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Open Access 07.02.2025 | Originalien

Interventionelle und nichtinterventionelle Behandlungen der Ureterolithiasis

verfasst von: Yana Terziyska, Prof. Dr. med. Beat Roth, Prof. Dr. med. George N. Thalmann, Dr. med. Kevin F. Johner, Dr. med. univ. Karl Georg Sommer

Erschienen in: Urologie in der Praxis

Zusammenfassung

Harnleitersteine führen häufig zu Notfallbesuchen aufgrund von Nierenkoliken. Für die Behandlung dieser Steine stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, wie z. B. die medikamentöse Steinaustreibungstherapie (MET) die extrakorporale Stosswellenlithotripsie (ESWL) und die Ureteroskopie. Die orale Chemolyse ist eine Behandlungsoption, die speziell für Harnsäuresteine geeignet ist. Es zeigte sich, dass die Entfernung von Harnleiterstents die spontane Passage von Harnleitersteinen erleichtert.
Angesichts der Vielfalt der verfügbaren Behandlungsmethoden für Harnleitersteine sollte die Behandlung für jeden Patienten individuell gestaltet werden. Dabei müssen Faktoren wie Grösse und Lage des Steins, das Vorhandensein von Begleitinfektionen sowie die Präferenzen des Patienten gegenüber den verschiedenen Verfahren unbedingt berücksichtigt werden. Ein individueller Ansatz trägt dazu bei, den Behandlungserfolg zu maximieren und gleichzeitig die Risiken und Unannehmlichkeiten für den Patienten zu minimieren.
Hinweise
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Einführung

1.
Theorie der Übersättigung: Diese Theorie besagt, dass Nierensteine entstehen, wenn der Urin mit steinbildenden Substanzen übersättigt ist. Wenn die Konzentration von Stoffen wie Kalzium, Oxalat, Harnsäure und Phosphat im Urin eine bestimmte Grenze überschreitet, beginnen diese Substanzen zu kristallisieren und Steine zu bilden.
 
2.
Theorie der Kristallisation und Aggregation: Diese Theorie baut auf der Übersättigungstheorie auf und besagt, dass nach der initialen Kristallbildung weitere Kristalle an diesen ersten Kristallen anhaften und so grössere Steine bilden. Die Aggregation von Kristallen ist ein entscheidender Schritt in der Steinbildung.
 
3.
Matrixtheorie: Laut dieser Theorie spielen organische Substanzen im Urin eine wichtige Rolle bei der Nierensteinbildung. Diese organischen Stoffe, die als Matrix bezeichnet werden, können als Gerüst für die Anlagerung von Mineralien dienen. Sie fördern die Kristallbildung und das Wachstum von Steinen.
 
4.
Theorie der Hemmstoffe: Im Urin gibt es natürliche Hemmstoffe, die die Kristallisation verhindern. Ein Ungleichgewicht oder Mangel an diesen Hemmstoffen kann die Bildung von Nierensteinen begünstigen. Zu diesen Hemmstoffen gehören Zitrate, Magnesium und bestimmte Proteine.
 
5.
Randall-Plaques-Theorie: Diese Theorie beschreibt die Rolle von sog. Randall-Plaques, die als Initiationspunkte für die Steinbildung dienen. Randall-Plaques sind Verkalkungen im Nierengewebe, die sich unter der Oberfläche der Nierenpapillen bilden. Diese Plaques können in den Urinraum hineinragen und als Keime für die Kristallbildung und das Wachstum von Nierensteinen dienen.
 
6.
Theorie der ökologischen Nische: Diese Theorie betrachtet die mikroskopische Umgebung in der Niere als eine ökologische Nische, in der die Bedingungen für die Steinbildung günstig sind. Faktoren wie pH-Wert, Ionenstärke und das Vorhandensein von Kristallisationskeimen können lokal variieren und die Steinbildung beeinflussen.
 
7.
Theorie der Epithelzellhypothese: Diese Theorie besagt, dass Schäden oder Veränderungen an den Epithelzellen der Nierenkanälchen eine wichtige Rolle bei der Steinbildung spielen können. Beschädigte Zellen können die Anhaftung und das Wachstum von Kristallen begünstigen.
 
Nierensteine sind Mineralablagerungen in den Nierenkelchen und dem Nierenbecken, die entweder frei liegen oder an den Nierenpapillen haften. Sie bestehen aus kristallinen und organischen Komponenten und entstehen, wenn der Urin mit einem bestimmten Mineral übersättigt ist. Die häufigsten Steine sind Kalziumoxalat- und Kalziumphosphatsteine, gefolgt von Harnsäure- und Struvitsteinen sowie den seltenen Zystinsteinen. Die Prävalenz der Urolithiasis generell ist hoch und nimmt stetig zu, mit aktuellen Prävalenzraten von bis zu 14,8 %. Im Falle eines bereits stattgehabten Steinereignis sind die Rezidivraten hoch (bis zu 50 % innerhalb der ersten 5 Jahre). Fettleibigkeit, Diabetes, Bluthochdruck und das metabolische Syndrom werden als Risikofaktoren für die Steinbildung angesehen, die wiederum zu Bluthochdruck, chronischer Nierenerkrankung und terminaler Niereninsuffizienz führen können [1].

Steinbildung

Es gibt verschiedene Theorien zur Nierensteinbildung, die die Entstehung und das Wachstum von Nierensteinen erklären.
Zusammengefasst basieren die Theorien der Nierensteinbildung auf einer Kombination von physikalisch-chemischen Prozessen (wie Übersättigung und Kristallisation), biologischen Faktoren (wie Hemmstoffen und Epithelzellgesundheit) und anatomischen Besonderheiten (wie den Randall-Plaques). Es ist wahrscheinlich, dass mehrere dieser Mechanismen gleichzeitig zur Entstehung von Nierensteinen beitragen. Keines dieser Modelle kann jedoch alleine alle beobachteten Fälle von Steinbildung erklären, da viele Faktoren beteiligt sind. Unabhängig vom Modell sind die chemischen Prozesse der Nukleation und des Kristallwachstums entscheidend für die Entstehung und Entwicklung aller Steinarten.
Kristallnukleation ist der erste Schritt der Kristallisation und kann homogen oder heterogen erfolgen. Homogene Nukleation benötigt eine hohe Übersättigung von einem Mineral, wohingegen heterogene Nukleation, die im Urin wahrscheinlicher ist, eine geringere Übersättigung erfordert und in Gegenwart von Partikeln wie Proteinen, anderen organischen Polymeren oder Kristallen eines anderen Minerals stattfindet [2].
Sobald ein Kristallkern in den Nieren gebildet ist, ermöglicht die Exposition gegenüber dem Urin das Wachstum des Steins durch Überkrustung. Es gibt 2 grundlegende Wege (freie und fixierte Partikel) zur Bildung eines Steinkerns, die beide bei jedem Steinbildner aktiv sein können, obwohl Steine von idiopathischen Steinbildnern im Allgemeinen an Plaques befestigt sind [3].
Im freien Partikelmechanismus nukleieren, wachsen und aggregieren Kristalle im Urin der Nierentubuli. Diese Mechanismen sind wahrscheinlich an der Bildung von Apatit‑, Brushit- und Zystin- sowie Kalziumoxalatsteinen beteiligt [2].
Der alternative Mechanismus zur Steinentwicklung ist der fixierte Partikelmechanismus, bei dem Steine an kalkhaltigen Plaques auf der Papillaroberfläche wachsen. Diese Plaques, genannt Randall-Plaques, beginnen mit der Bildung und Ablagerung von Kalziumphosphatkristallen tief im Niereninterstitium [4].
Die Kristallwachstumsrate hängt hauptsächlich von der Übersättigung des Urins ab, kann aber durch Modifikatoren wie Magnesium und Zitrat beeinflusst werden, die das Wachstum verzögern. Es gibt auch Kristallisationsförderer, wie bestimmte Urinproteine, die das Wachstum von Kristallen beschleunigen können [5].

Prophylaxe bei rezidivierender Urolithiasis

Zur Vorbeugung von Nierensteinen wird eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr empfohlen. Die European Association of Urology (EAU), die American Urological Association (AUA), die Canadian Urological Association (CUA) und die Urological Association of Asia (UAA) empfehlen, die Urinproduktion auf mindestens 2,0–2,5 l pro Tag zu steigern, was eine tägliche Flüssigkeitsaufnahme von 2,5–3,0 l erfordert. Ein hoher Urinfluss reduziert das Risiko wiederkehrender Kalziumnierensteine. Lebensstiländerungen wie Gewichtsreduktion, körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung, die die Aufnahme von Kalzium, Natrium und Oxalat berücksichtigt, sowie eine ausreichende Zufuhr von Zitraten durch Früchte und Gemüse sind wichtige präventive Massnahmen [6].
Bei hohem Risiko für wiederkehrende Nierensteine kommt auch eine medikamentöse Prophylaxe in Frage. Dazu gehören Diuretika, Kaliumzitrat, Kaliumbikarbonat, Natriumbikarbonat, Allopurinol, Tiopronin, Acetohydroxamsäure und Natriumthiosulfat. Thiaziddiuretika wurden besonders bei wiederkehrenden Kalziumsteinen und Hyperkalziurie empfohlen, jedoch konnte die NOSTONE-Studie keinen Vorteil von Hydrochlorothiazid gegenüber von Placebo zeigen [7]. Kaliumzitrat wird zur Alkalisierung des Urins bei Patienten mit wiederkehrenden Harnsäure- und Zystinsteinen sowie Hypozitraturie empfohlen. Allopurinol wird von der AUA bei Hyperurikosurie und bei normokalzämischen Kalziumoxalatsteinpatienten empfohlen. Die CUA empfiehlt Allopurinol nur bei Hyperurikämie. Regelmässige Überprüfung der Nebenwirkungen ist notwendig [6].

Erstvorstellung der Patienten mit Ureterolithiasis

Nierensteine sind wie oben beschrieben häufig, machen jedoch in der Regel keine oder nur wenig Symptome, sofern sie in den Kelchen (häufig Unterkelche) verbleiben. Sind die Steine jedoch im Nierenbeckenkelchsystem frei beweglich, können sie auch in den Abflusssog des oberen Harntrakts gelangen und so zur Ureterolithiasis werden. Lange wurde angenommen, dass die meisten Harnleitersteine durch eine (partielle) Obstruktion der ableitenden Harnwege symptomatisch sind und sich sogar oft durch massive Schmerzen (Koliken) äussern, was wiederum weltweit zu Millionen von Notaufnahmebesuchen führe. Eine 2024 publizierte Studie konnte jedoch zeigen, dass über ein Drittel aller Nierensteine asymptomatisch abgehen [8].
Im Falle von Nierenkoliken werden zur effektiven Schmerzlinderung nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Metamizol (Novalgin®) verwendet, da sie eine bessere analgetische Wirksamkeit als Opioide haben [9]. Opioide, insbesondere Pethidin, sind im Vergleich zu NSAR mit einer höheren Rate an Nebenwirkungen wie Erbrechen und einem höheren Bedarf an Zusatzanalgetika verbunden. Wenn die konservative Behandlung erfolglos bleibt, ist die Ableitung der Harnwege mit einem Harnleiterstent (Doppel-J-Katheter) oder einer perkutanen Nephrostomie oder die direkte Steinentfernung notwendig [10]. Die am häufigsten angewandte Methode zur Ableitung ist die Einlage eines Harnleiterstents (DJ), die mittlerweile ein Routineeingriff zur Behandlung von refraktären Schmerzen bei Harnleiterobstruktion ist. Allerdings können Ureterstents verschiedene Symptome verursachen, darunter Pollakisurie, Flankenschmerzen, Hämaturie und sexuelle Funktionsstörungen. Alphablocker und Anticholinergika können in diesen Fällen die Verträglichkeit verbessern [11].
Die Erstuntersuchung von Patienten mit Flankenschmerzen und Verdacht auf Harnleitersteine umfasst eine native Computertomographie(CT)-Untersuchung des Abdomens zur Bestimmung von Lage, Grösse und Dichte (Hounsfield-Einheiten [HU]) der Steine. Ein Low-Dose-CT reduziert die Strahlenbelastung erheblich und gewährleistet gleichzeitig eine gute Sensitivität und Spezifität, selbst bei kleinen Steinen [12]. Die laborchemische Untersuchung ist bei allen Patienten mit Steinen ähnlich (Tab. 1).
Tab. 1
Empfehlungen der europäischen Gesellschaft für Urologie für Labortests bei Ureterolithiasis
Empfehlungen: Grundlegende Laboranalyse – Patienten mit Ureterolithiasis in der Notaufnahme
Urin
Urin-Stix
Hämaturie
Leukozyturie
Nitrit
Urin-pH
Urinsediment und/oder Urinkultur
Blut
Natrium
Kalium
Kleines Blutbild
Kreatinin
CRP
Harnsäure
Kalzium (ionisiert)
Phosphat
Entscheidend für das therapeutische Vorgehen ist, ob der Patient Anzeichen einer Infektion/Sepsis oder einer Anurie aufgrund einer Obstruktion (z. B. im Falle einer einzigen funktionstüchtigen Niere) aufweist, die eine sofortige/dringende Ableitung erfordert.

Management von Uretersteinen

Behandlung von Sepsis und/oder Anurie

Die Nierenobstruktion durch einen Harnleiterstein mit Anzeichen von Harnwegs- oder systemischer Infektion und/oder Anurie stellt einen urologischen Notfall dar. Um weitere Komplikationen wie eine obstruktive Pyelonephritis oder sogar eine Sepsis zu vermeiden, ist eine dringende Ableitung der Harnwege erforderlich, entweder durch retrograde Einlage eines Ureterstents oder durch Einlage einer perkutanen Nephrostomie.
Nach erfolgter Harnableitung sollte die endgültige Behandlung des Harnleitersteins erst nach komplettem Abklingen des Infekts mittels gezielter Antibiotikatherapie erfolgen. Eine zu frühe Behandlung des Harnleitersteins im Infekt kann diesen aggravieren und leicht zu einer Sepsis führen.

Medikamentöse expulsive Therapie (MET)

Medikamentöse expulsive Therapie (MET) ist eine Behandlungsoption, die darauf zielt, die spontane Passage von Harnleitersteinen zu erleichtern und zu beschleunigen, um nachfolgende interventionelle Behandlungen (URS oder ESWL) zu vermeiden, die mit Risiken und einer gewissen Morbidität verbunden sind. Sie sollte nur Patienten angeboten werden, bei denen eine interventionelle Behandlung nicht dringend angezeigt ist (s. Abschnitt Behandlung von Sepsis und/oder Anurie) und bei denen die Schmerzen durch Analgetika gut kontrolliert werden können. Im Falle von Komplikationen (Infektion, refraktäre Schmerzen, Verschlechterung der Nierenfunktion) muss jedoch eine alternative Behandlung gewählt werden. Metaanalysen zeigten, dass Alphablocker eine günstige Wirkung haben können. Es ist jedoch zu beachten, dass Alphablocker Nebenwirkungen wie retrograde Ejakulation und orthostatische Hypotonie auslösen können. Die Ergebnisse der aktuellen Studien sind leider sehr widersprüchlich. Eine Metaanalyse zeigte, dass die Effektivität der Alphablockertherapie von der Konkrementgrösse abhängig ist. Es sind v. a. Patienten mit Harnleitersteinen > 5 mm, die von Alphablockern profitieren, da die kleineren Konkrementen ohnehin häufig spontan abgehen [11].
Die besten Prädiktoren für einen Spontansteinabgang sind die Lokalisation und der Durchmesser des Konkrements zur Zeit der Erstdiagnose [13]. Je kleiner und distaler (Abb. 1) der Harnleiterstein ist, desto wahrscheinlicher der Spontansteinabgang.
Anhand der verfügbaren Studien ist es schwierig, eine genaue Grenze der Steingrösse für einen Spontanabgang festzulegen. In internationalen Leitlinien wird ein Schwellenwert von 6 mm vorgeschlagen. Es wird geschätzt, dass Steine bis zu 4 mm in 95 % der Fälle innerhalb von 4 Tagen spontan abgehen können [14]. Für proximale Harnleitersteine von 5 mm ergaben prädiktive logistische Regressionsmodelle [13] eine Spontanpassagerate von etwa 50 % innerhalb von 4 Wochen (Abb. 2).

Orale Chemolyse

Die orale Chemolyse ist eine Behandlungsoption, die darauf zielt, Harnleitersteine aus Harnsäure durch die Alkalisierung des Urins aufzulösen. Etwa 10 % aller Harnsteine bestehen aus Harnsäure [15]. Da bei der Erstvorstellung keine Steinanalyse vorliegt, erfolgt die Auswahl der Patienten anhand klinischer Faktoren. Eine geringe Steindichte im CT, nichtröntgendichte Konkremente im konventionellen Röntgenbild, eine Vorgeschichte mit Harnsäuresteinen und ein niedriger Urin-pH sowie Hyperurikämie oder Gicht als Komorbidität (begünstig bei adipösen Patienten) weisen auf Harnsäuresteine hin.
Die orale Chemolyse wird mit Kaliumzitrat und/oder Natriumbikarbonat durchgeführt. Die Wahl der Behandlung richtet sich nach der Nierenfunktion, der Verträglichkeit der Behandlung und der Vorbehandlung. Patienten mit chronischem Nierenversagen werden mit Natriumbikarbonat behandelt, um die Kaliumbelastung zu verringern. Ausserdem wird den Patienten empfohlen, die Flüssigkeitszufuhr auf mindestens 2,5 l pro Tag zu erhöhen. Eine genaue Anleitung zur regelmässigen Messung des Urin-pH und Anpassung der Medikamentendosis ist essenziell. Der Ziel-pH-Wert im Urin liegt bei 6,5–7,2. Eine erste Kontrolluntersuchung mit Besprechung des pH-Messprotokolls sollte nach 2 Wochen erfolgen. Bei Patienten, die Kaliumzitrat erhalten, sollten zusätzliche Plasmakaliummessungen durchgeführt werden.
Eine Abdomenuntersuchung mittels Low-Dose-CT ist nach 6 Wochen suffizienter oraler Chemolyse erforderlich. Eine kürzlich durchgeführte Studie zeigte ein vollständiges Ansprechen bei 61 % und ein partielles Ansprechen bei 75 % der Patienten nach 3 Monaten Follow-up [16]. Nur 5 % der Patienten mussten die Behandlung aufgrund von Medikamentenunverträglichkeiten abbrechen. Bei ungenügendem Ansprechen oder Malcompliance mit nicht suffizienter Alkalisierung mit konsekutiver Steinpersistenz und/oder persistierenden Beschwerden während des Versuchs der Chemolitholyse sollte eine interventionelle Therapie mit den Patienten besprochen werden (s. unten).
Zusammenfassend ist die orale Chemolyse eine wirksame und sichere Behandlungsoption für Patienten mit Harnsäuresteinen. Neben der medikamentösen Chemolyse sind jedoch Lebensstil- und Ernährungsanpassungen mitentscheidend. Gewichtskontrolle sowie vegetarische Kost, insbesondere Obst (Zitrusfrüchte), sind vorteilhaft durch Senkung des Urin-pH. Im Gegensatz sollte übermässiger Fleischkonsum, insbesondere Innereien, Wild und Wurstwaren, vermieden werden (u. a. pH-Erhöhung, Harnsäureerhöhung).

Extrakorporale Stosswellenlithotripsie (ESWL)

Die extrakorporale Stosswellenlithotripsie (ESWL; Abb. 3) verwendet hochintensive Schallimpulse, die von aussen appliziert und fokussiert werden, um die Harnsteine mit minimalen Kollateralschäden zu zertrümmern. Die kleinen Fragmente sollen anschliessend spontan durch die Harnwege ausgeschieden werden. Es wurde gezeigt, dass Schallimpulse asymptomatische Hämatome verursachen können. Daher müssen gerinnungshemmende oder thrombozytenaggregationshemmende Therapien vor dem Eingriff abgesetzt werden [17]. Mehrere Studien bestätigen die klinische Wirksamkeit der ESWL, allerdings sind die Raten der Steinfreiheit nicht so hoch wie bei der Ureteroskopie (URS). Die Steinfreiheit für Harnleitersteine betrug 68 % nach einer einzigen ESWL-Sitzung und 76 % nach 2 Sitzungen [18].
Die Hauptvorteile der ESWL sind ihre nichtinvasive Natur und der seltenere Einsatz von Harnleiterstents, die oft Schmerzen oder Beschwerden verursachen.
Aus der Sicht des Patienten besteht das Hauptziel darin, so schnell wie möglich einen steinfreien Zustand zu erreichen [19]. Selbst wenn die Patienten asymptomatisch sind, können das Bewusstsein für Restkonkremente und die Angst vor einer Nierenkolik eine dauerhafte Quelle der Unannehmlichkeit sein. Aus diesem Grund und wegen der längeren Dauer bis zur Steinfreiheit nach ESWL ziehen die meisten Patienten eine endoskopische Entfernung der Steine mittels URS der ESWL vor. Eine Metaanalyse [20] zeigte, dass die Steinfreiheitsrate nach URS nach 4 Wochen signifikant höher ist als nach ESWL. Allerdings ist der Unterschied nach 3 Monaten nicht mehr signifikant. Daher ist es wichtig, die Patienten entsprechend aufzuklären, damit sie eine informierte Entscheidung zwischen der höheren Steinfreiheitsrate bei der URS und der geringeren Morbidität bei der ESWL treffen können.
Darüber hinaus hat die Attraktivität der ESWL aufgrund der geringeren kurzfristigen Steinfreiheitsraten und der hohen Anschaffungs- und Wartungskosten abgenommen, was ihre Verfügbarkeit als Behandlungsoption weiter einschränkt.

Ureterorenoskopie (URS)

Die URS ist eine endoskopische Untersuchung des oberen Harntrakts. Uretersteine werden mit semirigiden Ureteroskopen behandelt, während für Steine in der Niere flexible Ureteroskope verwendet werden. Für die Darstellung der oberen Harnwege muss immer ein Durchleuchtungsgerät zur Verfügung stehen. Zur Sicherheit wird ein Führungsdraht in den Harnleiter eingeführt, der von ausserhalb des Patienten bis zum Nierenbecken der behandelten Niere reicht. Dieser Draht dient als Führung jeglicher Manipulationen im oberen Harntrakt (Abb. 4).
Das Ziel der URS ist die vollständige Steinentfernung. Die Steine werden mit endoskopischen Zangen oder Fangkörbchen extrahiert. Wenn die Steine zu gross sind, um im Ganzen entfernt zu werden, wird eine intrakorporale Lithotripsie durchgeführt. Die Lithotripsie erfolgt in der Regel mittels Laser (Abb. 5), es gibt aber auch pneumatische und ultraschallbasierte Geräte.
Die Platzierung eines Ureterstents vor der URS ist nicht in allen Fällen notwendig. Eine vorgängige Stentimplantation kann jedoch den Eingriff erleichtern, die Steinfreiheitsrate verbessern und intraoperative Komplikationen aufgrund der Dilatation und Relaxation des Ureters verringern [21].
Die Stenteinlage am Ende des Eingriffs ist eine gängige Praxis, obwohl hochwertige Studien zeigten, dass sie nicht unbedingt notwendig ist [22]. Der Zweck ist, nach dem Eingriff Nierenkoliken und somit Notfallkonsultationen zu vermeiden. Patienten, die nach einer URS einen Ureterstent erhalten sollten, sind diejenigen, die ein Risiko für Komplikationen wie nach Harnleitertrauma, bei Restfragmenten, Blutungen oder Harnwegsinfektionen aufweisen. Die optimale Tragedauer für einen Ureterstent ist nicht genau definiert, jedoch werden diese in der Regel für 1–2 Wochen nach URS belassen.
Technologische Fortschritte bei der URS, darunter Ureteroskope mit kleinerem Kaliber, verbesserte Bildqualität und intrakorporale Lithotripsie, haben die Rate der vollständigen Steinentfernung erhöht und das Risiko von Komplikationen verringert. Frühere Studien zeigten, dass die Steinfreiheitsrate nach einem einzigen endoskopischen Eingriff weit über 90 % liegt. Schwere Komplikationen wie Harnleiterstrikturen oder Abrisse sind sehr selten (< 1 %) [23].

Zukünftige Entwicklungen

Es ist zu erwarten, dass durch die rasch voranschreitenden technologischen Fortschritte auch grössere Steine mittels URS therapiert werden können und gleichzeitig die Morbidität und Komplikationsrate weiter abnehmen werden. Gleichzeitig werden Studien durchgeführt, um die Eingriffe und folglich die damit verbundenen Risiken und die Morbidität bei interventionellen Steinbehandlungen zu verringern. Eine kürzlich durchgeführte Studie untersuchte das Entfernen von Harnleiterstents am Tag vor einem geplanten Eingriff (ESWL oder URS), um die spontane Passage von Harnleitersteinen zu erleichtern [24]. In der Studie kam es bei 34 % der Patienten zu einem Spontansteinabgang, während der Stent noch eingesetzt war. Bei 41 % der übrigen Patienten kam es innerhalb von 24 h nach Entfernung des Stents zu einer spontanen Steinpassage. Somit war bei 61 % der Patienten der geplante Eingriff danach nicht mehr erforderlich. Innerhalb von 24 h nach der Entfernung des Ureterstents traten keine infektiösen unerwünschten Ereignisse auf.
Weitere technische Entwicklungen zielen darauf ab, Harnleiterstents noch verträglicher zu machen und v. a. Verkrustungen zu verhindern, wenn sie sich in den Harnwegen befinden.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

Y. Terziyska, B. Roth, G.N. Thalmann, K.F. Johner und K.G. Sommer geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
2.
Zurück zum Zitat Finlayson B, Reid F (1978) The expectation of free and fixed particles in urinary stone disease. Invest Urol 15(6):442–448PubMed Finlayson B, Reid F (1978) The expectation of free and fixed particles in urinary stone disease. Invest Urol 15(6):442–448PubMed
5.
Zurück zum Zitat Meyer JL, Smith LH (1975) Growth of calcium oxalate crystals. II. Inhibition by natural urinary crystal growth inhibitors. Invest Urol 13(1):36–39PubMed Meyer JL, Smith LH (1975) Growth of calcium oxalate crystals. II. Inhibition by natural urinary crystal growth inhibitors. Invest Urol 13(1):36–39PubMed
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Zurück zum Zitat Guercio S, Ambu A, Mangione F, Mari M, Vacca F, Bellina M (2011) Randomized prospective trial comparing immediate versus delayed ureteroscopy for patients with ureteral calculi and normal renal function who present to the emergency department. J Endourol 25(7):1137–1141. https://doi.org/10.1089/end.2010.0554CrossRefPubMed Guercio S, Ambu A, Mangione F, Mari M, Vacca F, Bellina M (2011) Randomized prospective trial comparing immediate versus delayed ureteroscopy for patients with ureteral calculi and normal renal function who present to the emergency department. J Endourol 25(7):1137–1141. https://​doi.​org/​10.​1089/​end.​2010.​0554CrossRefPubMed
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Metadaten
Titel
Interventionelle und nichtinterventionelle Behandlungen der Ureterolithiasis
verfasst von
Yana Terziyska
Prof. Dr. med. Beat Roth
Prof. Dr. med. George N. Thalmann
Dr. med. Kevin F. Johner
Dr. med. univ. Karl Georg Sommer
Publikationsdatum
07.02.2025
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Urologie in der Praxis
Print ISSN: 2661-8737
Elektronische ISSN: 2661-8745
DOI
https://doi.org/10.1007/s41973-025-00293-5