09.01.2019 | originalarbeit
„Sie wissen aber schon, Herr M., das wird keine Aufnahme“
Eine qualitative Analyse der Erfahrungen Betroffener im Vorfeld einer angestrebten stationären psychiatrischen Aufnahme
Erschienen in: neuropsychiatrie | Ausgabe 2/2019
Einloggen, um Zugang zu erhaltenZusammenfassung
In einer qualitativen Fokusgruppenstudie wurden die Erlebnisse und Sichtweisen von psychiatrieerfahrenen Personen zu den Prozessen im Vorfeld einer psychiatrischen stationären Aufnahme erfasst und mittels Themenanalyse analysiert. Ziel der Studie war es, die Beweggründe für eine von Betroffenen selbst angestrebte stationäre psychiatrische Aufnahme und die damit verbundenen Entscheidungs- und Handlungsspielräume zu verstehen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Betroffene auch direkt ohne Überweisung an ein Krankenhaus wenden mit dem Ersuchen um stationäre psychiatrische Aufnahme, wenn in Krisensituationen die punktuelle Betreuung im niedergelassenen Bereich als unzureichend empfunden wird. Die Entscheidung, eine stationäre psychiatrische Aufnahme anzustreben, wird im Spannungsfeld zwischen positiven Erwartungen bezüglich therapeutischer Hilfe und Sicherheit einerseits, und negativen Vorerfahrungen und Vorbehalten, wie Stigma und Zwang, andererseits, getroffen. Das Thema Zwang ist allgegenwärtig in den Schilderungen der Betroffenen, auch dann, wenn keine persönlichen Erfahrungen damit gemacht wurden. Der Prozess des Anstrebens einer Aufnahme wird als belastend und schwierig erlebt. Betroffene erleben sich nicht als gleichwertige Partner bezüglich der Entscheidung, ob es zu einer Aufnahme kommt oder nicht – Angehörige, niedergelassene Ärzte, Rettung und Polizei erlebten die Betroffenen als deutlich einflussreicher als sich selbst. Aus den Analysen wird geschlossen, dass die Koordination und Kontinuität zwischen ambulanter und stationärer Versorgung verbessert und zusätzliche Angebote zwischen den punktuellen ambulanten Kontaktmöglichkeiten und voll stationären Krankenhausaufenthalten geschaffen werden sollten.
Anzeige