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Ärzte Woche

28.06.2021

Wittgenstein-Preis

Jury: Informatikerin Henzinger ist „innovativ und wirkungsvoll“

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Der wichtigste Wissenschaftspreis des Landes, der Wittgenstein-Preis, ist vergeben: Die aus Deutschland stammende Informatikerin Monika Henzinger holte jene mit 1,5 Mio. Euro dotierte Auszeichnung. Die frühere Google-Forschungschefin befasst sich u. a. mit der Sicherung unserer Gesundheitsdaten.

„Ich möchte der internationalen Jury sowie dem Wissenschaftsfonds FWF für diese großartige Auszeichnung danken“, sagt Monika Henzinger. „Sie gibt meiner Forschung und der Informatik in Österreich weiteren Aufschwung und Sichtbarkeit. Das ist sehr wertvoll, denn wir benötigen dringend mehr Talente, die verstehen, wie unsere digitale Welt funktioniert – und wie man sie auch verbessern kann.“ Außerdem zeige der Preis, wie erfolgreich Frauen in der Informatik sein können, und hoffentlich ermutigt das mehr Kolleginnen, dieses Fach zu wählen.

Erster Gratulant war Wissenschaftsminister Heinz Faßmann: Der ‚Austro-Nobelpreis‘ schaffe viel Freiraum, um in Österreich an der Weltspitze zu forschen und exzellente Teams aufzubauen.

„Der Wittgenstein-Preis ist die Bestätigung eines herausragenden wissenschaftlichen Lebenswerks, das im Falle von Monika Henzinger noch viele weitere exzellente Arbeiten erwarten lässt“, sagte FWF-Präsident Christof Gattringer, der auf die Aktualität von Henzingers Forschung hinwies: „Ihre Erkenntnisse im Bereich der Informatik tragen zum Schutz der Privatsphäre bei der Auswertung großer Datenmengen bei. In unserer immer digitaler werdenden Welt war das bereits vor Corona ein wichtiges Thema, nun ist es mit der Erfassung von Gesundheitsdaten überall auf der Welt aktueller und bedeutsamer denn je“, sagt Gattringer abschließend.

Monika Henzinger ist seit 2009 Professorin an der Universität Wien. Nach dem Informatik-Studium in ihrem Herkunftsland Deutschland promovierte sie an der Princeton University in den USA und erhielt eine Assistenzstelle an der Cornell University. Ein zwischenzeitlicher Wechsel in die Privatwirtschaft gipfelte in Henzingers Position als Forschungsdirektorin beim Digitalkonzern Google. Zurück im akademischen Bereich war sie Professorin an der EPF Lausanne in der Schweiz, von wo sie schließlich nach Wien wechselte. Sie ist Verfasserin von mehr als 200 wissenschaftlichen Arbeiten und hält über 80 Patente. Aktuell leitet Henzinger auch das FWF-Projekt „Fast Algorithms for a Reactive Network Layer“.

Die Jury begründet: „Eine führende wissenschaftliche Persönlichkeit“


In ihrer Forschungsgruppe „Theorie und Anwendungen von Algorithmen“ an der Universität Wien ist Monika Henzinger auf die Gestaltung algorithmischer Systeme im Bereich der Analyse großer Datenmengen spezialisiert: computergestützte Verifizierung, Algorithmiksysteme auf Basis der Graphentheorie, verteiltes und paralleles Rechnen sowie algorithmische Spieltheorie. Einen neuen Schwerpunkt legt sie auf „Differential Privacy“, wodurch personenbezogene Informationen innerhalb großer Datenmengen beweisbar geschützt sind.

„Monika Henzinger war bzw. ist eine führende wissenschaftliche Persönlichkeit sowohl in der Industrie – unter anderem als erste Forschungsdirektorin bei Google – als auch in der Wissenschaft“, so die START-/Wittgenstein-Jury in ihrer Begründung. Und weiter: „Ihre Arbeit ist innovativ, wirkungsvoll und sowohl in akademischen als auch in industriellen Spitzenkreisen hoch angesehen.“ Monika Henzingers Forschungen wurden bereits mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt. Sie hält Mitgliedschaften in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Academia Europaea und den Wissenschaftsräten von Österreich und der Schweiz. Zudem ist sie Fellow der Association of Computing Machinery – eine Auszeichnung, die nur an die besten ein Prozent der Informatiker weltweit vergeben wird.

Die START-/Wittgenstein-Jury besteht aus 13 Spitzenforschern, zwei von ihnen, Bruce Beutler (2011, Physiologie/Medizin) und Stefan Hell (2014, Chemie), sind Nobelpreisträger. Vorsitzende der Jury ist Janet Wolff, University of Manchester, UK.

Was tut die neuePreisträgerin mit all dem Geld?


Mit dem Wittgenstein-Preis möchte Monika Henzinger zunächst ihre Forschungsgruppe erweitern und verstärkt Expertinnen und Experten nach Wien einladen, um Workshops zu veranstalten und so einen Wissensaustausch zu ermöglichen. Neue Laufbahnstellen sollen es gestatten, qualifiziertere und erfahrenere Wissenschaftler anzuziehen. Im Rahmen des „Distinguished Visiting Austrian Chair Professorship“ wird Monika Henzinger zudem die kommenden sechs Monate an die Stanford University gehen. Dort wird sie sich unter anderem mit der Digitalszene zum Thema Diifferential Privacy austauschen – einem Algorithmus, der eine Anfrage durchführt, verändert und die Daten ganz leicht verfälscht. Statistisch gesehen sind diese Änderungen irrelevant, die Antworten, die aus großen Datenmengen über Gruppen von Menschen gezogen werden, sind noch immer sehr aussagekräftig. Die Verfälschung versteckt aber die Informationen zu einzelnen Personen so gut, dass sie garantiert geschützt sind.

Danke, Commodore!


Der Wittgenstein-Preis schafft wissenschaftlichen Freiraum: „Ich habe schon immer an Algorithmen geforscht. Früher, als die Computer langsam waren, war die Hauptaufgabe, Algorithmen zu finden, die möglichst schnell sind und möglichst wenig Speicherplatz benötigen. Heutzutage sind die Anforderungen andere. Es geht darum, Algorithmen zu finden, die personenbezogene Daten schützen“, sagt Henzinger. Die ersten Programme schrieb Henzinger in der Schule auf einem Commodore-PC, den ihr Mathematik-Lehrer auf einem Rollwagen durch das Gebäude schob. „Informatik kann unheimlich viel Spaß machen.“ Ihr Tipp an junge Forscherinnen und Forscher: „Überlegt euch, was die Gesellschaft braucht, was derzeit relevant ist.“

Für den Wittgenstein-Preis kann man sich nicht bewerben, man wird nominiert. Von wem sie genannt wurde, weiß Henzinger offiziell nicht. Ihr Mann, der Informatiker Thomas Henzinger, der die Auszeichnung 2012 erhalten hatte, war es jedenfalls nicht, „denn das wäre wirklich unethisch“.

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Metadaten
Titel
Wittgenstein-Preis
Jury: Informatikerin Henzinger ist „innovativ und wirkungsvoll“
Publikationsdatum
28.06.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 26/2021