Zweitmalignomrisiko nach CAR-T-Zell-Therapie: Doch kein Klasseneffekt?

Eine umfangreiche Untersuchung spricht dafür, dass sich das Zweitmalignomrisiko von CAR-T-Zell-Therapien und konventionellen Lymphom- und Leukämieregimen eher nicht substanziell unterscheidet. Ein Problem bleibt das Phänomen aber so oder so. Hind Medyouf, Deutsches Krebsforschungszentrum × Ende 2023 hatte die US-Arzneimittelbehörde FDA angekündigt, einem Signal für ein möglicherweise erhöhtes T-Zell-Lymphom-Risiko nach Behandlung mit CAR(„chimeric antigen receptor“)-T-Zellen nachzugehen. Die Bekanntmachung hatte das Thema sekundäre T-Zell-Lymphome im Speziellen – und Sekundärmalignome (SPM, „secondary primary malignancies“) im Allgemeinen – verstärkt ins Bewusstsein jener gehoben, die CAR-T-Zell-Behandlungen in der Praxis einsetzen bzw. zu diesen Therapien forschen. Kleinere in der Folge publizierte Fallsammlungen sprechen dafür, dass T-Zell-Neoplasien nach einer CAR-T-Zell-Behandlung insgesamt selten sind. Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob das SPM-Risiko unter CAR-T-Zellen überhaupt im besonderen Maße erhöht ist – schließlich könnten ja auch andere Behandlungen, die bei Personen mit hämatologischen Neoplasien zum Einsatz kommen, das Risiko für SPM erhöhen.1 Tatsächlich spricht eine kürzlich publizierte Analyse von US-Krebsregisterdaten dafür, dass das SPM-Risiko für Personen mit B-Zell-Neoplasien schon vor der CAR-T-Zell-Ära fünffach höher war als in der Allgemeinbevölkerung – was tendenziell gegen einen besonderen Klasseneffekt der CAR-T-Zell-Therapien spräche. Diese Erkenntnisse erfahren jetzt Bestätigung durch eine besonders umfassende Analyse, für die Real-World- Angaben und Daten aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT) von insgesamt über 5.500 Personen mit Leukämien bzw. Lymphomen berücksichtigt wurden.2 Demnach liegt die geschätzte Rate an SPM bei etwa 6% (bezogen auf einen medianen Follow-up von ca. zwei Jahren), wobei T-Zell-Neoplasien mit 1,5% nur einen ganz kleinen Teil der SPM ausmachen (entspricht einer T-Zell-Neoplasie-Rate von 0,09%, was sich tendenziell mit früheren Daten deckt)3. Zudem hat das Team um Tobias Tix von der LMU München in seiner Untersuchung Hinweise darauf gefunden, dass das SPM-Risiko von CAR-T-Zell-Therapien und „klassischen“ Regimen zur Lymphom-/Leukämie-Behandlung ähnlich hoch ist. Zwischen beiden fand sich in einer Metaanalyse (die sich allerdings nur über die vier RCT rechnen ließ) kein statistisch signifikanter Unterschied. SPM, so resümiert das Team, sind ein klinisch relevantes Problem, das im Blick behalten werden sollte; „unsere Ergebnisse deuten jedoch nicht darauf hin, dass die Häufigkeit von SPM bei CAR-T-Zell-Behandlungen im Vergleich zu früheren Standardtherapien höher ist“. Weitere spannende Einsichten Interessanterweise habe ihre Analyse keinen signifikanten Unterschied in den SPM-Raten zwischen verschiedenen CAR-T-Zell-Produkten oder Krankheitsentitäten ergeben, schreiben die Forschenden um Tix. „Dies deutet darauf hin, dass das Risiko für die Entwicklung von SPM eher mit patientenspezifischen Faktoren und der Behandlungsgeschichte zusammenhängt als mit dem spezifischen CAR-T-Zell-Produkt.“ Eine höhere Anzahl an vorherigen Therapien, ein längerer Follow-up-Zeitraum und die Teilnahme an einer klinischen Studie (vs. Real-World-Studie) waren gemäß Metaregressionsanalyse mit einem höheren Risiko für SPM assoziiert. Während die Bedeutung der Vortherapien für das SPM-Risiko wahrscheinlich dadurch erklärt werden kann, dass Schwervorbehandelte mehr potenziell karzinogenen und/oder immunsuppressiven Regimen ausgesetzt waren, handelt es sich bei den beiden anderen Punkten vermutlich um indirekte Effekte: „Eine Folge der CAR-T-Zell-Therapie könnte […] sein, dass just ihre Wirksamkeit den Patientinnen und Patienten Lebensjahre verschafft, in denen sie andere Krankheiten, einschließlich sekundärer Malignome, entwickeln können.“ So betrachtet wäre eine höhere Rate an SPM nach längerem Follow-up nicht verwunderlich. Und auch die Teilnahme an klinischen Studien steigert wahrscheinlich nicht tatsächlich die SPM-Rate: Vielmehr könne es sein, dass SPM in klinischen Studien besser erfasst werden als in Real-World-Settings, so die Erklärung des Studienteams. Das könnte im Umkehrschluss allerdings bedeuten, dass SPM in Real-World-Daten womöglich untererfasst sind, geben die Forscherinnen und Forscher zu bedenken. Und was ist mit T-Zell-Neoplasien? Insgesamt hatte das Team 326 SPM identifiziert (in einer Stichprobe von 5.517 Personen, die aus 18 RCT und 7 Real-World-Studien stammte). Nur fünf der SPM waren T-Zell-Neoplasien (1,5%). Die häufigsten SPM waren hämatologische Neoplasien (37%), solide Tumoren (27%) und nichtmelanozytärer Hautkrebs (16%). T-Zell-Neoplasien im Kontext mit der CAR-T-Zell-Therapie lassen auch deswegen Alarmglocken schrillen, weil diese theoretisch dadurch entstehen könnten, dass sich der für die Herstellung nötige CAR-Vektor an einer potenziell onkogenen Stelle ins Genom der T-Zellen integriert. Dazu schreiben Tix und Kolleginnen und Kollegen jetzt: „Letztendlich stellen die geringe Häufigkeit von T-Zell-Neoplasien, der kleine Anteil an CAR-positiven Fällen und die unklare Evidenz bezüglich der pathogenetischen Bedeutung der CAR-Vektor-Integration die erhebliche mediale Aufmerksamkeit infrage, die der Ankündigung des FDA-Warnhinweises gefolgt ist.“ Gleichzeitig betonen sie, dass eine sorgfältige Erhebung von und die Berichterstattung über unerwünschte Ereignisse von CAR-T-Zell-Therapien (darunter auch SPM inkl. T-Zell-Neoplasien) essenziell seien. „Zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, die tatsächlichen mechanistischen Zusammenhänge zwischen CAR-T-Zell-Therapie und SPM zu klären, wobei die Bedeutung von früheren Therapien, Immunsuppression und genomischer Instabilität berücksichtigt werden sollte“. Referenzen: 1Dores GM et al.: T-Cell Neoplasms after B-Cell Neoplasms - The Pre-CAR T-Cell Era. N Engl J Med 2024; 391(7):662-664. https://doi.org/10.1056/NEJMc2408029 2Tix T et al.: Second primary malignancies after CAR T-cell therapy: A systematic review and meta-analysis of 5,517 lymphoma and myeloma patients. Clin Cancer Res. 2024; https://doi.org/10.1158/1078-0432.ccr-24-1798 3Borchers M:. CAR-T-Zell-Therapie und das Risiko für Zweitmalignome. InFo Hämatol Onkol 2024; https://link.springer.com/article/10.1007/s15004-024-0518-0 Quelle: springermedizin.de

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