Die GAMED veranstaltete unter dem Titel „Vom Gestern ins Heute“ ihre Jahrestagung. Unter anderem wurden jene Vorreiter porträtiert, die zur Entwicklung der Ganzheitsmedizin in Österreich einen wichtigen Beitrag geleistet haben.
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Dr. Mathias Dorcsi war Mitbegründer der GAMED im Jahre 1988. Er war Arzt mit Leib und Seele und konnte mit seinem Charisma vielen Patientinnen und Patienten helfen sowie ebenso viele Ärztinnen und Ärzte für die Homöopathie gewinnen und davon überzeugen. Er hat wesentliche Akzente für die Homöopathie und die Medizin gesetzt, die bis heute aktuell sind. Für die integrative Medizin forderte er schon in den 1980er-Jahren den interdisziplinären ärztlichen Dialog, der für Problempatientinnen und -patienten am meisten dienlich sein kann. Auf der Basis der etablierten Medizin geht es um eine Erweiterung des therapeutischen Repertoires. Dorcsi war ein Meister der Begegnung und des Gesprächs – eine gesprächsorientierte, zugewandte, empathische Medizin ist es, was sich viele Patientinnen und Patienten wünschen. Eine individuelle Medizin ist nach Dorcsi ganzheitlich ausgerichtet, erfasst das menschliche Leiden zeitgleich auf allen Ebenen: an Körper, Leib und Seele, so wie es die Patientin und der Patient an sich selbst erfährt, beobachtet und zum Ausdruck bringt. „Als gezielt regulative Therapie setzt die Homöopathie an den Selbstheilungskräften an, und das ohne Nebenwirkungen. Mit ihren potenzierten Arzneien aus natürlichen Substanzen arbeitet sie zudem naturnah“, mit solchen Botschaften erreichte es Dorcsi, dass ihm 1975 von der Regierung Kreisky ein Ludwig Boltzmann Institut für Forschung und Lehre zuerkannt wurde. Auf dieser Basis begründete er das Lehrgebäude der „Wiener Schule für Homöopathie“, zu deren Kursen in Baden bald Hunderte Ärztinnen und Ärzte zweimal jährlich strömten. Ein gut geformtes Ärzteteam rund um Dorcsi konnte diese Fackel jahrzehntelang weitertragen.
Homöopathische Ambulanzen etabliert
Mit seiner Vision der Integration und seinem Einsatz dafür gelang es Dorcsi, Vorlesungen für Homöopathie an der Universität Wien zu etablieren, ein Primariat für Physikalische Medizin mit Schwerpunkt Homöopathie am Krankenhaus Lainz anvertraut zu bekommen und mithilfe seiner großen Schülerschaft so manche homöopathische Ambulanz an verschiedenen Krankenhausabteilungen österreichweit zu etablieren. Stufenweise übergab Dorcsi seine Aufgaben an seine Schülerinnen und Schüler und konnte den Erfolg seines unermüdlichen Wirkens bis zu dessen Höhepunkt um das Jahr 2000 miterleben. Auch wenn schwere Zeiten für die Homöopathie und Komplementärmedizin mit vielen systematischen Angriffen folgten, so bleibt im Umfeld der Österreichischen Gesellschaft für homöopathische Medizin sein inspiriertes Wirken als Arzt ein leuchtendes Beispiel.
Die Anfänge der „Integrativen Medizin“
Der Arzt Dr. Otto Bergsmann wäre im Vorjahr 100 Jahre alt geworden. Er hat die Entdeckung der Grundlagen der Regulationsmechanismen durch Alfred Pischinger miterlebt und die dadurch veränderte Sichtweise in der Medizin mitgestaltet. Er war Teil des Wiener Kreises, dem auch Stacher, Bischko, Hopfer, Kellner, Maresch, Undt, Perger, Feucht und Pischinger angehörten. Die Erkenntnisse der Regulationsmedizin erfuhren in dieser Zeit weite Verbreitung und wurden von der etablierten Medizin nicht selten belächelt und angezweifelt. Der Wiener Kreis bemühte sich um eine holistische Zusammenschau regulationsmedizinischer Verfahren mit der Schulmedizin. Er war Wegbereiter für den heute geläufigen Terminus „Integrative Medizin“. Ein Resultat war die Gründung des Dachverbandes für Ganzheitsmedizin. Hier war Bergsmann Gründungspräsident und auch an der von Stacher gegründeten Akademie für Ganzheitsmedizin maßgeblich beteiligt.
Neben der Erforschung von physiologischen Phänomenen der Regulationsmedizin befasste sich Bergsmann auch mit dem Einfluss von Elektrosmog, Biometeorologie und geopathischen Zonen und vielen anderen Phänomenen, die auf die humane Regulation und auf das Immunsystem Einfluss nehmen. Seine wissenschaftliche Tätigkeit ist in zahlreichen Lehrbüchern und Artikeln nachzulesen, die er großteils gemeinsam mit seiner Frau Roswitha verfasste.
Ausbildung in der Neuraltherapie
Seine Erkenntnisse brachte er nicht nur theoretisch zu Papier, sondern setzte sie auch in der Praxis um. Er war Vorbild für eine andere Umgangsweise mit Patientinnen und Patienten, als sie damals allgemein üblich war. Sie standen bei ihm im Mittelpunkt: Zuhören und ihre Geschichte im wahrsten Sinn des Wortes „begreifen“ war für ihn die Voraussetzung für jede Therapie. Mit seinem großen Wissen, seiner Erfahrung und seiner Intuition war er in der Lage, mit minimalen Interventionen erstaunliche Ergebnisse zu erzielen.
Mit dieser Vorgangsweise schuf er auch ein neues Konzept für die Ausbildung in der Neuraltherapie in Österreich. Nicht die Überlegung, welche Intervention in der gegebenen Situation am besten wirken könnte, stand für ihn an erster Stelle, sondern die Zuwendung zu Patientinnen und Patienten mit Anamnese, palpatorischer und funktioneller Exploration war sein Weg zur Individualisation des Behandlungskonzepts. Die ausführliche Beschreibung des segmentregulatorischen Komplexes und die gezielte Behandlung über die Reflektorik waren wichtige Bereicherungen der diagnostischen und therapeutischen Vorgangsweise.
Er schuf so erstmals ein Analyseprinzip, das durch Palpation und Inspektion vor und nach der Intervention eine Verbesserung der Überprüfbarkeit neuraltherapeutischer Maßnahmen darstellte. Das ist auch heute ein führendes Merkmal der österreichischen Neuraltherapie, um das uns viele ausländische Gesellschaften beneiden.
Literatur: Gnaiger-Rathmanner Jutta, Hrsg., Homöopathie in Österreich – eine Chronik. Verlag der Provinz, 2021
Dr. Wolfgang Ortner, Vorstandsmitglied der Österreichischen Medizinischen Gesellschaft für Neuraltherapie und Regulationsforschung.
privat
Dr. Jutta Gnaiger-Rathmanner, homöopathische Ärztin i. R.
Cornelia Hefel
Dr. Otto Bergsmann schuf ein neues Konzept für die Ausbildung in der Neuraltherapie in Österreich.
ÖGHM-Archiv
Prof. Dr. Mathias Dorcsi, geboren 1923 in Wien, gestorben 2001 in München.
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