Dr. Tekal
Privat
Wenn Mediziner, Supermarktangestellte und Couch-Potatos zu unerwarteten Ehren kommen.
„Jeder kann die Maske tragen – Jeder kann ein Held sein“. Das Zitat stammt nicht von einem COVID-19-Posting, sondern einem bereits einige Jahre alten Artikel über Marvel-Superhelden. Und die hier gemeinte Augenmaske würde den Hygieneanforderungen bezüglich Corona kaum erfüllen, es sei denn, man schützt sich vor einer Bindehautentzündung.
Dennoch wird der Heldenbegriff dieser Tage strapaziert. Musste man bislang zumindest ein Waisenkind, zwei Pensionisten und drei Haustiere aus einem brennenden Haus tragen, so genügt es heute, auf dem Sofa zu liegen und anderen Menschen nicht auf die Pelle zu rücken. Damit liegt die Latte fürs Heldendasein so niedrig wie nie zuvor. Klar bringt jede Krise ihre Helden ins Scheinwerferlicht und natürlich leisten in dieser Krise einzelne Menschen Hilfe bis zur Erschöpfung am Krankenbett, in Triagezelten oder bei der Beschwerdehotline für fehlende Schutzmasken. Doch nicht allen ist es vergönnt, hier heldenhaft zu agieren. So wie die meisten bin ich selbst nicht an der Front, nicht dabei, mir die Nacht um die Ohren zu schlagen, um zehn beatmungspflichtige COVID-19-Patienten am Leben zu erhalten. Zwar habe ich mich brav zum Dienst gemeldet wie viele andere auch. Doch für die über 250 Intensivpatienten ist die medizinische Welt in Österreich noch nicht in einem Ausnahmezustand geraten. Im Gegenteil, viel gravierender ist der wirtschaftliche Impact der Corona-Nebenwirkungen auf die Ärzteschaft durch die fehlenden Patienten. Wer lässt sich schon bereitwillig zurzeit eine Früherkennungskoloskopie machen? Mundhygiene-Sitzungen, Hinter-Straffungen und Magenverkleinerungen, Vorsorge-Appendektomien und die präventiven „Jetzt checken wir Sie mal gründlich durch, bis wir was Schönes finden“-Maßnahmen – all diese Dinge fallen weg. Millionenschwere medizinische Geräte stehen still, die Leasingraten wollen bezahlt werden. Und so mancher würde lieber bei vollen Bezügen mit Vollvisierhelm arbeiten, als in der Heimquarantäne ohne Visier aufs Bankkonto zu blicken.
Mittlerweile ist die Liste der Helden erweitert worden. Für mein Seelenheil auf Journalisten, immerhin saß ich die vergangenen Wochen als systemrelevanter Ö1 -Radiodoktor heldenhaft vor dem Mikrofon. Man dankt nicht nur dem medizinischen Personal an der Front, sondern auch den 24-Stunden-Pflegekräften, den Nahversorgern, den Nachbarn-den-Einkauf-vor-die-Tür-Stellern, den #StayTheFHome-Befolgern und #OnTheSofaLungering-People, den Nicht-Im-Supermarkt-Alle-Äpfel-Angreifenden und all den Päpsten, die das Urbi et Orbi vor Ostern spenden. Jeder ist mutig und Angsthase, solidarischer zuhause bleibender Mitmensch und sportelnder Quarantänebrecher, obwohl ein laufender, schwer ausatmender Mediziner von Natur aus steril ist. Alle sind wir Experten und fehlbar. Helden eben.