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26.02.2025 | Ärztekammer

Achtung Landesgrenze!

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Die Wiener Spitäler stöhnen unter dem Ansturm von Patienten aus anderen Bundesländern. Die Ärztekammer für Niederösterreich fordert eine gemeinsame Planung mit den Nachbarn Wien und Burgenland.

Die Anzahl der Gastpatienten aus anderen Bundesländern in den Wiener Spitälern ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Wien bekommt zwar über den Finanzausgleich mehr Geld als ihrem Anteil an der Bevölkerung entspräche – das reiche aber nicht aus, um die durch die hohe Anzahl von Gastpatienten entstehenden Kosten auszugleichen, sagt Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Allein die vielen Patienten aus Niederösterreich hätten im Jahr 2022 Mehrkosten in Höhe von rund 420 Millionen Euro verursacht, rechnete er vor. Hacker pocht daher auf Verhandlungen mit Niederösterreich und auch mit dem Burgenland.

Mit diesem Ansinnen jedoch stößt er auf taube Ohren. Der burgenländische Landeshauptmann und Parteifreund Hans Peter Doskozil verweist auf „aufrechte Verträge“, die einzuhalten seien. Der nächste Zeitpunkt, diese zu diskutieren, sei der nächste Finanzausgleich, sagte Doskozil. Der aktuelle Finanzausgleich stammt aus dem Vorjahr. Der Finanzausgleich wird alle vier bis sechs Jahre neu ausgehandelt.

Auch die Reaktion aus Niederösterreich fällt ablehnend aus: „Für uns gelten die verhandelten Verträge, die im Rahmen des Finanzausgleichs ausführlich besprochen und beschlossen wurden. An dieser Vereinbarung werden wir nicht rütteln“, hieß es aus dem Büro des für die Kliniken zuständigen Landesrates Ludwig Schleritzko (ÖVP). Die Folge davon: Menschen, die zwar in Wien arbeiten, aber dort nicht ihren Hauptwohnsitz haben, werden immer wieder in Wiener Spitälern für Operationen abgelehnt. Die Ärztekammer für Niederösterreich fordert daher eine gemeinsame Gesundheitsplanung für die drei ostösterreichischen Bundesländer.

Michael Krassnitzer

Im Wiener Umland haben wir immer größere Probleme

„Ich appelliere an die verantwortlichen Politiker in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, sich auf eine gemeinsame Planung und Finanzierung der Gesundheitsversorgung zu einigen. Es ist nicht einzusehen, warum wir es nicht schaffen, ein funktionierendes Gesundheitssystem über Bundesländergrenzen hinweg zu etablieren. Ein besonders hanebüchenes Beispiel, das mir berichtet wurde: Eine niederösterreichische Patientin, die an einem Wiener Krankenhaus in Zusammenhang mit ihrer Diabeteserkrankung stationär aufgenommen wurde, hat sich dort die Hand gebrochen. Anstatt die Verletzung in der dortigen Unfallchirurgie zu behandeln, wurde die Patientin dafür eigens in ein Spital in Niederösterreich gebracht, weil man ja dort zuständig ist.

Die Verantwortlichen müssen sich zusammensetzen und die Daten auf den Tisch legen: Welche Gesundheitsleistungen brauchen wir? Wo sind die Kapazitäten, um diese Leistungen durchzuführen? Und das muss dann abgestimmt werden. Ein Beispiel: Die Wiener Bevölkerung braucht jährlich 2.000 Mandeloperationen, die Wiener Spitäler könnten aber 2.200 Mandeloperationen jährlich durchführen. Niederösterreich bräuchte jährlich 1.500 Mandeloperationen, kann aber nur 1.450 Operationen durchführen. Warum also nicht 50 niederösterreichische Patienten in Wien behandeln lassen? Ich stehe grundsätzlich zur wohnortnahen Versorgung, aber mittlerweile ist die Bevölkerung mobil geworden. Die Menschen sind bereit, sich für eine gute medizinische Versorgung ins Auto zu setzen und dorthin zu fahren bzw. fahren zu lassen.

Speziell in Niederösterreich brauchen wir endlich eine Krankenhausstruktur. Wir brauchen in den Krankenhäusern Abteilungen mit einem klaren Versorgungsauftrag, die mit dem entsprechenden Personal und mit dem entsprechenden Equipment ausgestattet sind. In die von der Ärztekammer für Niederösterreich geforderte gemeinsame Planung muss auch der niedergelassene Bereich miteinbezogen werden: Im Umland von Wien haben wir immer mehr Schwierigkeiten, die Basisversorgung aufrechtzuerhalten. Immer weniger Ärzte bieten hier ihre Leistungen an. Im nahen Wien gäbe es genügend Ärzte, aber die Stadtgrenze ist für niederösterreichische Patienten im niedergelassenen Bereich unüberwindlich.“

Dr. Harald Schlögel, Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich

Versorgung darf nicht an Landesgrenzen Halt machen

„Eine gemeinsame Planung über Bundesgrenzen hinweg ist sicherlich zu befürworten. Gesundheitsversorgung darf an den Landesgrenzen nicht Halt machen. Wir haben als Ärzte im Burgenland immer wieder die Wahrnehmung, dass burgenländische Patienten in Wien und Niederösterreich schlichtweg keine Untersuchungen bzw. Operationen mehr bekommen. Das ist unzumutbar – einen Unterschied nach Wohnort darf es im solidarisch bezahlten Gesundheitssystem nicht geben. Wenngleich momentan die Spitalsversorgung im Hinblick auf Gastpatienten im Fokus steht, darf auch der niedergelassene Bereich nicht vergessen werden. Es ist durchaus sinnvoll, auch hier länderübergreifend zu planen, insbesondere in spezialisierten Bereichen. Wenn man eine gemeinsame Planung über Ländergrenzen hinweg andenkt, müssen alle Player – Länder als Spitalserhalter und Kassen als Verantwortliche für den niedergelassenen Bereich – mit offenen Karten spielen. Und das Wichtigste wäre, dass die Leistungserbringer, also hauptsächlich die Ärztinnen und Ärzte, als Experten einbezogen werden.

In Teilbereichen funktioniert die landesübergreifende Zusammenarbeit auch: Gemeinsam mit dem Krankenhaus Wiener Neustadt betreibt das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt das Herzkatheternetzwerk, wo Herzkatheterpatienten über die Landesgrenzen hinweg betreut werden. Dies ist zwar nur ein kleiner Teilbereich. Aber man sieht daran, dass – wenn alle Beteiligten wollen – es auch funktionieren kann. Es gibt hier sicherlich nicht nur ein Problem und nicht nur eine Ursache. Einerseits haben wir es – dank der Medizin – mit einer immer älter werdenden Bevölkerung zu tun, diese braucht daher generell mehr Behandlungen. Andererseits macht die Medizin dank der Forschung immer mehr Fortschritte. Die dadurch entstehenden immensen Kosten sind letztendlich der Auslöser für die jetzt losgetretene Diskussion über die Begrenzung der Gastpatienten. Wir haben in Österreich das grundsätzliche Problem, dass wir viel zu spitalslastig aufgestellt sind. Viele Leistungen, die derzeit im Spital erbracht werden, könnten wesentlich günstiger im niedergelassenen Bereich erbracht werden. Dort muss man aber vor der sinnvollen Auslagerung die Kapazitäten ausbauen. Und das wird genauso wie die Thematik Gastpatienten nur funktionieren, wenn sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen.

Dr. Christian Toth, Präsident der Ärztekammer für Burgenland

Kein Bundesland darf sich benachteiligt fühlen

„Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, die Gesundheitsversorgung der Ostregion – also Niederösterreich, Wien und Burgenland – gemeinsam zu planen. Natürlich haben die Bundesländer die Pflicht, eine gute Eigenversorgungsquote zu garantieren. Aber es ergibt natürlich auch keinen Sinn, in jedem Krankenhaus alle Operationen anzubieten, nicht zuletzt weil ja höhere Fallzahlen auch mit einer höheren Qualität verbunden sind. Dass spezielle und sehr aufwändige Behandlungen an spezialisierten Krankenhäusern in der Bundeshauptstadt Wien durchgeführt werden, ist durchaus vernünftig. Es geht in erster Linie um die Frage: Wo können die Menschen am besten versorgt werden? Aus diesem Grund wurden auch vor vielen Jahren die Regelungen betreffend Gastpatienten getroffen. Aber natürlich sollten die entsprechenden Ausgleichszahlungen so festgelegt sein, dass sich kein Bundesland benachteiligt fühlt.

Eine gemeinsame Planung könnte im Rahmen des Österreichischen Strukturplans Gesundheit durchgeführt werden, denn der ÖSG hält die Möglichkeit offen, Regionen gemeinsam zu planen. Eine große Chance liegt in meinen Augen darin, dass jetzt im Jahr 2025 die neuen Regionalen Strukturpläne Gesundheit erstellt werden. In diesen Plänen sind die Bundesländer angehalten zu planen, in welchen Häusern welche Leistungen angeboten werden, wie viele Betten zur Verfügung stehen und so weiter. Der große Vorteil einer gemeinsamen Planung im Rahmen des ÖSG wäre, dass auch der niedergelassene Bereich mitgeplant werden muss. Ich bin ein Fan davon, dass man möglichst alle, die in dem System arbeiten, zu Gesprächen einlädt, damit man am Ende das gemeinsame Ziel erreicht: eine gute Versorgung für die Bürger.

Die Problematik besteht ja nicht nur zwischen Niederösterreich, Wien und Burgenland, sondern in allen Grenzregionen. Ein Beispiel wäre das niederösterreichische Landesklinikum Amstetten, das nahe der Grenze zu Oberösterreich liegt. In Niederösterreich gibt es ein Kooperationsprojekt mit der Tschechischen Republik, das manchmal besser funktioniert als die Zusammenarbeit zwischen den heimischen Bundesländern: das grenzüberschreitende Gesundheitszentrum Healthacross MED in Gmünd, in dem sowohl tschechische als auch österreichische Patienten behandelt werden.“

Ulrike Königsberger-Ludwig, SPÖ, Landesrätin in Niederösterreich



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Titel
Achtung Landesgrenze!
Publikationsdatum
26.02.2025