Zugangsherausforderung gemeistert

Für jede endodontische Therapie ist zunächst ein Zugang zu den Wurzelkanälen notwendig. Ziel beim Anlegen der Zugangskavität ist ein möglichst geradliniger Zugang ohne störende Dentinüberhänge. Gleichzeitig ist es jedoch essenziell, minimalinvasiv zu arbeiten, um die langfristige Stabilität des Zahnes zu sichern. Eine defektorientierte Präparation der Zugangskavität stellt einen sinnvollen Ansatz dar, um den Zahn so wenig wie möglich iatrogen zu destabilisieren. Anhand des folgenden Fallberichts wird illustriert, wie man mit einem eingeschränkten Zugang eine suffiziente endodontische Therapie erzielt und was dabei zu beachten ist. Fallbeispiel Ein 43-jähriger Patient stellte sich in unserer Praxis mit primär abends auftretenden Schmerzen am Zahn 16 vor. Darüber hinaus reagierte der Zahn sehr empfindlich auf warme und kalte Reize, und auch die Vitalitätsprobe fiel stark positiv aus, mit einem den Reiz überdauernden Schmerz. Der Perkussionstest war negativ, und es zeigten sich keine pathologischen Sondierungstiefen. Die Palpation der umliegenden Gewebe verlief unauffällig; es war weder eine Schwellung noch eine Fistel sichtbar. Bei der klinischen Untersuchung fiel die insuffiziente distal-okklusal gelegene Zementfüllung auf (Abb. 1), die laut Aussage des Patienten etwa ein Jahr zuvor gelegt worden war. Radiologisch ergab sich weder im DVT noch in der präoperativen Zahnfilmaufnahme (Abb. 2) eine apikale Radiotransluzenz oder ein erweiterter Parodontalspalt. Jedoch schien die Füllung am Zahn 16 sehr nahe am Nerv zu liegen. Diagnose und Therapieplanung Die Auswertung der Anamnese, der klinischen Untersuchung und der Röntgenbefunde führte zur Diagnose einer akuten irreversiblen Pulpitis. Dem Patienten wurde eine Therapie vorgeschlagen, die zunächst auf die Vitalerhaltung der Wurzelpulpa abzielte. Er wurde jedoch auch darüber informiert, dass unter Umständen eine Vitalexstirpation und eine orthograde Wurzelkanalbehandlung erforderlich sein könnten. Nach Aufklärung über mögliche Risiken stimmte der Patient dem Therapievorschlag zu. Behandlung Nach lokaler Anästhesie und Isolierung mittels Kofferdam (Abb. 3) wurde zunächst die insuffiziente Füllung entfernt und die bestehende Karies von peripher nach zentral mithilfe des Operationsmikroskops und keramischer Rosenbohrer (K1SM, Komet Dental) exkaviert. Dabei wurde eine hyperämische Pulpa freigelegt (Abb. 4). Die Kronenpulpa wurde im Zuge des Versuchs der Vitalerhaltung mit diamantierten Bohrern entfernt. Es stellte sich jedoch trotz entsprechender Maßnahmen keine Hämostase ein. Auf eine präendodontische Aufbaufüllung wurde verzichtet, um die Übersicht und den Zugang zu den Wurzelkanälen von distal nicht zu beeinträchtigen. Für die nun folgende Vitalexstirpation wurde aus Stabilitätserwägungen auf eine mesial gerichtete Erweiterung der defektorientierten Zugangskavität verzichtet. Da die Übersicht über die Pulpakammer durch einen so minimalinvasiven Zugang erschwert ist, ist es ratsam, sich präoperativ mit einem DVT einen Überblick über die Anatomie des Wurzelkanalsystems zu verschaffen, um keine Kanäle zu übersehen. So war bereits präoperativ klar, dass die beiden mesialen Kanäle nach wenigen Millimetern konfluieren. Für die Aufbereitung dieses Isthmus und die Darstellung der übrigen Kanaleingänge wurden Endotracer (H1SML31.205.008, Komet Dental) verwendet, die auch auf engem Raum mit bestehenden Dentinüberhängen ein kontrolliertes Arbeiten unter Sicht ermöglichen. Die Aufbereitung der Kanäle erfolgte mit dem FQ-Feilensystem bis zur Größe 25.04 (FQ04L25.204.025, Komet Dental), da diese Feilen bei dem eingeschränkten Zugang eine hohe Flexibilität bieten, die notwendig ist, um auch ohne einen idealen geradlinigen Zugang eine sichere und präzise Kanalpräparation zu gewährleisten (Abb. 5). Nach abgeschlossener Präparation erfolgte eine gründliche Desinfektion mit 5,25 % NaOCl und 17 % EDTA. Zusätzlich wurden die Spülungen mittels Schall und Ultraschall aktiviert. Die Wurzelfüllung erfolgte in derselben Sitzung mit BioSeal (BCS1.000, Komet Dental) und Guttapercha mittels einer modifizierten Einstifttechnik (Abb. 6 und 8). Dieser biokeramische Sealer ist vor allem aufgrund seines Abbindeverhaltens für sealerbasierte Obturationstechniken ohne den für tiefes Kompaktieren der Guttapercha notwendigen geradlinigen Zugang sehr gut geeignet. Nachdem der Zahn sandgestrahlt wurde, erfolgte die postendodontische Versorgung mit einem Goldstandard-Adhäsivsystem sowie einer hochwertigen Füllung aus einem Universalkomposit (Abb. 7). Schlussfolgerung In Zeiten minimalinvasiver Zahnmedizin sollte zum Erhalt der Stabilität des endodontisch behandelten Zahnes stets eine defektorientierte Zugangskavität in Betracht gezogen werden. Entscheidend für den Erfolg sind – trotz eingeschränkter Übersicht und eines erschwerten Zugangs zu den Wurzelkanälen – eine gründliche dreidimensionale Diagnostik sowie der Einsatz geeigneter Qualitätsinstrumente, die eine fehlerfreie und sichere Kanalpräparation auch unter schwierigen Bedingungen ermöglichen. Dr. Laurens Intert wurde am 8. 1.1993 in Kiel geboren. Er absolvierte das Zahnmedizin-Studium in Hamburg mit Staatsexamen 2018. 2019 bis 2020 arbeitete er in der Endospezialisten- Praxis Michael Bruder. Seit 2020 ist er mit Schwerpunkt Endodontie in der Praxis Berliner Bogen beschäftigt, seit 2022 Leiter der Sektion Endodontie bei Tomorrowdent. Der Originalartikel ist erschienen in ZWP 12/24 ©Oemus Media

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