Das fortgeschrittene/metastasierte Urothelkarzinom ist eine aggressive Erkrankung mit daraus resultierender begrenzter Lebenserwartung der Patienten. Die bisherige Standardtherapie beschränkte sich lange Zeit auf eine platinbasierte Chemotherapie in der Erstlinie. In den letzten Jahren hielt die Immuntherapie Einzug in die Therapie des mUC: in der Erstlinie bei Platin-ungeeigneten Patienten, in der Erhaltung nach Nichtprogress unter Erstlinienchemotherapie sowie in der Zweitlinientherapie. Avelumab ist mittlerweile der Standard als Erhaltungstherapie nach Ansprechen oder stabilem Befund nach der Chemotherapie. Sollte es während oder nach der platinbasierten Erstlinienchemotherapie zum Progress kommen, wird Pembrolizumab in allen Leitlinien unabhängig vom „Programmed cell death-ligand 1“(PD-L1)-Status in der Zweitlinie empfohlen. Eine weitere Möglichkeit ist nachfolgend die erneute Chemotherapie mit Vinflunin, Taxanen oder eine Re-Challenge mit platinbasierter Chemotherapie, wobei die Erfolge dieses Vorgehens nicht zufriedenstellend sind. In den letzten Jahren wurden für dieses Setting einige neue Therapien entwickelt. In den NCCN- und ESMO-Leitlinien werden Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (AWK) wie Enfortumab-Vedotin oder der Pan-FGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (FGFR: Fibroblastenwachstumsfaktorenrezeptor) Erdafitinib bei FGFR2-/3-Alterationen als Drittlinientherapie bereits diskutiert. In Europa ist derzeit nur Enfortumab-Vedotin von der EMA bei Progress nach Chemo- und Immuntherapie zugelassen. Die Zulassung von Erdafitinib steht derzeit noch aus. Eine weitere neue Option ist Sacituzumab-Govitecan (Trop-2), hier steht die Zulassung durch die EMA ebenso aus. Weitere molekulargenetische Ansatzpunkte können etwaig durch „next generation sequencing“ (NGS) aufgezeigt werden und machen so in spezialisierten Zentren ggf. weitere Therapien auch nach Ausschöpfen der Standardtherapien möglich. Grundvorrausetzung für die optimale Versorgung des Patienten ist die Behandlung in einem erfahrenen Zentrum, um die bestmögliche Strategie für den Patienten, v. a. in späteren Therapielinien, zu gewährleisten und den Einschluss in weiterführende Studien zu ermöglichen.
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Einleitung
Das Urothelkarzinom ist das am zehnthäufigsten diagnostizierte Karzinom weltweit, mit mehr als 500.000 Neuerkrankungen pro Jahr [1]. Grundsätzlich ist das Urothelkarzinom in ca. 90 % in der Harnblase lokalisiert, und davon sind ca. 25 % zumindest muskelinvasiv oder metastasiert. Das fortgeschrittene und metastasierte Urothelkarzinom (mUC) ist eine rasch fortschreitende Erkrankung und mit einer deutlich reduzierten Lebenserwartung verbunden. Sobald eine Metastasierung besteht, sinkt die 5‑Jahres-Überlebensrate unter 10 %, wohingegen diese bei lokalisierter Erkrankung um 70 % liegt [2]. In der Ära vor Cisplatinkombinationschemotherapie betrug die Lebenserwartung lediglich 4–6 Monate [3]. Die cisplatinbasierte Chemotherapie ist weiterhin Standard in der Erstlinientherapie, allerdings sind bis zu 50 % der Patienten hierfür nicht geeignet [4]. In der Zweitlinientherapie und Option in der Erstlinie bei für Platin ungeeigneten Patienten ist die Immuntherapie etabliert. In den letzten Jahren wurden zusehends neue Therapien wie Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bzw. zielgerichtete Therapien etabliert und erweiterten die Optionen zur Behandlung des metastasierten Urothelkarzinoms.
Erstlinientherapie
Die platinbasierte Chemotherapie (CHT) für 4–6 Zyklen ist der Standard in der Erstlinie für Patienten mit mUC (Abb. 1). Für viele Jahre gab es keine relevanten Alternativen, bei einem medianen Gesamtüberleben (OS) von etwa 14–15 Monaten [5]. Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass etwa 50 % der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose, aufgrund schlechter Nierenfunktion, reduziertem Allgemeinzustand oder relevanten Komorbiditäten, das favorisierte Cisplatin nicht erhalten können [4]. Als Option bei einer reduzierten GFR (40–60 ml/min) kann die Verabreichung in geteilter Dosierung erfolgen [6‐8].
Die Alternative Gemcitabin/Carboplatin zeigt historisch schlechtere Ansprechraten bei weiter reduziertem OS (9,3 Monate; [9]). Neuere Studien demonstrierten jedoch nahezu vergleichbare Ansprechraten zwischen Cis- und Carboplatinschemata (mOS 12,1 und 13,1 Monate; [10, 11]). Bei Ansprechen oder stabilem Befund sollte eine Erhaltungstherapie mit Avelumab angeschlossen werden. Die Empfehlung beruht auf der JAVELIN Bladder 100-Studie, das OS zeigte sich in der Avelumabgruppe gegenüber „best supportive care“ mit 21,4 vs. 14,3 Monaten verlängert (HR: 0,69, 95 %-KI: 0,56–0,86; p < 0,001; [12]).
Patienten mit einem fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom des oberen Harntrakts sind aufgrund der häufiger vorliegenden Niereninsuffizienz nach Nephroureterektomie noch seltener der cisplatinbasierten CHT zugänglich.
Pembrolizumab und Atezolizumab sind eine Option bei für Platin ungeeigneten Patienten mit hoher PD-L1-Expression [13]. Die Empfehlung stützt sich auf Daten der KEYNOTE-052- [14] und IMvigor210-Studie [14, 15].
Zweitlinientherapie
Bis vor wenigen Jahren gab es nach platinbasierter CHT, nur wenig zufriedenstellende Optionen in der Zweitlinie. Möglichkeiten umfassten weitere CHT mit Taxanen, Vinflunin oder eine Re-Challenge einer platinbasierten Therapie, Letzteres nur bei spätem Auftreten eines Rezidivs. Die dazu vorliegenden Daten sind aus kleinen Phase-2-Studien mit einer Ansprechrate bei Monotherapien zwischen 0 und 28 % [16, 17].
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Die Zweitlinientherapie ist mittlerweile die Domäne der Immuncheckpointinhibitoren (ICI), insbesondere mit Pembrolizumab, dem einzigen ICI, welcher in einer Phase-3-Studie einen Überlebensvorteil gegenüber Zweitlinienchemotherapie zeigen konnte [18].
Pembrolizumab, ein PD-1-Inhibitor, ist derzeit entsprechend European Association of Urology (EAU, [19]), S3-Leitlinie [20] und den Leitlinien des National Comprehensive Cancer Network (NCCN; [13]) die erste Wahl zur Zweitlinientherapie nach platinbasierter CHT oder bei für Cisplatin ungeeigneten Patienten als Erstlinie bei einem PD-L1-Score (CPS) ≥ 10. In der KEYNOTE-045-Studie konnten unter Pembrolizumab im Vergleich zur Zweitlinienchemotherapie eine Verlängerung des Gesamtüberlebens von 10,3 vs. 7,4 bzw. bei Patienten mit PD-L1+-Tumoren (CPS ≥ 10) ein OS von 8 vs. 5,2 Monaten gezeigt werden [21]. Das progressionsfreie Überleben zeigte keinen statistisch signifikanten Unterschied [21].
Die S3-Leitlinien führen Nivolumab und Atezolizumab als alternative Zweitlinientherapie auf, jedoch mit geringerem Empfehlungsgrad [20].
Nivolumab, ebenfalls ein PD-1-Inhibitor, ist von der FDA zur Zweilinientherapie nach platinbasierter CHT freigegeben. Grundlage ist die einarmige Phase-2-CheckMate275-Studie, der primäre Endpunkt wurde mit einer objektiven Ansprechrate von 19,6 % und einem OS von 8,74 erreicht, und das Nebenwirkungsprofil wurde als sicher erachtet [22]. Jedoch ist Nivolumab zur adjuvanten Therapie nach radikaler Zystektomie zugelassen bei Patienten mit PD-L1+-Tumoren [19].
Atezolizumab, ein PD-L1-Inhibitor, wurde in der Zweitlinie im Rahmen von IMvigor210 und IMvigor211 untersucht. Laut EAU-Leitlinien wird Atezolizumab derzeit nur in der Erstlinientherapie des mUC bei für Platin ungeeigneten Patienten mit PD-L1-exprimierenden Tumoren (IC > 5 %) empfohlen, da in der IMvigor211-Studie, Atezolizumab vs. „2nd line CHT“ (Paclitaxel, Docetaxel oder Vinflunin), der primäre Endpunkt des verbesserten OS nicht erreicht wurde [23].
Die Empfehlungen zur Zweitlinientherapie beziehen sich grundsätzlich auf Patienten nach platinbasierter CHT, ohne vorangegangene Erhaltungstherapie mit Avelumab.
Nachfolgende Therapiemöglichkeiten
Zu Therapien nach der Zweitlinie gibt es derzeit in den S3-Leitlinien keine Empfehlungen, in den Leitlinien der EAU, der European Society for Medical Oncology (ESMO; [24]) und dem NCCN werden Erdafitinib bei FGFR2-/3-Alteration, weiters Enfortumab-Vedotin, Sacituzumab-Govitecan oder CHT diskutiert, jedoch liegt in Europa noch nicht für alle Substanzen eine Zulassung der EMA vor. Die genannten Substanzen kamen alle in den letzten Jahren zum Therapiespektrum hinzu, ebenso wie die Möglichkeit, weitere zielgerichtete Therapien z. B. nach Durchführen eines „next generation sequencing“ und Empfehlung über ein molekulargenetisches Tumorboard, individuell zu ergänzen. Die unterschiedlichen Substanzen werden in den kommenden Absätzen erläutert.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (AWK)
Diese neue Wirkstoffklasse basiert pharmakologisch auf der Wiedererkennung eines zellulären Antigens durch einen Antikörper, welcher die zytotoxische aktive Substanz implementiert [25, 26]. Durch die hier führende personalisierte Peptid-Nanopartikel-Technologie zeigte sich eine durch verbesserte Pharmakokinetik und -dynamik niedrigere Rate von unerwünschten Nebenwirkungen [25, 27]. Derzeit laufen viele Studien mit Präparaten dieser Wirkstoffklasse, mit teilweise vielversprechenden Aussichten [28].
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Enfortumab-Vedotin (EV)
Enfortumab-vedotin ist das erste AWK, das 2019 durch die FDA als Drittlinie nach platinhaltiger CHT und einem ICI zugelassen wurde, auch von der EMA wurde mittlerweile die Zulassung erteilt.
Gerichtet ist EV gegen Nectin‑4, ein Oberflächenprotein, das in hoher Ausprägung auf urothelialen Karzinomzellen gefunden wird. Es besteht aus einem humanen IgG1κ‑Antikörper, gebunden an das Zytostatikum Monomethylauristatin-E(MMAE)-Antigen, die Bindung kann dann durch eine Protease gespalten werden [29]. Die Zelle internalisiert den AWK-Nectin-4-Komplex, und MMAE wird durch einen proteolytischen Prozess freigegeben. MMAE wiederum zerstört das Mikrotubulisystem der Zelle und führt über eine Blockade des Zellzyklus zum Zelltod durch Apoptose [28].
Die Zulassungsstudie ist EV-301 [30], eine globale, Open-Label-Phase-3-Studie mit 608 eingeschlossenen Patienten im Progress nach platinhaltiger CHT und einem PD-1-/PD-L1-Inhibitor in der Zweitlinie beim metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Urothelkarzinom. Das Gesamtüberleben zeigte sich unter EV mit 12,9 vs. 9 Monaten im Vergleich zur Chemotherapie (HR: 0,70; 95 %-KI: 0,56–0,89; p = 0,001) signifikant verlängert, ebenso das progressionsfreie Überleben mit 5,55 vs. 3,71 Monaten. Das Auftreten von therapieassoziierten Nebenwirkungen war in beiden Gruppen vergleichbar, 93,9 % (EV) und 91,8 % (CHT), ebenso die Rate der Nebenwirkungen Grad ≥ 3 mit 51,4 % bzw. 49,8 %. Somit zeigte EV eine signifikante Verbesserung des Überlebens bei vergleichbarem Nebenwirkungsprofil [30].
In der EV-201-Studie ([31]; einarmig, Phase 2) wurde EV bei für eine Cisplatintherapie nicht geeigneten Patienten (n = 89) mit einem fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom in der Zweitlinie nach Immuntherapie untersucht. Es zeigte sich eine objektive Ansprechrate (ORR) von 52 %, wobei bei 20 % der Patienten eine Komplettremission und bei 31 % eine partielle Remission erzielt werden konnten. Die Rate der Nebenwirkungen Grad ≥ 3 lag bei 55 % [31].
Das Nebenwirkungsprofil von EV war in beiden Studien vergleichbar: Alopezie in 45–51 % und periphere sensorische Neuropathien zeigten 33–44 % der Patienten, ca. 30 % der Patienten beschrieben Fatigue, reduzierten Appetit, Juckreiz oder makulopapulösen Ausschlag. Geschmacksstörungen traten bei ca. 10–14 % der Patienten auf, zudem zeigten sich Veränderungen des Blutbilds (Anämie, Neutropenie, Absinken der Neutrophilen) in < 10 % der Patienten und waren damit deutlich seltener als unter CHT. Ausgeprägte Nebenwirkungen Grad ≥ 3 waren der makulopapulöse Ausschlag (ca. 8 %), Fatigue (7 %), Diarrhö (5 %) und Veränderungen des Blutbilds (5 %). Zu Hyperglykämien kam es bei ca. 7 % der Patienten [30, 31].
Aufgrund der beschriebenen Daten ist EV eine neue Alternative in den späteren Therapien beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom.
Sacituzumab-Govitecan (SG)
Der zweite AWK wurde erst im April 2021 durch die FDA zugelassen und ist bis dato im europäischen Raum nur im Rahmen von Studien verfügbar und beim Urothelkarzinom noch nicht von der EMA freigegeben. SG ist in den NCCN-Leitlinien als Alternative in den späteren Therapielinien aufgeführt, und wird in den EAU-Leitlinien als vielversprechende neue Therapiemöglichkeit aufgeführt. In den S3- und ESMO-Leitlinien wurde SG bisher nicht erwähnt.
SG besteht aus einem humanen monoklonalen Antikörper, der an das Trophoblastenzelloberflächenantigen‑2 (Trop-2) bindet, und dem Wirkstoff SN-38 (der aktive Metabolit von Irinotecan, welcher als Topoisomeraseinhibitor wirkt). Beide sind über den hydrolysierbaren „linker“ (CL2A) verbunden. SN-38 wird über Bindung an Trop‑2 in die Tumorzellen aufgenommen und nach Hydrolyse des „linker“ freigesetzt. Dieses Produkt wiederum bindet an der Topoisomerase I und induziert Einzelstrangbrücke. Die daraus folgenden DNA-Schäden führen zur Apoptose und letztlich dem Zelltod [29].
Die Studie TROPHY-U-01 [32], eine einarmige Open-Label-Multizentrumsstudie, untersuchte SG bei 113 Patienten mit lokal fortgeschrittenem, nicht resezierbarem oder metastasiertem UC nach platinbasierter CHT und einem PD-1-/PD-L1-Inhibitor. Gegeben wurde SG 10 mg/kgKG an den Tagen 1 und 8 eines 21-tägigen Zyklus. Es zeigte sich eine objektive Ansprechrate von 27 %, bei 77 % wurde eine Reduktion der Erkrankungslast gezeigt, eine komplette Remission konnte bei 5 % der Patienten erzielt werden. Das mediane PFS betrug 5,4 Monate bei einem OS von 10,9 Monaten. Die mittlere Ansprechdauer betrug 7,2 Monate. Zu therapieassoziierten Nebenwirkungen kam es bei 98,2 % der Patienten. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö (65 %), Übelkeit (60 %), Fatigue (52 %), Alopezie (47 %), Neutropenie (46 %) und reduzierter Appetit (36 %). Betrachtet man die klinisch relevanten Nebenwirkungen (Grad ≥ 3), so führten Neutropenie (35 %), Leukopenie (18 %), Anämie (14 %) und Diarrhö (9 %). Eine febrile Neutropenie trat in lediglich 6 % der Patienten auf.
Zum Therapieabbruch kam es bei nur 7 % der Patienten [32].
Derzeit werden einige interessante Studien mit SG als Monotherapie sowie als Kombination in unterschiedlichen Tumorstadien durchgeführt, die Ergebnisse sind jedoch abzuwarten [33].
Resistenzmechanismen bei Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (AWK)
Die Resistenzmechanismen bei AWK sind noch nicht konklusiv geklärt, allerdings wird angenommen, dass die akquirierten Resistenzen multifaktoriell bedingt sind. Das Zusammenspiel mit dem Antikörper-Antigen-Komplex, können durch Antigenherabregulierung oder -verlust, Alterationen bei der AWK-Internalisierung beeinflusst werden. Ebenso können die „payload tolerance“ sowie Effluxmechanismen eine Rolle spielen [34‐36]. Die Expression von Trop‑2 bei Patienten mit Blasenkarzinomen ist in den meisten histologischen Subtypen hoch, jedoch bei neuroendokrinen Tumoren nur gering [35]. In-vitro-Daten legen nahe, das auf EV resistente Zellen weiterhin sensitiv für SG wären [35]. Weitere Studien sind zur Klärung dieser Hypothese notwendig, jedoch unterstützt sie einmal mehr, in zukünftigen Studien mit AWK mehr auf eine vorangehende molekulare Subtypisierung des Tumors und eine Analyse der Expression von Zielproteinen zur besseren Patientenselektion zu setzen.
Tomiyama et al. [37] untersuchten den Trop-2-Expressionsstatus mittels Immunhistochemie an Karzinomen des oberen Harntrakts. Trop‑2 wurde in nahezu allen Tumoren nachgewiesen (94,9 %; 25 niedrig, 42 moderat, 27 hoch). Eine hohe Trop-2-Expression erwies sich als unabhängiger Prädiktor für ein besseres PFS. Die analysierten Daten deuten darauf hin, dass SG bei Karzinomen des oberen Harntrakts eine effektive Therapiemodalität sein könnte [37]. Jedoch betrug in der Trophy-U-01-Studie die Ansprechrate lediglich 27 %, somit scheint die alleinige Expression von Trop-2 kein guter Prädiktor für das Ansprechen auf die Therapie sein [32, 37]. Der Zusammenhang zwischen Trop-2-Expression und klinischem Ansprechen muss in weiteren zukünftigen Studien untersucht und ggf. bestätigt werden.
Erdafitinib
Erdafitinib ist ein Pan-FGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor. FGFR gehören zur Familie der Tyrosinkinaserezeptoren. Im Falle der Ligandenbindung oder durch konstitutionelle Aktivierung kommt es zur Aktivierung von RAS- bzw. mitogen aktivierten Proteinkinase- (MAPK-) und Phosphatidylinositol-3-Kinase(PIK3)-AKT-Signalwegen [38]. Dadurch werden Zellproliferation, Antiapoptose, Differenzierung und Angiogenese induziert. Erdafitinib bindet an die FGFR-Subtypen FGFR1–FGFR4, dadurch wird die enzymatische Aktivität dieser Rezeptoren gehemmt, die nachfolgenden Signalkaskaden kommen zum Erliegen, und es kommt zur Apoptose. Grundvoraussetzung für die Therapie mit Erdafitinib sind eine genetische Alteration in FGFR2 oder FGFR3 und ein Progress während oder nach platinhaltiger CHT. FGFR-Alterationen kommen in 20 % der Patienten mit fortgeschrittenem oder mUC vor, wobei FGFR3-Alterationen (Mutationen und Fusionen) häufiger bei Karzinomen des oberen Harntrakts vorkommen [39, 40].
Erdafitinib ist von der FDA zugelassen und bereits in den NCCN-, ESMO- und EAU-Leitlinien als vielversprechende neue Therapie erwähnt, und die Evaluation des FGFR-Status bei Progress nach CHT wird empfohlen.
Die Studie BLC2001 [41], ist eine einarmige, multizentrische, Open-Label-Phase-2-Studie mit 99 Patienten, mit einem Progress während oder nach platinhaltiger CHT, wobei alle Patienten zumindest eine FGFR3-Mutation und/oder FGFR2-/-3-Fusion aufweisen mussten. Die Patienten erhielten täglich 8 oder 9 mg Erdafitinib. Die Ansprechrate betrug 40 % mit einer kompletten Remission bei 3 % der Patienten. Nach vorangegangener Immuntherapie betrug die Ansprechrate 59 %. Das mediane PFS betrug 5,5 Monate, und es lag eine 1‑Jahres-Überlebensrate von 55 % vor [42]. Nebenwirkungen der Grade 3–4 traten in 71 % der Patienten auf, am häufigsten waren Stomatitis (14 %) und Hyponatriämie (11 %). Es gab keine therapieassoziierten Todesfälle. Die häufigsten Nebenwirkungen Grad 1–2 waren Hypophosphatämie (76 %), Stomatitis (21 %), Diarrhö (50 %), Mundtrockenheit (45 %), Inappetenz (40 %), Geschmackstörungen (39 %), Alopezie (34 %), trockene Haut (34 %) und Fatigue (31 %; [42]). Somit ist Erdafitinib eine weitere neue Option beim mUC mit bestätigtem klinischem Benefit und akzeptablem Sicherheitsprofil. Aktuell laufen weitere Studien mit Erdafitinib in Kombination und als Monotherapie.
Zielgerichtete molekulare Tumortherapie
Trotz der Einführung von Immuncheckpointinhibitoren und Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten ist das mUC weiterhin eine unheilbare Erkrankung. Ein weiterer Zugang zu Therapien eröffnet sich durch die Einführung der NGS-Technologien (NGS: „next generation sequencing“), welche zunehmend häufiger genutzt werden. Einige genetische Alterationen z. B. in Kinasen, FGFR, ErbB, PI3K/AKT/mTOR und Ras-MAPK sowie genetische Alterationen in kritischen Zellprozessen, wie dem Chromatin-Remodelling, der Zellzyklusregulation und DNA-Reparaturmechanismen, werden aufgezeigt und bieten Ansatzpunkte für neue Therapien.
FGFR3-/FGFR2-Alterationen sind bis dato die einzigen therapeutisch validierten Veränderungen mit einem entsprechend Therapieansatz (Erdafitinib). In ausgewiesenen Zentren können bei Vorliegen eines NGS-Panels bei entsprechenden Mutationen Empfehlungen zu möglichen weiteren Therapien gegeben werden. Dabei sollte man sich jedoch über die genetische Heterogenität und der hohen Tumormutationslast des Urothelkarzinoms bewusst sein [43].
Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom sollten spätestens nach erfolgter Erstlinientherapie an spezialisierten Zentren behandelt werden, um die bestmögliche Therapie zu gewährleisten.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Krauter gibt Honorare für Vortragstätigkeiten für Astellas, Bayer und MSD an. K. Gust gibt Honorare für Consulting Boards/Vortragstätigkeiten Allergan, Astellas, Astra Zeneca, Bayer, BMS, Cepheid, Ferring, Ipsen, Janssen, Merck, MSD, Novartis, Pfizer, Pierre Fabre, Roche S.Shariat gibt Honorare für Consulting Boards/Vortragstätigkeiten für Astellas, Astra Zeneca, Byer, BMS, Cepheid, Ferring, Ipsen, Janssen, Lilly, MSD, Olympus, Pfizer, Pierre Fabre, Richard Wolf Roche, Sanochemia, Sanofi, Takeda, Urogen an sowie diverse Patente.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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