Therapie
Die Therapie der Mastozytose verlangt eine personalisierte therapeutische Herangehensweise – je nach klinischem Subtyp reicht das therapeutische Management primär von der Vermeidung anaphylaktischer Reaktionen – Vermeidung von Bienen‑/Wespenstichen, diätologische Maßnahmen etc. – über symptomorientierte, individualisierte und rein supportive Therapie bis hin zu zytoreduktiven Behandlungsoptionen sowie Stammzelltransplantation bei rasch progredienten Krankheitsverläufen [
16].
Präventiv sollte eine Vermeidung von möglichen Triggerfaktoren eingehalten werden, welche von Patient zu Patient stark unterschiedlich sein können – angefangen bei mechanischen Reizen (Reiben) und physikalischen (Hitze, Kälte) Stimuli, Stress (emotionale Trigger), über Medikamente und verschiedenste Kontaktallergene bis hin zu lokalen und systemischen Infektionen [
17,
34].
Der medikamentöse Therapieansatz mit den gegenwärtigen Behandlungsmöglichkeiten ist derzeit nicht kurativ, eine komplette Heilung ist nur durch allogene Stammzelltransplantation möglich [
35].
Das primäre Therapieziel sowie wichtigste Maßnahme im therapeutischen Management aller Subtypen der Mastozytose ist die klinische Symptomkontrolle, welche durch medikamentöse Hemmung der Mastzellaktivierung, Mastzellmigration und Mediatorenfreisetzung sowie Rezeptorinhibition erlangt werden kann.
Primäres Therapieziel ist die klinische Symptomkontrolle
Die Therapiemodalitäten variieren in Hinblick auf die Häufigkeit und Intensität der Symptome, welche zumeist den Einsatz von H1- und H2-Antihistaminika erfordern. Bei Kindern ist oft keine intensive medikamentöse Therapie notwendig [
17,
23]. Meidung von Triggerfaktoren und bei trockener Haut eine Hautpflege mit Salben und Cremen bieten eine gute Grundlage der Behandlungsstrategie. Darauf aufbauend können folgende H1-Antihistaminika in beschriebener Dosierung verabreicht werden (die Dosierung für Kinder ist entsprechend in Bezug auf das Körpergewicht und Alter zu adaptieren). Folgende H1-Antihistaminika stehen derzeit in Österreich zur Verfügung:
Off-label kann man jedoch wie bei chronisch spontaner Urtikaria die Dosis auf das Vierfache erhöhen [
36].
Bei manchen Patienten kann durch eine Kombination zweier H1-Antihistaminika eine bessere Symptomkontrolle erzielt werden als durch die Monotherapie mit einem H1-Antihistaminikum. Obwohl derzeit noch randomisierte, kontrollierte Studien mit Kindern fehlen, ist eine Vervierfachung der empfohlenen, gewichtsadaptierten Tagesdosis von nicht sedierenden H1-Antihistaminika im Einklang mit den aktuellen Urtikaria-Leitlinien unbedenklich [
36,
37]. In Einzelfällen kann der Mastzellstabilisator Ketotifen in einer Dosierung von 1–4 mg/Tag, je nach Symptomatik, versucht werden.
Während H1-Antihistaminika zur Prophylaxe von Juckreiz, Rötung und Schwellung eingesetzt werden, sind H2-Antihistaminika zur Reduktion von Abdominalbeschwerden wie Reflux, Bauchkrämpfen und Durchfall hilfreich. Darüber hinaus könnten Letztere den Effekt von H1-Antihistaminika verstärken. Folgende H2-Antihistaminika werden empfohlen:
Als Zweitlinientherapie werden bei gastrointestinalen Beschwerden Protonenpumpeninhibitoren mit der gleichzeitigen Gabe von H2-Antihistaminika empfohlen, sowie der Einsatz von Steroiden (z. B. Budesonid p.o.) bei Bedarf [
16,
23].
Auch Natriumcromoglicat (Cromoglicinsäure) kann bei Durchfall, Erbrechen, Diarrhoe und Bauchschmerzen helfen und ist in Form von Kapseln zu 100 mg oder als Granulat in Sachets zu 200 mg erhältlich. Dosierung/Anwendung: 30 min vor der Mahlzeit 4‑mal täglich; Kinder bis 14 Jahren 1 Kapsel/0,5 Sachet, Erwachsene ab 15 Jahren 2 Kapseln/1 ganzes Sachet [
23].
Um die Flush-Symptomatik zu unterdrücken, welche mit erhöhten Prostaglandin-Werten bei Aktivierung von Mastzellmediatoren assoziiert ist, können NSAR, z. B. Aspirin, zum Einsatz kommen. Einerseits werden sie als Trigger-Medikamente eingestuft, andererseits wurde ihre gute Wirksamkeit, sofern von den Patienten toleriert, in der Literatur beschrieben [
38].
Bei Persistenz der Symptome können schließlich verschiedene Leukotrien-Antagonisten (z. B. Montelukast) eingesetzt werden [
39].
Ein kurzfristiger Einsatz von topischen Kortikosteroiden bietet eine vorübergehende Reduktion der kutanen Mastzellen und damit verbunden eine Symptomerleichterung. Für Kinder mit isoliertem Mastozytom ist in der Regel keine Therapie erforderlich, die spontane Regression kann abgewartet werden. Nur bei schweren Symptomen werden topische Kortikosteroide unter Okklusion empfohlen [
40]. Aufgrund der potenziell induzierten Hautatrophie sollten ältere topische Kortikoide jedoch nicht als Langzeittherapie eingesetzt werden [
16,
41]. Auch topische Calcineurininhibitoren wie 1 % Pimecrolimus-Creme in 2‑mal täglicher Anwendung wurden als wirksam beschrieben hinsichtlich der Reduktion von Juckreiz und Quaddelbildung [
42].
Bei schweren, persistierenden kutanen Symptomen kann eine systemische Kortisongabe notwendig werden. Bei bullöser Mastozytose, vor allem bei Kindern, brachten 0,1 mg/kg Körpergewicht/Tag Betamethason per os eine komplette Remission nach 4 Wochen [
43]. Generell ist jedoch die evidenzbasierte Datenlage zur Anwendung systemischer Glukokortikoide schwach [
44].
Gegen Pruritus, welcher durch Antihistaminika allein nicht kontrollierbar ist, können Psoralen-Ultraviolett-A-Therapie (PUVA) oder Schmalband-UVB eingesetzt werden, um kurzfristige Symptomerleichterung zu schaffen. Allerdings wird ein Wiederauftreten der Hautläsionen einige Monate nach Bestrahlungsende beschrieben und die Phototherapie eignet sich des Weiteren aufgrund des erhöhten Hautkrebsrisikos nicht für einen langfristigen Einsatz. Vor allem aber im Rahmen einer diffusen kutanen Mastozytose kann Bestrahlungstherapie vorübergehende Symptomlinderung bei medikamentösem Therapieversagen bringen [
45‐
47].
Im Sinne einer Osteopenie‑/Osteoporose-Prophylaxe bzw. -Therapie sollte nach entsprechender Abklärung an eine Medikation mit Bisphosphonaten und an stabile Vitamin-D- und Kalziumspiegel gedacht werden [
23].
Im Rahmen anaphylaktischer Reaktionen kann es bei Patienten mit Mastozytose häufiger zur Hypotension kommen, daher ist im Notfall besonders auf kreislaufstabilisierende Maßnahmen zu achten (Beine hochlagern, großzügige intravenöse Flüssigkeitszufuhr).
Für Erwachsene und auch für Kinder mit ausgeprägtem Hautbefund, einer Anamnese mit schweren systemischen Symptomen bzw. Anaphylaxie und stark erhöhten Tryptasewerten wird aufgrund des hohen Risikos einer schweren Anaphylaxie eine Ausstattung mit einem Adrenalin-Autoinjektor empfohlen. Die Eltern der Kinder sowie weitere Betreuungspersonen sollten im Umgang mit dem Autoinjektor vertraut gemacht werden und ggf. eine Notfallschulung erhalten. Die Dosierung für Kinder mit einem Körpergewicht zwischen 7,5 und 25 kg beträgt 150 µg, die Dosierung für Kinder ab einem Körpergewicht von über 25–30 kg und Erwachsene beträgt 300 µg. In manchen Ländern wird die Verordnung eines zweiten Autoinjektors empfohlen, der bei Bedarf 5 min nach der ersten Injektion verabreicht wird. Im Rahmen dessen ist eine Ausstattung mit einem Notfallset inklusive einem H1-Antihistaminikum und systemischen Glukokortikoid (z. B. 1–2 Tbl Levocetirizin 5 mg +1–2 Tbl Methylprednisolon 40 mg) ratsam [
17,
23,
34].
Der Off-label-Einsatz des monoklonalen Anti-IgE-Antikörpers Omalizumab kann in rezidivierenden Fällen von Anaphylaxien bzw. auf H1-Antihistiaminika unzureichendes Ansprechen überlegt werden [
23]. Eine Dosis von 150–300 mg s.c. alle 2 Wochen brachte gute Erfolge [
48].
Im Fall einer Hymenopterenallergie wird nach vorangegangener Testung eine Allergen-Immunotherapie (AIT) empfohlen [
23].
Ein spezielles, interdisziplinäres Vorgehen verlangt das prä- und perioperative Management bei Patienten mit Mastozytose. Einem genauen Präanästhesiegespräch sowie der Narkoseleitung durch einen erfahrenen Anästhesisten sollte bei diesen Patienten ein hoher Stellenwert beigemessen werden [
49,
50].
Vor geplanter perioperativer Trigger-Exposition (Medikamente, Hitze, Kälte, mechanische Provokation) wird oft eine Prämedikation bestehend aus H1- und H2-Antihistaminika und Kortikosteroiden empfohlen – allerdings fehlen hierfür Daten aus placebokontrollierten Studien. Daher gilt die höchste Priorität auch im perioperativen Setting der Vermeidung von Triggerfaktoren, um eine Mastzelldegranulation zu vermeiden [
51].
Impfungen werden oft als Trigger für eine Mastzelldegranulation gesehen – bei erwachsenen Mastozytosepatienten bleibt solche Reaktion jedoch aus, bzw. wird sie nicht häufiger beobachtet als in der Normalbevölkerung. Bei Kindern kann es vereinzelt zur symptomatischen Mastzellaktivierung kommen [
52].
Daten zur Prämedikation, die vor Anaphylaxie in Bezug auf Impfungen schützen soll, sind unzureichend. Für pädiatrische Mastozytosepatienten mit hohem Risiko für Anaphylaxie wird die Gabe von H1-Antihistaminika 30–60 min vor Impfverabreichung empfohlen. Zusätzlich kann die Gabe von H2-Antihistaminika und Montelukast erwogen werden. Von systemischen Kortikosteroiden als Impf-Prämedikation wird wegen eventueller Wirkungsabschwächung Abstand genommen [
53]. Die Therapiemöglichkeiten der CM und ISM werden in Tab.
3 überblicksmäßig zusammengefasst.
Tab. 3
Übersicht über die therapeutischen Möglichkeiten der Mastozytose
Basismaßnahmen | Vermeiden von Triggerfaktoren | Medikamente, mechanische und physikalische Reize, Stress, Infektionen, Nahrungsmittel | – |
Hautsymptome | H1-Antihistaminika | Cetirizin 10 mg Fexofenadin 120 mg Loratadin 10 mg Levocetirizin 5 m Desloratadin 5 mg Ketotifen 1–4 mg/d | Bis zu 4‑fach-Dosierung möglich |
Lichttherapie | PUVA, nb-UVB | – |
Topische Glukokortikoide Topische Kalzineurin-Inhibitoren | Glukokortikoide der Klasse I–IV 1 % Pimecrolimus | Kurzfristig, ggf. okklusiv Offen 2‑mal/Tag |
NSAR | ASS, Ibuprofen | Cave: Ulkus! NSAR-Unverträglichkeit |
Anaphylaxie | H1-Anthistaminika | Siehe oben | – |
H2-Antihistaminika | Famotidin 2‑mal 20 mg/Tag Cimetidin 2‑mal 400 mg/Tag | – |
Glukokortikoide | Z. B. Prednisolon i.v. gewichtsadaptiert (siehe Anaphylaxie-Leitlinien: Akuttherapie und Management) | – |
AIT | Bei Hymenopterenallergie | – |
Omalizumab | 150–300 mg s.c. alle 2 Wochen | Off-label use |
Notfallset | Z. B. 1–2 Adrenalin-Pen(s) + 1–2 Tbl. Levocetirizin 5 mg + 1–2 Tbl. Methylprednisolon 40 mg | Notfallschulung |
GI-Symptome | H1-Antihistaminika | Siehe oben | – |
H2-Antihistaminika | Siehe oben | – |
PPI | Pantoprazol 40 mg/Tag, Omeprazol 20 mg/Tag | – |
Cromoglicinsäure | Natriumcromoglicat 100 mg 4‑mal/Tag 1–2 Kps., Natriumchromoglicat 200 mg 4‑mal/Tag 1 Sachet | – |
Osteoporose/Osteopenie | Vitamin D3, Kalzium | Colecalciferol (Vitamin D3)-Tropfen/Tabletten, Kalzium/Vitamin D3-Kombinationspräparate | – |
Bisphosphonate | Alendronat, Risendronat, Zoledronat | Cave: Kiefernekrose |
Therapie der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose
Die Betreuung von Patienten mit einer fortgeschrittenen systemischen Mastozytose wird vorzugsweise an einem Schwerpunktzentrum empfohlen. Ziel des therapeutischen Regimes sind neben der Symptomkontrolle und Verhinderung von Endorganschäden, eine Lebensverlängerung sowie Verbesserung der Lebensqualität. Sollte zusätzlich eine assoziierte hämatologische Neoplasie vorliegen, muss diese primär therapiert werden.
Die Tyrosinkinase-Inhibitoren Midostaurin und Avapritinib sind die derzeit einzig zugelassenen Wirkstoffe in der Therapie der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose. Diese beiden Substanzen hemmen multiple Tyrosinkinase-Rezeptoren inklusive der
KIT D816V-mutierten Rezeptoren, die bei 90 % der Patienten zu finden sind, und induzieren dadurch Wachstumsstillstand und Apoptose in mutierten hämatogenen Zellen [
54].
Bei einem Teil der Patienten mit anderen
KIT-Mutationen kann der Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib einen signifikanten Therapienutzen bringen [
55].
Bei spezieller Indikationsstellung können auch andere Proteinkinase-Inhibitoren und Interferone (vor allem bei Patienten mit Osteoporose) in Kombination mit und ohne Glukokortikoiden zum Einsatz kommen [
23].
Eine Polychemotherapie mit anschließender allogener Stammzelltransplantation ist den rasch progredienten Verlaufsformen vorbehalten. Hydroxyurea, ggf. in Kombination mit Glukokortikoiden, steht als palliative Behandlungsoption zur Verfügung [
23].