Italien-Urlaub - Kleine Dinge befeuern das Heimweh.
Blick vom Rilkeweg bei Duino in Richtung Süden
Martin Krenek-Burger
„Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub kommt? Auf Hochquellwasser und Ankerbrot!“ Fast 100 Jahre hat dieser Werbespruch am Buckel. Die Produkte der Großbäckerei sind zwar hoffentlich etwas jüngeren Datums, die Botschaft wirkt jedoch nach wie vor knackig. Tatsächlich haben Heimatgefühle in den wenigsten Fällen mit den klischeehaften Gegebenheiten zu tun, die man erwartet. Kein Wort also vom Stephansdom, den man endlich wieder zu Gesicht bekommt, oder dem warmen Häufchen eines Lipizzaners, in das man, erfüllt von Glück, hineintritt. Es geht beim Heimweh um die kleinen Gefühle und die praktischen, ganz alltäglichen Dinge wie Wasser und Brot.
Natürlich freuen sich nicht nur Wiener auf ihre Stadt, der Spruch hat weltweit seine Gültigkeit. Sogar in Tirol. Ich gehe davon aus, dass sich ein Innsbrucker nach drei Monaten Camping im Amazonas-Urwald nicht in erster Linie bei seiner Rückkehr auf das Goldene Dachl freut, sondern auf die Soft-Skills des Landes. Die Bergluft, den steifen Nacken beim Blick auf die Nordkette, die schmerzenden Schläfen durch den Föhn oder den Duft der Speckknödelsuppe. Klar freut man sich auch auf die Lieben, die Daheimgebliebenen, die Haustiere, die Nachbarn, die Mitarbeiter und Vorgesetzten. Es soll sogar Kollegen geben, die ihre Patienten vermissen. Mir fällt nur gerade der entsprechende Code im DSM V für diesen Zustand nicht ein. Bei aller vorgetäuschten Freude über das Wiedersehen der Daheimgebliebenen findet sich die echte Freude oft bei den ganz profanen Dingen.
Laut einer Umfrage eines großen Reiseanbieters freuen sich die meisten Rückkehrer am meisten auf das eigene Bett. Nach zwei Wochen allabendlichem Kampf mit einer Bettdecke, die ihren Namen nicht verdient, sondern, als Mischung aus Leintuch, Perserteppich und Backpapier bei nächtlichen Temperaturen um die 30 Grad mit der Haut verschmilzt, ist die gute alte Daunentuchent aus glücklich gerupften Gänsen zu Hause einer der am häufigsten genannten Gründe für Heimweh.
Beim Essen scheiden sich die Geister. Während die einen nach der Heimkehr aus Griechenland zum Ausklang des Urlaubs ihre Familie die ersten Wochen mit gefüllten Weinblättern, Feta und Oliven verköstigen, stürzen sich die echten Heimgeweihten auf die heimischen Spezialitäten und verschlingen die ersten zwei Leberkäsesemmeln bereits in der Ankunftshalle des Flughafens.
Auch das stille Örtchen in den eigenen vier Wänden ist, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Erleichterung gegenüber dem Gemeinschafts-Donnerbalken am Campingplatz. Hier darf man als daheimgebliebener Angehöriger nicht in seinem Stolz gekränkt sein, wenn die Toilette mehr Wiedersehensfreude hervorruft. Die Freude über den vermissten, geliebten Menschen kann nie so groß sein wie jene, das Klopapier endlich wieder in die Schüssel werfen zu dürfen.
Wenn wir uns mehr bewusst werden, dass uns die Nebensächlichkeiten so glücklich machen, würden wir weitaus billiger urlauben.
Thomas Kainrath