ASH-Kongress 2022

Für das 64. Jahresmeeting der American Society of Hematology versammelten sich Experten aus allen Bereichen der Hämatologie von 10.-13. Dezember 2022 in New Orleans, Louisiana. Neueste Studiendaten zu modernen Therapieformen wurden präsentiert und zeigen eine vielversprechende Zukunft für die Behandlung myeloischer Erkrankungen. Ein weiteres Thema war die Aktualisierung der WHO und ICC – Klassifikationen myeloischer Erkrankungen - und welche Auswirkung diese auf die Diagnostik haben. (489 ZmLZ) Rezente klinischen Daten zur akuten myeloischen Leukämie (13.416 ZmLZ) CREST-UK: CPX-351 Real-World Daten bei t-AML oder AML-MRC CPX-351 (Vyxeos® liposomal) zeigte bereits seine Überlegenheit gegenüber der konventionellen Chemotherapie (7+3) in klinischen Studien bei Patienten mit neu diagnostizierter sekundärer oder Hochrisiko-AML [1, 2]. Die retrospektive Beobachtungsstudie CREST-UK lieferte neue Real-World Daten zu CPX-351 aus dem klinischen Alltag in UK [3]. Daten von 147 Patienten mit neu diagnostizierter therapiebedingte AML (t-AML) oder AML mit Myelodysplasie-assoziierten Veränderungen (AML-MRC), die mindestens eine CPX-351 Infusion erhalten hatten, wurden analysiert. Co-primäre Studienendpunkte waren komplette (CR) und inkomplette Remission (CRi). Die gesamte Therapieansprechrate (CR + CRi + MLFS [morphologisch leukämiefreier Zustand] + PR [partielle Remission]) betrug 63,8 % und 52,9 % erreichten eine „best response“. Insgesamt zeigten 51 % der Patienten keine messbare Resterkrankung (MRD) Post-Induktionstherapie. Bei einer Nachbeobachtungszeit von 10,6 Monaten lag das Gesamtüberleben (OS) bei 12,85 [FB1] Monaten (95 % KI, 9,2–15,4) (Abb. 1) und die 3-Jahres OS-Rate bei 34 %. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale berichtet. Diese Real-World Daten bestätigten somit die guten Ergebnisse der klinischen Studien. × Initiale Chemotherapie: (7+3) versus Venetoclax plus HMA Die Kombination Venetoclax (Ven) mit einem hypomethylierenden Wirkstoff (HMA: Azacitadin oder Decitabin) zeigte in klinischen Studien hohe Ansprechraten und ein verbessertes OS im Vergleich zu weniger intensiven Therapien [4]. Eine retrospektive Real-World Analyse verglich die Behandlungsergebnisse älterer AML-Patienten, die als initiale Therapie (7+3) oder Ven/HMA erhalten hatten [5]. Verglichen mit der (7+3) Gruppe waren die Patienten der Ven/HMA Gruppe allgemein älter, wiesen vermehrt Hochrisiko-Mutationen sowie ungünstige ELN-Kriterien auf, zeigten eine höhere Rate an MRC-Positivität sowie einen höheren HSCT-Comorbidity Index. Das mediane OS - der primärer Endpunkt - betrug 22 Monate für (7+3) versus 10 Monate für Ven/HMA (HR= 0,52; 95 % KI: 0,41–0,67; p<0,005). Die 60-Tage-Mortalität war in der Ven/HMA Gruppe höher als in der (7+3) Gruppe (15 % vs. 6 %; p=0,003). Allerdings war der Anteil an Patienten mit febriler Neutropenie, sowie positiven Bakterienkulturen, in der (7+3) Gruppe etwa doppelt so hoch als in der Ven/HMA Gruppe. Grad 3–4 Nebenwirkungen waren ebenfalls bei (7+3) leicht erhöht. Der beobachtete Überlebensvorteil für (7+3) sollte durch die erheblichen Ungleichheiten zwischen beiden Gruppen relativiert und Gegenstand weiterer Untersuchungen werden. CPX-351 ermöglicht ambulante Induktionstherapie Durch die Zulassung von CPX-351 ist eine kontinuierliche intravenöse Induktionsbehandlung für Patienten mit AML nicht mehr erforderlich [1]. Die ambulante Induktionstherapie ermöglicht eine Kostenreduktion im Gesundheitsbereich [6]. In einer retrospektiver Real-World Analyse wurden AML-Patienten verglichen, die CPX-351 entweder als ambulante Induktionstherapie (OP) oder stationär erhielten (IP) [7]. Die 30-Tage-Mortalität – der primärer Endpunkt - betrug bei 49 analysierten Patienten 2 % in der OP-Gruppe vs. 5,9 % in der IP-Gruppe (60-Tage-Mortalität 9 % vs. 13 %). Febrile Neutropenie war die häufigste Ursache für einer Krankenhausaufnahme in der OP-Gruppe (bei 79 % der Patienten) und kam öfter bei OPs (86 %) als bei IPs (68 %) vor. Blutungen traten bei OPs hingegen seltener auf als bei IPs (18 % vs. 74,5 [FB2] %). OPs waren seltener und kürzer im Krankenhaus als IPs. In dieser Real-World Kohorte war die ambulante CPX-351 Induktionstherapie ohne geplanter Spitalsaufnahme sicher und resultierte in verminderter Ressourcennutzung der Krankenhäuser. HSCT nach Venetoclax plus HMA versus CPX-351 In einem retrospektiven Review wurde die Post-Transplantationsrate neu diagnostizierter AML-Patienten untersuchen, die entweder mit Ven/HMA oder CPX-351 vor einer HSCT behandelt wurden [8]. Insgesamt konnte bei mehr Patienten mit CPX-351 eine HSCT durchgeführt werden als bei Patienten mit Ven/HMA (44,2 % vs. 9,7 %; p<0,00001). Es gab keinen signifikanten Unterschied in den Remissionsraten Post-HSCT (18,5 % vs. 23,8 %; p=0,592). Die 12-Monate OS-Rate lag bei 71,4 % für CPX-351 behandelte Patienten und 69,6 % bei jenen, die Ven/HMA erhielten (p=0,977). Nach einer medianen Beobachtungzeit von 16 Monaten erreichte das mediane 12-Monate Post-Transplantation rezidivfreie Überleben (RFS) 80,8 % mit CPX-351 und 74,3 % mit Ven/HMA (p=0,548). Die 1-jährige Mortalitätsrate ohne Rezidiv (NRM) war vergleichbar in beiden Gruppen (25,0 % mit CPX-351 vs. 10,5 % mit Ven/HMA; p=0,271). Eine prospektive Studie mit größerem Patientenkollektiv ist notwendig, um diese Ergebnisse zu bestätigen. Prognostische Relevanz der MRD in t-AML/s-AML Der prognostische Wert der Bewertung der MRD bei Patienten mit AML, die sich einer intensiven Induktionstherapie unterzogen haben, wurde in mehreren Studien bestätigt. Allerdings waren Daten zu älteren Patienten mit sekundärer AML (s-AML) und t-AML bisher unterrepräsentiert. In einer Studie wurde die MRD in t-AML und s-AML Patienten (> 60 Jahre) analysiert, die mit CPX-351 oder Fludarabin-Hochdosis-Cytarabin-Idarubicin (FLAI) mit oder ohne Gemtuzumab-Ozogamicin (GO) behandelt wurden [9]. Patienten, die eine hämatologische CR erreichten, wurden nach der Induktion, nach der ersten Konsolidierung und am Ende der Behandlung mittels RT-PCR oder Multicolor-Durchflusszytometrie (MFC) analysiert. Die Wahrscheinlichkeit einer MFC-MRD-Negativität war bei Patienten, die mit CPX-351 behandelt wurden, signifikant höher als bei Patienten, die FLAI mit oder ohne GO erhielten (65 % vs. 45 %; p<0,05). Die MRD korrelierte dabei signifikant mit einem längerem OS in allen Behandlungsgruppen (2-Jahres-OS: 34 % vs. 77 % bei Patienten mit vs. ohne Rest-MRD nach Induktion; p<0,05). Die MRD-Bewertung hat somit auch bei älteren s-AML- und t-AML-Patienten einen hohen prognostischen Wert. AML- und MDS-Klassifizierung nach WHO 2022 und ICC Mit der rezent publizierten 5. Auflage der Klassifikation hämatolymphoider Tumoren der Weltgesundheitsorganisation (WHO 2022) wird die 4. Auflage (WHO 2017) abgelöst [10, 11]. Parallel stellt die International Consensus Classification (ICC) ein weiteres Klassifizierungsmodell dar [12, 13]. Eine Studie evaluierte die Auswirkungen der neuen WHO 2022 auf die Klassifizierung von AML- und MDS-Patienten, sowie Unterschiede in der Kategorisierung im Vergleich zu WHO 2017 und ICC [14]. Bei 1451 analysierten Patienten mit MDS und AML laut WHO 2017 war die Reklassifizierung von MDS zu AML gemäß WHO 2022 ein seltenes Ereignis (<1 % der Fälle). Allerdings veränderte sich die Zusammensetzung der Gruppen aufgrund neuer genetisch definierter Kategorien. Die Überschneidung der Fälle, die nach ICC und WHO 2022 zur AML hochgestuft wurden, betrug vier von 16 Patienten aufgrund von NPM1-Mutationen und mindestens 10 % Blasten. Die neuen Klassifikationen folgen konsequent der Idee einer stärker genetisch basierten Definition, die rein morphologisch definierte AML wird deutlich reduziert. Neue genetische Untergruppen werden eingeführt und machen eine umfassende Genanalyse verbindlich. Ist die Subgruppe AML-MRC noch prognostisch relevant? Im Zuge der ICC 2022 wurden die Kategorien i) AML mit Myelodysplasie (MDS)-assoziierten zytogenetischen Anomalien und ii) AML mit MDS-assoziierten Genmutationen (MDS-RG) hinzugefügt. Die Kategorie AML-MRC wurde hingegen abgeschafft [15]. Die prognostische Bedeutung des AML-MRC-Subtyps wurde in einer retrospektiven Kohortenstudie bewertet [16]. Anhand 222 AML-Patienten wurde das OS nach Mutationsstatus für jedes Gen der MDS-RG-Gruppe verglichen. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 34,5 Monate lag das mediane OS bei 11,9 Monate. Laut multivariabler Analyse war AML-MRC ein unabhängiger Prädiktor für ein schlechteres OS (HR=1,5; 95% KI: 1,1–2,2; p=0,01) sowie auch TP53, SRSF2 und ZRSR2 (p < 0,05). Weitere internationale Studien sollten die prognostische Bedeutung von AML-MRC und Mutationen in der MDS-RG Gruppe evaluieren. Retrospektive t-AML Risikoanalyse für Patienten mit CT/RT Eine klinische Studie analysierte das t-AML-Risiko bei Krebspatienten in Folge einer Chemotherapie (CT), mit oder ohne Strahlentherapie (RT) [17]. Unter Verwendung der nationalen Datenbank des SEER9-Registers wurden 2081 t-AML-Fällen identifiziert. AML trat mindestens ein Jahr nach Erstdiagnose einer primären Krebserkrankung auf, zu welchen Lungen-, Brust- und Eierstockkrebs, Hodgkin-Lymphom (HL), Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) und Myelom am häufigsten zählten. Das t-AML-Risiko war in den ersten fünf Jahren nach Diagnose der Primärkrebserkrankung besonders hoch 6 bis 20-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung). Ein Risikovergleich zeigte ein erhöhtes t-AML-Risiko bei Patienten mit CT plus RT bei soliden Tumoren und nach alleiniger CT bei hämatologischen Erkrankungen. Ist t-AML ein unabhängiger prognostischer Risikofaktor? Ein retrospektive Studie untersuchte die klinischen und biologischen Merkmale von 225 Patienten mit t-AML und verglich das Langzeitüberleben mit 908 de novo AML-Patienten [18]. Insgesamt waren t-AML-Patienten älter, wiesen mehr Komorbiditäten und häufiger ungünstige genetische Veränderungen auf. Das mediane OS betrug 13,7 bei t-AML vs. 39,4 Monaten bei de novo AML (p 1), ungünstiges ELN-Risiko sowie nicht-intensive Therapie. Das schlechtere OS bei t-AML im Vergleich zu de novo AML ist laut dieser Studie eher auf eine Akkumulation ungünstiger genetischer Veränderungen und patientenassoziierter Risikofaktoren zurückzuführen, als auf die t-AML selbst. Empfehlung der Redaktion memo special 4/23 AKTUELLE KLINISCHE DATEN VOM ASH 2022 ZUR AKUTEN MYELOISCHEN LEUKÄMIE MIT FOKUS AUF CPX-351 (VYXEOS® LIPOSOMAL) Fachinformationen zu Vyxeos® liposomal Referenzen 1. Lancet, JE, et al., CPX-351 versus 7+3 cytarabine and daunorubicin chemotherapy in older adults with newly diagnosed high-risk or secondary acute myeloid leukaemia: 5-year results of a randomised, open-label, multicentre, phase 3 trial. Lancet Haematol 2021; 8(7): e481-e491. 2. Lancet, JE, et al., CPX-351 (cytarabine and daunorubicin) Liposome for Injection Versus Conventional Cytarabine Plus Daunorubicin in Older Patients With Newly Diagnosed Secondary Acute Myeloid Leukemia. J Clin Oncol 2018; 36(26): 2684-2692. 3. Mehta, P, et al., CREST-UK: CPX-351 Real-World Effectiveness and Safety Study for the Treatment of Newly Diagnosed Therapy-Related AML and AML with Myelodysplasia-Related Changes in the UK. 2022; ASH 2022, Abstrakt 2739. 4. Thol, F, et al., Treatment of Relapsed Acute Myeloid Leukemia. Curr Treat Options Oncol 2020; 21(8): 66. 5. Matthews, A, et al., Real World Effectiveness of “7 + 3” Intensive Chemotherapy Vs Venetoclax and Hypomethylating Agent for Initial Therapy in Adult Acute Myeloid Leukemia. 2022; ASH 2022, Abstrakt 426. 6. Moore, NJ, et al., Financial Implications of Early Hospital Discharge After AML-Like Induction Chemotherapy: A 4-Year Retrospective Analysis. J Natl Compr Canc Netw 2021: 1-10. 7. Keiffer, G, et al., Outpatient Vyxeos Induction without Planned Admission for Select Patients with Secondary Acute Myeloid Leukemia (sAML): AMulticenter Analysis of Safety and Healthcare Resource Utilization. 2022; ASH 2022, Abstrakt 1439. 8. Jain, AG, et al., Post-Allogeneic Stem Cell Transplant Outcomes in Patients Treated with Hypomethylating Agent Plus Venetoclax Compared toCPX-351. 2022; ASH 2022, Abstrakt 604. 9. Guolo, F, et al., Prognostic Relevance of Minimal Residual Disease in Therapy Related and Secondary Acute Myeloid Leukemia Receiving CPX-351 or Fludarabine-Based Induction. 2022; ASH 2022, Abstrakt 4026. 10. Alaggio, R, et al., The 5th edition of the World Health Organization Classification of Haematolymphoid Tumours: Lymphoid Neoplasms. Leukemia 2022; 36(7): 1720-1748. 11. Khoury, JD, et al., The 5th edition of the World Health Organization Classification of Haematolymphoid Tumours: Myeloid and Histiocytic/Dendritic Neoplasms. Leukemia 2022; 36(7): 1703-1719. 12. Campo, E, et al., The International Consensus Classification of Mature Lymphoid Neoplasms: a report from the Clinical Advisory Committee. Blood. 2022;140(11):1229-1253. Blood 2023; 141(4): 437. 13. Arber, DA, et al., International Consensus Classification of Myeloid Neoplasms and Acute Leukemias: integrating morphologic, clinical, and genomic data. Blood 2022; 140(11): 1200-1228. 14. Hoermann, G, et al., AML and MDS Classification According to WHO 2022 and International Consensus Classification: Do We Invent a Babylonian Confusion of Languages? ASH 2022, Abstract 228. 15. Weinberg, OK, et al., The International Consensus Classification of acute myeloid leukemia. Virchows Arch 2023; 482(1): 27-37. 16. Alkaabba, F, et al., Prognostication of the 2016-WHO AML with Myelodysplasia-Related Changes Subclass and Mutations in MDS-Re- lated Genes Using the 2022 European Leukemianet Risk Classification: A Retrospective Study. ASH 2022, Abstract 1404. 17. Joo, J, et al., Risk of Therapy-Related Acute Myeloid Leukemia (t-AML) in Cancer Patients Treated with Chemotherapy with or without Radiotherapy: A National Population-Based Cohort Study Using SEER Registry. ASH 2022, Abstract 279. 18. Westermann, J, et al., Therapy-Related AML: Clinical/Biological Features and Long- Term Outcome in a Cohort of 1133 Adult AML Patients. ASH 2022, Abstract 539. M-AT-OHD-2300005

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