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Typ I: Mutation des FSHr-Gens
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Typ II: hohe Werte von beta-HCG: beispielsweise können die deutlich erhöhten beta-HCG-Serumspiegel, wie sie bei molaren Schwangerschaften vorkommen, ein OHSS auslösen [7]
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Typ III: Hypothyreose (TSH im Serum deutlich erhöht)
Open Access 18.09.2024 | Kasuistik
Wiederholtes ovarielles Hyperstimulationssyndrom in Schwangerschaften nach spontaner Konzeption – ein Fallbericht
Erschienen in: Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz | Ausgabe 3/2024
Das ovarielle Überstimulationssyndrom (Synonym: ovarielles Hyperstimulationssyndrom, engl.: „ovarian hyperstimulation syndrome“, kurz: OHSS) ist ein insbesondere aus der Kinderwunschbehandlung bekanntes Krankheitsbild.
Die klinische Symptomatik ist vielfältig und abhängig vom jeweiligen Schweregrad des OHSS. Sie umfasst neben abdominellen Schmerzen zystisch vergrösserte Ovarien, Aszites- und Pleuraergussbildung sowie Hämokonzentration mit der Folge einer erhöhten Thrombosegefahr und Einschränkungen der Nierenfunktion mit Ödembildung. Neben milden Verlaufsformen kann das OHSS bis zu einer lebensbedrohlichen Ausprägung aggravieren [1].
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Die Entstehung des OHSS ist über das Schwangerschaftshormon beta-HCG gesteuert. Zentraler pathophysiologischer Mechanismus ist die Erhöhung der Kapillarpermeabilität, durch welche vermehrt Flüssigkeit aus dem Intrazellulärraum in das dritte Kompartiment verschoben wird. Unterschiedliche Mediatorsysteme (z. B. Renin-Angiotensin-System oder der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor) sind an diesen Änderungen der Kapillarpermeabilität beteiligt, was zu Hypotonie und Hypalbuminämie führt. Klinisch äussert sich diese Verschiebung des Volumens in Ödemen, Aszites, Pleuraergüssen [2‐5].
Neben den iatrogen induzierten Formen des OHSS sind seltene Formen beschrieben. Darüber hinaus kann es auch bei spontan entstandenen Schwangerschaften selten zur Ausbildung eines OHSS kommen. In diesen Fällen werden unterschiedliche Pathomechanismen diskutiert, wie beispielsweise eine Mutation des FSH-Rezeptors, der zu einer erhöhten Sensitivität auf hCG führt. Man unterscheidet drei Formen von spontanem ovariellem Überstimulationssyndrom basierend auf der jeweiligen Pathogenese [6]:
Erstmals stellte sich die damals 30-jährige Patientin 2021 in der internistischen Notaufnahme aufgrund einer Bauchumfangszunahme sowie Ödemen und Übelkeit vor. Laborchemisch zeigten sich ein akutes Nierenversagen und eine ausgeprägte Hyponatriämie. Die Ausprägung der Befunde erforderte eine intensivmedizinische Behandlung. Die internistischen Kollegen führten eine MRT des Abdomens zur ätiologischen Klärung des Nierenversagens durch. Es zeigten sich deutlich vergrösserte, polyzystische Ovarien beidseits sowie Aszites. Laborchemisch imponierte ein deutlich erhöhtes beta-HCG im Serum (178.692 IU/l). Von den internistischen Kollegen wurde zunächst der Verdacht auf einen beta-HCG-produzierenden Tumor gestellt, woraufhin die Patientin gynäkologisch vorgestellt wurde. In der transvaginalen Sonographie wurde eine unauffällige, intakte, intrauterine Gravidität in der 11 + 4. Schwangerschaftswoche festgestellt. Nach intensivmedizinischer und weiterer stationärer Therapie verbesserte sich der Zustand der Patientin, bis bei sinkenden beta-HCG-Werten eine Entlassung in der 13 + 0. Schwangerschaftswoche möglich wurde. Der weitere Schwangerschaftsverlauf blieb komplikationslos, es erfolgte ein Spontanpartus des gesunden Kindes am Termin.
Im Jahr 2024 stellte sich die Patientin erneut in der gynäkologisch-reproduktionsmedizinischen Abteilung mit leichten Unterbauchschmerzen und einer leichten Zunahme des Bauchumfangs in der 10. Schwangerschaftswoche vor. Sonographisch wurde eine zeitgerechte, intrauterine Einlingsschwangerschaft diagnostiziert, zudem vergrösserte Ovarien bis 12 cm beidseits sowie moderater Aszites. Bei OHSS zweiten Grades erfolgte die stationäre Aufnahme zur konservativen Therapie. Das beta-HCG zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme betrug erneut 182185 lU/l. Mit steigendem Schwangerschaftsalter kam es trotz konservativer Massnahmen zu einer Aggravation der Beschwerden (OHSS III. Grades), bei Oligurie und prärenalem Nierenversagen wurde erneut eine intensivmedizinische Behandlung notwendig. Es entwickelte sich zusätzlich ein ausgeprägtes Labienödem mit Spannungsblasen und konsekutiver Nekrose und Wundheilungsstörung mit Superinfektion. Erst unter Einsatz einer Dopaminperfusortherapie besserte sich der Zustand der Patientin auf der Intensivstation nach 10 Tagen. Auch diese Einlingsschwangerschaft entwickelte sich zeitgerecht mit unauffälligem Ersttrimesterscreening und im Verlauf rückläufiger Grösse der Ovarien und langsamer Rückbildung des Aszites. Die Patientin konnte in der 15 + 4. Schwangerschaftswoche mit fallenden HCG-Werten in die ambulante Führung entlassen werden. Die Ovarien verblieben im Verlauf der weiteren Schwangerschaft vergrössert. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung besteht eine unauffällige fortlaufende Schwangerschaft.
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Insgesamt ist das spontane OHSS eine seltene Erkrankung. In unserer Literaturanalyse konnten wir 80 Fälle eines spontan entstandenen OHSS identifizieren, davon beschrieben 8 Fälle ein wiederkehrendes spontanes OHSS. Davon konnten in zwei Fällen FSH-Mutationen [8, 9] nachgewiesen werden, in einem weiteren Fall wurde es aufgrund der Familienanamnese vermutet [10]. Die meisten beschriebenen Fälle konnten konservativ behandelt werden, in zwei Fällen war eine Parazentese und/oder Pleurapunktion notwendig [11, 12]. In 5 von 8 Fällen kam es bei vorliegendem spontanem OHSS zu einem Schwangerschaftsabbruch, in Folgeschwangerschaften kam es zur Geburt gesunder Kinder [8‐10, 12, 13]. Die weiteren drei Fälle beschrieben unauffällige Schwangerschaftsverläufe [11, 14, 15].
Bei unauffälligen TSH-Werten, aber deutlich erhöhten beta-HCG-Werten in beiden Schwangerschaften lag in diesem Fall am ehesten ein spontanes OHSS vom Typ II vor. Eine genetische Testung kann aufschlussreich sein, das Management und die Therapie ist aber unabhängig davon.
Während das ovarielle Überstimulationssyndrom (OHSS) unter Kinderwunschbehandlung und Stimulationstherapie ein bekanntes Krankheitsbild ist und die Symptome rasch erkannt und behandelt werden, ist die Möglichkeit der spontanen Entstehung relativ unbekannt.
Die interdisziplinäre Kenntnis über die Möglichkeit spontan entstehender ovarieller Hyperstimulationssyndrome ist für die Betroffenen entscheidend.
Das Management muss im Einzelfall individuell angepasst werden und die Möglichkeit einer intensivmedizinischen Therapie bieten.
Vorzeitige chirurgische Eingriffe oder eine vorzeitige Terminierung der Schwangerschaft müssen vermieden werden.
Eine spontane Rückbildung der Symptome im Verlauf des 2. Trimenons kann erwartet werden.
L. Wilhelm, S. Zimmermann und A. Abbasova Semiz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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