Ungewollte Kinderlosigkeit ist ein ernst zu nehmendes Problem. Für viele Paare stellt der Wunsch nach einem Kind einen zentralen Lebensinhalt dar. Gemäss der „World Health Organisation“ (WHO) liegt eine Sterilität vor, wenn trotz regelmässigem und ungeschütztem Geschlechtsverkehr nach 1 Jahr noch keine Schwangerschaft eingetreten ist. Die Prävalenz variiert je nach Land. Es wird geschätzt, dass in der westlichen Welt ca. jedes 7. Paar betroffen ist. Zahlreiche Gründe können für eine ungewollte Kinderlosigkeit verantwortlich sein. Vor Beginn einer Sterilitätstherapie sollten diese abgeklärt werden, um eine optimale Wahl der Sterilitätstherapie treffen zu können. Die assistiert-reproduktionsmedizinischen Techniken stellen wichtige Therapieoptionen mit guten Erfolgschancen dar. Mit dem Inkrafttreten des revidierten Fortpflanzungsmedizingesetztes der Schweiz ist es nun auch möglich, Verfahren, die früher nur im Ausland erfolgen konnten, im Inland durchzuführen. So kann mittlerweile Paaren mit schweren Erbleiden auch im eigenen Land eine Präimplantationsdiagnostik erfolgreich angeboten werden.
Hinweise
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Allgemeines
Ungewollte Kinderlosigkeit ist ein ernst zu nehmendes Problem der Gesellschaft. Für viele Paare stellt der Wunsch nach einem Kind einen zentralen Lebensinhalt dar. So ist es nicht verwunderlich, dass das Vorliegen einer Sterilität sowohl zu einer reduzierten Lebensqualität und vermindertem Selbstwertgefühl als auch zu persönlicher Verzweiflung und sogar sozialer Isolation führen kann.
Gemäss der „World Health Organisation“ (WHO) liegt eine Sterilität vor, wenn trotz regelmässigem und ungeschütztem Geschlechtsverkehr nach 1 Jahr noch keine Schwangerschaft eingetreten ist [1].
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Die Prävalenz variiert je nach Land sowie der zugrunde gelegten Definition der Sterilität. So wird in einer systematischen Analyse von 190 Ländern eine Prävalenz zwischen 1 % und 24 % angegeben. In der westlichen Welt wird geschätzt, dass ca. jedes 7. Paar ungewollt kinderlos ist [2].
Gesetzliche Grundlage in der Schweiz
Gesetzliche Grundlage der assistierten reproduktionsmedizinischen Techniken (ART) sind der schweizerische Bundesverfassungsartikel BV Art. 24novies, seit 2000 BV Art. 119, sowie das schweizerische Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG), welches am 01.01.2001 in Kraft trat und dessen revidierte Form seit 01.09.2017 gültig ist. Dieses Gesetz legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung beim Menschen angewendet werden dürfen. Nur wenn die Unfruchtbarkeit eines Paares überwunden werden soll und die anderen Behandlungsmethoden versagen, aussichtslos sind oder die Gefahr, dass eine schwere, unheilbare Krankheit auf die Nachkommen übertragen wird, anders nicht abgewendet werden kann, darf ein assistiertes Fortpflanzungsverfahren durchgeführt werden (Art. 5). Eine Bewilligung des Kantons benötigt, wer Fortpflanzungsverfahren anwendet, Keimzellen, imprägnierte Eizellen oder Embryonen in vitro zur Kryokonservierung entgegennimmt oder gespendete Samenzellen vermittelt, ohne selber Fortpflanzungsverfahren anzuwenden. Für die Insemination mit Samenzellen des Partners ist keine Bewilligung erforderlich (Art. 8). Jährlich muss ein Bericht über die Zahl und Art der Behandlungen, die Indikation, die Verwendung gespendeter Samenzellen, die Zahl der Schwangerschaften und deren Ausgang, die Konservierung und Verwendung von Keimzellen und imprägnierten Eizellen und die Anzahl überzähliger Embryonen der Bewilligungsbehörde zugestellt werden. Diese übermittelt die Daten zur Auswertung und Veröffentlichung (Art. 11) dem Bundesamt für Statistik. Ferner erfolgen regelmässige Kontrollen des reproduktionsmedizinischen Zentrums durch die Bewilligungsbehörde (Art. 12).
Im Gegensatz zu dem vorab gültigen Fortpflanzungsmedizingesetz ist es nun auch möglich, die Präimplantationsdiagnostik an Embryonen vorzunehmen. Die Untersuchung des Erbguts darf aber nur „zur Erkennung chromosomaler Eigenschaften, die die Entwicklungsfähigkeit des zu zeugenden Embryos beeinträchtigen können, oder wenn die Gefahr, dass die Veranlagung für eine schwere Krankheit übertragen wird, anders nicht abgewendet werden kann“ vorgenommen werden (Art. 5). Im Zuge der Möglichkeit, die Präimplantationsdiagnostik durchführen zu können, dürfen nun auch Embryonen kryokonserviert werden, was bisher untersagt war. Vor dem 01.09.2017 war es nur erlaubt, befruchtete Oozyten zu kryokonservieren, Embryonen mussten alle transferiert werden.
FIVNAT-Register
Die damalige Schweizerische Gesellschaft für Fertilität, Sterilität und Familienplanung gründete 1992 die Arbeitsgruppe FIVNAT-CH. Diese implementierte ein Register, welches anonymisierte und detaillierte Angaben zu den durchgeführten In-vitro-Fertilisations- (IVF) und intrazytoplasmatischen Spermieninjektionsbehandlungen (ICSI-Behandlungen) der Schweiz in den jeweils angeschlossenen Zentren sammelt und statistisch auswertet. Seit 1997 werden jährlich externe Qualitätskontrollen in den teilnehmenden Zentren durchgeführt, um die Korrektheit der Angaben zu überprüfen. Jedes Zentrum erhält einmal jährlich von der FIVNAT-CH die Daten seiner eigenen Behandlungen, welche mit den Daten der restlichen Zentren der Schweiz verglichen werden. Die Mitgliedschaft ist freiwillig, und deren Finanzierung wird durch die Zentren selber gesichert. Momentan sind alle Schweizer IVF-Zentren Mitglied von FIVNAT-CH.
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Vorabklärungen vor einer Sterilitätstherapie
Bevor bei einem Paar eine Sterilitätstherapie durchgeführt wird, muss zunächst die Ursache der Sterilität evaluiert werden. Hierzu sollten der endokrine, der mechanische sowie der männliche Faktor abgeklärt werden. Ferner werden wichtige Infektionen wie HIV, Hepatitis B und C, Chlamydia trachomatis sowie die Rubeolen- und Varizellenimmunität untersucht. Wichtig ist, dass immer beide Partner abgeklärt werden, da bei fast 20 % aller Paare sowohl beim Mann als auch der Frau eine Sterilitätsursache gefunden werden kann (Abb. 1).
Abb. 1
Häufigkeitsverteilung der Sterilitätsursachen. (Basierend auf [3])
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Unter dem endokrinen Faktor werden u. a. ovulatorische Dysfunktionen sowie die ovarielle Reserve verstanden.
Als Biomarker für die persönliche ovarielle Reserve wird bereits seit den 1990er Jahren der basale FSH-Wert verwendet. Die Blutentnahme sollte frühzyklisch, optimalerweise zwischen dem 2. und 4. Zyklustag, erfolgen. Es ist bekannt, dass ein erhöhter FSH-Wert einen Hinweis auf eine verminderte ovarielle Reserve darstellt [4] und als guter Prädiktor für den fehlenden Schwangerschaftseintritt bei der Sterilitätstherapie gilt [5]. Hinsichtlich des sinnvollen Cut-off-Wertes gibt es keine allgemeingültige Definition. Je nach Studie wird dieser Grenzwert mit 8, 10, 15 oder 20 IU/l angegeben [6].
Mittlerweile tritt immer mehr das Anti-Müller-Hormon (AMH) als Biomarker in den Vordergrund. Es wird in den Granulosazellen der präantralen und kleinen antralen Follikel gebildet und spiegelt damit den follikulären Pool wider. Im Gegensatz zum basalen FSH-Wert ist die Bestimmung des AMHs zyklusunabhängig. Hinsichtlich seiner Aussagekraft bezüglich einer Lebendgeburt nach IVF‑/ICSI-Behandlung kamen die Autoren zweier Metaanalysen zum Schluss, dass AMH, unabhängig vom maternen Alter, eine gewisse Assoziation mit der Vorhersage einer Lebendgeburt bei der Sterilitätstherapie hat [7, 8].
Der „antral follicle count“ (AFC) dient der sonographischen Evaluation des follikulären Pools. Hierbei werden die Anzahl antraler Follikel von einem Durchmesser zwischen 2 und 10 mm in beiden Ovarien gezählt [9]. Er zeigt für die Anzahl gewonnener Oozyten bei einer IVF‑/ICSI-Behandlung einen guten prädiktiven Wert, ebenso wie das AMH. Hinsichtlich der Vorhersage eines Schwangerschaftseintritts zeigten Broekmans et al. in ihrem Review eine grosse Spannbreite der Sensitivität mit Werten zwischen 0,07 und 0,60, wobei die Spezifität mit zwischen 0,33 und 0,98 angegeben wurde [10].
Unter dem mechanischen Faktor werden anatomische Veränderungen verstanden, die das Aufeinandertreffen von Spermien und Oozyte oder die Implantation eines Embryos beeinträchtigen. Als „golden standard“ für diese Abklärung gelten die Chromolaparoskopie und Hysteroskopie. Hierbei können Pathologien direkt dargestellt und, sofern möglich, behoben werden. Dieser operative Eingriff empfiehlt sich insbesondere, wenn aufgrund von Voruntersuchungen ein hochgradiger Verdacht auf eine Pathologie (z. B. sonographisch dargestellte ovarielle Befunde oder anamnestisch ausgeprägte Dysmenorrhö als Hinweis auf eine Endometriose) besteht. Ansonsten können das Cavum uteri und die Tuben radiologisch mittels Hysterosalpingographie (HSG) oder sonographisch durch eine Hydro- bzw. Hysterosalpingokontrastsonographie (HyCoSy) evaluiert werden.
Liegt beim Mann eine Subfertilität vor, sollte diese vom Spezialisten urologisch-andrologisch abgeklärt werden.
Sofern alle Resultate der Vorabklärungen vorliegen, kann die geeignete Sterilitätstherapie gewählt werden. Im Folgenden wird die Vorgehensweise der IVF und ICSI vorgestellt.
Mit der Geburt von Louise Brown, welche am 25.07.1978 in England geboren wurde, trat die assistierte Reproduktionsmedizin in das breite, öffentliche Bewusstsein. Sie war das erste Kind, welches nach einer IVF geboren wurde. Dem Gynäkologen Patrick Steptoe gelang zusammen mit dem Physiologen Robert Edwards dieser Erfolg [11]. Mittlerweile wurden weltweit mehr als 7 Mio. Babys aus IVF‑/ICSI-Zyklen geboren. In der Schweiz basieren ca. 2,5 % aller Geburten auf diesen Behandlungen [12].
Um eine erfolgreiche IVF-/ICSI-Behandlung durchzuführen, müssen viele einzelne Schritte optimal ablaufen. Diese werden im Folgenden näher beschrieben.
Ablauf einer IVF-/ICSI-Behandlung
Ovarielle Stimulation
Zunächst erfolgt eine kontrollierte ovarielle Hyperstimulation mit Gonadotropinen. Dadurch wird eine Reifung von Oozyten bewirkt, denn nur eine reife Oozyte in der Metaphase II ist befruchtungsfähig. Ziel der Stimulation ist es, zwischen 10 und 15 reife Oozyten zu erhalten, da damit eine optimale Schwangerschaftschance gegeben ist und das Risiko für die Entwicklung eines ovariellen Überstimulationssyndroms als Komplikation nicht erhöht ist [13].
Um einen vorzeitigen LH-Anstieg, welcher zu einer hohen Rate an Stimulationsabbrüchen führen würde, zu vermeiden, werden zusätzlich Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonisten (GnRHa) oder Gonadotropin-Releasing-Hormon-Antagonisten (GnRH-A) eingesetzt.
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Mittels regelmässiger transvaginaler Ultraschalluntersuchung und der Bestimmung von Östradiol und Progesteron im Serum wird die Stimulation engmaschig überwacht. Sonographisch werden zum einen die Dicke des Endometriums und zum anderen die Anzahl und Grösse der Follikel bestimmt. Ein optimales Endometrium sollte mehr als 7 mm Dicke [14] und einen „bilayer“ aufweisen [15]. Hinsichtlich der Follikelgrösse sollten mindestens 3 Follikel einen mittleren Durchmesser von 16–18 mm haben, da bei dieser Follikelgrösse in den meisten Fällen davon ausgegangen werden kann, dass eine reife Oozyte in der Metaphase II vorhanden ist.
Follikelpunktion
Sofern die optimalen Follikelgrössen erreicht sind, wird die Endausreifung der Oozyten mittels der Injektion mit hCG initiiert. 34–36 h später erfolgt die Eizellgewinnung mittels transvaginaler Follikelpunktion (siehe Abb. 2). Bis Mitte der 1980er Jahre erfolgten die Punktionen laparoskopisch, anschliessend sonographisch kontrolliert transabdominal [16]. Mit Hilfe von Vaginalsonden konnte erstmals 1985 die ultraschallkontrollierte transvaginale Follikelpunktion erfolgen [17]. Dieses stellt bis heute das Standardvorgehen dar. Diese Methode ist minimal-invasiv, kann je nach Wunsch der Patientin ohne Narkose durchgeführt werden und erlaubt auch, Follikel in der Tiefe der Ovarien zu punktieren. Komplikationen sind äusserst selten.
Optimalerweise wird noch während der Punktion die gewonnene Follikelflüssigkeit auf das Vorhandensein einer Oozyte von den Embryologen/Embryologinnen kontrolliert. Diese wird von eventuell vorhandenen Blutkoageln, Luftbläschen und überschüssigen Granulosazellen gereinigt und anschliessend in ein Kulturmedium umgebettet. Eine reife, befruchtungsfähige Oozyte hat den ersten Polkörper ausgestossen und befindet sich in der Metaphase II (Abb. 3).
Abb. 3
Reife, befruchtungsfähige Oozyte. (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Min Xie, universitäres Kinderwunschzentrum USZ. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation.)
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Diese reifen Oozyten werden mit den Spermien des Partners zusammengefügt. Vorgängig muss das Sperma aufbereitet werden. Hierzu werden am häufigsten die Methode des „swim-up“ oder die Dichtegradientenfiltration angewendet.
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Zunächst werden das Sperma gewaschen sowie das Seminalplasma entfernt. Beim „swim-up“ müssen anschliessend die Spermien in ein überschichtetes Medium schwimmen, von dem sie dann abpipettiert werden. Somit kann hochmotiles, hochreines Material gewonnen werden. Bei der Dichtegradientenfiltration werden 2 Medien von unterschiedlicher Dichte (z. B. 45 %ige und 90 %ige Lösung) in ein Reagenzglas gegeben, mit der gewaschenen Spermienprobe überschichtet und zentrifugiert. An den Grenzschichten lagern sich auf diese Weise sowohl immotile als auch malformierte Spermien, Leukozyten und bakterieller Debris ab. Durch diese Methode kann eine höhere Ausbeute an motilen Spermien auch bei schlechter Spermienqualität gewonnen werden.
Für die Zusammenführung von Spermien und Oozyten stehen 2 Verfahren zur Verfügung.
Bei der IVF werden ca. 100.000 rasch progressive motile Spermien pro Eizelle verwendet. Eizelle und Spermien werden dabei jeweils in 1 ml Kulturmedium in eine Kulturschale gegeben und in den Inkubator gestellt.
Hierbei muss es einem Spermium gelingen, in die Oozyte einzudringen und so eine Fertilisation herbeizuführen. In Abb. 4 ist eine fertilisierte Oozyte mit 2 Vorkernen erkennbar. Sichtbar sind noch zahlreiche Spermien.
Abb. 4
In-vitro-Fertilisation (IVF). (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Min Xie, universitäres Kinderwunschzentrum USZ. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation.)
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Die klassische Indikation für eine IVF ist der beidseitige Tubenverschluss. Weiterhin ist sie bei einer leichten, männlichen Subfertilität sowie nach erfolglosen intrauterinen Inseminationen indiziert. Ebenso kann sie bei einer unerklärten Sterilität angewendet werden, wobei hier das Risiko eines Fertilitätsversagens besteht.
Liegt eine schwere männliche Subfertilität vor, kommt es mittels IVF jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Fertilisation, da das Spermium die Zona pellucida nicht überwinden kann. Verschiedene Ansätze wurden versucht, um diese Problematik zu lösen. So wurde auf Seite der Spermien eine Optimierung mittels z. B. erhöhter Spermienkonzentration oder Zugabe von Koffein und seinen Derivaten zur Verbesserung der Beweglichkeit angewendet. Bei der Oozyte wurde versucht, die Barriere der Zona pellucida mittels „zona drilling“, partieller Zonadissektion oder einer subzonalen Insemination zu durchbrechen. Die Schwangerschaftsraten waren sehr niedrig (2,9–16 %) und in über 30 % kam es zu einer Polyspermie [18‐20].
Erst durch die Einführung der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion ist es möglich geworden, gute Schwangerschaftsraten zu erzielen. Diese Methode gilt heutzutage als Standardvorgehen bei männlicher Subfertilität und bei Fertilisationsversagen einer IVF, wird jedoch auch bei einer unerklärten Sterilität angewendet.
Die erste Schwangerschaft mit ICSI konnte im Jahr 1992 erzielt werden [20].
Bevor eine ICSI erfolgen kann, müssen die Oozyten von den Kumuluszellen und der Corona radiata befreit, also denudiert werden. Sofern ein Spermium selektioniert wurde, wird dieses vor der intrazytoplasmatischen Injektion immobilisiert, um nicht die intrazellulären Strukturen der Oozyte zu verletzten. Häufig wird dazu das Spermium zunächst in einen Tropfen Polyvinylpyrrolidon gegeben. Durch dessen erhöhte Viskosität wird die Motilität des Spermiums vermindert. Durch ein ruckartiges Ziehen am Schwanzende mittels einer Mikrokapillare wird das Spermium schliesslich komplett immobilisiert und kann in die Oozyte injiziert werden. Für die Injektion wird die Oozyte durch eine Haltepipette fixiert, sodass sich der erste Polkörper bei 6 oder 12 Uhr befindet. Anschliessend wird das Spermium in der Äquatorialebene injiziert, wie in Abb. 5 dargestellt. Dadurch wird gewährleistet, dass der Spindelapparat nicht verletzt wird.
Abb. 5
Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Min Xie, universitäres Kinderwunschzentrum USZ. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation.)
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16–18 h nach der Durchführung einer IVF oder ICSI kann die Fertilisation kontrolliert werden. Die zu erwartende Fertilisationsrate von reifen Oozyten liegt heutzutage bei ca. 60 %. Eine normale Fertilisation ist durch das Vorhandensein von 2 Vorkernen im Zentrum des Zytoplasmas der Oozyte sowie dem Vorliegen von 2 Polkörpern gekennzeichnet. Bei den Vorkernen handelt es sich um das haploide Genmaterial, zum einen aus der Oozyte und zum anderen aus dem Spermium. Diese befruchteten Oozyten werden auch Vorkernstadien genannt (Abb. 6).
Abb. 6
Normal fertilisierte Oozyte. (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Min Xie, universitäres Kinderwunschzentrum USZ. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation.)
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Werden Vorkernstadien weiterentwickelt, entstehen 2 Tage nach der Eizellentnahme optimalerweise ein 4‑Zell-Embryo, 3 Tage danach ein 8‑Zell-Embryo und 5 Tage danach eine Blastozyste (Abb. 7).
Abb. 7
Embryonen, a Tag 2, b Tag 3, c Tag 5 (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Min Xie, universitäres Kinderwunschzentrum USZ. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation.)
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Lutealphasensupport und Embryonentransfer
Vor einem Embryonentransfer ist es wichtig, einen Lutealphasensupport zu beginnen, da die körpereigenen Progesteronlevel bei einer IVF-/ICSI-Behandlung zu tief sind und daraus schlechte Implantations- und Schwangerschaftsraten resultieren. Verschiedene Medikationen werden bis anhin dafür verwendet: vaginal oder subkutan appliziertes Progesteron, hCG-Injektionen, Progesteron und Östrogenapplikationen sowie die zusätzliche Gabe eines GnRH-Agonisten.
Prinzipiell kann 2, 3 oder 5 Tage nach der Eizellentnahme der Embryonentransfer durchgeführt werden. Hierfür werden bis maximal 12 Vorkernstadien weiterentwickelt und möglichst ein Embryo mit dem besten morphologischen Grading intrauterin transferiert. Die genaue Zahl von 12 hat keinen reproduktionsmedizinischen Grund, sondern stellt eine Vorgabe des schweizerischen Fortpflanzungsmedizingesetztes dar.
Wie viel Tage nach der Follikelpunktion der Transfer erfolgt, sollte individuell festgelegt werden. In einem Cochrane-Review zeigten sich zwar höhere Lebendgeburtenraten pro Transfer bei einer Blastozyste [21], zu bedenken ist aber, dass nur knapp 50 % aller Vorkernstadien das Blastozystenstadium erreichen [22]. In der Arbeit von Braga et al. war diese Wahrscheinlichkeit bei „low quality embryos“ im Weiteren um bis zu 40 % weiter reduziert [23].
Für den Embryonentransfer stehen verschiedene Kathetersysteme kommerziell zur Verfügung. Der Transfer kann unter Ultraschallsicht oder nach vorgängigem Testtransfer erfolgen, um die optimale Platzierung des Embryos, ca. 1–2 cm unterhalb des Fundus, zu ermöglichen. Unmittelbar nach dem Embryonentransfer kann die Patientin nach Hause gehen.
Kryokonservierung von Embryonen oder Vorkernstadien
Nicht benötigte Embryonen oder Vorkernstadien können kryokonserviert und in einem sog. Auftauzyklus zu einem späteren Zeitpunkt transferiert werden. Damit hat das Paar die Möglichkeit, ohne vorgängige hormonelle Stimulation und operative Entnahme der Oozyten eine erneute Schwangerschaftschance zu haben. Es nehmen somit die kumulativen Schwangerschaftschancen zu. Zudem kann mit diesem Vorgehen das Mehrlingsrisiko reduziert werden.
Für die Kryokonservierung stehen heutzutage 2 Verfahren zur Verfügung. Zum einen das „slow freezing“. Hierbei werden die Zellen in Kombination mit einem niedrig konzentrierten Kryoprotektans langsam heruntergekühlt. Die Zeitdauer für diesen Prozess umfasst mehr als 2 h. Das 2. Verfahren stellt die Vitrifikation dar. Hierbei werden die Zellen sehr rasch gefroren. Dieses wird durchgeführt, indem das Vorkernstadium oder der Embryo in eine hohe Konzentration von Kryoprotektans gegeben und nach Verschluss der Paillette in flüssigem Stickstoff extrem schnell heruntergekühlt wird. Hierbei kommt es zum Gefrieren in einem glasähnlichen Zustand. Von Vorteil ist, dass die beim „slow freezing“ möglicherweise entstehende Eiskristallisation nahezu vollständig vermieden werden kann. Ferner benötigt die Vitrifikation nur sehr wenig Zeit und keine zusätzlichen Maschinen.
Präimplantationsdiagnostik
Mit dem revidierten Fortpflanzungsmedizingesetz ist es seit September 2017 erlaubt, eine Präimplantationsdiagnostik am Embryo durchzuführen. So können diese auf monogenetische Defekte (PGT-M), strukturelle Chromosomenanomalien (PGT-SR) und Aneuploidien (PGT-A) untersucht werden.
Hierzu erfolgt an den Blastozysten eine Trophektodermbiopsie. Nach Eröffnung der Zona pellucida werden ca. 5–10 Trophektodermzellen entnommen (siehe Abb. 8)
Abb. 8
Trophektodermbiopsie (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Min Xie, universitäres Kinderwunschzentrum USZ. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation.)
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Die biopsierten Blastozysten werden nach der Biopsie kryokonserviert, da die genetische Analyse des gewonnenen Materials ein paar Wochen in Anspruch nehmen kann. Nach Erhalt des genetischen Resultates kann anschliessend ein Embryonentransfer im Auftauzyklus erfolgen.
Bei der Aufklärung zu einer Präimplantationsdiagnostik ist die Tatsache zu beachten, dass Blastozysten in 5–15 % der Fälle Mosaike haben können, d. h. unauffällige und pathologische Zelllinien [24]. Somit kann mit keiner vollständigen Sicherheit angenommen werden, dass keine Pathologie beim Kind besteht, wenn die Präimplantationsdiagnostik unauffällig war. Aus diesem Grund besteht die Empfehlung, dennoch eine Pränataldiagnostik durchzuführen.
Komplikationen der IVF-/ICSI-Behandlungen
In ca. 8 % der Fälle kann es zu einer meist nur schwachen Blutung aus der vaginalen Punktionsstelle kommen, welche in der Regel mittels Kompression sistiert; nur selten muss eine Naht erfolgen. Akute ovarielle Blutungen sowie Verletzungen der uterinen, ovariellen oder iliakalen Gefässe sind ebenfalls sehr seltene Ereignisse (0,04–0,07 %; [25]). Ebenso treten nur in 0,3–0,6 % der Fälle postoperative pelvine Entzündungen auf [25].
Eine ernst zu nehmende Komplikation der kontrollierten ovariellen Stimulation ist die Entwicklung eines ovariellen Hyperstimulationssyndroms (OHSS). Hinsichtlich der genauen Ursache des OHSS besteht aktuell kein klarer Konsens, jedoch wird allgemein davon ausgegangen, dass das hCG ein kritischer Mediator für dieses Syndrom darstellt [26]. Pathophysiologisch besteht eine Ausschüttung von vasoaktiven Mediatoren aus den hyperstimulierten Ovarien. Dieses führt zu einer erhöhten kapillaren Permeabilität, die eine Verschiebung des intravasalen Flüssigkeitsvolumens in den Extravasalraum bewirkt. Dieses wiederum kann zu einer Hämokonzentration, mit dem Risiko von thrombembolischen Ereignissen und reduzierter Endorgandurchblutung, führen [26]. Eingeteilt wird das OHSS in 3 Schweregrade: in eine milde (Grad I), eine moderate (Grad II) und eine schwere Form (Grad III; Tab. 1).
Wie Grad I, zusätzlich Hämatokrit- und Elektrolytkontrollen, tägliche Gewichtskontrolle
Grad III (schwer)
Ovarien > 12 cm
Emesis, Erbrechen, evtl. Diarrhö, Aszites und u. U. Hydrothorax mit Dyspnoe, Oligurie, Hypovolämie und Hämokonzentration, Risiko von thrombembolischen Ereignissen, Elektrolytverschiebung bis hin zur Entgleisung
Stationäre Aufnahme, symptomatische Therapie
Die Inzidenz wird in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben. Gründe sind zum einen unterschiedliche zugrunde liegende Definitionen und zum anderen unterschiedliche Kollektive [29]. Bezogen auf eine IVF-/ICSI-Behandlung werden für ein mildes OHSS eine Inzidenz von 20–33 %, für ein moderates OHSS von 3–6 % und für ein schweres OHSS von 0,5–5 % angegeben [30]. Risikofaktoren für die Entstehung eines OHSS sind ein junges Alter der Patientin, ein niedriger BMI, polyzystische Ovarien, die Anamnese eines früheren OHSS sowie in der Stimulation hohe Östradiolwerte, die Entwicklung zahlreicher Follikel und die Gewinnung von vielen Oozyten [26]. Zur Risikoverminderung kann Metformin, insbesondere bei Frauen mit polyzystischen Ovarien, eingesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit der Risikominimierung besteht beim Antagonistenprotokoll. Hier kann die Triggerung der letzten Endausreifung der Oozyten mittels Gabe eines GnRH-Agonisten anstelle von hCG vorgenommen werden. Dies senkt signifikant die Inzidenz für das Auftreten eines OHSS [30]. Allerdings sind die Schwangerschaftsraten bei einem unmittelbar erfolgenden Embryonentransfer deutlich reduziert, weswegen alle Embryonen kryokonserviert werden sollten. Zu einem späteren Zeitpunkt kann dann ein Embryonentransfer im Auftauzyklus ohne Beeinträchtigung der Erfolgschancen erfolgen [31].
Um den zeitlichen Rahmen eines OHSS zu verkürzen, können ferner alle Embryonen nach der Eizellentnahme kryokonserviert werden. Das Auftreten eines OHSS kann damit zwar nicht verhindert werden, aber ca. 14 Tage nach Applikation des hCG zur Triggerung der letzten Eizellreifung kommt es zu einer Abbruchblutung und damit zum raschen Sistieren des OHSS.
Erfolgschancen
Gemäss der aktuellen Veröffentlichung der Daten des Bundesamts für Statistik (BfS 2021) wurden 2018 11.241 Zyklen bei 6012 Paaren durchgeführt, wobei in fast 82 % eine ICSI-Behandlung erfolgte [12].
Die Schwangerschafts- und Lebendgeburtsraten steigen stetig an und lagen in der Schweiz 2018 bei 46,2 % respektive 33,3 % pro behandelter Patientin und Jahr (Abb. 9).
Abb. 9
Schwangerschaftsraten und Lebendgeburtsraten durch IVF/ICSI in der Schweiz pro behandelter Patientin und Jahr. klin. klinisch, ICSI intrazytoplasmatische Spermieninjektionsbehandlung, IVF In-vitro-Fertilisationsbehandlung, SS Schwangerschaft. (Nach [12])
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Werden die Erfolgschancen nach Alter der Frau betrachtet, zeigt sich mit zunehmendem maternen Alter eine signifikante Abnahme der Lebendgeburtenraten (Abb. 10).
Abb. 10
Kumulative Lebendgeburtenraten pro Patientin durch IVF/ICSI in der CH je nach maternem Alter. CH Schweiz, ICSI intrazytoplasmatische Spermieninjektionsbehandlung, IVF In-vitro-Fertilisationsbehandlung. (Daten wurden von FIVNAT-CH zur Verfügung gestellt)
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Diese Tatsache ist bei der natürlichen Fertilität bekannt, besteht aber ebenso bei den Methoden der assistierten Fertilisationen. Grund hierfür ist die mit zunehmendem Alter schlechtere Eizellqualität mit Zunahme der Aneuploidien. So zeigen Frauen über 40 Jahre in über 50 % der Fälle eine Aneuploidie in den Oozyten (Abb. 11).
Abb. 11
Aneuploidierate je nach maternem Alter. (Aus [32], mit Genehmigung von S. Karger AG, Basel. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation.)
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Betreffend die Präimplantationsdiagnostik (PID) erfolgte diese im Jahr 2017 bei 54 Paaren und im Jahr 2018 bei 215 Paaren. Die Lebendgeburtenrate nach Transfer eines mittels PGT‑M untersuchten Embryos lag gemäss FIVNAT 2018 bei 32,7 % Das universitäre Kinderwunschzentrum des Universitätsspitals Zürich ist eines der ersten Zentren der Schweiz, welches die Zulassung für die Durchführung der PID erhielt. Nach einer Einführungsphase erfolgte im Jahr 2019 bei 19 Paaren die PID mit einer Lebendgeburtenrate von 47 %. 2020 wurde bei 28 Paaren die PID mit einer Schwangerschaftsrate von 67 % durchgeführt; eine Lebendgeburtenrate kann nicht angegeben werden, da noch nicht alle Frauen entbunden haben.
Einfluss von IVF-/ICSI-Behandlungen auf das kindliche Outcome
Bevor eine Sterilitätstherapie durchgeführt wird, ist die Aufklärung des Paares nicht nur über die Chancen der Therapie, sondern auch über die sowohl maternen als auch, bei Eintritt einer Schwangerschaft, kindlichen Risiken von zentraler Bedeutung. Auch über 40 Jahre nach der ersten Geburt nach IVF-Behandlung bleibt die Frage nach den kindlichen Risiken eine der kritischsten Diskussionspunkte.
Mehrlinge
Erfreulicherweise streben immer mehr Länder eine Reduktion der Mehrlingsraten an, indem vermehrt nur noch ein Embryo transferiert wird. Durch das 2017 in Kraft gesetzte revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz der Schweiz, durch das nun nicht mehr alle erzeugten Embryonen im Frischzyklus transferiert werden müssen, zeigt sich eine signifikant reduzierte Mehrlingsrate seit eben diesem Jahr 2017. Waren es in den Jahren von 2006–2016 noch zwischen 15 % und 19 %, so sanken die Mehrlingsraten auf 7,8 % im Jahr 2018 und 5,2 % im Jahr 2019 (Abb. 12).
Abb. 12
Anzahl der Mehrlingsgeburten in der Schweiz (CH), auf den Daten von FIVNAT-CH basierend. (Mod. nach [33])
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Perinatale Risiken
Die sinkenden Mehrlingsraten wirken sich auch auf die perinatalen Risiken positiv aus. Dennoch bestehen leicht erhöhte Risiken gegenüber spontan gezeugten Kindern. Die Aussagen der Studien sind jedoch nicht immer kongruent, da das Finden einer optimalen Vergleichsgruppe eine grosse Herausforderung darstellt. In einer grossen Reviewarbeit aus Dänemark wurden viele Aspekte der perinatalen Risiken beleuchtet [34].
Viele Studien zeigen ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt (relatives Risiko [RR] von 1,41–2,04) sowie einer extremen Frühgeburt (RR: 1,68–3,07). Ebenso sind die Raten für ein niedriges und sehr niedriges Geburtsgewicht erhöht (RR: 1,6–1,7 und 1,8–3,0). Das relative Risiko für eine perinatale Mortalität liegt zwischen 1,7 und 2,0. Bei der Untersuchung des Outcomes von IVF und ICSI zeigt sich bei ICSI gegenüber IVF ein geringeres Risiko für eine Frühgeburtlichkeit. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass bei einer ICSI-Behandlung die Frauen keine Pathologie auswiesen. Weitere Untersuchungen betrafen den Unterschied des Outcomes zwischen einem Embryotransfer im Frisch- oder Auftauzyklus. In einer 2018 publizierten Metaanalyse zeigte sich, dass Kinder nach einem Transfer im Auftauzyklus ein geringeres Risiko für eine Frühgeburt sowie ein niedriges oder sehr niedriges Geburtsgewicht im Vergleich zu Kindern nach einem Transfer im Frischzyklus hatten (RR: 0,90; 0,72; 0,61). Jedoch zeigten die Kinder, welche nach einem Auftauzyklus geboren wurden, ein höheres Risiko für ein Geburtsgewicht grösser als 4000 g (RR: 1,85; [35]).
Eine interessante Beobachtung zeigte die Auswertung der perinatalen Outcomes in 4 nordischen Ländern aus der CoNARTaS-Gruppe. Hier wurde u. a. das Outcome betreffend Frühgeburt für die Zeiträume 1988–1992, 1993–1997 und 1998–2002 untersucht. Es konnte aufgezeigt werden, dass es zu einem deutlichen Absinken der Risiken von Frühgeburt und extremer Frühgeburt kam, je jünger der untersuchte Zeitraum war [36]. Als Gründe hierfür werden über die Jahre hin veränderte Patientencharakteristika, die Abnahme von Mehrlingen ebenso wie die immer besseren klinischen und labortechnischen Fähigkeiten diskutiert. Auch hat der Zugang zu ART-Behandlungen zugenommen, sodass Paare mit einer kürzeren Dauer einer Sterilität die Therapie erhalten.
Bei der Durchführung einer ICSI-Behandlung zeigen sich leicht erhöhte Raten von chromosomalen Anomalien im Vergleich zu spontan gezeugten Kindern (1,6 vs. 0,5 %). Dieses zeigte sich auf für Kinder von Vätern mit einer Oligozoospermie (2,1 % vs. 0,24 %; [37]).
Es ist sehr schwierig, eine klare Einschätzung von eventuellen Risiken zu finden, da viele Faktoren eine Rolle spielen. So gibt es Hinweise, dass die Sterilität an sich einen Risikofaktor darstellt. In der Arbeit von Davies et al. zeigte sich für das Auftreten von Malformationen ein erhöhtes relatives Risiko, wenn eine spontane Schwangerschaft eintrat, nachdem vorgängig eine Schwangerschaft mittels IVF-/ICSI-Behandlung oder eine Schwangerschaft bei einer belasteten Sterilitätsanamnese, jedoch ohne Sterilitätstherapie eintrat (RR: 1,25 sowie 1,29; [38]).
Hinsichtlich langfristiger Gesundheitsrisiken ist die aktuell vorliegende Evidenz begrenzt, es gibt aber einzelne Studien, die auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen hinweisen [34].
Es muss also davon ausgegangen werden, dass ein geringfügig erhöhtes Risiko für Kinder, gezeugt durch IVF/ICSI, besteht. Wichtig ist es, die Paare hierüber aufzuklären. Ferner ist es für weitere Evaluationen von möglichen Langzeitrisiken sinnvoll, die Überwachung von ART-Kindern durch nationale Register zu ermöglichen.
Fazit für die Praxis
Die assistierte Fertilisation verhilft vielen Paaren zur Erfüllung des Kinderwunsches. Die Entwicklung zeigt steigende Erfolgsraten. Das maternale Alter spielt aber nach wie vor eine grosse Rolle. Je älter die Frau wird, umso geringer sind aufgrund einer schlechteren Qualität und zunehmenden Aneuploidierate der Oozyten die Schwangerschaftsraten. Dieses kann auch durch eine IVF/ICSI-Behandlung nicht geändert werden. Sinnvoll wäre es, den Verlauf der Fertilität bereits jungen Frauen bewusst zu machen.
Durch die revidierte Version des Fortpflanzungsmedizingesetztes ist es nun auch in der Schweiz möglich, Verfahren, die früher nur im Ausland erfolgen konnten, im Inland erfolgreich durchzuführen, wie beispielsweise die Präimplantationsdiagnostik. Weiterhin besteht das Bestreben, die ovarielle Stimulation zu optimieren und die Risiken zu senken. Ferner bedarf es fortwährender Analysen der kindlichen Outcomes mit einem Langzeitfollow-up.
Danksagung
Der Leiterin des IVF Labors des universitären Kinderwunschzentrums des Universitätsspitals Zürich, Frau Dr. Min Xie, danke ich für die zur Verfügungsstellung der Bilder.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
R. Stiller gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von der Autorin keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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