TRK-Fusionsproteine und nTRK-Genmutationen

Durch nTRK-Genfusion entsteht ein chimäres Protein, das auf mehreren Ebenen einen wachstumsfördernden Einfluss auf die Zelle hat und eine wichtige Rolle bei der Tumorentstehung spielt. peterschreiber.media/iStock × Eines der drei neurotrophen Tyrosinkinasen (NTRK 1-3)-Gene kann mit einem weiteren Gen verschmelzen. Das daraus resultierende Fusionsprotein spielt eine wichtige Rolle bei der Tumorentstehung. Inwiefern sind nTRK-Genfusionen in der Onkologie von Bedeutung? Höfler: Die systemische Therapie von Tumorpatienten erlebt derzeit einen bisher einmaligen Innovationsschub auf Basis der Fortschritte in der Grundlagenforschung, vor allem in der Identifikation therapeutisch relevanter molekularer Veränderungen in den Tumorzellen, aber auch in der Interaktion der Tumorzellen mit ihrer Umgebung bzw. dem Immunsystem. Entscheidend für die Entwicklung wirksamer Arzneimittel auf der Basis molekularer Aberrationen war die Identifikation sog. Treiberalterationen. Diese bezeichnen aktivierende Mutationen, aber auch Genfusionen, die entscheidend für die Entstehung und / oder die Ausbreitung der malignen Erkrankung sind. Viele dieser molekularen Aberrationen sind nicht spezifisch für eine bestimmte maligne Erkrankung, sondern können bei verschiedenen Malignomen auftreten. Eine besondere Gruppe derartiger Gene sind die nTRK-Gene, die beispielgebend für sogenannte „agnostische“ Tumormarker fungieren. Was genau passiert bei einer nTRK-Genfusion? Höfler: Es gibt insgesamt drei nTRK-Gene, die mit einer ganzen Reihe anderer Gene fusionieren können. Daraus resultiert jeweils ein chimäres Protein, das auf mehreren Ebenen einen wachstumsfördernden Einfluss auf die Zelle hat. Sie spielen daher eine wichtige Rolle bei der Tumorentstehung und führen zur Bildung chimärer, konstitutiv aktivierter Tyrosinkinkinasen, die über unterschiedliche Signalwege Stoffwechsel und Tumorzellproliferation beeinflussen. Die Gene nTRK 1–3 kodieren für transmembrane Proteine, die Tropomyosin-Rezeptor-Kinasen (TRK) TRK-A, -B und -C. Diese Rezeptortyrosinkinasen werden in erster Linie im zentralen Nervensystem exprimiert und spielen eine essenzielle Rolle im Zellüberleben. Darüber hinaus sind sie in die Regulation von Schmerz, Propriozeption, Appetit und Gedächtnis eingebunden. Dadurch, dass in diesen Prozessen mehrere Signaltransduktionswege angeschaltet werden, kommt er zu einem erheblichen Effekt. Fusioniert das nTRK-Gen mit einem anderen Gen über eine Umsortierung zwischen Chromosomen oder auf demselben Chromosom, entsteht ein chimäres TRK-Fusionsprotein mit unkontrollierter Kinaseaktivität. Meist überexprimiert oder konstitutiv aktiv fördert es ungehemmtes Zellwachstum und -überleben. Bei welchen Tumorarten kommen nTRK-Genfusionen am häufigsten vor und wie oft treten sie auf? Höfler: Die Erkrankung, welche am häufigsten auf einer nTRK-Genfusion beruht, ist das Fibrosarkom bei Kindern. Ein Großteil der infantilen Fibrosarkome wird durch diese Mutation verursacht. Bei anderen Krebsarten finden sich dagegen nur bei einem Bruchteil der Tumore Fusionsproteine (Tab. 1), so etwa beim papillären Schilddrüsenkarzinom, bei Gliomen bei Kindern, bei Lungenkrebs, Darmkrebs, Sarkomen, Glioblastomen sowie squamösen Kopf-Hals-Tumoren. Was zeichnet die PatientInnen mit nTRK-Genfusion prognostisch aus? Höfler: Die breit gestreute Tumorinduktion auf Signaltransduktionsebene, bedingt durch die nTRK-Genfusion, führt dazu, dass es sich zumeist um eher aggressive Tumoren handelt. Was auch interessant ist, ist, dass die meisten Tumore, welche eine nTRK-Genfusion aufweisen, keine anderen Treibermutationen zeigen. Das bedeutet, dass diese Genfusion alleine bereits ausreicht, um einen sehr potenten Tumor zu erzeugen. Wie funktioniert der Mutationstest und welche Methodik kommt dabei zur Anwendung? Höfler: Die Selektion der geeigneten Methodik zum Nachweis von nTRK-Genfusionen hängt von der zu erwartenden Prävalenz, den beteiligten Genen und dem Tumortyp ab. Ob eine nTRK-Genfusion vorliegt, lässt sich mittels mehrerer Verfahren testen. Für die routinemäßige Testung auf molekulargenetische Marker wird heute vorwiegend das sogenannte Next Generation Sequencing (NGS) eingesetzt. Das NGS-Verfahren gilt aktuell als eines der qualitativ hochwertigsten Verfahren und wird auch von renommierten Fachgesellschaften wie der ESMO empfohlen. Darüber hinaus lässt sich eine nTRK-Genfusion auch mittels Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung (FISH) diagnostizieren, anhand der Immunhistochemie kann das Fusionsprotein nachgewiesen werden. Die Pan-TRK-Immunhistologie kann bei Tumorentitäten mit niedriger Prävalenz von nTRK-Fusionsgenen als kostengünstiges vorgeschaltetes Screening-Verfahren eingesetzt werden. Hirntumoren sind aufgrund der hohen Hintergrundexpression von nTRK im ZNS nicht für die Protein-basierte Diagnostik geeignet. Bei Entitäten (zum Beispiel Adenokarzinom der Lunge), in denen NGS-basierte Verfahren ohnehin den diagnostischen Standard darstellen, soll der Nachweis von nTRK-Translokationen inkludiert sein. Zu welchem Zeitpunkt und bei welchen onkologischen PatientInnen sollte die Testung erfolgen? Höfler: Das Problem in Bezug auf die Teststrategien ist, dass der Test relativ kostspielig ist und dass nur sehr wenige Tumore nTRK-Genfusionen aufweisen. Daher testet man derzeit noch relativ zurückhaltend. Standardmäßig getestet wird bei pädiatrischen Fibrosarkomen, die jedoch insgesamt sehr selten sind. Bedingt durch die Teststrategie und nicht durch den Tumortyp werden auch alle Adenokarzinome der Lunge auf eine nTRK-Genfusion getestet. Beim Adenokarzinom der Lunge wird für die ROS-Translokation, die ja häufiger vorkommt als die nTRK-Genfusion, reflexmäßig ein NGS-Translokationspanel gemacht. Daher ist der Aufwand hier noch weitere Gene zu testen, sehr gering. Zusätzlich sollten Patienten mit Tumoren getestet werden, von denen man annehmen kann, dass sie zu einem gewissen Prozentsatz nTRK-Genfusionen zeigen. Alle anderen Tumoren werden derzeit nur bei klinischer Anfrage getestet. Am Institut für Pathologie in Graz führen wir etwa 100 Testungen pro Jahr durch, die Detektionsrate liegt dabei im einstelligen Bereich. Ein weiterer Ansatz ist, alle Patienten, bei denen sich keine Treibermutation findet, auf eine nTRK-Genfusion zu testen, um eine bessere molekulare Tumorcharakterisierung und daraus resultierend ein spezifisches Tumorprofiling zu erreichen, das eine maßgeschneiderte Therapie ermöglicht. Der ideale Zeitpunkt für die Testung wäre bei einem aggressiven Tumor mit wenigen Therapieoptionen der Zeitpunkt der Diagnose. Derzeit verfolgt man die Strategie einer immunhistochemischen Protein-Vortestung, wobei auf Proteinebene die nTRK-Expression bestimmt wird und, falls diese hoch ist, die NGS-Testung nachgeschaltet wird. Es ist allerdings zu erwarten, dass das molekulare Testing in den nächsten Jahren deutlich günstiger sein wird, sodass dann alle Tumore auf eine nTRK-Genfusion getestet werden. Geschätzte Häufigkeit von nTRK-Genfusionen bei bestimmten Krebsarten Infantiles Fibrosarkom 91 - 100 % Schilddrüsenkarzinom 2 - 12 % Hochdifferenzierte Gliome (pädiatrisch) 10 % Lungenkrebs 0,2 - 3 % Darmkrebs 1 % Sarkom 1 % Glioblastom 1 % Squamöse Kopf-/Halstumore 0,5 % nach: Dtsch Arztebl 2019; 116(23-24): 30; DOI 3238/PersOnko.2019.06.10.08 Mit der Etablierung der nTRK-Inhibitoren wurden für diese Patienten neue Therapieoptionen durch tumoragnostische Arzneimittel geschaffen. Was ist in Hinblick auf das therapeutische Vorgehen bei Patienten mit nTRK-Genfusion zu beachten und welche Substanzen stehen derzeit zur Verfügung? Höfler: Die Therapie mit nTRK-Inhibitoren ist sehr potent mit einem 3-Jahres-PFS in den Studien bis zu 50 %. Die beiden am weitesten in der Entwicklung fortgeschrittenen TRK-Inhibitoren sind Larotrectinib und Entrectinib. Larotrectinib wurde Ende September 2019 in der Europäischen Union zugelassen als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit soliden Tumoren und Nachweis einer nTRK-Genfusion in den Tumorzellen, und damit tumoragnostisch, also unabhängig von einer durch Histologie oder Organbezug definierten Indikation. Voraussetzungen für den Einsatz von Larotrectinib sind eine lokal fortgeschrittene oder metastasierte Erkrankung, für die keine zufriedenstellenden Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Von der FDA ist Larotrectinib bereits im November 2018 zugelassen worden. Entrectinib wurde von der FDA im August 2019, in Japan bereits im Juni 2019, zugelassen. Die Indikation bei den Patienten mit nTRK-Genfusionen entspricht der von Larotrectinib, allerdings bei pädiatrischen Patienten erst ab einem Alter von 12 Jahren. Zusätzlich wurde eine Zulassung für das ROS1-positive NSCLC erteilt. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatte Entrectinib 2017 in das PRIME Programm (Priority Medicines) zur Förderung von Arzneimitteln für Indikationen mit ungedecktem medizinischem Bedarf aufgenommen und man wartet nun auf eine Zulassung für die EU und für die Schweiz. Prof. Dr. Gerald Höfler Med Uni Graz × Prof. Dr. Gerald Höfler ist Vorstand am Diagnostik- & Forschungsinstitut für Pathologie der Medizinischen Universität Graz.

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