Das Naturhistorische Museum in Wien beherbergt eine beeindruckende Sammlung von Originalen, die für die Wissenschaft von großer Bedeutung sind. Denn um sicher zu sein, um welche Arten von Pflanzen, Tieren, Pilzen oder Mikroben es sich handelt, sind jene oft vor vielen Jahrhunderten gesammelten Exemplare unverzichtbar.
Alte Drahrer, also zwei Nachtschwärmer, gehören zu jenen „Wiener Typen“, die im ausgehenden 19. Jahrhundert als Vertreter des „alten Wien“ galten. Sie sind auf ihre Art einzigartig und mit der Stadt auf ewig verbunden – das Gleiche lässt sich über jene Insekten, Vögel, Säugetiere oder Pflanzen sagen, die in Wien erstmals beschrieben wurden. Das Naturhistorische Museum verfügt über eine Reihe solcher Arten in seinen Archiven.
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Im Naturhistorischen Museum Wien befassen sich Experten mit der Klassifizierung und Benennung von Lebewesen. Ihr Ziel ist es, die Vielfalt des Lebens zu ordnen und zu strukturieren. Dazu werden Organismen anhand gemeinsamer Merkmale und natürlicher Verwandtschaft in Gruppen oder Kategorien eingeteilt. Diese Einteilung kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, von grundlegenden Kategorien wie dem Tierreich bis hin zu spezifischen Gruppen wie einer bestimmten Gattung oder Art.
Um eine Art zu identifizieren und von anderen Arten oder Unterarten zu unterscheiden, benötigt man ein Exemplar als Referenz, eine verbindliche Festlegung. Angesichts der aktuellen Zerstörung von Ökosystemen und dem damit verbundenen Artensterben ist die Beschreibung von Arten besonders wichtig.
Die mit der roten Banderole
Die Beschreibung beruht auf einem oder mehreren Individuen, die an einem bestimmten Ort gesammelt wurden, die sogenannte „Typenlokalität“. Im Naturhistorischen Museum Wien wurden viele Arten erstmals beschrieben und hinterlegt, die auch in Wien gefunden wurden. Das Museum ist also nicht nur ein Ort für Publikumsausstellungen, sondern auch ein Forschungsmuseum mit Schwerpunkt Taxonomie. Hier werden eine große Anzahl von sogenannten „Typusexemplaren“ aufbewahrt. Diese Objekte sind für die Wissenschaft von großem Wert und dienen als Referenz für die Beschreibung einer Art oder Gattung. Sie sind in den Sammlungen mit einer roten Banderole oder roten Schildern gekennzeichnet. Die Typen werden normalerweise nicht ausgestellt, sondern ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke verwendet. Sie müssen physisch in den Forschungsstätten vorhanden und öffentlich zugänglich sein.
Ist es eine bisher unbekannte Art?
Wenn Forscher beispielsweise Käfer sammeln, die sie nicht bestimmen und benennen können, helfen ihnen die Taxonomen in naturkundlichen Museen und sagen, um welche Art es sich handelt. Wenn sie es auch nicht wissen und auch eine Literaturrecherche keine Hinweise liefert, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine neue Art, die noch beschrieben und benannt werden muss.
Normalerweise werden Arten anhand ihres Aussehens und äußerer Merkmale beschrieben. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch ein innovativerer Ansatz entwickelt, bei dem auch genetische Daten zur Bestimmung von Arten verwendet werden. Am Naturhistorischen Museum Wien hat sich die Forschungsinitiative ABOL, kurz für „Austrian Barcoding of Life“, das Ziel gesetzt, DNA-Barcodes für alle Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Österreichs zu erstellen.
Alte Drahrer, also zwei Nachtschwärmer, gehören zu jenen „Wiener Typen“, die im ausgehenden 19. Jahrhundert als Vertreter des „alten Wien“ galten. Sie sind auf ihre Art einzigartig und mit der Stadt auf ewig verbunden – das Gleiche lässt sich über jene Insekten, Vögel, Säugetiere oder Pflanzen sagen, die in Wien erstmals beschrieben wurden. Das Naturhistorische Museum verfügt über eine Reihe solcher Arten in seinen Archiven.
NHM Wien, C. Potter
Die Untersuchung der DNA bei den Wiener Typusexemplaren, also den Exemplaren, die im Naturhistorischen Museum Wien gefunden wurden, gestaltet sich oft schwierig, da es sich um historische Belege handelt. Für die Untersuchung des alten Materials sind spezielle Methoden und viel Erfahrung im Umgang mit dem oft schlecht erhaltenen Gewebe erforderlich.
Es kommt häufig vor, dass ähnliche Arten anhand äußerer Merkmale allein nicht sicher voneinander unterschieden werden können. In solchen Fällen sind genetische Untersuchungen von großer Bedeutung, um diese sogenannten „kryptischen“ Arten voneinander zu trennen.
Fundort: „in den Alpen“
Was passiert, wenn der Original-Beleg nicht mehr existiert? Dann wird ein neuer Typus ausgewählt oder am ursprünglich beschriebenen Wuchsort neu gesammelt. Je genauer der Fundort notiert wurde, umso besser. Die Fundortangaben auf alten Belegen sind allerdings oft ungenau. Es gibt viele Etiketten mit dem Vermerk „in den Alpen“ oder „in Australien“.
Wenn Sie sich fragen: „Wozu braucht man Artenkenntnis?“ Nun, um diese Fragen beantworten zu können: Welche Arten kommen in einem Lebensraum vor, welcher Schädling hat die Bäume befallen, welches Fleisch esse ich, und welche Kräuter befinden sich in meinem Tee? Wie ist es um die Wasserqualität eines Flusses oder Sees bestellt?