Jedes Jahr erkrankten in Österreich 720.000 Menschen an der Influenza, 76.900 Bettlägrige erleiden Komplikationen (Symbolbild mit Fotomodell).
Christin Klose / picture alliance
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Die Polymerasekettenreaktion PCR ist ein sensitives und spezifisches Verfahren zum Nachweis von Genommaterial. Sie hat seit den 1990er-Jahren Eingang in die Routine der infektiologischen Diagnostik gefunden. Doch das breite Spektrum sowie Einzelvarianten des Influenzavirus stellen die Diagnostik vor enorme Herausforderungen.
Als Goldstandard der Detektion von Viren als Krankheitserreger gilt klassischerweise der Nachweis infektiöser Erreger durch Virusisolierung in Versuchstieren oder in der Zellkultur. Oftmals sind diese Techniken kosten- und zeitintensiv sowie im Ergebnis wenig sensitiv, da die Infektiosität im Probenmaterial rasch inaktiviert werden kann. Im Falle humanpathogener Erreger besteht beim Umgang mit einem infektionstüchtigen Virus ein Gefährdungspotenzial für das Laborpersonal.
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Demgegenüber bietet der Nachweis von Bestandteilen eines Virus unabhängig von dessen Infektionstüchtigkeit etliche Vorteile. Die Polymerasekettenreaktion (PCR) ist eine der bedeutendsten methodischen Entwicklungen in der Molekularbiologie und hat seit den 1990er-Jahren Eingang in die Routine der infektiologischen Diagnostik gefunden.
Die (semi-)quantitative Echtzeit-PCR (real-time quantitative PCR, RT-qPCR) stellt eine Weiterentwicklung des PCR-Prinzips dar (Abb. 1) RT-qPCRs erhöhen die Sicherheit der Erregeridentifizierung und ermöglichen die Quantifizierung von Erregergenomen in der Probe. Darüber hinaus ergeben sich eine Reihe technischer Vorteile, die diese Methode für kostengünstige und sichere klinische Untersuchungen sowie für epidemiologisch orientierte Massenuntersuchungen interessant macht.
Abb. 1: Prinzip einer Polymerasekettenreaktion (PCR) mit Hydrolysesonde (Taqman-Technologie). Sobald die Syntheseeinheit der Taq-Polymerase (blaue Ellipsoide) auf die spezifisch an die Zielsequenz gebundene Sonde trifft, hydrolysiert die Exonukleasedomäne der Taq-Polymerase die Sonde. Die Sonde ist an beiden Enden mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert; im Ausgangszustand interferiert der Quencherfarbstoff (Q) mit dem Reporterfarbstoff (R), sodass keine Fluoreszenz abgestrahlt wird. Erst durch die hydrolytische Trennung von R und Q entsteht ein Fluoreszenzsignal, das proportional zu der Menge an PCR-Produkt zunimmt.
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Influenzaviren aus der Familie der Orthomyxoviridae sind behüllte, einzelsträngige RNA-Viren, deren Genom auf bis zu acht einzelne Gensegmente verteilt ist (segmentiertes Genom). Zurzeit kennt man vier genetisch definierte Genera, wobei Influenza-C-Viren und die erst vor Kurzem bei Rindern und sporadisch bei Schweinen entdeckten Influenza-D-Viren kaum klinische Bedeutung besitzen. Dagegen sind Influenza-A- und -B-Viren (IAV, IBV)wichtige Pathogene, die bei Menschen Erreger der „echten“ Grippe sind.
Seuchenerreger /harmlose Begleiter
IAV-Infektionen entfalten auch bei Wild- und Haustieren große Bedeutung. Sie sind in der Geflügelhaltung als Ursache verheerender Seuchenzüge gefürchtet und führen auch in der Schweinehaltung zu wirtschaftlich bedeutenden Verlusten. Sporadisch können einige Virusstämme auch von Vögeln oder Schweinen auf Menschen übertragen werden (zoonotische Influenzaviren). Unter für das Virus günstigen Umständen kann aus solchen Zufallsübertragungen eine weltweite Epidemie, eine Pandemie, in der menschlichen Population resultieren.
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IAV werden aufgrund der Merkmale ihrer Oberflächenglykoproteine, Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA), in Subtypen untergliedert. Derzeit werden 18 HA- und elf NA-Subtypen unterschieden. In einem einzelnen Viruspartikel ist dabei jeweils ein HA-Subtyp mit einem NA-Subtyp kombiniert, sodass der Subtyp nach dem Schema H [x = 1–18], N [y = 1–11] benannt werden kann.
Die größte Vielfalt von Subtypen, H1–16 und N1–9, findet sich in Wildvogelpopulationen (aviäre Influenzaviren, AIV), die sich dort hocheffektiv im Darm- und im Atemtrakt der Wirte vermehren, jedoch meist keine oder lediglich milde Krankheitserscheinungen hervorrufen (niedrigpathogene AIV). Sporadisch können AIV aus diesem Reservoir auf andere Tiere übertragen werden. Erfolgt in der neuen Wirtsspezies eine zufallsgesteuerte Adaptation der Viren, können sich stabile Infektionsketten etablieren, und das Virus beginnt unabhängig vom ehemaligen Reservoir zu zirkulieren (Abb. 2). Die Subtypen H17N10 und H18N11 wurden bislang nur in Fledermäusen nachgewiesen.
Ein weiterer Faktor der Vielfalt von IA- und -B-Viren liegt in ihrer hohen Punktmutationsfrequenz. Ein stetes Wechselspiel zwischen der Entstehung immer neuer, geringgradig veränderter Varianten und dem äußeren Selektionsdruck, z. B. durch die Populationsimmunität der Wirtsspezies, steuert die jährliche saisonale Grippeepidemie des Menschen. Bei den AI-Viren der Subtypen H5 und H7 kann die Mutationsfreudigkeit zur Entstehung hochgradig krankmachender Varianten führen (Abb. 2, rot hervorgehoben). Hierbei entstehen spontan aus niedrigpathogenen (low pathogenic, LP) Vorläufern hochpathogene (highly pathogenic, HP) Erreger, welche die mit sehr hoher Mortalität bei Geflügel verlaufende klassische Geflügelpest auslösen. HPAIV können mit infiziertem Geflügel verbreitet werden. Bei Übertragungen auf Populationen migrierender Wildvögel kann das Virus mit den Zugbewegungen dieser Vögel in kurzer Zeit über längere Distanzen verbreitet werden. Bestimmte HPAIV können auch auf Menschen übertragen werden und schwere, nicht selten tödlich verlaufende Infektionen auslösen.
Abb. 2: Wildvögel bilden ein Reservoir der Variationsbreite von Influenza-A-Viren. Sporadisch (gestrichelt) können Viren von dort auf andere Tiere übertragen werden, sich adaptieren und unabhängig vom ehemaligen Reservoir zirkulieren (durchgezogen). Viren der Subtypen H5 und H7 können in Hühnervögeln spontan zu einer hochpathogenen Form (HPAIV) mutieren (rot), die auch ein Risiko für den Menschen darstellen kann.
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Immunsysteme und Diagnostiker
Das breite Spektrum der Genera, Sub- und Pathotypen sowie Einzelvarianten des Influenzavirus stellt die Diagnostik vor enorme Herausforderungen. Zum Nachweis akuter Influenzainfektionen bei Tieren wurden diagnostische Werkzeuge auf Basis der beschriebenen RT-qPCR-Technologie entwickelt, die eine Ablösung der klassischen Virusdiagnostik eingeleitet haben. Die Diagnostik von HPAIV-Infektionen umfasst drei Schritte: Nachweis eines IAV (Screening), Subtypdifferenzierung und Pathotypanalyse (sofern die Subtypen H5/H7 nachgewiesen wurden).
Abbildung 3 vergleicht klassische Verfahren und neu entwickelte RT-qPCR-Techniken. RT-qPCR-basierte Methoden verkürzen die Zeit bis zum finalen Befund von zwei bis drei Wochen auf einen Arbeitstag. Die Reaktionszeit des Tierseuchenkontrollapparates zwischen der Äußerung eines Infektionsverdachts und dessen diagnostischer Abklärung soll so kurz wie möglich sein, damit geeignete Kontroll- und Präventionsmaßnahmen unverzüglich eingeleitet werden können. Darüber hinaus sparen RT-qPCRs Tierversuche ein (Pathogenitätstest, Serumherstellung), sind tauglich für Massenuntersuchungen und reduzieren die Gefährdung des bearbeitenden Personals beträchtlich. Obwohl noch Einschränkungen in der diagnostischen Breite zu berücksichtigen sind, stellen die pathotypspezifischen RT-qPCRs eine wichtige Alternative zu tierversuchs- und sequenzierungsabhängigen Pathotypisierungen dar.
Abb. 3: A, Die dreistufige RT-qPCR-basierteDiagnostik von aviären Influenzavirusinfektionen bietet hinsichtlich einer Zeitersparnis und erhöhter Sensitivität entscheidende Vorteile gegenüberklassischen Verfahren [9, 11, 12, 16], M: matrixgenspezifische generische RT-qPCR; RITA: Riems influenza A typing array für 16 HA- und neunNA-Subtypen.
B, Auch der diagnostische Algorithmus zum Nachweis und zur Subtypisierung von Influenzavirusinfektionen bei Schweinen profitiert durch die Einführung von Multiplex-RT-qPCRs [14, 15].
C, In den Kurvendiagrammen wird die Zunahme der Fluoreszenz in positiven Proben gemessen. Oben: Nachweis des LP- und HP-Phänotyps von AIV des Subtyps H5; unten: Differenzierung von vier HA-Subtypen von porzinen Influenzaviren.
(3) Henritzi, D., Graaf, A. & Harder, T. Biospektrum (2019), Globig A, Staubach C, Sauter-Louis C et al. (2018)
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IAV-Infektionen bei Säugetieren beschränken sich auf wenige Subtypen. Im Menschen sowie beim Schwein sind es derzeit weltweit H1, H3 und N1, N2. Übertragungen zwi-schen Mensch und Schwein kommen in beiden Richtungen vor; die jüngste humane Pandemie wurde 2009 durch ein im Schwein zirkulierendes (porzines) H1N1-Virus ausgelöst. In Schweinebeständen führen IAV-Infektionen weltweit zu hoher Morbidität, allerdings zu geringer Mortalität. Akute Atemwegsbeschwerden stehen hierbei im Vordergrund und bedingen teilweise beträchtliche wirtschaftliche Schäden.
In Europa zirkulieren beim Schwein die Subtypen H1N1, H1N2 und H3N2. Aufgrund ihrer unterschiedlichen phylogenetischen und antigenetischen Eigenschaften unterteilt man die H1-Subtypen nach ihrem Ursprung in aviäre (av), pandemische (pdm) und human-saisonale (hu) sowie die N1-Subtypen in aviäre (av) und pandemische (pdm).
Daraus ergeben sich vier Hauptsubtypen: H1avNav, H1pdmN1pdm, H1huN2 und H3N2; Reassortierungen zwischen diesen vier Subtypen verkomplizieren die Lage weiter. Die Grundlage der Diagnostik sind auch in diesem Fall von uns neu entwickelte Multiplex-RT-qPCR-abhängige Werkzeuge. Hierzu wurden RT-qPCRs verschiedener Spezifität in einer Reaktion vereinigt (Abb. 3B). Die gegenüber herkömmlichen Verfahren der Virusisolierung erhöhte Sensitivität der spezifischen RT-qPCRs für Influenzaviren der Typen A, B, C und D sowie für porzine IAV-Subtypen ermöglicht die direkte Analyse und Subtypisierung von klinischen Proben (Abb. 3B). Aufgrund der Massentauglichkeit der Multiplexverfahren sind ausgedehnte epidemiologische Studien möglich, die neue Einsichten in die Entstehung und Verbreitung porziner IAV-Infektionen mit zoonotischem Potenzial liefern.
Prof. Dr. Timm Harder, der korrespondierende Autor, ist Leiter des Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza am Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland).
Der eigene Erfolg ist ihr größter Feind. Poliomyelitis, Tetanus oder Diphtherie sind zu Schlagworten verkommen, da kaum ein Patient und nur wenige Ärzte diese Infektionskrankheiten aus eigener Anschauung kennen.