Einleitung
Die systemische Sklerose (SSc) ist eine komplexe, chronische, autoimmunvermittelte Multisystemerkrankung mit einer Prävalenz von etwa 30–120 Fällen/1 Mio. Einwohner:innen. Sie betrifft vorwiegend Frauen im mittleren Alter und ist durch eine Fibrosierung der Haut und inneren Organe sowie einer Vaskulopathie charakterisiert. Die häufigsten klinischen Erscheinungsbilder der Sklerodermie sind das Raynaud-Phänomen, digitale Ulzera sowie eine Lungenbeteiligung in Form einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) oder pulmonalen Hypertonie (PAH; [
1)].
Die systemische Sklerose kann unter anderem abhängig von der Beteiligung der Haut in unterschiedliche Typen eingeteilt werden. Es wird die limitierte SSc (lcSSc), bei der die Haut distal der Ellenbögen und Knie betroffen sein kann, unterschieden von der diffusen SSc (dcSSc), bei der Hautareale auch proximal der Knie und Ellenbögen sowie am Stamm affektiert sein können. Das Gesicht kann bei beiden Formen betroffen sein und die Patient:innen können an einer „maskenähnlichen“ Steifheit mit einem sog. Tabaksbeutelmund leiden. Bei einer geringen Anzahl an Patient:innen (1,5–8 %) kann eine Hautbeteiligung fehlen. Dieser Subtyp wird als SSc sine scleroderma bezeichnet [
2].
Bei einer geringen Anzahl an Patient:innen kann eine Hautbeteiligung fehlen
Es konnte bereits mehrfach gezeigt werden, dass genetische und umweltassoziierte Faktoren im Rahmen der Entstehung der Erkrankung wesentlich beteiligt sind. Die pathophysiologischen Veränderungen der SSc sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Durch ein verändertes Zusammenspiel von Gefäßen, Immunzellen und Fibroblasten kommt es zu inflammatorischen, autoimmunen und vaskulopathischen Veränderungen. Bereits in der frühen Krankheitsentstehung kommt es zu Gefäßverletzungen mit einer Endothelaktivierung, einer Entzündungsreaktion durch das angeborene und entwickelte Immunsystem sowie zu einem vaskulären Remodelling und Kollagen-Deposits, die schließlich zu einer Fibrose führen [
3,
4].
Diagnosestellung
Ein wichtiger Schlüsselfaktor stellt die frühe Diagnosestellung dar. Eine frühzeitige Detektion der Erkrankung und etwaiger Mitbeteiligung von internen Organen kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen [
1].
In der Tab.
1 sind die aktuellen Klassifikationskriterien der SSc aus dem Jahr 2013 zusammengefasst. Per definitionem sind sie erfüllt, wenn ≥ 9 Punkte erreicht werden. Bereits eine Hautverdickung an beiden Händen, wenn sie bis proximal der Metakarpophalangealgelenke reicht, führt zur Erfüllung der Klassifikationskriterien. Da es mehrere Ursachen für eine Hautverdickung gibt, unter anderem aufgrund einer nephrogenen sklerosierenden Fibrose, generalisierten Morphaea, eosinophilen Fasziitis, Scleroderma diabeticorum, Skleromyxödem, Erythromelalgie, Porphyrie, Lichen sclerosus, Graft-versus-host-Erkrankung oder einer diabetischen Cheiroarthropathie, ist zu betonen, dass lediglich eine Veränderung, die auf Basis einer SSc beruht, gewertet werden darf.
Tab. 1
Aktuelle Klassifikationskriterien der systemischen Sklerose aus dem Jahr 2013. (Adaptiert nach van den Hoogen et al., [
5])
Hautverdickung der Finger an beiden Händen | Proximal der MCP | 9 |
Geschwollene Finger | 2 |
Gesamter Finger, distal der MCP, aber proximal der PIP | 4 |
Läsionen der Fingerkuppe | Digitale Ulzera | 2 |
Narbengrübchen | 3 |
Teleangiektasien | – | 2 |
Abnorme Kapillarmikroskopie der Nagelfalzkapillaren | – | 2 |
Lungenbeteiligung | Pulmonalarterielle Hypertonie | 2 |
Interstitielle Lungenerkrankung | 2 |
Raynaud-Phänomen | – | 3 |
Autoantikörperkonstellation | Antizentromerantikörper (CENP) | 3 |
Anti-Topoisomerase-I-Antikörper (Anti-Scl-70) | 3 |
Anti-RNA-Polymerase-III(RNAP)-Antikörper | 3 |
Zusätzlich gibt es 7 weitere Parameter, die beurteilt werden und für die es entsprechend Punkte gibt. Diese betreffen die Hautverdickung der Finger, Fingerläsionen, Teleangiektasien, abnormale Kapillarmikrospie der Nagelfalzkapillaren, Lungenbeteiligung, das Raynaud-Phänomen und SSc-typische Antikörperkonstellation. Wenn mehrere Subkriterien in einer Kategorie vorliegen, wird immer nur das Symptom oder die Veränderung mit der höheren Punktzahl gewertet.
Es gilt festzuhalten, dass es sich bei den Kriterien in Tab.
1 um Klassifikations- und nicht um Diagnosekriterien handelt, die initial für den Einschluss von SSc-erkrankten Patient:innen aufgestellt wurden. Dennoch enthält sie eine Auflistung von Elementen, die Patient:innen mit SSc häufig aufweisen, und sie wird in der klinischen Praxis häufig zur Abklärung einer SSc angewendet. Einige Symptome, wie Calcinosis cutis, renale Krise, Ösophagusdilatation oder Schluckbeschwerden, die bei der SSc vorkommen können, erhöhen nicht wesentlich die Sensitivität und Spezifität und wurden deshalb nicht in die Klassifikationskriterien aufgenommen [
5].
Wichtig sind nach der Diagnosestellung die regelmäßigen klinischen, laboranalytischen und radiologischen Kontrollen, um frühzeitige Organbeteiligungen oder -veränderungen festzustellen und therapeutisch darauf reagieren zu können. Besonders herausfordernd sind die heterogenen Ausprägungsformen der Erkrankung, insbesondere hinsichtlich einer vielfältigen internen Organbeteiligung, die zu einer deutlich erhöhten Mortalität führen kann. Der Einsatz von Screeninguntersuchungen, beispielsweise regelmäßige Blutdruckmessungen, insbesondere bei Patient:innen mit erhöhten Anti-RNA-Polymerase-III-Antikörpern hinsichtlich einer renalen Krise, oder regelmäßige elektrokardiographische Untersuchungen für eine etwaige Herzbeteiligung, haben sich als vorteilhaft erwiesen [
6].
Detektion der SSc im frühen Krankheitsstadium
Zu den initialen Symptomen einer SSc zählen das Raynaud-Phänomen sowie Fatigue. Diese beiden Beschwerden sind jedoch nicht spezifisch für die SSc und können einige andere Ursachen haben. Es konnte gezeigt werden, dass es bestimmte Konstellationen gibt, die die Entwicklung einer SSc wahrscheinlicher machen.
Zu den initialen Symptomen einer SSc zählen das Raynaud-Phänomen sowie Fatigue
Patient:innen, die an einem Raynaud-Phänomen leiden und dazu ein in der Kapillarmikroskopie typisches Muster sowie SSc-spezifischer Autoantikörper aufweisen, haben ein 66 %iges Risiko, dass sie innerhalb von 5 Jahren eine SSc entwickeln. Dahingegen liegt das Risiko bei Patient:innen mit Raynaud-Phänomen und unauffälliger Kapillarmikroskopie und nicht vorhandenen SSc-typischen Autoantikörper, innerhalb von 5 Jahren eine SSc zu entwickeln, lediglich bei 1,3 % [
1].
Autoantikörper
Die Untersuchung von Autoantikörpern im Rahmen der SSc wird bereits am Beginn der Erkrankung empfohlen. Zum einen bietet sie eine Hilfestellung bei der Diagnosestellung und ist Teil der Klassifikationskriterien (siehe Tab.
1), zum anderen kann sie Aufschluss bezüglich einer Risikoabschätzung hinsichtlich Organbeteiligungen und Prognose geben (siehe Tab.
2).
Tab. 2
Autoantikörper, zugehöriger SSc-Typ und klinische Konstellation. (Adaptiert nach Volkmann et al., [
1])
Antizentromerantikörper | lcSSc | PAH |
Anti-Topoisomerase-1(Anti-Scl-70)-Antikörper | dcSSc | ILD |
Anti-RNA-Polymerase-3-Antikörper | dcSSc | Renale Krise, Malignom |
Anti-U1-Ribonucleoprotein-Antikörper | lcSSc | MCTD („mixed connective tissue disease“) |
Anti-U3-Ribonucleoprotein-Antikörper | dcSSc | PAH und Myositis |
Anti-Pm-Scl-Antikörper | lcSSc | Myositis |
Anti-Th/To-Antikörper | lcSSc | ILD und PAH |
Therapie der systemischen Sklerose
Unter den rheumatischen Erkrankungen weist die SSc eine der höchsten Mortalitäten, insbesondere bei Affektion von inneren Organen, vorrangig der Lunge, auf. Die Wahl der geeigneten Therapie stellt sich oft durch die variable Ausprägung der Erkrankung als herausfordernd dar [
7,
8]. Bei der Therapie ist ein ganzheitlicher Ansatz von essenzieller Bedeutung mit Einbeziehung von Wirksamkeit, Nebenwirkungsprofil sowie Behandlungszielen der Patient:innen [
1].
Bei der Therapie ist ein ganzheitlicher Ansatz von essenzieller Bedeutung
Im Jahr 2016 wurden die letzten offiziellen EULAR(European Alliance of Associations for Rheumatology)-Therapieempfehlungen für die SSc veröffentlicht. In der Zwischenzeit gab es einige neue Studienergebnisse hinsichtlich möglicher weiterer Therapieoptionen. Hiernach soll auf die aktuellen Therapiemöglichkeiten im Rahmen der SSc bei den häufigsten Organmanifestationen eingegangen werden mit Hauptaugenmerk auf der medikamentösen Therapiesäule [
7].
Haut
Die Beteiligung der Haut mit einer Verdickung ist eines der kennzeichnenden klinischen Symptome der SSc. Gemessen wird die Hautbeteiligung üblicherweise mit dem „modified Rodnan skin score“ (mRSS), bei dem die Haut anhand einer klinischen Untersuchung an 17 Körperstellen hinsichtlich des Grads der Verdickung beurteilt wird.
Die Hautbeteiligung wurde bereits mit einer Reihe von immunsuppressiven Medikamenten behandelt, wovon lediglich ein paar in randomisierten kontrollierten Studien untersucht wurden (Methotrexat, Mycophenolatmofetil, Cyclophosphamid p.o. und i.v., Tocilizumab, Rituximab und die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation).
Als Erstlinientherapie wird in der klinischen Praxis bei isolierter Hautaffektion meist initial im Rahmen der dcSSc Methotrexat (MTX) etabliert. Bei gleichzeitiger Affektion der Lunge in Form einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) wird per os eine Therapie mit Mycophenolatmofetil (MMF) empfohlen. Kommt es unter diesen beiden genannten Therapien zu einer Verschlechterung, kann als nächster Schritt alternativ Rituximab, Tocilizumab, Cyclophosphamid oder eine autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSCT) eingesetzt werden.
Da viele Therapien oft unzureichend zur Behandlung der Hautbeteiligung wirksam sind, werden neue Medikamente und neuartige Ansätze, etwa eine Kombinationstherapie oder Induktionstherapie dringend notwendig. In den letzten Jahren gab es einige randomisierte placebokontrollierte Studien mit teils vielversprechenden Ergebnissen, unter anderem zu Abatacept, einem T‑Zell-Kostimulator-Antagonist, Romilkimab, einem IL-4/13-Inhibitor, Belimumab, einem Antagonisten des B‑Zell-aktivierenden Faktors, Ziritaxestat, einem Autotaxininhibitor mit Reduktion der Lysophosphatidsäure, sowie zu Riociguat, einem löslichen Guanylatcyclasestimulator.
Den größten nachgewiesenen Effekt auf die Hautfibrose hat die AHSCT mit einer Verbesserung von ca. 10 Punkten im mRSS im Vergleich zur Cyclophosphamidtherapie. Dabei ist die AHSCT aufgrund ihres erhöhten Risikos einer behandlungsinduzierten Mortalität mit 5–10 %, insbesondere hinsichtlich Infektionen, hämatologischer Komplikationen und des Auftretens von Malignomen, nur bei Patient:innen mit aggressiver Erkrankung und schlechter Prognose empfohlen. Dies betrifft typischerweise auf Patient:innen mit früher dcSSc mit Beteiligung innere Organe zu mit einer geschätzten Überlebensrate von 50 % in 5 Jahren [
6].
Lunge
Interstitielle Lungenerkrankung (ILD)
Die ILD präsentiert sich häufig als pulmonale Fibrose, die die Haupttodesursache, gefolgt von der renalen Krise und der pulmonalen Hypertension, darstellt. Bei circa jedem/jeder dritten Patient:in entsteht eine Lungenfibrose, die bei ca. 20 % der Patient:innen mit dcSSc und bei 12 % bei lcSSc klinisch relevant wird [
9].
Die Lungenbeteiligung kann zeitlich unabhängig auftreten, hat jedoch eine schlechtere Prognose, wenn sie innerhalb der ersten 3 Jahre nach Beginn der SSc-Erkrankung auftritt [
10,
11]. Das Auftreten einer SSc-ILD ist meist mit Anti-Topoisomerase-1-Antikörpern (Anti-Scl-70-Antikörper) assoziiert, kann aber auch bei anderen Antikörperkonstellationen gefunden werden [
12].
Ein wichtiger Bestandteil in der Detektion der SSc-ILD stellt bereits bei Diagnosestellung der SSc das Screening dar. Die Abklärung soll sowohl mittels bildgebender Lungenuntersuchung als auch in Form eines pulmonalen Funktionstests erfolgen. Sowohl in den Leitlinien des American College of Rheumatology (ACR) als auch gemäß den europäischen Empfehlungen wird eine HR-CT bei Erstvisite zur Detektion einer etwaigen ILD empfohlen [
13]. Bei asymptomatischen Patient:innen kann alternativ auch eine Lungensonographie als Screeningmethode eingesetzt werden [
14].
Im Rahmen der medikamentösen Therapie wird MMF mit einer oralen Gabe von 2–3 g/Tag als Erstlinientherapie empfohlen. Wenn es darunter zu keinem adäquatem Therapieansprechen kommt, soll eine Therapieumstellung erfolgen. Alternativ kann beispielsweise auf Cyclophosphamid, Rituximab oder Tocilizumab gewechselt werden. Nach erfolgreicher Induktionstherapie mit Cyclophosphamid kann gegebenenfalls als Erhaltungstherapie Azathioprin verabreicht werden. Darüber hinaus kann eine AHSCT angedacht werden. Überdies sollte eine Einschluss der Patient:innen in eine aktuell durchgeführte Arzneimittelstudie evaluiert werden [
15].
Kommt es zu einer progressiven Pulmonalfibrose, wird die Gabe einer antifibrotischen Therapie empfohlen. Es konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass bei Patient:innen mit chronisch progredienter fibrosierender ILD Nintedanib, ein Antifibrotikum, im Vergleich mit Placebo zu einem geringeren Verlust der FVC führt [
16,
17]. Weiters gibt es aussichtsreiche Studien hinsichtlich einer Behandlung der ILD mit einem PDG-4B-Inhibitor [
18].
Im Rahmen von fortgeschrittenen Lungenfibrosen stellt die Lungentransplantation die einzige Behandlung dar, die über längere Zeit zu einer funktionellen Verbesserung führen kann [
6,
19].
Als weitere wichtige Therapiemöglichkeiten aus der Säule der nichtmedikamentösen Maßnahmen sind empfohlen: Nikotinstopp, Impfungen (insbesondere Influenza, COVID-19, Pneumokokken), O2-Gabe bei Hypoxie, physische Aktivität, frühzeitige Infektbehandlung, ggf. Antibiotikaprophylaxe (insb. Pneumocystis jirovecii) sowie Detektion und Behandlung eines etwaigen pulmonalen Hypertonus.
Pulmonalarterielle Hypertonie (PAH)
Neben der ILD entwickeln circa 15–18 % der Patient:innen eine pulmonalarterielle Hypertonie, die ebenfalls eine erhöhte Mortalität aufweist. Es sind vorwiegend ältere Patient:innen mit einer längeren Krankheitsdauer, digitalen Ulzera und positiven Antizentromer‑, Anti-Topoisomerase-I- und Anti-U3-RNP-Antikörpern sowie erhöhter Blutsenkungsgeschwindigkeit und IgG-Levels betroffen [
20].
Im Rahmen eines SSc-assoziierten PAH ist eine routinemäßig verabreichte Antikoagulation aufgrund fehlender Evidenz bei gleichzeitig erhöhtem Blutungsrisiko nicht empfohlen [
21].
Vier pharmakologische Gruppen können für den SSc-PAH angewendet werden:
Es sind 3 Endothelinrezeptorantagonisten verfügbar (Bosentan, Ambrisentan und Macitentan), die zu einer Verbesserung der physischen Belastbarkeit führen und die Zeit, bis es zu einer Verschlechterung des PAHs kommt, hinauszögern.
Weiters führen Phosphodiesterase(PDE)-5-Hemmer über eine Steigerung der cGMP-Kaskade (cyclisches Guaninmonophosphat) zu einer pulmonalen Vasodilatation und zu antiproliferativen Effekten. Es sind 3 Präparate (Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil) verfügbar, wobei letztgenanntes bei SSc-Patient:innen nicht in Studien untersucht wurde.
Der Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC) Riociguat erhöht ebenfalls die cGMP-Kaskade und konnte sowohl eine Verbesserung der Hämodynamik als auch eine Verbesserung im 6‑Minuten-Gehtest zeigen.
Prostazyklin führt über seine vasodilatierende und plättcheninhibierende Wirkung zu einer Verbesserung der PAH. Dabei stehen Epoprostenol (i.v.), Iloprost (inhalativ), Beraprost (p.o.) und Treprostinil (inhalativ oder s.c.) zur Verfügung. Intravenöses Epoprostenol soll insbesondere bei schweren Formen des PAH (Klasse III und IV) angedacht werden und führt zu einer Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit.
Oft wird eine orale Kombinationstherapie mit einem Endothelinrezeptorantagonisten und einem PDE5-Inhibitor als Erstlinientherapie eingesetzt. Bei Patient:innen mit fortgeschrittener PAH wird eine Tripletherapie verwendet (Erweiterung um ein Prostaglandinanalogon). Die Therapie richtet sich nach Veränderungen von NTproBNP, 6‑Minuten-Gehtest, Hämodynamik in den Pulmonalarterien und Funktionsuntersuchungen hinsichtlich Dyspnoe.
Als Ultima Ratio bei der fortgeschrittenen SSc-PAH kann eine Lungen(‑Herz)-Transplantation angedacht werden.
Als nichtpharmakologische Maßnahmen werden Nikotin- und Marihuanastopp, Impfungen und regelmäßige Bewegung empfohlen [
6,
7].
Raynaud-Phänomen und digitale Ulzera
Generell, um die Häufigkeit des Auftretens von Raynaud-Attacken und digitalen Ulcera zu vermindern, sind Trigger wie Kälte, Trauma, Stress, Rauchen, Vibration, Verletzungen, sowie bestimmte Substanzen, wie Clonidin, zu vermeiden. Physikalische Übungen können den Blutfluss erhöhen und damit die Symptome reduzieren [
22].
Das Raynaud-Phänomen betrifft nahezu alle Patient:innen mit SSc
Das Raynaud-Phänomen betrifft nahezu alle Patient:innen mit SSc (> 95 %) und in etwa die Hälfte haben digitale Ulzera. Diese können zu Behinderungen und zu einem großen Verlust an Lebensqualität führen. Pathophysiologisch kommt es bei beiden Manifestationen zu strukturellen Veränderungen in den Digitalarterien. Das Ziel der Behandlung der digitalen Ulzera liegt in der Prävention von Gewebeverlust, der Verhinderung von Infektionen, der Reduktion von Schmerzen und der Ischämie [
23].
Raynaud-Phänomen
Nifedipin, ein Kalziumkanalblocker aus der Gruppe der Dihydropyridine, stellt die Erstlinientherapie für das Raynaud-Phänomen dar. Wenn Nifedipin nicht toleriert wird, können andere Kalziumkanalblocker, vorrangig vom Dihydropyridintyp, verabreicht werden. Weiters können bei schwerer Ausprägung oder unzureichendem Ansprechen von Kalziumkanalblockern PDE5-Inhibitoren (Sildenafil, Tadalafil oder Vardenafil) eingesetzt werden. Durch die erhöhte Verfügbarkeit von NO kommt es zu einer Abnahme der Frequenz, Dauer und Stärke der Raynaud-Attacken.
Nach Versagen einer oralen Therapie mit den 2 oben genannten Substanzklassen kann auf eine intravenöse Prostazyklingabe gewechselt werden. Es konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Iloprost die Häufigkeit und den Schweregrad von Raynaud-Attacken reduzieren kann.
Durch die Gabe von topischen Nitraten, wie Nitroglyzerin oder Glyceryltrinitrat, konnte eine klinische Verbesserung und ein erhöhter Blutfluss gezeigt werden [
6,
7].
Digitale Ulzera
Eine Behandlung sowie Prävention des Auftretens von digitalen Ulzera ist unter anderem aufgrund einer möglichen Infektionsquelle sehr wichtig. Bei über einem Fünftel der Patient:innen mit SSc und digitalen Ulzera entwickelt sich im Verlauf ein Gangrän und bei 11 % eine Osteomyelitis. Diesbezüglich ist eine lokale Wundpflege durch spezialisiertes Personal von essenzieller Bedeutung. Bei Auftreten von Infektionen ist eine antibiotische Therapie empfohlen [
24].
Für die medikamentöse Therapie zur Heilung von digitalen Ulzera gibt es eine geringe Evidenz. Eine intravenöse Iloprostgabe kann zur Behandlung von digitalen Ulzera eingesetzt werden.
Für die Prävention von digitalen Ulzera werden Kalziumkanalblocker oft als Erstlinientherapie eingesetzt [
25]. Im Rahmen einer Metaanalyse konnte ein günstiger Effekt von Sildenafil und Tadalafil hinsichtlich Verbesserung und Reduktion von digitalen Ulzera gezeigt werden [
26].
Der Endothelinrezeptorantagonist Bosentan konnte neue digitale Ulzera bei Patient:innen mit SSc und ≥ 4 bestehenden Ulzera zu Beginn verhindern, allerdings zu keiner Heilungsverbesserung führen und wird bei rezidivierenden Ulzerationen auch in dieser Indikation eingesetzt [
7,
27].
Gastrointestinale Beteiligung
8 % der SSc-Patient:innen weisen eine schwere gastrointestinale Beteiligung mit erhöhter Morbidität und Mortalität auf. Dabei stellt die Mangelernährung die höchste Todesursache dar. Im Rahmen von mechanischen oder Pseudoobstruktionen kann es auch zu lebensgefährlichen Komplikationen kommen [
28].
Trotz fehlender großangelegter randomisierter kontrollierter Studien wurde zur Behandlung der SSc-assoziierten Refluxerkrankung und Verhinderung von ösophagealen Ulzera und Strikturen eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren empfohlen.
Beim Auftreten von symptomatischen Motilitätsstörungen wird der Einsatz von prokinetischen Medikamenten gemäß Expert:innen empfohlen. Gegen eine symptomatische Dünndarmfehlbesiedelung wird eine intermittierende antibiotische Therapie gegen aerobe und anaerobe Bakterien mit einem breiten Spektrum, wie Quinolone, Amoxicillin-Clavulansäure, Metronidazol, Neomycin oder Doxycyclin, empfohlen. Möglicherweise könnte eine Immunsuppression auch eine gastrointestinale Beteiligung günstig beeinflussen. Diesbezüglich sind weitere Studien vonnöten [
7,
29].
Renale Krise
Um eine renale Krise zu verhindern, soll der Blutdruck und die Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Patient:innen mit einer größeren Hautaffektion, Gelenkskontrakturen und einer regelmäßigen höheren Kortisoneinnahme > 15 mg/Tag ein erhöhtes Risiko hatten, eine renale Krise zu erleiden. Zusätzlich besteht ein erhöhtes Risiko bei bestimmten Autoantikörperkonstellationen, etwa bei erhöhten RNA-Polymerase-III-Antikörpern, bei dcSSc oder bei genetischen Veränderungen im HLA-DRB1*1407 und 1304 [
7,
30].
Zur Verhinderung renaler Krisen sollen Blutdruck und Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden
Bei Patient:innen mit einer renalen Krise wird laut Expert:innenmeinung ein Einsatz von ACE-Hemmern empfohlen. Es wird angenommen, dass ein unmittelbarer hochdosierter Einsatz von ACE-Hemmern im Rahmen einer renalen Krise bei Patient:innen mit SSc zu einer Verbesserung des Outcome führt. Bei diesen Patient:innen soll die ACE-Hemmer-Therapie über einen länger andauernden Zeitraum fortgeführt werden. Eine Gabe als Primärprophylaxe wird nicht empfohlen [
7].
Resümee und Ausblick
Durch die heterogene Ausprägungsform der Erkrankung sollten die Patient:innen je nach Risikofaktor hinsichtlich der jeweiligen Organmanifestation regelmäßig verlaufskontrolliert werden. Insbesondere bezüglich einer pulmonalen Beteiligung sollen bei den Patient:innen bei Diagnosestellung eine funktionelle Testung sowie eine HR-CT zu Beginn durchgeführt werden, um Ausgangswerte für die nachfolgenden Kontrollen zu haben [
1].
Trotz der deutlichen Verbesserung der medikamentösen Behandlung der SSc in den letzten Jahren gibt es immer noch einige Patient:innen, die unzureichend therapiert werden können. Diesbezüglich sind weitere Studien, insbesondere hinsichtlich neuer Medikamentengruppen, vonnöten. Weiters sind Erforschungen bezogen auf Geschlecht, Herkunft etc. notwendig, um die Patient:innen bestmöglich nach individuellem Risikoprofil therapieren zu können. In Anbetracht der Tatsache, dass auf Clinicalrials.gov aktuell über 600 laufende Studien eingetragen sind, ist davon auszugehen, dass Interesse und Aufmerksamkeit an der Erforschung neuer Therapien vorhanden ist. So konnte beispielsweise kürzlich gezeigt werden, dass eine CAR-T-Zell-Therapie unter anderem bei der SSc zu einem guten Ansprechen der Patient:innen mit einer Verbesserung des EUSTAR Activity Scores führt [
31].
Ein Kernaspekt weiterer zukünftiger Forschungsfragen ist die weitere Entdeckung pathophysiologischer Veränderungen im Rahmen der SSc, um sie auch für eine medikamentöse Therapie nutzen zu können. Ein Update für das SSc-Management wurde auf dem Kongress der EULAR im Jahr 2023 von Del Galdo et al. als Abstrakt präsentiert und soll demnächst publiziert werden [
32]. Der Einsatz evidenzbasierter Leitlinien soll auch in Zukunft dazu beitragen, die multidisziplinäre Behandlung in spezialisierten Zentren zu verbessern [
1].
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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