Indikationen zur bariatrischen Operation
1.1. Indikationsstellung |
Chirurgische Eingriffe sind indiziert nach vorangegangenen, frustran verlaufenen konservativen Therapieversuchen [6] – bei BMI ≥ 40 kg/m2 oder – bei BMI ≥ 35 kg/m2 mit Begleiterkrankungen/Risikofaktoren, die durch eine Gewichtsreduktion günstig beeinflusst werden können – Bei Personen mit einem BMI ≥ 30 kg/m2 und Adipositas-assoziierten Komorbiditäten kann eine bariatrische Operation in Erwägung gezogen werden |
Die Indikation zur bariatrischen Chirurgie soll multidisziplinär gestellt werden |
Das multidisziplinäre Team zur Betreuung der Patienten soll alle Aspekte der prä-, peri- und postoperativen Betreuung abdecken und idealerweise folgende Berufsgruppen umfassen: – ÄrztIn für Allgemeinmedizin – ÄrztIn für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie – ÄrztIn für Chirurgie – AnästhesistIn – VertreterIn von Gesundheitsberufen mit einer PSY-Kompetenz (z. B. klinische PsychologInnen bzw. GesundheitspsychologInnen, PsychotherapeutInnen oder PsychiaterInnen) – DiätologInnen – Pflegefachkraft (gehobener Dienst) – SozialarbeiterIn (bei Bedarf) |
Kontraindikationen für einen bariatrischen Eingriff sind: – konsumierende und neoplastische Erkrankungen in den vorangegangenen 5 Jahren – lebensverkürzende Erkrankungen, wie z. B. dekompensierte Leberzirrhose – andere schwer gesundheitlich einschränkende Erkrankungen, welche sich durch den postoperativen katabolen Stoffwechsel verschlechtern können – aktive Substanzabhängigkeit (Drogen, Alkohol) – instabile psychopathologische Zustände oder schwere Depression – unbehandelte Bulimia nervosa – schwere psychiatrische Erkrankung (Ausnahme: reaktive Depression aufgrund der Adipositas) – mangelnde Fähigkeit oder mangelnde Bereitschaft, an einem langfristigen medizinischen Follow-up teilzunehmen |
1.2. Präoperatives Vorgehen |
Bestehende gewichtsreduzierende Programme sollen präoperativ beibehalten werden |
Die Therapie von Begleiterkrankungen soll optimiert werden (z. B. Substitution einer Hypothyreose, Optimierung der Blutzucker- bzw. Blutdruckeinstellung etc.) |
Eine umfassende, folgende Punkte beinhaltende präoperative Evaluierung soll erfolgen: – Nutzen-Schaden-Analyse – Bestimmung des Operationsrisikos, präoperative Untersuchung zur Abklärung der allgemeinen Operationstauglichkeit (wie bei anderen größeren abdominellen Operationen) – Routinelabor (inklusive Nüchternblutzucker, HbA1c, Lipide, Nierenfunktion, Leberwerte [inklusive Cholinesterase], proBNP, Gesamteiweiß, Albumin, Harnanalyse, Gerinnung, Blutgruppe, Blutbild, Schilddrüsenwerte, Kalzium, Vitamin D, Parathormon) – Nährstoffscreening (Eisenstatus, Vitamin B12, Folsäure, Vitamin D; optional: Vitamin A, Vitamin E, Zink, Kupfer, Selen) – kardiopulmonale Untersuchung (inklusive Schlafapnoesyndrom) – gastrointestinale Untersuchung (Gastroskopie, Helicobacter-pylori-Screening, Oberbauch-Sonographie [Leber, Gallenblase]) – endokrinologische Untersuchung – Knochendichtemessung – Ernährungsanamnese – Erhebung von Essstörungen (z. B. Binge-Eating), um eine entsprechende präoperative Verhaltenstherapie einzuleiten – Anamnese des psychosozialen Verhaltens |
Psychosoziale Unterstützung |
Zu folgenden Punkten sollen die PatientInnen umfassend aufgeklärt und beraten werden: – die verschiedenen Operationsverfahren, der jeweils erwartbare Gewichtsverlust und die Operationsrisiken – die notwendige postoperative Ernährungsumstellung – die Notwendigkeit einer langfristigen Nachsorge mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen – lebenslange Vitaminsubstitution Sind die PatientInnen damit nicht einverstanden, soll der Eingriff nicht durchgeführt werden |
Kontraindikationen zur bariatrischen Operation
Spezielle Indikationen zur bariatrischen Operation
PatientInnen mit Adipositas im höheren Alter
Kinder und Jugendliche mit Adipositas
PatientInnen mit NASH, Leberfibrose bzw. Leberzirrhose
Patientinnen mit Kinderwunsch
Rauchende PatientInnen
Fast-Track-Indikation
Indikation |
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PatientInnen mit Typ-2-Diabetes (T2DM) und einem HbA1c ≥ 8 %, – die 2 oder mehr orale Antidiabetika (bzw. GLP-1-Rezeptoragonisten) erhalten und/oder Insulintherapie benötigen, – die eine kardiovaskuläre Vorerkrankung oder eine nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) oder ≥ 2 Stoffwechselstörungen, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen, aufweisen, – die eine persistierende Albuminurie/Proteinurie oder chronische Nierenerkrankung (CKD; Grad 3–4) haben, – die eine Diabetesdauer von ≥ 5 Jahren aufweisen |
PatientInnen mit Adipositas und mehr als 2 Stoffwechselkomplikationen (außer T2DM), welche das kardiovaskuläre Risiko erhöhen (z. B. NAFLD oder arterielle Hypertonie) |
PatientInnen mit Adipositas und Herzinsuffizienz (AHA-Klasse C) |
PatientInnen mit CKD, Grad 3–4 |
PatientInnen, die eine Indikation zur Organtransplantation haben, mit einem BMI oberhalb der Grenze, die eine Kontraindikation zur Transplantation darstellt |
PatientInnen mit Indikation zu anderen chirurgischen Eingriffen, wie z. B. Koronarbypass oder anderen herzchirurgischen Eingriffen, Knie oder Hüftendoprothesen, Wirbelsäulenchirurgie oder Infertilität aufgrund der Adipositas |
PatientInnen mit BMI ≥ 50 kg/m2 |
Wer stellt die Indikation zur bariatrischen Operation?
Gutachten vor Durchführung einer bariatrischen Operation
Psychologisches Gutachten
Untersuchungen und Gutachten |
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Komplette klinische Anamnese |
Internistische/chirurgische Abklärung: – Blutdruck, optional: Echokardiographie – Lungenröntgen, optional: Lungenfunktion – Ultraschall des Abdomens (Leber, Gallenblase) – Gastroskopie (Abklärung einer Infektion mit H. pylori, Zwerchfellhernien) – optional: 24-h-pH-Metrie und Manometrie (Motilitätsstörung, Refluxerkrankung) – optional: Knochendichtemessung – Abklärung eines Cushing-Syndroms (bei klinischem Verdacht) |
Labor: Blutbild, Differenzialblutbild, Gerinnung, Elektrolyte, Albumin, Gesamteiweiß, Kreatinin, BUN, Harnsäure, GOT, GPT, GGT, AP, Bilirubin, Kreatininkinase, Nüchternblutzucker, HbA1c, Triglyzeride, Gesamt‑, HDL- und LDL-Cholesterin, Lp(a), Eisenstatus, Folsäure, 25 Hydroxy-Vitamin‑D, Vitamin B12, C‑reaktives Protein (CRP), B‑Typ-natriuretisches Peptid (BNP), Thyreotropin (TSH), freies Thyroxin (fT4), Parathormon |
Psychologisches Gutachten: Compliance, Erkrankungen des psychischen Formenkreises, Essstörungen, Suchtverhalten |
Diätologisches Gutachten und Schulung |