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Open Access 26.02.2025 | Originalien

Palliativmedizin: Management von GI-Symptomen

verfasst von: Univ. Prof. PD DDr. Eva Katharina Masel, MSc

Erschienen in: Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen

Zusammenfassung

Maligne intestinale Obstruktionen entstehen durch inkurable Tumoren oder Metastasen im Bauchraum und sind häufig eine Komplikation fortgeschrittener Krebserkrankungen wie von kolorektalen Karzinomen und Ovarialkarzinomen. Sie betreffen meist den Dünndarm (60 %), das Kolon (33 %) oder beide Abschnitte und führen zu Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Veränderungen des Stuhlgangs. Bei kompletter Obstruktion kommt es zu einem nahezu fehlenden Stuhlgang, während bei inkompletter Obstruktion intermittierender Stuhlgang möglich ist. Eine präzise Unterscheidung zwischen den beiden Formen ist klinisch oft schwierig. Die Behandlung umfasst symptomatische Maßnahmen, wie Flüssigkeitszufuhr, Ernährung, Schmerzmanagement, und gegebenenfalls chirurgische oder interventionelle Verfahren. Bei Patient:innen mit schlechter Prognose wird eine palliative Versorgung mit Fokus auf Lebensqualität bevorzugt. Ein häufiges Symptom bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen ist der hepatobiliäre Pruritus, der durch die Ansammlung von Gallensalzen in der Haut entsteht, ursächlich ist häufig eine Cholestase. Die Therapie umfasst medikamentöse Ansätze sowie symptomatische Maßnahmen wie Kühlkompressen und Feuchtigkeitscremes. Ein weiteres Symptom im Palliativbereich ist die opioidinduzierte Obstipation, die durch den Einsatz von Opioiden zur Schmerztherapie verursacht wird. Sie führt zu einer Hemmung der Darmmotilität und beeinträchtigt die Lebensqualität. Die Behandlung umfasst sowohl nichtpharmakologische Maßnahmen wie eine ballaststoffreiche Ernährung als auch pharmakologische Therapien mit Laxanzien und peripher wirksamen Opioidantagonisten wie Methylnaltrexon und Naloxegol. Die Behandlung aller genannten Symptome erfordert eine interdisziplinäre und individuell abgestimmte Versorgung, die frühzeitig mit den Patient:innen und deren Umfeld besprochen werden sollte, um die verbleibende Lebensqualität zu optimieren und die Behandlung an den Zielen der Patient:innen auszurichten.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Einleitung

Die palliative Versorgung von Patient:innen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen stellt eine besondere Herausforderung dar, insbesondere wenn gastrointestinale Symptome auftreten. Maligne intestinale Obstruktionen, die häufig bei Infiltrationen durch Tumoren oder Metastasen im Bauchraum entstehen, gehören zu den belastendsten Komplikationen. Sie manifestieren sich durch eine Vielzahl an Symptomen, wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Stuhlgangveränderungen, die in ihrer Intensität und Ausprägung erheblich variieren können. Die Differenzierung zwischen kompletter und inkompletter Obstruktion ist klinisch oft schwierig, dennoch ist eine präzise Diagnose für die Wahl der geeigneten therapeutischen Maßnahmen entscheidend. Neben der symptomatischen Behandlung kommen spezifische Interventionen zur Anwendung, die je nach Prognose der Patient:innen unterschiedlich ausgerichtet sind. Weitere gastrointestinale Herausforderungen in der Palliativversorgung umfassen den hepatobiliären Pruritus und die opioidinduzierte Obstipation, die die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen können. Dieser Beitrag beleuchtet die genannten gastrointestinalen Symptome und diskutiert die aktuellen therapeutischen Ansätze sowie die Notwendigkeit einer individuell angepassten interdisziplinären Versorgung, die auf die Lebensqualität der Patient:innen ausgerichtet ist.

Maligne intestinale Obstruktion

Adaptiert in Anlehnung an die S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung“, Langversion 2.1, Januar 2020, dzt. in Überarbeitung, Kapitel „Maligne Intestinale Obstruktion“ S. 287–317 [1].

Definition

Maligne gastrointestinale Obstruktionen (MIO) sind klinisch und durch bildgebende Verfahren nachgewiesene gastrointestinale Obstruktionen infolge eines inkurablen intraabdominalen Tumors oder einer intraperitonealen Metastasierung. Daraus resultiert eine mechanische oder funktionelle Blockade des Darmlumens, die zu einer Beeinträchtigung der Darmpassage führt und mit Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, abdominellen Schmerzen und fehlendem Stuhlgang einhergeht. Die Obstruktion kann komplett oder inkomplett sein. Im deutschen Sprachraum werden gelegentlich die Begriffe „Ileus“ oder „Subileus“ verwendet, die jedoch die maligne Ursache der Obstruktion nicht korrekt wiedergeben und etwa im englischen Sprachgebrauch nicht gebräuchlich sind. Differenzialdiagnostisch ist an einen paralytischen Ileus ohne Obstruktion zu denken, dessen Therapie sich in der Spätphase der Behandlung einer MIO annähert. Auch eine ausgeprägte Obstipation mit Kotsteinen kann klinisch einer MIO ähneln, muss aber abgegrenzt werden.

Pathogenese

Die MIO ist eine der belastendsten Komplikationen bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen. Ihre Prävalenz beträgt 10–28 % bei kolorektalen Tumoren und 20–50 % bei Ovarialkarzinomen [2]. Ein erhöhtes Risiko besteht auch bei Zervix‑, Prostata- und Blasenkarzinomen. In etwa 60 % der Fälle ist primär der Dünndarm betroffen, in 33 % der Fälle das Kolon und in mehr als 20 % der Fälle sind beide Darmabschnitte betroffen [3].

Symptome

Patient:innen mit MIO zeigen häufig Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen und Obstipation.
Die Schmerzen können kontinuierlich oder kolikartig sein und durch die Tumorerkrankung, Hepatomegalie oder Meteorismus verursacht werden. Übelkeit und Erbrechen können intermittierend oder kontinuierlich auftreten. Der Schweregrad der Schmerzen, des Erbrechens und des abdominalen Meteorismus hängt vom Grad der Obstruktion des Gastrointestinaltraktes ab. Typische Beschwerden umfassen Sodbrennen, Mundtrockenheit, Appetit- und Gewichtsverlust. Die Abgrenzung zwischen kompletter und inkompletter Obstruktion ist klinisch oft schwierig [4]. Symptome entwickeln sich meist langsam über Tage oder Wochen, akute Verläufe sind selten und spontane Rückbildungen ohne Therapie können auftreten. Komplikationen wie Peritonitis, Perforation und Aspiration durch Reflux sind möglich.
Bei inkompletter MIO können Einläufe als Ergänzung zur medikamentösen Therapie eingesetzt werden, um die Darmpassage zu fördern und Gase abzuleiten. Bei kompletter Obstruktion wird kaum oder kein Stuhl abgesetzt, während bei inkompletter Obstruktion zeitweise Stuhlgang möglich ist. Abgehende Winde sprechen für eine inkomplette Obstruktion. Pseudodiarrhö entsteht durch verflüssigten Stuhl, der die Engstelle passiert.

Diagnostik

Eine detaillierte Anamnese, einschließlich abdomineller Voroperationen, Interventionen, Bestrahlungen, Diätänderungen, Medikamenteneinnahme und Stuhlanamnese, ist essenziell.
1.
Diagnostik: Diagnostische Maßnahmen sollten in Abhängigkeit von der klinischen Situation, systemischen Therapieoptionen, möglicher Operabilität und Vorbefunden erfolgen.
 
2.
Körperliche Untersuchung: Eine rektal-digitale Untersuchung sollte bei Verdacht auf MIO durchgeführt werden.
 
3.
Bildgebung: Eine Computertomographie des Abdomens und Beckens wird empfohlen, wenn operative, systemtherapeutische oder interventionelle Maßnahmen [5] erwogen werden oder die Bildgebung zur Diagnosestellung und Entscheidungsfindung notwendig ist [4].
 
4.
Ultraschall: Eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens kann durchgeführt werden, wenn eine Computertomographie nicht möglich oder nicht gewünscht ist, sowie zur Verlaufsbeurteilung während der Behandlung.
 

Konservative Therapie

Bei MIO sollten Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus, abdominelle Schmerzen und Veränderungen des Stuhlverhaltens subjektiv durch die Patient:innen erhoben und wiederholt während der symptomatischen Therapie dokumentiert werden. Die Prognose ist oft limitiert, insbesondere bei rein symptomatischer Therapie. Parallel sollten potenziell behandelbare Ursachen identifiziert werden. Neben der Symptomlinderung sind Ernährung, Flüssigkeitsgabe und eine pharmakologische sowie nichtpharmakologische Betreuung essenziell. Die Prognose bei MIO ist häufig limitiert, insbesondere bei rein symptomatischer Therapie. Eine vorausschauende Versorgungsplanung [6] im Sinne eines Gesprächs über den Krankheitsverlauf, Therapieoptionen, Therapieziele und Patient:innenwünsche sollte frühzeitig erfolgen, um eine Klärung wichtiger Fragen zu ermöglichen [7]. Psychische Belastungen von Patient:innen und Angehörigen sowie Aspekte wie Ernährung, Flüssigkeitsgabe und eine gewünschte häusliche Betreuung durch beispielsweise mobile Palliativteams müssen berücksichtigt werden. Nach jedem Erbrechen sollte eine Mundpflege ermöglicht werden. Bei anhaltendem Erbrechen und Resorptionsstörungen sollten bei MIO Medikamente parenteral verabreicht werden [3].
Regelmäßige Mundpflege mit Lippenbefeuchtung sowie der Einsatz von Eiswürfeln, Crushed Ice, gefrorenen Früchten, sauren Bonbons oder Kaugummi sollte zur Linderung der Mundtrockenheit angeboten werden. Bei MIO-bedingtem Erbrechen sollten Gespräche einfühlsam geführt werden, um Themen wie Ekel und Scham zu adressieren. Zur Linderung von Meteorismus können feucht-warme Bauchwickel oder -auflagen angeboten werden.
Eine rezente Studie ergab bei inoperabler MIO die Wirksamkeit einer konservativen „Triple-Therapie“ mit Dexamethason, Metoclopramid und Octreotid und wies darauf hin, dass die Diagnose einer inoperablen MIO mit einer schlechten Prognose und dem Tod innerhalb weniger Monate verbunden ist [8].

Chirurgische oder interventionelle Therapie

Die Empfehlung für oder gegen eine operative Behandlung der MIO soll multidisziplinär erfolgen. Die operative Behandlung der MIO sollte von erfahrenen Tumorchirurg:innen durchgeführt werden. In Einzelfällen kann die Operation auch laparoskopisch erfolgen. Vor operativen oder interventionellen Maßnahmen sollte eine laborchemische Untersuchung, einschließlich Blutbild und Elektrolyte, zur Risikobeurteilung erfolgen.
Vor einer operativen oder interventionellen Therapie sollten Patient:innen mit MIO eine transnasale Magensonde zur Dekompression von Magen und Dünndarm erhalten. Zudem soll vor der Operation eine präoperative Stomamarkierung erfolgen. Die Betreuung des Stomas muss prä- und postoperativ sichergestellt werden. Gleichzeitig mit der Entscheidung für eine operative Behandlung der MIO soll mit den Patient:innen und ihrem Umfeld über mögliche postoperative Behandlungsbegrenzungen gesprochen werden.
Bei Patient:innen mit tumorbedingter Obstruktion im Magenausgang oder Duodenum kann eine endoskopische Stentanlage zur Symptomlinderung durchgeführt werden [9]. Bei Patient:innen mit schlechter Prognose (Lebenserwartung von wenigen Monaten oder ECOG 3–4) kann dieses Verfahren auch bei isolierter Obstruktion des Magens oder gastroduodenalen Übergangs erwogen werden. Ebenso kann bei isolierter Obstruktion des Kolons oder Rektums eine endoskopische Stentanlage in Betracht gezogen werden, insbesondere bei schwierigen Operationsbedingungen. Die Indikation sollte interdisziplinär zwischen Gastroenterolog:innen und Viszeralchirurg:innen gestellt werden, wobei auch mögliche Komplikationen und das Versagen der Therapie mit den Patient:innen besprochen werden müssen.
Ist eine Operation nicht mehr möglich und die symptomatische Therapie (Infobox 1, 2) unzureichend, kann zeitweilig eine nasogastrale Sonde zur Linderung von Übelkeit und Erbrechen eingelegt werden. Ist diese Maßnahme erfolgreich, sollte die Anlage einer Ablauf-PEG in Erwägung gezogen werden.
Erfolgt keine chirurgische oder interventionelle Behandlung, kann eine parenterale Flüssigkeitsgabe je nach Therapieziel erwogen werden. Bei einer erwarteten Überlebenszeit von wenigen Wochen sollte eine parenterale Ernährung kritisch abgewogen werden, während sie bei einer Überlebenszeit von mehreren Wochen oder Monaten erwogen werden kann [10].

Hepatobiliärer Pruritus in der Palliativmedizin

Definition

Hepatobiliärer Pruritus (HP) ist ein häufiges, jedoch oft zu wenig beachtetes Symptom bei Patient:innen mit fortgeschrittenen Lebererkrankungen und kann signifikante Auswirkungen auf die Lebensqualität haben [11]. In der Palliativmedizin betrifft HP vor allem Patient:innen mit fortgeschrittenen nichtheilbaren Lebererkrankungen wie Leberzirrhose, Cholestase, Lebermetastasen und primär biliärer Zirrhose (PBC).

Pathogenese

Der Juckreiz entsteht durch die Ansammlung von Gallensalzen in der Haut, was auf eine Störung des biliären Flusses hinweist. Die Gallensalze stimulieren die periphere Juckrezeptoren. Auch zentrale Mechanismen, die Neurotransmitter wie endogene Opioide und Serotonin betreffen, sind beteiligt [12]. Opioidrezeptoren spielen eine Rolle bei cholestaseassoziiertem Pruritus, da erhöhte Opioidpeptidspiegel bei Patient:innen mit primärer biliärer Zirrhose festgestellt wurden. Es gibt Hinweise, dass Opioidantagonisten, wie Naloxon, Naltrexon und Nalmefen, eine signifikante Verbesserung des Juckreizes bewirken können. Weitere Untersuchungen deuten auf eine Rolle von κ‑opioiden Rezeptoren und Serotoninsystemen hin.

Symptome

Die Symptome können sowohl lokalisiert als auch generalisiert auftreten und sind häufig schwer zu lindern. Betroffene berichten oft von intensivem unerträglichem Juckreiz, der besonders nachts verstärkt auftritt und zu Schlafstörungen, Angstzuständen und erhöhter emotionaler Belastung führt. Der Juckreiz kann mild bis schwer, lokalisiert oder generalisiert sein und tritt häufig zuerst an den Handflächen und Fußsohlen auf. Der Juckreiz folgt einem zirkadianen Rhythmus, der zwischen 12.00 und 18.00 Uhr am stärksten ist.
Da HP in der palliativmedizinischen Versorgung neben einer erforderlichen Therapie mit einer eingeschränkten Lebenserwartung verbunden ist, ist eine umfassende Symptomlinderung von großer Bedeutung.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Pflegepersonal und Therapeut:innen ist entscheidend, um eine optimale Symptomlinderung zu gewährleisten. Zudem sollte frühzeitig eine Kommunikation mit den Patient:innen und ihrem Umfeld stattfinden, um die Erwartungen bezüglich einer möglichen Symptomlinderung und der Lebensqualität zu klären.

Diagnostik

Die Diagnose des HP erfordert eine klinische Untersuchung, gegebenenfalls in Kombination mit Laboruntersuchungen und bildgebenden Verfahren. Ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik ist die Beurteilung der Cholestaseparameter. Erhöhte Werte der alkalischen Phosphatase (AP) und der γ‑Glutamyltransferase (GGT) sind typische Laborbefunde und deuten auf eine gestörte Gallensekretion hin. In fortgeschrittenen Stadien kann zudem eine Hyperbilirubinämie vorliegen.
Ergänzend zur Labordiagnostik kann eine bildgebende Abklärung mittels Sonographie erfolgen, um mechanische Ursachen auszuschließen. Hierbei gilt es im palliativen Setting, die individuelle Prognose sowie die Konsequenz der Untersuchung mitzuberücksichtigen. Eine weitergehende Diagnostik mittels endoskopischer retrograder Cholangiopankreatikographie (ERCP) oder Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP) kann erforderlich sein. Ist der Juckreiz durch eine biliäre Obstruktion (z. B. einen Tumor, Gallensteine oder eine Striktur) verursacht, kann im Rahmen einer ERCP versucht werden, die Blockade zu beseitigen und den Gallengang zu entlasten [13].
In Rücksprache mit Expert:innen können serologische Tests auf Autoimmunerkrankungen, wie der Nachweis antimitochondrialer Antikörper (AMA) bei Verdacht auf PBC, zur Diagnosestellung beitragen.

Therapie

Eine frühzeitige Identifikation und Therapie der Grunderkrankung sind essenziell, um die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern und potenzielle Komplikationen zu vermeiden. Therapeutische Ansätze umfassen medikamentöse Interventionen, wie Colestyramin, Rifampicin, Bezafibrat, Gabapentin oder Pregabalin sowie Sertralin und Paroxetin (siehe Tab. 1), wobei die Wirksamkeit der einzelnen Behandlungen variieren kann [12]. Bei unzureichender Symptomlinderung kann eine symptomatische, Therapie wie die Anwendung von Feuchtigkeitscremes, Kühlkompressen oder die Reduktion von reizenden Substanzen, empfohlen werden. In schwereren Fällen kann eine Fototherapie oder eine Lebertransplantation in Betracht gezogen werden, wobei dies in der Palliativmedizin nur in sehr speziellen Situationen zutrifft.
Tab. 1
Therapieempfehlung bei hepatischem Pruritus in Anlehnung an Ständer S. et al., S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus, 2022 [14]
1. Wahl
Colestyramin
2. Wahl
Rifampicin
3. Wahl
Bezafibrat
4. Wahl
Gabapentin oder Pregabalin, Sertralin, Paroxetin
Nichtpharmakologische Maßnahmen, wie das Tragen von Baumwollhandschuhen und das Kürzen der Fingernägel, können ebenfalls hilfreich sein.

Opioidinduzierte Obstipation im Palliativbereich

Definition

Die opioidinduzierte Obstipation (OIC) ist eine häufige Nebenwirkung der Behandlung mit opioidhaltigen Schmerzmitteln. Sie entsteht durch die Bindung von Opioiden an µ‑Rezeptoren im enterischen Nervensystem, wodurch die Darmmotilität verringert, die Flüssigkeitsresorption im Darm erhöht und die Sekretion von Verdauungssäften reduziert wird. Dies führt zu verzögerter Darmentleerung, hartem Stuhl und erschwertem Stuhlgang.

Pathogenese

Die OIC ist eine häufige und herausfordernde Nebenwirkung der Opioidtherapie, insbesondere im Palliativbereich. Sie tritt aufgrund der Auswirkungen von Opioiden auf den Gastrointestinaltrakt auf, wobei Opioide die Motilität verringern, die Darmperistaltik hemmen und den Tonus des Schließmuskels des Anus erhöhen. Diese Veränderungen führen zu einer Verzögerung der Darmentleerung. Die Opioide wirken primär über Bindung an die µ‑Opioidrezeptoren (MOR) im zentralen Nervensystem, aber auch an MOR im Magen-Darm-Trakt. Diese Rezeptoren sind entscheidend für die Hemmung der gastrointestinalen Motilität und der Sekretion von Flüssigkeit in den Darm. Weitere Mechanismen beinhalten die veränderte Signalübertragung im enterischen Nervensystem, was zu einer verminderten Propulsionskraft und einem erhöhten Tonus des Sphinkters führt.
Im palliativmedizinischen Kontext, in dem Opioide zur Schmerzlinderung häufig eingesetzt werden, betrifft die OIC etwa 40–90 % der Patient:innen, abhängig von der verwendeten Opioidart und -dosis [15]. Die Belastung durch OIC wird verstärkt durch den oftmals bereits eingeschränkten Allgemeinzustand der Patient:innen und deren begrenzte Fähigkeit, geeignete Maßnahmen zur Symptomlinderung zu ergreifen, wozu etwa auch eine ballaststoffreiche Ernährung und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zählen.

Symptome

Symptome präsentieren sich in Form von Schmerzen, Blähungen, vermindertem Stuhlgang und/oder unvollständigem Stuhlgang. Neben der physischen Belastung kann die Obstipation auch zu einer Verschlechterung der Lebensqualität, einer erhöhten Medikamentenbelastung, zu Non-Compliance in Bezug auf Opioideinnahme und sogar zu Hospitalisierungen führen [16].

Diagnostik

Die Diagnose der OIC basiert auf der klinischen Symptomatik, da keine spezifischen Labor- oder bildgebenden Tests existieren. Die Symptome sollten in enger Abstimmung mit der Opioidanamnese, der Ernährung und dem Hydratationsstatus der Patient:innen evaluiert werden. Wichtig ist, dass die OIC nicht nur als ein harmloses, sondern als ein behandelbares Problem betrachtet wird.
Zur Beurteilung der Darmfunktion stehen verschiedene etablierte Screeningmethoden zur Verfügung: der Bowel Function Index, die Praktische Obstipationsskala und die Bristol Stool Form Scale.
Allerdings muss man realistisch betrachten, dass sie im klinischen Alltag nur selten Anwendung finden und häufiger im Rahmen wissenschaftlicher Studien genutzt werden [17].

Der Bowel Function Index (BFI)

Der BFI wurde speziell für die Diagnose der OIC entwickelt und validiert. Er setzt sich aus 3 Kernfragen zusammen, die sich auf die letzten 7 Tage beziehen:
1.
Wie leicht oder schwer fiel die Darmentleerung? (Bewertung von 0 = sehr einfach bis 100 = extrem schwierig)
 
2.
Gab es das Gefühl einer unvollständigen Entleerung? (Bewertung von 0 = gar nicht bis 100 = sehr stark)
 
3.
Wie stark wurde die Obstipation insgesamt empfunden? (Bewertung von 0 = gar nicht bis 100 = sehr stark)
 
Der Durchschnitt dieser 3 Werte ergibt den Gesamtwert des BFI. Ein Wert unter 30 deutet auf eine normale Darmfunktion hin, während Werte darüber auf eine OIC schließen lassen. Im Rahmen einer Therapie gilt eine Verbesserung um mindestens 12 Punkte als klinisch relevant.

Die Praktische Obstipationsskala

Diese Methode basiert auf einer Kombination aus objektiven und subjektiven Kriterien. Eine OIC kann angenommen werden, wenn:
  • mehr als 72 h kein Stuhlgang erfolgt ist und
  • mindestens eines der folgenden subjektiven Kriterien erfüllt ist: starkes Pressen, erhebliche Defäkationsprobleme oder das Gefühl einer unvollständigen Entleerung mit einer Bewertung von über 5 auf einer numerischen Ratingskala (0–10) und/oder
  • der Stuhl eine harte Konsistenz aufweist.

Die Bristol Stool Form Scale

Die Bristol Stool Form Scale ist eine visuelle Methode, bei der Patient:innen ihre Stuhlform anhand von 7 bildlich dargestellten Typen einordnen. Diese reichen von sehr hartem Stuhl (Typ 1) bis hin zu wässrigem Durchfall (Typ 7).

Therapie

Die Therapie der OIC umfasst sowohl nichtpharmakologische als auch pharmakologische Ansätze ([18, 19], siehe Tab. 2):
1.
Nichtpharmakologische Maßnahmen:
  • Ernährungsanpassung: Eine ballaststoffreiche Ernährung und eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme sind grundlegende Maßnahmen zur Unterstützung der Darmfunktion (im Palliativbereich häufig unrealistisch).
  • Bewegung und Mobilisation: Wo möglich sollte die Mobilität gefördert werden, da körperliche Aktivität die Darmmotilität unterstützt.
 
2.
Pharmakologische Therapie:
  • Laxanzien: Der Einsatz von Laxanzien ist eine Standardbehandlung. Zu den am häufigsten eingesetzten Laxanzien gehören osmotische Laxanzien wie Macrogol sowie Stimulanzien wie Bisacodyl.
  • Peripher wirksame µ‑Opioidrezeptor-Antagonisten: Für die Behandlung der OIC bei fortgeschrittener Erkrankung oder resistenten Symptomen werden selektive peripher wirksame Opioidantagonisten, wie Methylnaltrexon und Naloxegol, eingesetzt. Diese Medikamente blockieren die Wirkung von Opioiden auf die µ‑Opioidrezeptoren im Darm, ohne die zentrale analgetische Wirkung der Opioide zu beeinträchtigen.
 
3.
Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung: In Fällen, in denen die Obstipation durch eine sekundäre Erkrankung verschärft wird (z. B. Tumorobstruktionen oder Metastasen), ist es wichtig, diese bei Möglichkeit zu behandeln.
 
Tab. 2
Therapieschema bei opioidinduzierter Obstipation in Anlehnung an die S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung“, Langversion 2.1, Januar 2020, dzt. in Überarbeitung, Stufenschema zur Therapie der Obstipation, S. 284 [1]
Basismaßnahmen
Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Ballaststoffreiche Ernährung
Bewegung
Gegebenenfalls Kolonmassage
Physikalische Therapie
Stufe 1
Osmotisches oder propulsives Laxans
Bisacodyl, Macrogol, Natriumpicosulfat
Stufe 2
Osmotisches und propulsives Laxans
Macrogol plus Bisacodyl oder Natriumpicosulfat
Stufe 3
Peripher wirksame µ‑Opioidrezeptor-Antagonisten (PAMORA)
Methylnaltrexon subkutan, Naloxegol per os, Naloxon per os*
Stufe 4
a) Medikamentöse Maßnahmen:
Stufe 3 plus Erythromycin, Rizinus, Amidotrizoesäure* oder Medikamente im Off-Label-Use
b) Nichtmedikamentöse Maßnahmen:
Stufe 3 plus Einläufe, manuelle Ausräumung
*Off-Label-Use
Die OIC stellt im Palliativbereich eine signifikante Herausforderung dar, da sie sowohl die Lebensqualität der Patient:innen beeinträchtigt als auch die Therapie von Schmerzen und anderen Symptomen erschwert. Ein multimodales Management, das sowohl nichtpharmakologische als auch pharmakologische Maßnahmen umfasst, ist entscheidend, um eine effektive Symptomlinderung zu erreichen.
Infobox 1 Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei MIO
  • Bei inkompletter MIO können Prokinetika wie Metoclopramid zur Antiemese eingesetzt werden.
  • Bei kompletter MIO sollten Prokinetika wie Metoclopramid nicht verwendet werden, stattdessen können Antipsychotika (z. B. Haloperidol, Levomepromazin, Olanzapin) oder Antihistaminika zur Antiemese eingesetzt werden.
  • Setrone/5HT3-Antagonisten können in Kombination mit Antipsychotika und Antihistaminika zur Antiemese verwendet werden.
  • Anticholinergika wie Butylscopolamin können zur Reduktion der gastrointestinalen Sekretion eingesetzt werden, jedoch nicht in Kombination mit Prokinetika.
  • Somatostatinanaloga können ebenfalls zur Reduktion der gastrointestinalen Sekretion eingesetzt werden, auch in Kombination mit Butylscopolamin.
  • Ranitidin oder Protonenpumpenhemmer können zur Sekretionsminderung verwendet werden.
  • Glukokortikoide können als Therapieversuch zur Passagewiedereröffnung für 5–10 Tage eingesetzt werden.
Infobox 2 Symptomorientierte Therapie bei MIO [20]
  • Abdominelle Schmerzen sollen mit Nichtopioiden (z. B. Metamizol) und bei starker Ausprägung mit Opioiden behandelt werden.
  • Kolikartige Schmerzen sollten mit Butylscopolamin behandelt werden.
  • Motilitätssteigernde Arzneimittel, wie Prokinetika und stimulierende Laxanzien, sollten nicht verabreicht werden.
  • Stimulierende Laxanzien und hohe Einläufe sollten bei inkompletter MIO nur unter enger Überwachung verabreicht werden.
  • Weichmachende Laxanzien können bei inkompletter MIO eingesetzt werden.
  • Bei kompletter MIO sollten Prokinetika, stimulierende Laxanzien und hohe Einläufe vermieden werden.

Fazit für die Praxis

Die palliative Versorgung von Patient:innen, die von gastrointestinalen Symptomen, wie malignen gastrointestinalen Obstruktionen (MIO), hepatobiliärem Pruritus (HP) und opioidinduzierter Obstipation (OIC), betroffen sind, erfordert eine sorgfältige, individuelle und interdisziplinäre Herangehensweise. Die MIO stellt eine der belastendsten Komplikationen dar, bei der neben der symptomatischen Therapie auch eine präzise Diagnostik und gegebenenfalls chirurgische oder interventionelle Maßnahmen erforderlich sind, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Der HP und die OIC stellen zusätzliche Herausforderungen dar, die durch eine Kombination aus medikamentösen und nichtpharmakologischen Maßnahmen behandelt werden müssen. Ein frühzeitiges Gespräch über Therapieoptionen und realistische Zielsetzungen sind entscheidend, um den größtmöglichen Nutzen für die Patient:innen zu gewährleisten. In allen Fällen ist es wichtig, die Bedürfnisse und Wünsche zu berücksichtigen, um eine bestmögliche Symptomlinderung und Lebensqualität zu ermöglichen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

E.K. Masel gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
6.
Zurück zum Zitat Rietjens JAC, Sudore RL, Connolly M et al (2017) Definition and recommendations for advance care planning: an international consensus supported by the European Association for Palliative Care. Lancet Oncol 1(7):e543–e551. https://doi.org/10.1016/S1470-2045CrossRef Rietjens JAC, Sudore RL, Connolly M et al (2017) Definition and recommendations for advance care planning: an international consensus supported by the European Association for Palliative Care. Lancet Oncol 1(7):e543–e551. https://​doi.​org/​10.​1016/​S1470-2045CrossRef
13.
Zurück zum Zitat Covey AM, Brown KT (2006) Palliative percutaneous drainage in malignant biliary obstruction. Part 1: indications and preprocedure evaluation. J Support Oncol 4:269–273PubMed Covey AM, Brown KT (2006) Palliative percutaneous drainage in malignant biliary obstruction. Part 1: indications and preprocedure evaluation. J Support Oncol 4:269–273PubMed
15.
Zurück zum Zitat Sizar O, Genova R, Gupta M (2024) Opioid-Induced Constipation. In: StatPearls. StatPearls Publishing, Treasure Island (FL) Sizar O, Genova R, Gupta M (2024) Opioid-Induced Constipation. In: StatPearls. StatPearls Publishing, Treasure Island (FL)
Metadaten
Titel
Palliativmedizin: Management von GI-Symptomen
verfasst von
Univ. Prof. PD DDr. Eva Katharina Masel, MSc
Publikationsdatum
26.02.2025
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen
Print ISSN: 1728-6263
Elektronische ISSN: 1728-6271
DOI
https://doi.org/10.1007/s41971-025-00217-7