Die Therapie schmerzhafter rheumatischer Erkrankungen umfasst nichtmedikamentöse und medikamentöse Maßnahmen. Kurzdauernde Schmerzen sprechen meist gut auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder „reine“ Analgetika an, die Therapie chronischer Schmerzen erfordert meist den Einsatz einer Vielzahl ergänzender Methoden in individuell angepasster Kombination. Die Auswahl dieser Methoden orientiert sich an der Schmerzcharakteristik, der Schmerzlokalisation, der zugrunde liegenden Erkrankung und Begleit- bzw. Folgeerkrankungen wie Depression oder Organschäden. Für Ärzt:innen und Therapeut:innen, die Patient:innen mit chronischen Schmerzen behandeln, sind Kenntnisse des Spektrums der Schmerztherapie unabdingbar.
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Einleitung
Schmerzen sind ein bestimmendes Symptom der meisten rheumatischen Erkrankungen. Daher sollten Ärzt:innen, die Patient:innen mit rheumatischen Beschwerden oder Erkrankungen behandeln, kompetent im Einsatz und der Verordnung der unterschiedlichen Methoden der Schmerzbekämpfung sein. Dabei spielen selbstverständlich Medikamente die führende Rolle, aber Schmerztherapie geht weit über die „klassischen“ Schmerzmittel hinaus. Dieser Artikel soll vor allem die Möglichkeiten darstellen, die die Medizin neben der Verordnung von Analgetika insbesondere bei der Therapie chronischer Schmerzen hat.
Eine wesentliche Klassifikation und Basis der Methodenauswahl betrifft die Schmerzdauer
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Eine wesentliche Klassifikation und Basis der Methodenauswahl betrifft die Schmerzdauer. Unter akuten Schmerzen versteht man solche, die bis zur Heilung bzw. Beseitigung der Ursache bestehen, wie Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen, akut entzündliche Schmerzen (Weichteilinfekte mit Abszedierung, akute Zahnschmerzen etc.) oder akute viszerale Schmerzen (Gallen- oder Nierensteinkolik, Enteritis etc.). In der Regel wird eine zeitliche Begrenzung auf < 3 (oder < 6) Monate angenommen. Chronische Schmerzen entstehen, wenn die Ursache nicht zeitnah beseitigt werden kann. In diesem Fall kommt es zu komplexen strukturellen Veränderungen insbesondere der an der Schmerzempfindung beteiligten nervalen Strukturen (von den peripheren schmerzleitenden Fasern bis zur zentralen kortikalen Schmerzempfindung), die zur Chronifizierung des Schmerzempfindens beitragen.
Diese Prozesse werden unter dem Begriff „Schmerzgedächtnis“ subsummiert. Um der Ausbildung des Schmerzgedächtnisses entgegenzuwirken, sollte, vor allem wenn mit einer Beseitigung der Ursache nicht innerhalb der ersten Wochen zu rechnen ist, die Therapie jedenfalls mehrere Komponenten (siehe unten) umfassen.
Anamnese und Diagnostik
In der Schmerzmedizin werden im Wesentlichen 3 „Typen“ von Schmerzen unterschieden:
Typisch für den peripher-nozizeptiven Schmerz ist seine bohrende, schneidende und/oder stechende Charakteristik, bei viszeral-nozizeptivem Schmerz der dumpf-bohrende und/oder an- und abschwellende bzw. kolikartige Charakter. Die Auslöser sind lokale Gewebsschädigungen, wie Entzündung, Trauma oder Ischämie, sowie unter den rheumatischen Krankheitsbildern vor allem Arthritis und Arthrose. Diese Art von Schmerz spricht meist gut auf nichtsteroidale Antirheumatika/Cox2-Inhibitoren (NSAR/Coxibe) oder Opioide an.
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Der peripher-neuropathische Schmerz entsteht im Wesentlichen durch Irritation eines oder mehrerer Nerven in ihrem Verlauf. Die Schmerzcharakteristik ist brennend, einschießend, elektrisierend und/oder parästhetisch. Diese Schmerzen treten beispielsweise bei Nerveneinklemmungssyndromen (Ischialgie, Karpaltunnelsyndrom …), aber auch bei Neuropathien im engeren Sinn (ischämische Nervenläsion z. B. im Rahmen einer Vaskulitis, diabetischen Neuropathie …) auf. Beschreibt der/die Patient:in den Schmerz entsprechend den o. g. Charakteristiken, sollten neben den NSAR auch frühzeitig Antidepressiva (Trizyklika, SSRI/SNRI), Antikonvulsiva und eventuell Opioide eingesetzt werden.
Der peripher-neuropathische Schmerz entsteht durch Irritation eines oder mehrerer Nerven
Für den zentralen/zentral-neuropathischen Schmerz sind die generalisiert diffuse oder multilokuläre Verteilung und der eher neuropathische Schmerz (s. oben) charakteristisch. Die rheumatologischen Krankheitsbilder, die in diese Gruppe chronischer Schmerzen einzuordnen sind, sind Fibromyalgie und verwandte Krankheitsbilder. Diese werden auch unter dem Begriff „zentrale Sensitivitätssyndrome“ zusammengefasst. Die medikamentösen Therapieansätze unterscheiden sich hier prinzipiell von den anderen beiden Schmerztypen, da im Allgemeinen von NSAR keine nachhaltige Verbesserung zu erwarten ist und diese daher eher vermieden werden sollten. Substanzen erster Wahl sind hier trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva, auch SSRI oder SNRI und schwache Opioide (Tramadol).
Es wird empfohlen, bei der Schmerzanamnese die oben genannten Charakteristiken gezielt abzufragen und z. B. anhand eines Formblatts aufzuzeichnen (Abb. 1).
Abb. 1
Formblatt zur Erfassung der Schmerzcharakteristik
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In vielen Fällen werden der Schmerzempfindung von den Betroffenen unterschiedliche Eigenschaften (z. B. peripher-nozizeptiv und neuropathisch) zugeordnet, dies wird auch als „mixed pain“ beschrieben.
Schmerzmessung
Zur Kontrolle des Therapieerfolges ist es erforderlich, die Schmerzintensität zu erfassen. Dies kann mithilfe numerischer Bewertungsskalen („numerical rating scale“, NRS), Likert-Skalen, visueller Analogskalen oder eines „Schmerzlineals“ erfolgen (Abb. 2) und sollte in der Patientenakte dokumentiert werden.
Abb. 2
Instrumente zur Schmerzerfassung
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Therapie chronischer (rheumatischer) Schmerzen
Da die therapeutischen Ansätze in der Schmerztherapie sehr vielfältig sind, sollte insbesondere bei möglicher Chronifizierung frühzeitig die Vielfalt der Methoden bedacht und wenn nötig ausgeschöpft werden (Tab. 1).
Tab. 1
Spektrum der medikamentösen und nichtmedikamentösen Schmerztherapie
Ansätze der Schmerztherapie
Medikamentös
Therapie der Entzündung, Kompression, Schwellung, „Grunderkrankung“
„periphere“ und/oder „zentrale“ Analgetika
Schmerzverarbeitung
Muskelverspannungen, Depression, Stimmung
Mechanische Stützen/Schutzmaßnahmen/Hilfsmittel
Physikalische Maßnahmen/Bewegungstherapie
Psychologische Betreuung („Schmerzbewältigung“)
„Komplementäre Verfahren“
Invasive Verfahren
Infiltrationen
Gelenkskorrekturen
Nervendekompression
Neurostimulation
Medikamente
Eine umfassende Darstellung der vielfältigen Möglichkeiten medikamentöser Schmerztherapie würde den Umfang dieser Übersicht sprengen. Mir erscheint wesentlich, nochmals darauf hinzuweisen, dass sich die Auswahl des oder der Medikamente/s an der Schmerzcharakteristik und der Grunderkrankung orientieren sollte (Abb. 3).
Abb. 3
Auswahl der Medikamente zur Therapie chronischer Schmerzen. (Nach [1])
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Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
Diese weltweit meistverordnete Medikamentengruppe ist bei kurzfristigem Einsatz und Beachtung der Kontraindikationen sicher und hocheffektiv gegen alle Arten von (akutem) Schmerz – von Kopfschmerzen bis zu Menstruationsbeschwerden. Zusätzlich haben NSAR auch eine abschwellende Wirkung, sodass ihr Einsatz bei jeder Art von entzündlicher, aber auch bei traumatischer Gelenkschwellung indiziert und effektiv ist. Auch bei degenerativ bedingten Gelenkschmerzen (Arthrose) sind NSAR indiziert.
NSAR sind auch bei degenerativ bedingten Gelenkschmerzen (Arthrose) indiziert
Hierbei zeigte sich die topische Anwendung im Vergleich zur oralen Einnahme ähnlich effektiv, Nebenwirkungen, insbesondere am Gastrointestinaltrakt, waren deutlich geringer. Bei Risikopatient:innen (höheres Alter, kardiale oder renale Vorerkrankungen, Asthma) sollte vor allem die systemische Anwendung von NSAR jedenfalls mit großer Vorsicht erfolgen, gegebenenfalls muss auf diese ganz verzichtet werden und auf alternative Medikamentengruppen ausgewichen werden.
Opioide
Sowohl schwache (Tramadol) als auch starke Opioide (der Suchtgiftverordnung unterliegende Opiate im engeren Sinn) sind insbesondere bei chronischen Schmerzen dann einzusetzen, wenn mit NSAR, Paracetamol oder Metamizol nicht das Auslangen gefunden wird. Bei entsprechend disponierten Patient:innen muss das Abhängigkeitspotenzial beachtet werden. Letzteres wird jedoch meist überschätzt und kann minimiert werden: Die Verordnung sollte möglichst ein fixes Schema (meist 2‑mal täglich) eines retardierten Präparats umfassen, dazu wird etwa ein Sechstel der Tagesdosis als Bedarfsmedikation bei „Schmerzdurchbruch“ (analog zur Therapie von malignen Schmerzen) zur selbstständigen Einnahme durch den/die Patient:in verordnet. Aufgrund der Nebenwirkungen (Übelkeit, Obstipation) sollte eine antiemetische und stuhlfördernde Begleitmedikation von Anfang an mitverordnet werden. Da die Opioide auch einen zentralen Angriffspunkt haben, ist ihre Anwendung nicht nur bei anders nicht zu beherrschendem nozizeptivem Schmerz, sondern auch bei neuropathischem Schmerz indiziert.
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Koanalgetika
Zahlreiche Medikamente(ngruppen), die für andere Indikationen entwickelt wurden, werden in der Schmerztherapie eingesetzt und sollen, falls Grunderkrankung und/oder Schmerzcharakteristik dies nahelegen, frühzeitig verordnet werden (siehe Abb. 3). Dazu zählen Glukokortikoide (GC), Antidepressiva, Antikonvulsiva, Muskelrelaxantien und andere.
Glukokortikoide haben selbst keine schmerzstillende Wirkung, sind aber vor allem bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen Mittel der ersten Wahl. Insbesondere bei Arthritis eines oder weniger Gelenke stellt die intraartikuläre Applikation eine bewährte und sehr effektive Option da. Die durch die Entzündung verursachten Schmerzen und Funktionseinschränkungen sind so rasch und oft sehr nachhaltig zu behandeln. Eine Erkrankung, die prompt auf systemische GC anspricht, ist die Polymyalgia rheumatica. Bei dieser vor allem durch schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im Schulter- und Beckengürtel charakterisierten Erkrankung sind somit GC in moderater Dosis (15–25 mg Prednisolonäquivalent/Tag) Therapie erster Wahl und im Allgemeinen besser und sicherer wirksam als NSAR.
Die Polymyalgia rheumatica ist eine prompt auf systemische GC ansprechende Erkrankung
Weist der Schmerz eine neuropathische Komponente auf, sollte, insbesondere bei dysfunktionalen Schmerzen, primär an die Anwendung von Antidepressiva gedacht werden. „Klassische“ Schmerzmedikamente sind bei dieser Form des Schmerzes (unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung) entweder nicht oder nicht ausreichend effektiv. Sowohl für trizyklische Antidepressiva (in erster Linie Amitriptylin) als auch für Serotonin- und/oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer sind schmerzmodifizierende Wirkungen bestens dokumentiert.
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Auch Antikonvulsiva (Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin) sind bei neuropathischer Schmerzcharakteristik wirksam und auch in der Langzeitanwendung sicher und gut verträglich. Wesentlich bei dieser Substanzgruppe ist ein langsames Aufdosieren, um die Verträglichkeit zu optimieren (Tab. 2).
Tab. 2
Aufdosierungsschema für Pregabalin. Dosissteigerungen erfolgen jeweils abends, bei guter Verträglichkeit „Nachziehen“ der Morgendosis
Tag
Dosis (mg)
1–5
25–0–25
6–10
25–0–50
11–15
50–0–50
16–20
50–0–75
21–35
75–0–75
36–40
75–0–100
41–45
150–0–150
46–50
150–0–200
51–55
200–0–200
56–60
200–0–250
61–65
250–0–250
66–70
250–0–300
Ab Tag 71
300–0–300
Da Schmerzen insbesondere im Bewegungsapparat häufig zu Veränderungen des Muskeltonus („Verspannungen“) führen können, kann in solchen Fällen auch der Einsatz von Muskelrelaxanzien (z. B. Orphenadrin, Tizanidin oder Tetrazepam) in Erwägung gezogen werden. Die Anwendung dieser Substanzen ist allerdings auf kurzzeitige Gabe beschränkt, eine Dauermedikation sollte insbesondere aufgrund des Nebenwirkungsprofils vermieden werden.
Cannabinoide
In einem rezenten Cochrane-Review kommen die Autoren zum Schluss, dass die negativen Effekte von cannabis-basierten Präparaten (pflanzliches Cannabis, pflanzliches oder synthetisches THC, THC-/CBD-Sprays) bei chronisch-neuropathischen Schmerzen deren dokumentierten (mäßigen) Nutzen möglicherweise übersteigen. Bei Patient:innen mit einer Anamnese von Substanzmissbrauch sollte von der Anwendung von Cannabinoiden eher Abstand genommen werden. Derzeit sind Cannabinoidpräparationen für die Schmerztherapie nicht erstattungsfähig.
Capsaicin
Capsaicin, ein in verschiedenen Paprika- oder Chiliarten enthaltenes Alkaloid, löst durch Erregung des TRPV1-Rezeptors einen Hitze- (auf der Haut) oder Schärfereiz (auf der Zunge) aus. Dadurch kommt es zur Desensibilisierung dieses Rezeptors mit konsekutiver Unterdrückung eines Teils der Schmerzempfindung. In der Folge ist bei epidermaler Anwendung eine transiente Verminderung der C‑Faser-Dichte in der Haut nachweisbar.
Dies wird als Mechanismus der klinischen Wirksamkeit der hochkonzentrierten Pflasterpräparate (8 % Capsaicin) angenommen. Indikationen für die Anwendung sind insbesondere neuropathische Schmerzen, wie chemotherapieinduzierte oder diabetische Polyneuropathie und Post-Zoster-Neuralgie, aber auch Neuropathien anderer Genese. Bei chronischer lumbaler Radikulopathie konnte bei bis zu 50 % der Patient:innen eine zumindest 30 %ige Schmerzreduktion über 12 Wochen erzielt werden.
Nichtmedikamentöse Schmerztherapie
Mechanische Stützen/Schienen
Die Anwendung mechanischer Stützen an Gelenken, sei es, dass der Schmerz durch Entzündung, Instabilität oder beides bedingt ist, bewirkt eine sehr effektive und praktisch nebenwirkungsfreie Schmerzminderung, die sowohl zur Akut- auch zur Langzeitanwendung geeignet ist (Abb. 4).
Abb. 4
Schiene („Funktionsschiene“) zur Stabilisierung des Handgelenks bei rheumatoider Arthritis (a) und Rhizarthroseschiene (b)
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Physikalische Therapie
Bei chronischen Schmerzen wird im Allgemeinen die Anwendung von Therapien mit wärmendem Effekt empfohlen. Dazu zählen die diversen Formen der Elektrotherapie, Ultraschall und wärmende Packungen. Paraffinbäder sind vor allem bei Schmerzen im Hand- und Fußbereich anwendbar und können auch zu Hause angewendet werden (Abb. 5).
Vor allem zur Heimanwendung geeignet ist die transkutane Elektroneurostimulation (TENS). Moderne TENS-Geräte verfügen über mehrere Programme, die jeweils zum Einsatz bei unterschiedlichen Formen von Schmerzen, insbesondere mit zumindest zum Teil neuropathischem Charakter, empfohlen werden (Abb. 6).
Abb. 6
TENS bei tiefsitzenden Rückenschmerzen
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Bewegungstherapie
Kein Therapiekonzept gegen chronische Schmerzen ist vollständig ohne Einbeziehung eines Bewegungstherapieprogramms. Die Effekte der Bewegungstherapie auf den Organismus sind komplex und multipel. Sie führt unter anderem zur Verbesserung von Muskelkraft, kardiorespiratorischer Ausdauer, Koordination, (Gelenk‑)Beweglichkeit und Schutzfunktion der Muskulatur für Gelenke, Knochen und Bänder (Abb. 7). Wesentliche Effekte regelmäßig durchgeführter Bewegungstherapie sind die Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens, der Körperkontrolle und letztendlich des Selbstbewusstseins. Diese scheinen zumindest indirekt geeignet, auch das Erleben chronischer Schmerzen zu modifizieren.
Abb. 7
Bewegungstherapie als integraler Bestandteil der Schmerztherapie
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Im erweiterten Sinn zählen auch unterschiedliche Entspannungstechniken (z. B. progressive Muskelentspannung nach Jacobson, rhythmisches Atemtraining, autogenes Training, Stretchingtechniken) zur Bewegungstherapie. Trotz im Allgemeinen nur mäßig guter Evidenz für deren Effektivität in der Schmerztherapie sollten sie den Patient:innen angeboten werden. Bei subjektiv gutem Effekt können diese Methoden zeitlich unbegrenzt und gegebenenfalls von den Patient:innen auch ohne Anleitung in Heimanwendung durchgeführt werden.
Invasive Therapien
Infiltrationen von Gelenken, Muskel- und Sehnenansätzen, Nervenwurzeln, Facettengelenken (oft unter Bildgebung wie CT oder Ultraschall durchgeführt) und „Schmerzpunkten“ z. B. mit Lokalanästhetika stellen eine bewährte und bei entsprechend aseptischer Technik eine sehr sichere und effektive Methode dar, akute und chronische Schmerzen im Bewegungsapparat oder bei Nervenirritationen zu behandeln. Auch Glukokortikoidinstillationen sind insbesondere bei entzündlicher Genese (siehe oben) empfehlenswert.
Bei in Folge von degenerativen oder entzündlichen Erkrankungen deformierten Gelenken sollte an Gelenkkorrektur oder -ersatz gedacht werden. Durch die modernen und hoch effektiven Medikamente, die bei entzündlichen Gelenkerkrankungen zum Einsatz kommen, wird die Indikation für einen Gelenkersatz bei rheumatoider Arthritis oder Psoriasisarthritis nur noch selten gestellt; weiterhin ist Gelenkersatz bei Arthrose (Knie > Hüfte > andere Gelenke) unter den häufigsten orthopädischen Eingriffen, mit meist in > 90 % der Fälle zufriedenstellenden Resultaten für die Patient:innen.
Schmerzen bei Nerveneinklemmungssyndromen (Karpaltunnel, Ulnaristunnel etc.) sind mittels Infiltrationen behandelbar. Falls diese nicht ausreichend wirksam sind, sollte eine operative Dekompression durchgeführt werden, die meist gute Langzeiterfolge erbringt.
Bei ansonsten nicht ausreichender Schmerzkontrolle insbesondere bei neuropathischen Schmerzen kann an rückenmarksnahe Verfahren wie die spinale Neurostimulation („spinal cord stimulation“, SCS) gedacht werden. Auch die intrathekale Applikation von Medikamenten (Opiate, Ziconotid) mittels Pumpensystemen ist bei ansonsten nicht behandelbaren Schmerzen eine Option.
Psychologische Ansätze
Chronische Schmerzen haben stets eine emotionale Komponente. Diese kann sich in Angst, Hilflosigkeit, Depression, Aggressivität etc. äußern. Daher ist ein zeitgerechtes Anbieten psychologischer Begleittherapien in der Schmerztherapie unerlässlich. Die deutsche Schmerzgesellschaft definierte 2014 als „multimodale“ Therapie ein Therapiekonzept aus mehreren Ansätzen, das somatisch-therapeutische, körperlich und psychologisch übende und psychotherapeutische Komponenten umfasst. Bei multimodaler Schmerztherapie soll zumindest ein psychologisch-psychotherapeutischer Ansatz enthalten sein.
In der Schmerzmedizin besonders bewährt haben sich Methoden, die unter dem Überbegriff der kognitiven Verhaltenstherapie („cognitive behavioural therapy“, CBT) zusammengefasst werden. In mehreren Sitzungen werden im Rahmen der CBT die Betroffenen unter Anleitung eines/r Therapeut:in mit Techniken vertraut gemacht, die unterschiedliche Fertigkeiten des/r Patient:in trainieren. Dazu zählen Gesprächsführung, Beziehungsgestaltung, Motivation, Bewältigung von Reizüberflutung, Entspannungsverfahren, positive Verstärkung, Löschung, Problemlösetraining, Modifikation dysfunktionaler Kognitionen, Selbstkontrollverfahren, achtsamkeitsbasierte Verfahren und vieles mehr.
In der Schmerzmedizin besonders bewährt haben sich Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie
Das Haupthindernis für die Implementierung eines verhaltenstherapeutischen Programms stellt allerdings die Verfügbarkeit von Therapieplätzen und/oder Therapeut:innen dar. Am Jahreskongress des American College of Rheumatology 2023 wurde eine Studie vorgestellt, die ein solches Therapieprogramm mittels Smartphone-App (unter dem Namen Acceptance Commitment Therapy) bei Patient:innen mit Fibromyalgie untersucht hat, mit klar positiven Ergebnissen. Die App wurde 2023 als Medizinprodukt von der FDA zugelassen. Es ist zu hoffen, dass dadurch der Druck auf Psycholog:innen gemindert und das therapeutische Angebot für Schmerzpatient:innen eine relevante Bereicherung erfahren wird.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. Machold gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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