Die primäre und sekundäre Amenorrhö sind häufige Symptome, die sich in ihrer Ätiologie beträchtlich unterscheiden können. Amenorrhö wird als Abwesenheit oder zeitliche Verzögerung der Menstruation definiert. Die Ursachen sind hierbei vielfältig und stellenweise sehr komplex. Auch Diagnostik und Therapie unterscheiden sich mitunter deutlich. Endokrinologische, anatomische, allgemein-internistische, neurologische, genetische, hypothalamische und ovarielle Ätiologien können hierbei eine Rolle spielen und sollten unterschieden werden. Die Diagnostik sollte daher nach einem systematischen Vorgehen erfolgen, um korrekte Diagnosen abzuleiten und Therapieoptionen zeitnah einleiten zu können. Auf den Hintergrund und die Gesamtkonstellation sowie die Wünsche der Patientinnen ist dabei unbedingt Rücksicht zu nehmen. Ein eventuell bestehender Kinderwunsch sollte früh thematisiert werden. In diesem Artikel wird eine Übersicht über die Ätiologie, Diagnostik und Therapie der primären und sekundären Amenorrhö dargelegt.
Hinweise
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Definition
Amenorrhö bezeichnet die Abwesenheit oder zeitliche Verzögerung der Menstruation [1].
Man unterscheidet hierbei die primäre von der sekundären Amenorrhö [1]. Die primäre Amenorrhö beschreibt das Ausbleiben der Menarche mit fehlendem Eintritt einer spontanen Regelblutung bis zum vollendeten 16. Lebensjahr, während bei der sekundären Amenorrhö die Blutung nach stattgehabter Menarche ausbleibt [2, 3]. In diesem Zusammenhang wird das Ausbleiben einer Blutung während 3 Monaten bei vorher regelmäßigen Zyklen bzw. 6 Monaten bei zuvor unregelmäßigen Zyklen als sekundäre Amenorrhö definiert [3‐6]. Die generelle Prävalenz der Amenorrhö ist schwer schätzbar, stellt aber eine der häufigsten endokrinen Störungen bei Frauen im reproduktiven Alter dar [6]. Ausgenommen werden müssen physiologische Zustände der Amenorrhö während Schwangerschaft, Stillzeit und Menopause.
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Ätiologie
Einer physiologischen Amenorrhö bei Frauen im gebärfähigen Alter liegt als häufigste Ätiologie eine Schwangerschaft zugrunde und sollte daher immer vor dem Beginn der Diagnostik ausgeschlossen werden.
Als Hintergrund einer nichtphysiologischen Amenorrhö kommen generell vielfältige Störungen infrage, die in verschiedenen Klassifikationen gegliedert werden. Hierbei werden beispielsweise die hyperandrogenämische, die hyperprolaktinämische, die hypothalamische und die primäre Ovarialinsuffizienz differenziert [1, 2, 4, 7‐10].
Entscheidend für die Diagnostik ist jedoch, die Art der Amenorrhö vorgängig unbedingt zu definieren, da sich die Abklärung der primären von der Abklärung der sekundären Amenorrhö unterscheidet. Im Hinblick auf die Ätiologie der primären Amenorrhö müssen auch vermehrt anatomische, genetische und chronische Krankheiten des Kindes- und Jugendalters berücksichtigt werden [11].
Im Folgenden werden die primäre und sekundäre Amenorrhö separat voneinander betrachtet.
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Primäre Amenorrhö
Eine primäre Amenorrhö gilt als abklärungsbedürftig, wenn bis zum 16. Geburtstag keine spontane Mensblutung bei gleichzeitig normalem Wachstum und physiologischer Pubertätsentwicklung (Thelarche) eintritt [1, 2, 7].
Auch ein fehlender Pubertätsbeginn bzw. keine beginnende Thelarche bis zum 13. Geburtstag sollte abgeklärt werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Menarche ca. 2–3 Jahre nach Beginn der sexuellen Entwicklung stattfindet und nur etwa 3 von 1000 Mädchen die erste Regelblutung erst nach 15,5 Jahren bekommen. Auch eine Unterbrechung der Pubertätsentwicklung sollte abgeklärt werden [2].
Im Rahmen der Abklärung einer primären Amenorrhö sind, anders als bei der sekundären Amenorrhö, vor allem auch anatomische Ätiologien zu berücksichtigen, so sind in bis zu 43 % gonadale Dystrophien ursächlich für das Ausbleiben der Menarche [4, 12, 13]. Die zweithäufigsten Ursachen bezeichnen Müller-Anomalien (15 %) und die idiopathische Amenorrhö (14 %; [14]), auch vaginale Septen oder eine Hymenalatresie müssen ausgeschlossen werden [4, 12, 13, 15].
Des Weiteren kommen hypothalamische Insuffizienzen (Kallmann-Syndrom) und hypothalamische Dysfunktionen durch Tumoren, Traumata oder nach einer Radiatio in Betracht. Schließlich sollten auch genetische Ursachen wie ein Turner-Syndrom oder Fragiles-X-Syndrom abgeklärt und ein polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) sowie andere Ursachen (Prolaktinom, adrenogenitales Syndrom [AGS], Kraniopharyngeom, St.n. Chemotherapie, Radiatio etc.) berücksichtigt werden [4, 6, 9, 11, 16].
Abklärung
Anamnese
Eine zielgerichtete Anamnese beinhaltet neben der genauen Dokumentation der Symptome auch Fragen nach der allgemeinen Gesundheit der Patientin, dem Vorliegen chronischer Krankheiten, Medikamenteneinnahme, Gewichtsabnahme und -zunahme, Ernährung und Essverhalten, Stress, sportlicher Extrembelastung oder Leistungssport und Virilisierungserscheinungen. Aber auch die Familienanamnese und neurologische Beschwerden oder Traumata sollten berücksichtigt werden [1, 4, 6, 8, 17]. Im Rahmen der Abklärung einer primären Amenorrhö sollten auch die Gesundheit im Kindesalter, die Pubertätsentwicklung und Wachstumsschübe sowie die Körpergröße und das Perzentilenwachstum erfragt werden [1, 4, 6].
Eine allgemein fehlende Pubertätsentwicklung bis zum Ende des 13. Lebensjahrs ist für sich stehend eine Indikation zur Abklärung [4, 8]. Hierbei sollte vor allem an selten auftretende genetische oder endokrinologische Ursachen gedacht werden.
Untersuchung
In der körperlichen Untersuchung sollte neben Parametern wie Größe und Gewicht auch auf Zeichen einer Androgenisierung wie Akne, Hirsutismus und Effluvium sowie Zeichen einer Hyperprolaktinämie wie Galaktorrhö geachtet werden [1, 4, 6, 17]. Außerdem sollten, insbesondere bei der primären Amenorrhö, während der Untersuchung der äußeren Geschlechtsmerkmale Hinweise einer vorhandenen oder fehlenden Östrogenproduktion (vor allem Thelarche, physiologische Leukorrhö) oder eine Klitoromegalie erfasst werden [1, 3, 12]. Gegebenenfalls sollte auch überprüft werden, ob ein imperforiertes Hymen vorliegt, eine Zervix vorhanden ist oder ob andere Merkmale wie Striae, Pterygium colli, Schildthorax, Anosmie und weit auseinander liegende Mamillen auffallen, welche den Verdacht auf ein Turner-Syndrom lenken könnten [18].
Während der körperlichen Untersuchung ist unbedingt darauf Rücksicht zu nehmen, dass sich die betroffene Patientin möglicherweise im jugendlichen Alter befindet und der aktuelle Kontakt gar der erste Kontakt mit dem/der Gynäkologen/-in sein kann. Somit muss ein Rahmen geschaffen werden, der für die Patientin angenehm ist, sowie ausreichend Zeit eingeplant werden, um die Untersuchungsschritte eingehend zu erklären und auf die Patientin einzugehen. Jeder Untersuchungsschritt sollte dabei angekündigt und nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Patientin durchgeführt werden.
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Sonographie
Durch eine sonographische Untersuchung im Anschluss können die inneren weiblichen Geschlechtsorgane beurteilt werden. Beurteilt werden Uterus, Endometrium und Ovarien einschließlich antralem Follikel-Count [1, 4, 6, 17]. Sollte eine Patientin virgo sein, kommt hierbei die transabdominale Sonographie infrage. Eine rektale Sonographie ist unter Umständen auch möglich, aber für die Patientinnen oft belastend. In den seltenen Fällen, dass eine Sonographie keine ausreichende Klärung ergibt, kann eine Magnetresonanztomographie (MRT) angeschlossen werden.
Biochemie
Durch die laborchemischen Parameter kann vor allem die Funktion der hormonellen Achsen überprüft werden, um so die Diagnostik weiter einzuengen. Bestimmt werden sollten in diesem Rahmen folgende Parameter: hCG, FSH, LH, Estradiol, Testosteron, DHEAS, Androstendion und SHBG. Außerdem TSH und Prolaktin und eventuell auch Cortisol und 17-OH-Progesteron sowie das AMH [8‐10].
Nach Erhalt der Befunde und Definition einer primären Amenorrhö empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen.
Es bietet sich ein diagnostischer Pfad an, der zwischen primärer Amenorrhö bei vorhandenem Uterus und primärer Amenorrhö bei fehlendem Uterus unterscheidet (Abb. 1 und 2).
Abb. 1
Primäre Amenorrhö: häufigste Diagnosen bei vorhandenem Uterus
Abb. 2
Primäre Amenorrhö: Abklärung bei fehlendem Uterus
×
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Östrogen/Gestagen-Test oder Gestagentest
Ein Östrogen/Gestagen-Test oder Gestagentest kann zur weiterführenden Abklärung und insbesondere zur Differenzialdiagnose einer hypothalamischen oder hyperandrogenen Ovarialinsuffizienz sinnvoll sein.
In einem physiologischen Zyklus wird der Aufbau des Endometriums durch ovarielles Östrogen stimuliert. Nach der Ovulation sorgt das vom Gelbkörper produzierte Gestagen für eine sekretorische Umwandlung des Endometriums. Bei ausbleibender Ovulation fehlt die Transformation und es kann zum Ausbleiben der Blutung kommen. Durch die externe Applikation von Gestagen, beispielsweise in oraler Form für 12–14 Tage (Arefam® oral [Progesteron], Duphaston® oral [Dydrogesteron], Utrogestan® vaginal [Progesteron]), wird die Transformation indiziert. Kommt es im Anschluss zu einer Blutung, ist der Nachweis einer funktionierenden ovariellen Östrogenproduktion erbracht. Wenn der Gestagentest negativ ist, ist ggf. ein Östrogen/Gestagen-Test indiziert.
In der Praxis wird hierbei Östrogen allein für mindestens 14 Tage oral oder ggf. transdermal appliziert und anschließend zusätzlich ein Gestagen für weitere 12–14 Tage appliziert. Ziel ist es, einen ovulatorischen Zyklus zu imitieren. Ein positiver Test spricht für intakte anatomische Verhältnisse und eine ovarielle oder hypothalamische Insuffizienz, ein negativer Östrogen/Gestagen-Test legt den Verdacht auf eine uterine Ursache wie eine anatomische Anomalie nahe [1, 4, 12].
GnRH-Test
Bei negativem Gestagentest und nach Ausschluss einer uterinen Ursache kann mittels eines GnRH-Tests die Funktion des GnRH-Generators und der Hypophyse überprüft werden.
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Es erfolgt zunächst eine Bestimmung der basalen Hormonlevel von LH und FSH im Blut der Patientin. Anschließend werden 100 μg GnRH bzw. 60 μg/m2 (Kinder) intravenös appliziert. Im Folgenden wird der Anstieg von LH und FSH mittels einer Bestimmung der Hormonwerte im Blut nach definierten Intervallen (beispielsweise nach 60 und 120 min) bestimmt.
Bei einem adäquaten Anstieg der Gonadotropine nach der GnRH-Gabe liegt der Amenorrhö eine hypothalamische Störung zugrunde. Bei einem fehlenden Anstieg der Gonadotropine ist jedoch von einer hypophysären Dysfunktion auszugehen.
MRT
Eine bildgebende Diagnostik mittels MRT ist bei Verdacht auf hypothalamische Amenorrhö ohne plausiblen Zusammenhang mit Faktoren wie exzessivem Sport, psychischen Belastungssituationen, unausgewogener Ernährung bzw. Gewichtsabnahme oder persistierendem Untergewicht sowie bei zusätzlichen neurologischen Beschwerden oder einer (Begleit‑)Hyperprolaktinämie zum Tumorausschluss indiziert [4, 7, 19]. Außerdem sollte eine MRT bei Hyperprolaktinämie mit stark erhöhten Werten oder bei Therapieresistenz mit persistierend erhöhten Prolaktinwerten durchgeführt werden [1, 7, 19].
Operation
Die Indikation einer Operation ist im Rahmen der Abklärung bzw. Therapie einer Amenorrhö bei Verdacht auf uterine Malformationen oder andere anatomische Ursachen einer Obstruktion gegeben [1, 12].
Diagnose primäre Amenorrhö
Zur Stellung der zugrunde liegenden Differenzialdiagnose der primären Amenorrhö empfiehlt sich ebenso ein systematisches Vorgehen. Hierbei sind bei vorhandenem Uterus unter anderem die Werte für FSH, LH und Estradiol wegweisend.
Niedrige Werte für FSH und LH und fehlende Pubertätsentwicklung bzw. Thelarche sind hinweisend für eine zentrale, also hypothalamische oder hypophysäre Problematik. Bei sehr niedrigen Werten kommen ursächlich vor allem chronische Krankheiten wie Thalassämie, Diabetes mellitus Typ I, zystische Fibrose, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, juvenile chronische Arthritis und Hypothyreose infrage [1, 4, 7]. Lediglich relativ niedrige Werte der Gonadotropine sind eher hinweisend für eine Essstörung, exzessiven Leistungssport oder übermäßigen Stress. Die eigentliche, idiopathische Pubertas tarda tritt bei Mädchen eher selten auf und stellt eine Ausschlussdiagnose dar [1, 4].
Hohe Werte für FSH und LH hingegen können iatrogen nach einer Chemotherapie vorkommen. Auch sollten Patientinnen mit hohen Werten für FSH und LH mittels Chromosomenanalyse im Hinblick auf 46,XX-Gonadendysgenesie, 45,X0-Turner-Syndrom oder Mosaik und andere seltenere Ursachen abgeklärt werden [20, 21]. Eine fehlende Pubertätsentwicklung in Zusammenhang mit gleichzeitigem Vorkommen von Bluthochdruck, Hypokaliämie und Cortisonmangel sollte den behandelnden Arzt aufhorchen lassen und die Diagnostik auch in Richtung 17α-Hydroxylase-Defizienz lenken [11].
Bei unauffälligen Werten für FSH und LH gilt es vor allem anatomische Fehlbildungen und endokrine Störungen abzuklären. Hierbei kann die Anamnese wegweisend sein, zyklische Schmerzen sind Leitsymptom für anatomische Fehlbildungen. Endokrine Ätiologien bilden vor allem Schilddrüsendysfunktionen, Hyperandrogenämie (PCOS/AGS), Hyperprolaktinämie und nicht zuletzt virilisierende Tumoren, deren Vorkommen selten ist, welche aber potenziell letal sein können.
Therapie
Die Therapie der primären Amenorrhö richtet sich vor allem nach der zugrunde liegenden Ätiologie.
Bei angeborenen obstruktiven anatomischen Malformationen stellt eine Operation die Therapie der Wahl dar. Hierdurch kann auch eine oftmals starke Schmerzsymptomatik durch den möglicherweise verhinderten Abfluss der Menstruation behandelt werden. Bei XY-Gonadendysgenesie bzw. Turner-Syndrom mit vorhandenem Y‑Chromosom-Anteil besteht eine Indikation zur Gonadektomie bei erhöhtem Risiko für maligne Entartung [10, 22]. Bei Patientinnen mit komplettem Androgeninsensitivitätssyndrom (CAI; [20, 23]) besteht nach neueren Entwicklungen und auf Wunsch der Patientin auch die Möglichkeit für ein konservatives Vorgehen mittels engmaschiger klinischer und sonographischer Kontrollen.
Bei funktioneller hypothalamischer Amenorrhö ist als First-line-Therapie die Lifestyle-Modifikation (Ernährungsumstellung, Sportreduktion) anzusehen und erst bei fehlendem Erfolg sollten Östrogen und Progesteron vor allem vor dem Hintergrund der Knochengesundheit zyklisch und vorzugsweise transdermal substituiert werden [24‐27]. Eine psychologische Betreuung und Ernährungsberatung ist in diesem Zusammenhang ebenfalls oft hilfreich und sollte niederschwellig angeboten werden.
Bei Leistungssportlerinnen sollten die Trainingseinheiten wenn möglich angepasst, der Kalorienbedarf berechnet und entsprechend adaptiert werden.
Bei PCOS stehen ebenfalls Lifestyle-Modifikationen und die Behandlung der Hyperandrogenämie sowie möglicher anderer metabolischer Begleitkrankheiten im Vordergrund [6, 13, 17]. Die Diagnose eines PCOS bei Adoleszenten kann sich jedoch schwierig gestalten.
Nach Diagnose einer Hyperprolaktinämie, verursacht durch ein Mikroprolaktinom, kann in den meisten Fällen eine Therapie mittels Dopaminagonisten begonnen werden [1, 4, 7]. Nur in seltenen Fällen besteht eine Operationsindikation, die interdisziplinär durch Neurochirurgen gestellt werden sollte.
Sollten chronische Erkrankungen wie beispielsweise Zöliakie oder Diabetes mellitus vorliegen, ist eine bestmögliche therapeutische Einstellung nötig [1, 4, 7]. Sie können ebenfalls unter Umständen die Symptomatik einer Amenorrhö auslösen.
Sekundäre Amenorrhö
Zur systematischen Aufarbeitung einer sekundären Amenorrhö (Abb. 3) hat sich die Einteilung in hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz, hypothalamische Ovarialinsuffizienz, hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz, primäre Ovarialinsuffizienz und uterine Ursachen bewährt. Des Weiteren gilt es seltenere Auslöser auszuschließen. Im Gegensatz zur primären Amenorrhö bilden die hyperandrogenämische, hypothalamische und hypophysäre Ovarialinsuffizienz (hyperprolaktinämisch) zu gleichen Teilen die häufigsten Ursachen der sekundären Amenorrhö [26]. Die primäre Ovarialinsuffizienz und uterine Faktoren wie Adhäsionen bilden nur einen relativ kleinen Teil der Ätiologie, anatomische Malformationen stellen eine Rarität dar [28].
Abb. 3
Algorithmus zur differenzialdiagnostischen Abklärung der sekundären Amenorrhö. (Modifiziert nach [31])
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Abklärung
Anamnese
Eine zielgerichtete Anamnese beinhaltet neben der genauen Dokumentation der Symptome, des Zyklus und der Menarche auch Fragen nach der allgemeinen Gesundheit der Patientin, dem Vorliegen chronischer Krankheiten, Medikamenteneinnahme, Gewichtsabnahme- und -zunahme, Ernährung und Essverhalten, Stress, sportlicher Extrembelastung oder Leistungssport, Virilisierungserscheinungen und Wechseljahresbeschwerden [29]. Aber auch Familienanamnese und neurologische Beschwerden oder Traumata sollten berücksichtigt werden.
Untersuchung
In der körperlichen Untersuchung sollte neben Parametern wie Größe und Gewicht auch auf Zeichen der Androgenisierung wie Akne, Hirsutismus und Effluvium sowie Zeichen einer Hyperprolaktinämie wie Galaktorrhö geachtet werden. Eine vollständige gynäkologische Untersuchung sollte ebenfalls durchgeführt werden, um seltene etwaige anatomische Ursachen ausschließen zu können oder Hinweise auf ein Asherman-Syndrom zu erhalten [30].
Sonographie
Auch im Abklärungsalgorithmus einer sekundären Amenorrhö ist eine sonographische Untersuchung unbedingt sinnvoll und kann vor allem zur Beurteilung der Follikelreifung und des Endometriums, also einer Östrogenisierung, dienen. Beurteilt werden Uterus, Endometrium und Ovarien einschließlich antraler Follikelzahl.
Biochemie
Auch im Rahmen der Abklärung einer sekundären Amenorrhö sollten die hormonellen Achsen überprüft werden. Bestimmt werden ähnlich der Abklärung einer primären Amenorrhö die Parameter hCG, FSH, LH, Estradiol, Testosteron, DHEAS, Androstendion und SHBG. Außerdem TSH und Prolaktin und eventuell auch Cortisol und 17-OH-Progesteron sowie das AMH [1, 4‐7].
Auch bei der Abklärung der sekundären Amenorrhö ist ein möglichst systematisches Vorgehen sinnvoll, um die verschiedenen Ätiologien zu unterscheiden.
Östrogen/Gestagen-Test oder Gestagentest
Ein Östrogen/Gestagen-Test oder Gestagentest kann zur weiterführenden Abklärung auch bei der sekundären Amenorrhö weiterführend sein und insbesondere zur Differenzialdiagnose einer hypothalamischen oder hyperandrogenen Ovarialinsuffizienz sinnvoll sein.
Ein positiver Test spricht auch hier natürlich für intakte anatomische Verhältnisse und eine ovarielle oder hypothalamische Insuffizienz, ein negativer Östrogen/Gestagen-Test hingegen legt, analog zur Schlussfolgerung bei der primären Amenorrhö, den Verdacht auf eine uterine Ursache wie beispielsweise das Asherman-Syndrom nahe [30].
MRT
Eine Schädel-MRT zur weiterführenden Diagnostik kann auch bei der sekundären Amenorrhö indiziert sein. Auch hier ist eine insbesondere neu aufgetretene hypothalamische Amenorrhö ohne plausible Ursache (wie oben beschrieben in Zusammenhang mit Sport, Diät oder Stress) sowie bei möglichweise weiteren neurologischen Symptomen unbedingt abklärungsbedürftig. Wie auch bei der primären Amenorrhö stellt eine Hyperprolaktinämie mit stark erhöhten Werten oder bei Therapieresistenz ebenfalls eine Indikation für eine MRT dar [8, 29].
Operation
Wie bereits oben beschrieben kann eine Operation im Rahmen der Diagnostik der sekundären Amenorrhö insbesondere bei Verdacht auf das Vorliegen eines Asherman-Syndroms sinnvoll sein [30]. Es erfolgt eine Hysteroskopie mit Lösung eventueller Synechien und ggf. postoperativer Einlage eines intrakavitären Ballons und unterstützender Östrogenisierung.
Therapie
Auch die Therapie der sekundären Amenorrhö wird der zugrunde liegenden Ätiologie und den Wünschen der Patientin angepasst (Tab. 1). Ein möglicherweise unerfüllter Kinderwunsch der Patientin sollte unbedingt thematisiert und ggf. eine Therapie ohne lange Zeitverzögerung eingeleitet werden. Die übliche Abklärung nach 12 Monaten Sterilität trifft bei diesen Patientinnen nicht zu.
Tab. 1
Zusammenfassung der Ursachen und Therapie der primären und sekundären Amenorrhö
Beginn einer Pubertätsinduktion (zu Beginn mittels niedrig dosierter Östrogene, dann eventuell mittels kombinierter Präparate)
Prämature Ovarialinsuffizienz
Beginn einer Hormonsubstitution im Sinne einer HRT (z. B. zyklisch Estrogel®/Duphaston®) oder anderen kombinierten hormonellen Präparaten [1, 8, 26]
Hypothalamische Ursachen
Optimierung des Körpergewichts (BMI zwischen 19 und 25 kg/m2), gesunde Ernährung, ggf. Anpassung des Sportpensums, Stressreduktion
Beginn einer Substitution mit zyklischem Östrogen/Gestagen (z. B. Estrogel®/Duphaston®) oder kombinierter hormoneller Kontrazeption (transdermale Gabe besser für die Knochendichte; [25‐27, 29])
Hypothyreose/Hyperthyreose
Substitution der Schilddrüsenhormone
Metabolisches Syndrom
Optimierung des Körpergewichts und regelmäßige, gesunde Ernährung, ggf. Beginn mit Metformin® (Glucophage) bei erhöhtem HOMA-Index>
Zyklische Gestagene (z. B. Duphaston®) oder kombinierte hormonelle Kontrazeption
PCOS
Zyklische Gestagene (z. B. Duphaston®) oder kombinierte hormonelle Kontrazeption [6, 17]
Die therapeutischen Optionen bei hypothalamischer Insuffizienz und PCOS sowie Hyperprolaktinämie wurden bereits oben besprochen und das Vorgehen entspricht weitestgehend dem bei der primären Amenorrhö. Den größten Unterschied stellt wahrscheinlich ein möglicher Kinderwunsch der Patientin dar, der unbedingt berücksichtigt werden sollte.
Fazit für die Praxis
Die primäre wie auch die sekundäre Amenorrhö stellt ein Symptom und keine Diagnose dar. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und die Abklärung umfasst mitunter komplexe Aspekte. Das Fundament einer sinnvollen Abklärung bilden eine ausführliche und zielgerichtete Anamnese und die Unterscheidung der primären von der sekundären Amenorrhö. Darauf aufbauend sollte die Abklärung möglichst systematisch erfolgen. Die Therapie richtet sich nach der Ätiologie und den Wünschen der Patientin. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie das niederschwellige Angebot einer psychologischen Mitbetreuung sind in diesem Zusammenhang oftmals angezeigt, um eine umfassende Betreuung der Patienten gewährleisten zu können.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
A. Aulitzky und B. Seeber geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autorinnen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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