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Ärzte Woche

28.11.2024 | Recht für Ärzte

Ordinationsassistenz gesucht!

verfasst von: Michael Straub und Patrizia Steurer

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Praxispersonal zu finden, wird immer schwieriger in Österreich. Ordinationen stellen gerne Quereinsteiger ein. Was Sie rechtlich beachten müssen und wo Fallen lauern.

„Für unsere Kassenordination suchen wir eine Ordinationsassistent:in, Quereinsteiger:innen sind willkommen“. Anzeigen wie diese finden sich immer häufiger in Österreichs Jobportalen für Gesundheitsberufe. Was auf den ersten Blick wie eine Einladung zur beruflichen Neuorientierung wirkt, ist in Wahrheit ein Hinweis auf ein drängendes Problem: Arztpraxen haben immer mehr Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Deshalb stellen sie immer häufiger Personal ohne Fachausbildung ein. Das hilft den Praxen kurzfristig, bringt aber auch Herausforderungen und Risiken mit sich.

Begrifflicher Wandel

Die Aufgaben von Ordinationsassistentinnen und -assistenten haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Einst als „Sprechstundenhilfe“ bezeichnet, war ihre Rolle vor allem auf administrative Tätigkeiten beschränkt. Das Bild von Frauen, die Terminkalender führten, Telefonate annahmen und die Praxis in Ordnung hielten, prägt den Begriff bis heute. Mittlerweile arbeiten Ordinationsassistenzen in einem hochkomplexen Gesundheitssystem und sind das Herzstück jeder Arztpraxis. Sie führen die telefonische Triage durch, veranlassen Hausbesuche, vergeben Termine, klären auf und geben gerne auch, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten, medizinische Ratschläge. Sie unterstützen Ärztinnen und Ärzte bei den Untersuchungen und stellen mancherorts – nicht ganz regelkonform – das eine oder andere Rezept bzw. eine Krankmeldung gleich am Schalter aus.

Mit dem „Medizinische Assistenzberufe-Gesetz“ ( MABG ) von 2013 wurde der Beruf der Ordinationsassistenz erstmals klar geregelt. Das Gesetz definiert Aufgaben, Kompetenzen und Qualifikationsanforderungen. Diese umfassen neben Administration auch Blutabnahmen, Verbandswechsel, Schnelltests oder das Verabreichen von Injektionen – allerdings nur unter ärztlicher Anweisung und Aufsicht. Die Realität sieht in vielen Praxen jedoch anders aus: Der Mangel an Fachkräften führt dazu, dass Quereinsteiger oft schnell eingeschult und in den Praxisbetrieb integriert werden. Und: „Medizinische Assistenzberufe sind bis dato nicht im Gesundheitsberufe-Register verzeichnet“, kritisiert Elisabeth Hammer-Zach, Präsidentin des Berufsverbands der Arztassistent:innen. Eine genaue Statistik wie viele Ordinationsassistenzen in Österreich tätig sind, gibt es daher nicht. Geschätzt sind es mindestens 22.000. Die meisten sind Frauen, arbeiten in Teilzeit und fühlen sich unterbezahlt. Ein großer Anteil der Ordinationsassistentinnen sind Wiedereinsteigerinnen, die nach der Geburt ihrer Kinder nicht in ihren ursprünglich erlernten Beruf zurückkehren können oder wollen. Sie finden in einer Arztpraxis eine neue Perspektive, sagt Hammer-Zach.

Entlastung mit Grenzen

Quereinsteiger übernehmen meist administrative Aufgaben wie Terminorganisation, Patientenaufnahme oder Telefonmanagement. Doch nicht selten werden auch medizinische Tätigkeiten an ungelernte Kräfte delegiert. Das geschieht aus der Not heraus und birgt erhebliche Risiken.

Das MABG schreibt klar vor, dass medizinische Tätigkeiten nur von ausgebildeten Fachkräften ausgeführt werden dürfen. Dazu zählen etwa Blutabnahmen, das Anlegen von Verbänden oder das Verabreichen bestimmter Injektionen. Mit Betonung auf „dürfen“, denn lange Zeit haben das Ordinationsgehilfinnen gemacht, ohne rechtliche Grundlage. Um überhaupt als Ordinationsassistenz zu arbeiten, ist eine Ausbildung im Ausmaß von mindestens 650 Stunden nötig. Der Nachweis über die Ausbildung muss innerhalb von drei Jahren nach Dienstantritt erbracht werden. Ohne diese dürfen Quereinsteiger keine medizinischen Tätigkeiten übernehmen. Hier treffen Praxisalltag und Rechtsprechung unweigerlich aufeinander. Tätigkeiten wie das Assistieren bei Untersuchungen oder das Verabreichen von Injektionen dürfen nur von qualifiziertem Personal ausgeführt werden. Wenn etwa ein fachfremder Mitarbeiter eine Blutabnahme durchführt und es dabei zu Komplikationen kommt, haftet die Praxis – rechtlich, finanziell und moralisch. Noch problematischer wird es bei der Abrechnung medizinischer Leistungen. Kassenleistungen dürfen ausschließlich von entsprechend qualifizierten Mitarbeitern erbracht werden. Andernfalls drohen Rückforderungen der Krankenkassen und mögliche rechtliche Konsequenzen. Der Missbrauch dieser Regelungen – ob beabsichtigt oder unwissentlich – kann weitreichende Konsequenzen haben, bis hin zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Versicherungsträgern. Praxen stehen daher in der Verantwortung, die Abrechnungsprozesse genau zu prüfen und sicherzustellen, dass keine Leistungen falsch deklariert werden.

Rechtliche Absicherung

Trotz dieser Herausforderungen können fachfremde Mitarbeiter eine sinnvolle Ergänzung sein. Quereinsteiger eignen sich hervorragend für administrative Tätigkeiten, die zahlreich anfallen: das Erfassen von Patientendaten, die Organisation von Abläufen oder die Betreuung des Empfangs. Sie können dazu beitragen, den Betrieb zu entlasten. Quereinsteigerinnen durchlaufen in der ersten Zeit meist eine betriebsinterne Schulung, in der sie sich mit den grundlegenden Abläufen einer Arztpraxis vertraut machen. Dabei müssen die Praxen jedoch aufpassen und gesetzlich geregelte Grenzen nicht überschreiten. Das MABG regelt klar das Arbeitsverhältnis und die Ausbildung. Hält man sich nicht an die Reglen, drohen Strafen.

Vertragliche Regelungen

Die Grenzen zwischen administrativen und medizinischen Aufgaben müssen von den Arztpraxen strikt eingehalten werden. Diese dienen nicht nur der Effizienz, sondern auch der Minimierung potenzieller Haftungsrisiken. Klare und präzise vertragliche Regelungen bilden hierbei eine solide Grundlage.

Arbeitsrechtlich ist es unerlässlich, die Rolle und die Aufgaben fachfremder Mitarbeiter im Arbeitsvertrag eindeutig zu definieren. Das schafft Transparenz und sorgt für rechtliche Absicherung. Um rechtliche Fallstricke zu vermeiden, ist es wichtig, über die zentralen Fakten informiert zu sein.

Alles, was Sie wissen müssen: Die wichtigsten Facts im Überblick:

Welche Rechtsvorschriften regeln die Tätigkeiten und Ausbildung der Ordinationsassistenz?

Die gesetzliche Grundlage für das Berufsbild der Ordinationsassistenten ist das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz kurz MABG. Es ist seit 1. Jänner 2013 in Kraft. Die korrekte Berufsbezeichnung lautet „Ordinationsassistent/Ordinationsassistentin“.

In welchen Bereichen kann die Ordinationsassistenz eingesetzt werden?

Der Einsatz der Ordinationsassistenz ist in ärztlichen Ordinationen, ärztlichen Gruppenpraxen, selbstständigen Ambulatorien, nicht bettenführenden Organisationseinheiten einer Krankenanstalt und in Sanitätsbehörden möglich.

Welche Tätigkeiten sind im Rahmen der Ordinationsassistenz erlaubt?

Die Tätigkeiten von Ordinationsassistenten umfassen ausschließlich einfache Tätigkeiten bei ärztlichen Maßnahmen. Diese Tätigkeiten dürfen nur nach ärztlicher Anordnung und Aufsicht durchgeführt werden. Der Tätigkeitsbereich umfasst etwa die Durchführung von standardisierten diagnostischen Programmen  (z. B. Blutdruckmessen) und standardisierten Blut-, Harn- und Stuhluntersuchungen mittels Schnelltestverfahren ( Point-of-Care-Testing ) einschließlich der Blutentnahme aus den Kapillaren im Rahmen der patientennahen Labordiagnostik.

Ebenso dürfen Ordinationsassistenten Blutentnahmen aus der Vene bei Erwachsenen durchführen (nicht bei Kindern), die Patientenbetreuung und Praxishygiene übernehmen. Schließlich gehört auch die Durchführung organisatorischer und administrativer Tätigkeiten zum Aufgabenbereich von Ordinationsassistenzen. Nicht umfasst hingegen sind Tätigkeiten, die spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern und damit vorwiegend in die Tätigkeitsbereiche anderer medizinischer Assistenzberufe bzw. anderer Gesundheitsberufe fallen.

Müssen auch Sprechstundenhilfen nach dem MABG ausgebildet sein?

Nein, Ordinationsangestellte, die nur administrative Tätigkeiten bzw. Verwaltungstätigkeiten übernehmen, also „Sprechstundenhilfen“, benötigen keine Ausbildung nach dem MABG. Diese sind jene Mitarbeiter, die organisatorische und Verwaltungstätigkeiten ausüben.

Ist eine staatliche Zulassung für Ordinationsassistenten erforderlich?

Ordinationsassistent:innen benötigen für ihre Berufsausübung einen Qualifikationsnachweis. Hierfür gilt ein Zeugnis über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung oder ein Diplom über die mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung in der medizinischen Fachassistenz als tauglicher Nachweis. Auch im Ausland erworbene, staatlich anerkannte Ausbildungen können hierfür herangezogen werden, bedürfen aber ggf. der innerstaatlichen Anerkennung.

Was ist beim Arbeitsvertrag/Vertragsgestaltung zu beachten?

Die Ausübung des Berufs der Ordinationsassistenz darf nur in einem Dienstverhältnis erfolgen, und zwar etwa zum Rechtsträger einer Krankenanstalt oder zu einem freiberuflich tätigen Arzt oder zu einer ärztlichen Gruppenpraxis.

Damit ist klargestellt, dass die medizinischen Assistenzberufe nicht freiberuflich, sondern ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausgeübt werden dürfen. Die personellen und strukturellen Gegebenheiten in der Gesundheitsversorgung erfordern allerdings auch einen flexiblen Einsatz vom Gesundheitspersonal. In diesem Sinne wird die Möglichkeit der Berufsausübung der medizinischen Assistenzberufe auch im Wege der Arbeitskräfteüberlassung geschaffen.

Wo lauern juristisch die größten Fallen? Worauf müssen Praxen besonders achten?

Rechtlich problematisch ist immer, wenn Personen einen im Gesetz geregelten Beruf ausüben, für den sie nicht die nötige Ausbildung haben. Das trifft auch auf Ordinationsassistenten zu. Aber auch für Ärzte oder Gesundheitseinrichtungen, die Personen ohne die nötige Ausbildung beschäftigen, ist dies problematisch.

In dem Fall können gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Strafen drohen. Gleiches gilt bei missbräuchlicher Verwendung von geschützten Berufsbezeichnungen (wie eben Ordinationsassistentinnen), bei Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht oder bei Verstößen gegen die Berufsausübungsregelungen.

Wer haftet bei Fehlern?

Bei Fehlern von Ordinationsassistenzen, die zu Schäden an Patientinnen und Patienten führen, haftet grundsätzlich der Arzt oder die Ärztin oder die Gesundheitseinrichtung, bei der die Person beschäftigt ist.

Müssen Ordinationsassistenten eine Ausbildung absolvieren; und wenn ja, welche?

Die Ausbildung in den medizinischen Assistenzberufen besteht in Österreich sowohl aus einer theoretischen als auch einer praktischen Ausbildung. Das Gesetz legt die jeweiligen Mindeststunden fest. Die Ausbildung für die Ordinationsassistenz umfasst mindestens 650 Stunden, wobei mindestens die Hälfte auf die praktische Ausbildung und mindestens ein Drittel auf die theoretische Ausbildung zu entfallen hat.

Die Ausbildung in der Ordinationsassistenz kann auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem niedergelassenen Arzt, einer ärztlichen Gruppenpraxis, einer Primärversorgungseinheit, einem selbstständigen Ambulatorium oder einer Sanitätsbehörde erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass dort alle vorgesehenen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden können. Die theoretische Ausbildung ist dann an einer Schule für medizinische Assistenzberufe oder einem Lehrgang für Ordinationsassistenz zu absolvieren.

Müssen die Kosten der Ausbildung zur Ordinationsassistenz von den Ärzten bezahlt werden?

Das MABG enthält keine ausdrücklichen Regelungen darüber, wer die Ausbildungskosten zu tragen hat. Mit Blick auf das Berufsausbildungsgesetz wird allerdings die Meinung vertreten, dass bei einer Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses der Arbeitgeber für die Kosten des theoretischen Fachkurses aufzukommen hat.

Sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Ausbildung gemäß MABG vereinbaren, sind die Kosten der theoretischen Ausbildung vom Arbeitgeber zu tragen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Ausbildung von der Arbeitgeberseite angeordnet oder gewünscht wird.

Gebührt der Ordinationsassistenz eine Dienstfreistellung für die Absolvierung des Ordinationsassistenzkurses gemäß MABG?

Das MABG sieht hierfür keine Regelung vor. Sofern die Ordinationsassistenz ihre Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses in einer Ordination oder anderen entsprechenden Gesundheitseinrichtung absolviert, ist die theoretische Ausbildung an einer Schule für medizinische Assistenzberufe oder einem Lehrgang für Ordinationsassistenz zu absolvieren. Dies wird dem Dienstgeber bewusst sein und man wird der Ordinationsassistenz nach Möglichkeit für jene Zeiten, in denen die theoretische Ausbildung stattfindet, nach Möglichkeit freigeben.

Ist eine Ordinationsassistenz allerdings zu bestimmten Zeiten unabkömmlich und unersetzbar, wird der Dienst in der Ordination in der Regel vorgehen. Im Idealfall wird der Dienstgeber aber die Dienstzeiten im Vorhinein mit den Schul- und Lehrgangszeiten abstimmen.

Ist die Vereinbarung einer Kostenrückerstattung für den Fall des vorzeitigen Austritts aus dem Dienstverhältnis durch die Assistenz gestattet?

Ja, eine solche Vereinbarung ist zulässig, muss aber schriftlich erfolgen. Außerdem besteht ein Anspruch des Dienstgebers auf Kostenrückerstattung nur bei erfolgreichem Abschluss oder bei schuldhafter Vereitelung eines solchen Abschlusses. Wurde die Ausbildung nicht erfolgreich abgeschlossen und trifft die Assistenz hierfür kein Verschulden, besteht kein Rückerstattungsanspruch.

Gibt es einen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen die Ausbildung zur Ordinationsassistenz erfolgen muss?

Ja, diesen zeitlichen Rahmen gibt es. Der Nachweis über die Absolvierung des Kurses und die positive Ablegung der entsprechenden kommissionellen Prüfung muss spätestens nach drei Jahren, gerechnet ab Dienstantritt, erfolgen.


Metadaten
Titel
Ordinationsassistenz gesucht!
Publikationsdatum
28.11.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 50/2024