Dieses Buchstellt der russozentrischen Perspektive eine ukrainische gegenüber: Andreas Kappeler, Kleine Geschichte der Ukraine, C. H. Beck Verlag 2022, 431 Seiten, Softcover 18,50 Euro, ISBN 978-3-406-73558-5
Laut dem Kriegsherrn im Kreml habe die ukrainische Nation keine Existenzberechtigung. Wladimir Putin nutzt die Tatsache aus, dass die Ukraine in Europa weitgehend unbekannt ist. Ein Blick auf die historischen Fakten lohnt.
Ukraine bedeutet Grenzland (gemeint ist: zur Steppe hin). Aus westeuropäischer Perspektive ist das Riesenland eine Randerscheinung. Es wird, wenn überhaupt, als nur als Randgebiet Russlands zur Kenntnis genommen. Damit ist jetzt Schluss. Die russische Aggression rückt die Ukraine ins Blickfeld des Interesses. Versäumtes nachholen, lautet die Devise. Der Herr im Kreml, Wladimir Putin, stellt seine historische Inkompetenz zur Schau, weitgehend unwidersprochen: Das mittelalterliche Reich der Kiewer Rus sei eine russische Gründung, des Namens wegen. Mit diesen und ähnlichen Argumenten unterfüttert Putin seinen Vormarsch. Seine Geschichtsauffassung ist höchstens mangelhaft, wie die Osteuropa-Expertin Kerstin Jobst im History-Podcast von profil darlegt. „Die Forschung ist sich einig, dass die ukrainische Nation ein Produkt einer Entwicklung ist, die allerfrühestens im 18. Jahrhundert begonnen hat und keinesfalls in Zeiten der Kiewer Rus.“ (Kerstin Jobst, „Geschichte der Ukraine“, Reclam 2015, 276 S., Softcover 7,90 Euro, ISBN 978-3-15-019320-4).
Ihre sechste Auflage erlebt die „Kleine Geschichte der Ukraine“ – bei 431 Seiten eine charmante Untertreibung. Dieses Buch setzt der russozentrischen Perspektive eine ukrainische gegenüber und versucht gleichzeitig, ukrainische nationale Mythen kritisch zu überprüfen. Wertvolle Lektüre, wenn man einen Krieg verstehen möchte, der auch mit Fake News geführt wird.