Perspektivenwechsel – dringend notwendig

Alles eine Frage der Perspektive, das gilt auch, aber nicht nur, in der Medizin. Ob Patient, Arzt, Angehöriger, Pflegeperson – jeder sieht vermeintliche Tatsachen und Zusammenhänge auf seine Weise, beeinflusst durch die ihm zur Verfügung stehenden Informationen, seine Emotionen und seine individuelle Position in einem oft recht komplexen Beziehungsgeflecht. Die Palliativmedizin ist ein anschauliches Beispiel dafür: Der Lebenswille des Betroffenen beeinflusst nicht nur seinen Krankheitsverlauf, er wirkt sich auch auf die Entscheidung der weiteren Behandlung aus. Das Verhältnis der Angehörigen zum Patienten ebenso wie untereinander hat Folgen auf die Wünsche und Begehrlichkeiten gegenüber dem Behandlungsteam hinsichtlich der Therapie. Die persönliche Weltsicht, die bisherigen Erfahrungen und selbst die private Lebenssituation von Arzt und Pflegepersonal sind Einflussfaktoren im Umgang mit dem Patienten und seiner weiteren Behandlung in der terminalen Lebensphase. Angst- und schmerzfrei zu sein, scheint ein Ziel zu sein, dass bei allgemeiner Betrachtung unbestritten ist. Aber selbst hier können sich nicht unbeträchtliche Differenzen in der Umsetzung ergeben. Da stehen auf manchen Ebenen Bedenken wegen eventueller Medikamentenabhängigkeiten einer effizienten Therapie im Weg oder auch Befürchtungen einer Bewusstseinstrübung. Aus welchen Gründen immer werden Patienten und Angehörige immer wieder im Unklaren über ihren Zustand gelassen – mit der Folge, dass das abrupte Lebensende wie ein Keulenschlag hereinbricht und keine Zeit mehr für die „letzten Dinge“ bleibt. Aber das Patientenwohl ist immer eine individuelle Entscheidung mit einer Vielzahl von Komponenten und Gewichtungen. …