenten konjugierten Impfstoff empfohlen. Zur möglichen Notwendigkeit von weiteren Wiederholungsimpfungen nach einer Impfung mit PCV20 liegen derzeit keine Daten vor, weshalb hierzu noch keine spezifischen Empfehlungen gegeben werden können.
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Meningokokken: Bei immunsupprimierten Patienten wird eine Impfung mit dem tetravalenten Meningokokken-Impfstoff (Serogruppen A, C, W135, Y) dringend empfohlen, entsprechend dem für das Alter vorgesehenen Impfschema. Eine Auffrischungsimpfung sollte alle 5 Jahre erfolgen, um den Schutz aufrechtzuerhalten. Die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B sollte ebenfalls gemäß den altersadaptierten Empfehlungen durchgeführt werden. Derzeit liegen keine spezifischen Daten zur Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen für den Meningokokken-B-Impfstoff vor; möglicherweise ist jedoch, ähnlich wie beim tetravalenten Impfstoff, eine Auffrischung alle 5 Jahre erforderlich. Besonders immunsupprimierte Patienten mit Komplementdefekten, Properdin-Defizienz oder solche, die Komplementinhibitoren wie Eculizumab oder Ravulizumab einnehmen, tragen ein erheblich erhöhtes Risiko für invasive Meningokokken-Infektionen. Diese Patienten haben aufgrund der Beeinträchtigung des Komplementsystems eine stark reduzierte Fähigkeit, diese Bakterien effektiv zu bekämpfen, was zu einem signifikant erhöhten Risiko für lebensbedrohliche Infektionen führt [5, 15‐17].
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Diphtherie-Tetanus-Polio-Pertussis: Die Auffrischung wird alle 10 Jahre empfohlen. In den letzten Jahren ist die Inzidenz von Pertussis in verschiedenen Teilen der Welt, einschließlich Österreich, angestiegen. Insbesondere in Ländern wie den USA, Kanada, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Australien und Neuseeland wird dieser Anstieg häufig auf unzureichende Durchimpfungsraten und nachlassenden Impfschutz zurückgeführt. Auch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) berichtet von einer steigenden Pertussis-Inzidenz, die vor allem Säuglinge und Erwachsene betrifft, deren Impfschutz nicht ausreichend aufgefrischt wurde. Ein signifikanter Rückgang der Impfraten führt nicht nur zu einer Zunahme der Infektionen, sondern erhöht auch das Risiko schwerer Krankheitsverläufe und Todesfälle, insbesondere bei den vulnerabelsten Gruppen, wie Säuglingen, die noch zu jung sind, um eine vollständige Immunisierung zu erhalten. Sollte die Durchimpfungsrate weiter sinken, besteht die Gefahr, dass Pertussis wieder verstärkt in der Bevölkerung zirkuliert, was erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben könnte. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Impfraten auf einem hohen Niveau zu halten, um die Ausbreitung dieser potenziell lebensbedrohlichen Krankheit zu verhindern und einen kollektiven Schutz durch Herdimmunität zu gewährleisten [5].
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RSV: Ab Herbst 2023 stehen für Personen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr zwei Impfstoffe zur Prävention von durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ausgelösten Erkrankungen der unteren Atemwege zur Verfügung:
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Arexvy: Ein adjuvantierter Subunit-Impfstoff.
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Abrysvo: Ein bivalenter (A/B) Subunit-Impfstoff, der nicht adjuvantiert ist. Dieser Impfstoff ist zusätzlich zur Anwendung bei Schwangeren zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche (SSW) zugelassen.
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Tab. 1
Empfohlene Impfstoffe bei immunsupprimierten Personen
Impfung | Handelsname | Impfschema |
---|---|---|
Totimpfstoffe | ||
Influenza | Adjuvantierte oder Hochdosis-Impfstoff | Jedes Jahr |
Pneumokokken | Konjugat-Impstoff (PCV20) Apexxnar 23-valentes Polysacharid-Impfstoff (PPV23) Pneumovax 23 | Tag 0: PCV13 + nach 8 Wochen: PPV23 [1], alle 6 Jahre |
Haemophilus influenzae | ACT-HiB | Einmalig |
Meningokokken ACWY | Menveo | Einmalig |
Meningokokken B | Bexsero | Tag 0 + nach 8 Wochen |
RSV | Arexvy Abrysvo | Einmalig |
Hepatitis B | Mono: Engerix, HBVAXPRO, Mit Hepatitis A: Ambirix, Twinrix, Als 6‑fache Impfung (Di-Te-Per-Po-HepB und Häm. Inf: Hexacima, Hexyon, Infanrix) | Für Impfnaive Patienten: Tag 0 + nach 6–12 Monaten Nach Grundimmunisierung: Titerkontrolle (Anti Hbs < 100 E/l), eine Impfdosis und Titerkontrolle nach 4 Wochen |
Typhus | Boostrix Polio Repevax | Alle 10 Jahren |
Diphterie | Boostrix Polio Repevax | Alle 10 Jahren |
Tetanus | Boostrix Polio Repevax | Alle 10 Jahren |
Pertusis | Boostrix Polio Repevax | Alle 10 Jahren |
FSME | Encepur FSME-Immun | Alle 3 Jahre |
Herpes Zoster | Shingrix | Tag 0 + nach 2–6 Monaten [3] |
HPV | Gardasil | 0 + nach 6 Monaten + nach 12 Monaten |
Lebendimpfstoffe | ||
Masern-Mumps-Röteln | MVAX-Pro, Priorix Mit Varizellen: ProQuad | Nach negativer Titerkontrolle: 2 Dosen im Abstand von mindestens 4 Wochen empfohlen |
In den letzten Jahren ist die Inzidenz von Pertussis in verschiedenen Teilen der Welt angestiegen
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Laut österreichischem Impfplan sind diese Impfungen für Personen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr zugelassen und empfohlen. Darüber hinaus kann – basierend auf theoretischen Überlegungen – die Impfung bei Personen ab 18 Jahren mit den unter „Indikation“ aufgeführten Risikofaktoren in Erwägung gezogen werden. Der Einsatz von Arexvy oder Abrysvo könnte bei immunsupprimierten oder pulmonal vorerkrankten Patienten auch vor dem 60. Lebensjahr von Nutzen sein. Aufgrund der derzeit begrenzten Datenlage sollte die Applikation jedoch nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen (Off-Label-Use) [5].
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Hepatitis B: Die Hepatitis-B-Impfung ist bei immunsupprimierten Patienten aufgrund des erhöhten Risikos für schwerwiegende Krankheitsverläufe indiziert. Da schwer immunsupprimierte Patienten eine abgeschwächte Immunantwort zeigen können, wird oft eine höhere Dosis des Impfstoffs (40 µg statt 20 µg) und ein erweitertes Impfschema (z. B. 0, 1, 2 und 6 Monate) empfohlen. Eine Titerkontrolle 4 bis 8 Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass ein ausreichender Immunschutz erreicht wurde [5, 18].
-
Herpes Zoster: Patienten mit einem erhöhten Risiko für Herpes Zoster umfassen ältere Menschen sowie Personen mit rheumatoider Arthritis, die Medikamente wie Tofacitinib, TNF-α-Inhibitoren oder Rituximab einnehmen [19, 20]. Auch Patienten mit hämatologischen Erkrankungen wie Leukämie und Lymphomen, insbesondere unter Chemotherapie oder nach einer Stammzelltransplantation, sind stark gefährdet [21]. Der adjuvantierte Totimpfstoff Shingrix® wird generell ab dem 50. Lebensjahr und bei erhöhtem Risiko für Herpes Zoster aufgrund einer Grunderkrankung bereits ab dem 18. Lebensjahr empfohlen. Die Impfserie besteht aus zwei Applikationen, die im Abstand von 2 bis 6 Monaten verabreicht werden. Dieser rekombinante adjuvantierte Subunit-Totimpfstoff zeichnet sich durch eine hohe und lang anhaltende Wirksamkeit aus, die nach aktuellen Daten für mindestens 10 Jahre anhält. Studien belegen zudem eine robuste humorale und zelluläre Immunantwort, auch bei immunsupprimierten Personen, was ihn besonders geeignet für diese Patientengruppe macht [5, 22].
-
Haemophilus influenzae Typ B: Derzeit wird bei Erwachsenen mit hohem Risiko für eine Infektion durch Haemophilus influenzae eine einmalige Impfung empfohlen. Zu den Risikogruppen zählen insbesondere Personen mit Asplenie, Immunglobulinmangel, insbesondere Immunglobulin-G2-Mangel, sowie Patienten mit kombinierten Immundefekten oder primären Immundefekten, bei denen ein T‑Zell-Defekt im Vordergrund steht. Weitere Risikofaktoren umfassen eine gestörte Phagozytenfunktion, eine vorausgegangene Stammzelltransplantation, eine HIV-Infektion sowie Patienten, die unter einer schweren T‑Zell- und B‑Zell-Immunsuppression oder einer Biologika-Therapie, wie beispielsweise Anti-CD20-Antikörper, stehen [5].
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HPV: Aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos bei immunsupprimierten Personen kann eine HPV-Impfung ab dem 18. Lebensjahr von Vorteil sein. Publizierte Daten belegen, dass die HPV-Impfung in dieser Patientengruppe sicher und immunogen ist, allerdings weisen die Studien auf leicht reduzierte Antikörperspiegel hin, insbesondere gegen den HPV-Typ 18, im Vergleich zu gesunden Kontrollen. Daher kann für immunsupprimierte Patienten unabhängig vom Alter ein 3‑Dosen-Impfschema sinnvoll sein, um eine ausreichende Immunantwort sicherzustellen [23].
-
FSME: In Österreich, wo FSME endemisch ist, hat die FSME-Impfung eine besondere Bedeutung. Zur Grundimmunisierung sind drei Impfungen erforderlich. Die erste Auffrischungsimpfung wird 3 Jahre nach der dritten Dosis empfohlen. Danach sollte die Impfung alle 5 Jahre, ab dem vollendeten 60. Lebensjahr jedoch alle 3 Jahre aufgefrischt werden – jeweils idealerweise vor Beginn der Zeckensaison. Bei immunsupprimierten Personen zeigen veröffentlichte Daten, dass die Immunantwort auf die FSME-Impfung möglicherweise reduziert sein kann. Daher wird bei Patienten mit Immundefizienz eine Titerkontrolle in Erwägung gezogen, um den Schutzstatus zu überprüfen und gegebenenfalls zusätzliche Impfungen durchzuführen [5, 24].
Impfen von Kontaktpersonen
Bei Personen, die engen Kontakt zu immundefizienten Patienten haben (z. B. Haushaltsmitglieder, Personal in Kinderbetreuungseinrichtungen oder medizinisches Fachpersonal), sollte besonders darauf geachtet werden, dass ihre Impfungen vollständig und auf dem neuesten Stand sind. Neben den Routineimpfungen, mit besonderem Augenmerk auf die MMR-Impfung, wird bei seronegativen Kontaktpersonen eine Varizellen-Impfung und bei allen Kontaktpersonen eine jährliche Influenza-Impfung empfohlen, um das Risiko der Übertragung von Infektionen auf die immunsupprimierte Person zu minimieren [1].
Welche Immunsuppressiva-Therapie hat relevante Auswirkungen auf die Impfantwort
Die Immunogenität von Totimpfstoffen kann durch die Art der Immunsuppression erheblich beeinflusst werden. Während für einige Impfstoffe Daten zur Immunogenität vorliegen, fehlen für viele andere noch aussagekräftige Daten, insbesondere zur klinischen Effektivität bei immunsupprimierten Patienten. (Tab. 2).
Tab. 2
Wichtige Immunsuppressiva und ihre Wirkung auf die Impfung
Immunsuppressive Therapie | Wirkung auf die Impfung | |
---|---|---|
Totimpfstoffe | Lebendimpfstoffe | |
Niedrigdosierte Glukokortikoidtherapie | Keine reduzierte Antwort zu erwarten | Kein Abstand erforderlich |
Hochdosierte Glukokortikoidtherapie | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, COVID-19, Meningokokken, Hepatitis | 4 Wochen vor Therapie 4 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Methotrexat | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, COVID-19, Pneumokokken Hepatitis, FSME, HPV | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Sulfasalazin | Keine reduzierte Antwort zu erwarten | Kein Abstand erforderlich |
Leflunomid | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza | 4 Wochen vor Therapie 2 Jahren Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Mycophenolat Mofetil | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, COVID-19, Pneumokokken, HPV | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Thiopurine-Azathioprin | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, Pneumokokken | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Hydroxychloroquin | Keine reduzierte Antwort zu erwarten | Kein Abstand erforderlich |
JAK-Inhibitoren | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, COVID-19, Pneumokokken | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Phosphodiesterase-4-Hemmer | Keine Informationen verfügbar | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Abatacept (CD80/86) | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, COVID-19, Pneumokokken | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Anifrolumab (IFNAR-1-Antagonist) | Keine Informationen verfügbar | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Vedolizumab (Integrin-Antagonist) | Keine Informationen verfügbar | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Rituximab (CD20-Blocker) | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, COVID-19, Pneumokokken | 4 Wochen vor Therapie 12 Monaten Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Belimumab (BLyS-Blocker) | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, COVID-19, Pneumokokken | 4 Wochen vor Therapie 12 MonatenTherapiepause (mind.) vor Impfung |
IL-1-Blocker | Keine reduzierte Antwort zu erwarten | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
IL-6-Blocker | Keine reduzierte Antwort zu erwarten | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
IL-17-Blocker | Keine reduzierte Antwort zu erwarten | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
IL-12/23-Blocker | Keine reduzierte Antwort zu erwarten | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
IL-23-Blocker | Keine reduzierte Antwort zu erwarten | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
IL-4Rα-Antagonist | Keine Informationen verfügbar | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
TNF-Inhibitoren | 2 Wochen vor der Therapie Reduzierte Impfantwort zu erwarten: Influenza, COVID-19, FSME | 4 Wochen vor Therapie 12 Wochen Therapiepause (mind.) vor Impfung |
Schlussfolgerung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Impfung immunsupprimierter Patientinnen und Patienten eine komplexe, aber essenzielle Maßnahme ist, um das Risiko schwerer Infektionen zu minimieren. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen können durch die Art und das Ausmaß der Immunsuppression erheblich beeinflusst werden, was eine sorgfältige Planung und individuelle Anpassung des Impfplans erforderlich macht.
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Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Ärztinnen und Ärzte die spezifischen immunsuppressiven Therapien berücksichtigen und, wo möglich, Impfungen vor Beginn der Therapie verabreichen, um eine optimale Immunantwort zu erzielen. Bei laufender immunsuppressiver Behandlung sollten Impfungen nach Möglichkeit mit Totimpfstoffen erfolgen, und die Immunantwort sollte überwacht werden. Durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und maßgeschneiderte Impfstrategien kann der Schutz immunsupprimierter Patientinnen und Patienten signifikant verbessert und das Risiko vermeidbarer Komplikationen verringert werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
S. Tobudic gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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