In vier afrikanischen Ländern versorgt „Licht für die Welt“ Mädchen und Buben mit Brillen und ermöglicht ihnen dadurch eine erfolgreiche Schullaufbahn. Darüber hinaus werden Augenärzte geschult sowie die medizinische Infrastruktur verbessert.
Deolinda kam mit Grauem Star auf die Welt. Der Eingriff erfolgte im Zentralkrankenhaus von Maputo in Mosambik, als Teil von „1,2,3...I can see!“
Jens Dörre/Light for the World
„Ist deine Sicht okay?“, steht auf einem bunten Wandbild, das die sonst schmucklose Außenmauer eines Schulgebäudes in der ugandischen Kleinstadt Hoima ziert. Neben dem Bild steht eine Lehrerin mit Zeigestab, sechs Meter entfernt ein Bub. Er hält sich zuerst das linke und dann das rechte Auge zu und sagt, in welche Richtung die Öffnung mehrerer aufgemalter, unterschiedlich großer Buchstaben jeweils zeigt. Es handelt sich bei diesen um „Snellen-E“ oder „Snellen-Haken“, die zur Bestimmung der Sehkraft eingesetzt werden.
Nach und nach absolvieren auch die übrigen Kinder, die neu an der Schule sind, die einfache Untersuchung am sogenannten „Vision Corridor“. Mädchen und Buben mit dem geringsten Verdacht auf ein Augenproblem werden in der Folge von Fachpersonal untersucht, das eigens in die Schule kommt, oder an ein Spital überwiesen. Wenn nötig, bekommen sie kostenlos eine Brille oder eine korrigierende Operation. Mit dieser einfachen Methode wird sichergestellt, dass kein Kind in der Schule einen unentdeckten Sehfehler oder eine Augenerkrankung hat, die seinen Lernerfolg beeinträchtigen könnten.
Kinder bisher kaum beachtet
Die Sehtests an Schulen sind ein Teil des auf zehn Jahre angelegten Programms „1, 2, 3 … I can see!“, das Licht für die Welt 2021 in Äthiopien, Mosambik, Burkina Faso und Uganda gestartet hat. Die international tätige Hilfsorganisation ist vielen Österreichern in erster Linie wohl durch ihre Behandlungen gegen den Grauen Star in armen Ländern bekannt, der vor allem Menschen ab 40 Jahren betrifft und oft zu Blindheit führt.
Mit dem neuen Vorhaben legt die NGO einen Schwerpunkt auf die augenmedizinische Versorgung von Kindern, weil deren Entwicklung und Zukunftschancen eng mit dem Sehvermögen verknüpft sind ( siehe Infokasten rechts ).
„Es gibt von der Prävalenz her vergleichsweise wenige Kinder, die blind sind“, sagt Svenja Schneider, Programmkoordinatorin von „1, 2, 3 ... I can see!“. Sie führt aus: „Blindheit wird in Jahren gerechnet. Während eine 60-jährige Person mit irreversiblem Glaukom auf zehn bis 20 sogenannte ,blinde Jahre‘ kommt, rechnet man bei einem sehr schlecht sehenden Schulkind mit 70 bis 80 Jahren.“
Augenleiden, zumal bei Kindern, wurden laut Schneider in den vier Projektländern bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, „weil sie meist nicht zum Tod führen“. Dabei sei nicht nur der menschliche, sondern auch der volkswirtschaftliche Schaden durch nicht behandelte Sehschwächen, -fehler oder Erkrankungen enorm. Studien zufolge erfolgen Lernprozesse bis zu 80 Prozent über den Sehsinn. Kinder und Jugendliche mit Schwächen tun sich in der Schule schwer und werden mitunter als dumm oder faul abgestempelt. Die Folge ist nicht selten der Schulabbruch.
Geschult werden nicht nur Mediziner
Die Versorgung von Kindern mit Brillen ist aber nur eine Säule von „1, 2, 3 … I can see!“. Eine weitere ist die Stärkung der augenmedizinischen Infrastruktur. Allen Projektländern ist gemein, dass es viel zu wenige Augenärzte gibt. In Äthiopien mit seinen mehr als 110 Millionen Einwohnern waren es zu Projektstart nur 150. Auf Kinder spezialisierte Mediziner muss man überhaupt mit der Lupe suchen.
„Licht für die Welt“ hilft mit Ausbildungsprogrammen, vorhandenes medizinisches Personal zu spezialisieren und in ländliche und schwer zugängliche Gebiete zu bringen. „In Mosambik stieg die Zahl der Kinderaugenärzte seit Projektbeginn von einer auf drei Personen“, freut sich Schneider. „Und diese drei Ärztinnen und Ärzte geben ihr Wissen im Zentralkrankenhaus der Hauptstadt Maputo weiter.“ Geschult werde aber vor allem nicht-akademisch ausgebildetes Fachpersonal, da es viel zu wenig Augenärzte gebe.
Investiert wird zudem in die Ausstattung bestehender Spitäler, deren Kapazitäten für die Behandlung der – meist eben nicht tödlichen – Augenleiden sehr begrenzt sind. Gibt es beispielsweise in einem Spital einen OP-Saal, kann der nur für Augenoperationen benutzt werden, wenn keine dringenderen Operationen anstehen.
Deolinda – der fünfteTermin klappte
Dieses Problem hatte auch die kleine Deolinda aus Mosambik. Das Mädchen war mit Grauem Star auf die Welt gekommen. Als es fünf Monate alt war, suchte die Mutter wegen des weißen Flecks im rechten Auge ein Spital auf. Schlecht beraten, entschied sie sich zunächst gegen eine OP, wandte sich später aber glücklicherweise an das Zentralkrankenhaus in Maputo, das mit Licht für die Welt kooperiert. Mit zwei Jahren wurde Deolinda schließlich operiert, nachdem der Termin dafür aus Kapazitätsgründen viermal verschoben werden musste.
Grundsätzlich sei die Skepsis gegenüber dem Gesundheitssystem in den Projektländern groß, erklärt Svenja Schneider. Das Problem habe sich durch die Corona-Pandemie verschärft, während der es teils sehr harte Maßnahmen gegeben habe. „Deshalb ist es wichtig, die Familien an der Hand zu nehmen und jeden nötigen Schritt ganz genau zu erklären.“ Erfolgserlebnisse wie das von Deolinda helfen, Vertrauen in der Bevölkerung aufzubauen, sagt Schneider. „Sie sind die beste Mobilisierung.“
Die Schulaugenoffensive, die 2023 gestartet wurde, verläuft bisher sehr erfolgreich. Im Vorjahr wurden an 80 Bildungseinrichtungen in den vier Projektländern knapp 300.000 Sehtests durchgeführt. 5690 Kinder bekamen eine Brille, 4930 wurden operiert. „Die Regierungen hatten von Anfang an kaum Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Projekts“, sagt Schneider, „doch heute sind sie vollends überzeugt.“
Damit die Augenprogramme umgesetzt und ausgebaut werden können, bezieht Licht für die Welt aber nicht nur medizinisches Personal und die Regierungen mit ein, sondern holt auch Interessensvertretungen und Autoritätspersonen ins Boot. Zu diesen zählen Lehrer, Allgemeinärzte, Hebammen, religiöse Führer oder traditionelle Heiler.
Anders als Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen schickt die NGO keine Fachkräfte aus Österreich in seine Projektländer. „Augenärztinnen und Ärzte bei uns sind gewohnt, auf extrem hohem Niveau zu operieren“, erklärt Schneider, das in Ländern wie Uganda oder Mosambik nicht gegeben sei. Zudem sei es Licht für die Welt wichtig, die Ressourcen vor Ort nachhaltig zu entwickeln, damit Unterstützung aus dem Ausland bald nicht mehr nötig sei.
Ärzte – Jetzt seid Ihr gefragt!
Licht für die Welt sei aber für jede Form der Unterstützung dankbar – seien es Geldspenden, Sachspenden aus dem Pharmabereich oder gebrauchtes optometrisches Equipment. Ärztinnen und Ärzte könnten zudem helfen, indem sie Infomaterial über Augenprogramme in ihren Ordinationen auflegten.
Spendenkonto
Licht für die Welt freut sich über Spenden unter www.licht-fuer-die-welt.at oder an folgendes Konto: AT92 2011 1000 0256 6001
Doz. Dr. Irene Ruhswurm, Privatklinik Döbling
Light for the World