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Ärzte Woche

18.01.2019 | Tekal

Nebenwirkungen

Das sicherste Spital der Welt

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Was das AKW Zwentendorf und das KH Nord gemein haben.

Es ist so weit! Das weltweit größte Krankenhaus, das in Wien-Floridsdorf je erbaut wurde, ist fertig. Die Klinik wurde im Dezember „schlüsselfertig“ übergeben, der Schlüssel feierlich an die Bauherren überreicht und, wie es sich gehört, unter die Türmatte gelegt. Darunter hofft man auch die bei solch Großprojekten üblichen Skandale kehren zu können: Etwa die Kosten von mehr als 800.000 Euro für die Wartung eines Bauzaunes (Bauzaun nicht im Set enthalten) über den energetischen Schutzwall, der zum Schutze der Schutzwall-Errichter leider nicht getaugt hat, bis hin zu lässlichen und vor allem fahr-lässlichen Bausünden. Die symbolische Schlüsselübergabe zieht einen Strich zwischen Baukunst und Heilkunst und bald schon wird man nicht mehr über so manch irrtümlich errichtete Mauer berichten, sondern über die erste irrtümlich entfernte Gliedmaße.

In der jetzigen Form präsentiert sich der stolze Bau als sicherstes Krankenhaus der Welt. Die Patienten ziehen erst in ein paar Monaten in das Haus, wenn es vom Personal trockengewohnt wurde. Und damit entfallen auch all jene Risiken, die durch hausgezüchtete MRSA-Keime, Fehlbehandlungen und Nebenwirkungen der nicht fehlerhaften Behandlungen in Spitälern allgegenwärtig sind. Ähnlich wie das Atomkraftwerk in Zwentendorf, das als Vorzeigeprojekt der Kernspaltung noch nie einen nuklearen Störfall vermelden musste, weil man rechtzeitig davon Abstand genommen hat, die Kerne überhaupt zu spalten, hat das KH Nord im kommenden halben Jahr die Gelegenheit, sich an der Spitze der Kliniken mit der geringsten Komplikationsrate zu setzen.

Einzig die Verwaltung übersiedelt bereits dieser Tage und verwaltet sich, übungshalber, eine Zeitlang selber. In ein paar Monaten müssen jedoch ganze Abteilungen, bei laufendem Betrieb, in das neue Gehege umzusiedeln. Da der laufende Betrieb auf den laufenden Umzug jedoch keine Rücksicht nehmen kann, muss die in Krankenhaus A begonnene Gallenblasenentfernung auch im Lift und im Krankenwagen fortgesetzt werden, damit die Chirurgen rechtzeitig vor Mittag fertig werden.

Mühsamer gestaltet sich die Übersiedelung der rund 2.500 Mitarbeiter. Ob sie die üblichen zwei Tage Sonderurlaub zum Umzug bekommen und sich in Eigenregie einen Transporter vom Bauhaus organisieren müssen, wird sich zeigen.

Neue Räumlichkeiten im Erstbezug (manche erstaunlicherweise auch im „Nord“ südseitig), neues Mobiliar und neue Technik sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Patienten, Kollegen und Probleme nach wie vor die alten sind. Vielleicht gelingt so manch bislang miserabel vor sich hin heilender Abteilung mit dem Umzug in eine freundlichere Umgebung, auch ein freundlicherer Umgang – sowohl untereinander als auch mit den Patienten.

Insofern ist ein energetischer Schutzring vielleicht gar keine so falsche Idee, der – wie eine Hygieneschleuse – das schlechte Karma aus dem Vorleben bereinigt.

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Metadaten
Titel
Nebenwirkungen
Das sicherste Spital der Welt
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
18.01.2019
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 3/2019

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