Video 2: Myotomie während POEM: Durchtrennung der Ringmuskulatur, Erhalt der Längsmuskulatur
Video 3: Verschluss des Myotomietunnels mit Clips
Hinweise
Video online
Die Onlineversion dieses Beitrags (https://doi.org/10.1007/s41971-020-00075-5) enthält 2 Videos zur Myotomie während POEM sowie ein Video zum Verschluss des Myotomietunnels mit Clips. Beitrag und Video stehen Ihnen im elektronischen Volltextarchiv auf springermedizin.at unter http://www.springermedizin.at/gastrohepatol zur Verfügung. Sie finden das Video am Beitragsende als „Supplementary Material“.
Masterarbeit zur Erlangung des Doktorats an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz, durchgeführt am Ordensklinikum Linz.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Einleitung
Die perorale endoskopische Myotomie (POEM) ist ein minimal-invasives Verfahren zur Therapie der Achalasie. In dieser Studie analysieren wir das Outcome der POEM am Ordensklinikum Linz, um die Sicherheit und Effektivität der Methode in unseren Händen zu evaluieren.
Methodik
Unsere retrospektive Datenanalyse umfasst alle Achalasiepatienten, die von Januar 2015 bis August 2018 am Ordensklinikum Linz mittels POEM behandelt wurden. Die präoperative Evaluierung beinhaltete die Durchführung einer HR-Manometrie (Chicago-Klassifikation [1]; Tab. 1), ÖGD, Videocinematographie und eine Evaluierung der klinischen Beschwerden der Patienten (Eckardt-Score [2]; Tab. 2).
Tab. 1
Klassifikation der Achalasie entsprechend der HR(High Resolution)-Manometrie [9]
Wir führen POEM in Intubationsnarkose und mit CO2-Insufflation durch. Nach submuköser Injektion wird die Mukosa ca. 12 cm oberhalb der Kardia inzidiert und ein submuköser Tunnel über die Kardia hinweg bis in den proximalen Magen präpariert. Dann wird die innere Ringmuskulatur von 2 cm distal der Kardia nach proximal bis ca. 3 cm unterhalb der Mukosainzision durchtrennt, die Längsmuskulatur wird erhalten. Abschließend wird der Tunneleingang mit Clips verschlossen (Abb. 1, 2 und 3).
Abb. 1
Myotomie während POEM
Abb. 2
Myotomie während POEM: Durchtrennung der Ringmuskulatur, Erhalt der Längsmuskulatur
Abb. 3
Verschluss des Myotomie-Tunnels mit Clips
×
×
×
Nachkontrollen wurden 6 Wochen nach POEM in Form einer Kontrollgastroskopie und Reevaluierung der klinischen Beschwerden durchgeführt.
Ergebnisse
Im Rahmen der Studie wurden 43 konsekutive Patienten mit POEM ausgewertet. 22 (51,8 %) waren Frauen, 21 (48,8 %) waren Männer. Das durchschnittliche Alter betrug 55,1 Jahre und reichte von 17–84 Jahren. 6 Patienten (13,9 %) waren mit Botulinumtoxininjektion, 12 Patienten (27,9 %) mit pneumatischer Ballondilatation vorbehandelt worden. Entsprechend der Chicago-Klassifikation konnten 30 Patienten (83,3 %) einer Achalasie vom Typ II (Abb. 4), 4 Patienten (11,1 %) einer Achalasie vom Typ III (Abb. 5) und 2 Patienten (5,6 %) einer Achalasie vom Typ I zugeordnet werden. Die mittlere Länge der Myotomie betrug 8,5 cm ± 0,5 und erstreckte sich bis 2 cm über den gastroösophagealen Übergang hinaus. Von 36 inkl. Nachkontrollen auswertbaren Eingriffen wurde in 33 Fällen (91,7 %) ein initialer Therapieerfolg (definiert als Eckardt-Score ≤3) erzielt. 3 Patienten (8,3 %) entwickelten ein Rezidiv. Insgesamt konnte eine signifikante Reduktion des Eckardt-Scores von 7,0 ± 0,3 auf 1,0 ± 0,2 nach POEM erreicht werden (p < 0,0001). Wir beobachteten 5 Komplikationen (11,4 %, arterielle Blutung 2, Pneumothorax 2, Pneumonie 1), die konservativ behandelt werden konnten. Bezüglich postoperativ neu aufgetretener Refluxerkrankung konnten 24 Datensätze ausgewertet werden. Neun Patienten (37,5 %) zeigten eine erosive Ösophagitis oder eine symptomatische Refluxerkrankung. Bei 7 Patienten wurde endoskopisch nach der Los-Angeles-Klassifikation eine erosive Ösophagitis Grad A (20,8 %) und Grad B (8,3 %) diagnostiziert. Weitere 2 Patienten berichteten nur typische Symptome einer Refluxerkrankung (NERD).
Abb. 4
Achalasie Chicago II
Abb. 5
Achalasie Chicago III
×
×
Diskussion
Die perorale endoskopische Myotomie konnte im Rahmen unserer Analyse mit einer initialen Erfolgsrate von 91,7 % (n = 33) durchgeführt werden (Therapieerfolg definiert als Eckardt-Score ≤3 6 Wochen nach POEM). Es konnte eine signifikante Reduktion des Eckardt-Scores erreicht werden (ES 7,0 ± 0,3 vs. ES 1,0 ± 0,2; p < 0,0001). Es wurden 3 Rezidive beobachtet (8,3 %). Inoue et al. berichten in einer prospektiven Studie mit 500 Patienten von einer Erfolgsrate von >90 % und einer Reduktion des ES im Mittel von 6,0 auf 1,0. In einer anderen rezenten randomisierten kontrollierten Studie wurden initiale Erfolgsraten von 92 % beschrieben [4‐6].
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Die Komplikationsrate unserer Studie liegt bei 11,6 %. Die entsprechenden Raten rezenter Studien variieren von 0–30 %, da kein Konsens besteht, was als Komplikation gewertet werden soll. Am ehesten vergleichbar ist die prospektive Studie von Inoue et al. mit 500 Patienten, die eine Komplikationsrate von 3,2 % erzielte. Eine japanische multizentrische retrospektive Analyse von 1300 mit POEM behandelten Patienten beobachtete eine Rate von 3,7 % [3‐6]. Die beobachteten Komplikationen steigen in unserer Analyse mit zunehmendem Alter an (46–60 Jahre: 10 % vs. 61–75 Jahre: 15,4 % vs. 76–90 Jahre: 28,6 %). In jüngeren Altersgruppen (<45 Jahre) traten keine Komplikationen auf. Dieser Zusammenhang wird auf die altersbedingte erhöhte Vulnerabilität des Gewebes und die allgemein reduzierte Regenerationsfähigkeit zurückgeführt.
Die Diskrepanz der Komplikationsrate zur aktuellen Studienlage lässt sich am ehesten durch die geringe Fallzahl bzw. fehlende Datensätze und eine der Komplexität der Methode geschuldete Lernkurve begründen. Letzterer Verdacht erhärtet sich bei Betrachtung der Komplikationsraten der einzelnen Jahre. Diese nehmen sukzessive von 25 % und 20 % in den ersten beiden Jahren auf 8,3 % im Jahr 2017 sowie 0 % im Jahr 2018 ab. Die über die Zeit sinkenden Raten könnten als Ausdruck einer Lernkurve gewertet werden.
In einer prospektiven Studie mit 40 mittels POEM behandelten Patienten wurden Dauer der Intervention und Inzidenz von Mukosaperforationen untersucht, um eine Lernkurve zu definieren. Das Meistern der Technik geht bewiesenermaßen mit einer Reduktion der beiden Parameter einher, die bei erfahrenen Endoskopikern nach ca. 20 Eingriffen konstant bleiben [7]. In einer ähnlich aufgebauten prospektiven Studie mit 93 Patienten war das Plateau der Eingriffsdauer und damit das Meistern der Intervention nach 60 Eingriffen erreicht [8].
Eine postinterventionelle Refluxkrankheit konnte in 37,5 % der Fälle festgestellt werden, definiert als endoskopische Diagnose einer erosiven Refluxkrankheit oder als Vorliegen einer typischen Klinik. Die Studienlage zur Entwicklung einer Refluxkrankheit nach POEM variiert stark. In einem aktuellen systematischen Review wurden 1542 POEM analysiert und eine Refluxösophagitis in 35,3 % der Fälle festgestellt. Die bereits erwähnte multizentrische Studie aus Japan mit 1300 Interventionen beobachtete erosive Refluxösophagitiden in 63 % der Fälle und eine typische Refluxsymptomatik in 15 % [3, 9].
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unsere Ergebnisse hinsichtlich Therapieansprechen (Reduktion des Eckardt-Scores) und Refluxentwicklung den Zahlen großer randomisierter Studien entsprechen. Dies kann als Qualitätsmerkmal erachtet werden. Die Komplikationsrate liegt im internationalen Durchschnitt mit Verweis auf eine mögliche Lernkurve bei einer komplexen Intervention.
Vor- und Nachteile der POEM gegenüber anderen Methoden: Eine randomisierte kontrollierte Studie von Ponds et al. aus dem Jahr 2019 vergleicht POEM und pneumatische Ballondilatation (PBD) hinsichtlich Therapieerfolg (definiert als ES ≤3 und dem Ausbleiben von schwerwiegenden Komplikationen bzw. der Notwendigkeit einer erneuten Therapie im Verlauf des 2‑jährigen Follow-ups). Von 126 Patienten erhielten 63 eine POEM und 63 eine PBD. Der Langzeittherapieerfolg der POEM-Gruppe betrug 92 % verglichen mit 54 % der PBD-Gruppe. Die PBD-Gruppe verzeichnete 2 schwerwiegende Komplikationen, unter anderem eine Ösophagusperforation. In der POEM-Gruppe wurden keine Komplikationen verzeichnet. Die Studie zeigt einen signifikanten Vorteil der POEM gegenüber der PBD im Hinblick auf Sicherheit und Effektivität [5].
Schlottmann et al. veröffentlichten 2018 einen Review, in dem das Outcome der POEM mit jenem der laparoskopischen Myotomie nach Heller (LHM) verglichen wird. Nach 12 Monaten zeigte sich eine Besserung der Dysphagiesymptomatik bei 93,5 % der mittels POEM behandelten Patienten, während es bei 91,0 % der mittels LHM behandelten Patienten zu einer Besserung der Dysphagiesymptome kam. Nach 24 Monaten zeigten 92,7 % der POEM-Gruppe vs. 90,0 % der LHM-Gruppe eine Besserung der Klinik. Das Ergebnis lässt darauf schließen, dass POEM zumindest gleich effektiv wie LHM ist [10].
Eine Metaanalyse von Repici et al. aus dem Jahr 2018 vergleicht die LHM und POEM hinsichtlich des Auftretens einer postoperativen Refluxsymptomatik. Von 1542 POEM-Patienten präsentierten 19,0 % eine Refluxsymptomatik. Bei den 2581 LHM-Patienten fiel die Refluxrate mit 8,8 % deutlich niedriger aus. Die Rate von postoperativen Refluxösophagitiden war nach POEM im Vergleich zur LHM mit 29,4 % vs. 7,6 % ebenfalls deutlich erhöht [9].
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Ein möglicher Vorteil der LHM mit Fundoplicatio gegenüber der POEM ist eine niedrigere Wahrscheinlichkeit für postoperative Refluxerkrankungen.
Um den Stellenwert der POEM weiter zu evaluieren und LHM mit POEM zu vergleichen, werden in Zukunft Langzeitdaten aus randomisierten kontrollierten Studien notwendig sein.
Fazit
Die perorale endoskopische Myotomie erwies sich in unserem Setting als eine effektive und sichere Methode zur Therapie der Achalasie.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
R. Wiedmer Chaparro, T. Fritz, G. Spaun, A. Ziachehabi und R. Schöfl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die retrospektive Datenanalyse war kein Ethikvotum notwendig. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.