Der Beliebtheitsgrad und die Popularität von Hautmodifikationen, im Speziellen Tätowierungen, haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. In Bezug auf Österreich konnte im Zuge einer in 2016 durchgeführte Datenanalyse seitens der IMAS (Institut für Markt- und Sozialanalysen) eine Prävalenz mit knapp einem Fünftel unabhängig der Altersgruppe sowie zwei Fünftel in der Altersgruppe der 16- bis 35-Jährigen erhoben werden [
1]. Hinsichtlich steigender Prävalenzzahlen rückte der potenziell gesundheitsschädliche Aspekt von Tätowierungen vermehrt in den Fokus. Aufgrund der Komplexität und der variablen Wechselwirkungen ergibt sich eine kontroverse Thematik [
2,
3].
Im Zusammenhang mit Tätowierungen und Toxizität gilt es, die Interaktion mit dem Metabolismus und der Struktur der Haut und die daraus resultierenden Alterationen zu bedenken. Die in weiterer Folge stattfindende Migration der Partikel in den Lymphknoten und deren Wechselwirkungen komplementieren diese Thematik [
2,
4].
Tätowiertinte und organische Lösemittel können gesundheitsschädlich wirken
Der gesundheitsschädliche Aspekt wird auch im großen Ausmaß von der spezifischen Zusammensetzung der Tätowiertinte und den verwendeten organischen Lösemitteln beeinflusst. Sowohl die Konzentration als auch der Herstellungsprozess der Tätowiertinte bedingen das Ausmaß der Toxizität [
3,
5,
6]. Die Verwendung und Belastung mit Schwermetallen ergänzt dies zusätzlich [
7].
Die Wechselwirkungen der UV-Strahlung und der Pigmente, die in die Dermis gestochen werden, tragen ebenso zum toxischen Gesamtbild bei. Insbesondere die Generierung von reaktiven Sauerstoffverbindungen stellt einen hohen gesundheitsschädlichen Risikofaktor dar. Vor allem die daraus resultierende Aktivierung von Reaktionskaskaden ist als toxisch einzustufen [
4].
Ein besonderes Augenmerk sollte auf die in Verwendung stehenden Nanopartikel gelegt werden. Sowohl deren Aktivität als auch Toxizität wird höher eingestuft. Der Transport in die Lymphknoten wird in Bezug auf die Größe präferiert, wobei es über die Interaktion mit dem lymphatischen Gewebe und den möglichen Struktur- und Stoffwechselveränderungen noch weiterer Forschung bedarf. Ebenso wären weitere Studien in Hinsicht auf die Distribution und Persistenz der Pigmente in anderen Organen von Relevanz [
2,
3,
8].
Die Auflistung dieser diversen Aspekte dient der Illustration der Heterogenität und Komplexität der Materie. Im Zuge dieses Artikels kann eine umfassende Erörterung der potenziellen Gesundheitsschädigung und Kanzerogenität von Tätowierungen nicht vollständig erarbeitet werden. Demzufolge wird versucht, zwei Teilaspekte genauer zu erörtern. Einerseits gilt es zu klären, ob Tätowierungen als weiteres Expositionsmedium für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) im Körper angesehen werden müssen und deren gesundheitsschädliches Potenzial zu beleuchten. Andererseits sollen die Veränderungen der Hautstruktur, die Tätowierungen auslösen, dargestellt werden, und es soll der Frage nachgegangen werden, ob diese damit Kanzerogenität induzieren können.
Expositions- und Gesundheitsgefährdung von PAH im Rahmen des Tätowierens
Die große Substanzklasse der PAH umfasst eine Vielzahl diverser organischer Verbindungen mit variablem Toxizitätspotenzial. Im Zuge der Erstellung von „health risk assessments“ werden 3 Hauptexpositionsmedien – der Verdauungstrakt, die Atemwege sowie die Haut – differenziert. In Bezug auf die Haut stellt das Tätowieren neben der topischen Applikation einen wichtigen Übertragungsweg dar [
3,
6].
Aufgrund der fehlenden Regulation der exakten Angabe von Inhaltsstoffen der Tätowiertinten liegen keine Daten bezüglich der Konzentrationslevel von PAH vor. Analysen von kommerziell erhältlichen Tinten zeigen jedoch eine durchschnittliche Belastung von 0,14 bis 201 μg/g [
6]. In den tätowierten Hautstellen können in der Dermis PAH-Werte von 0,1–0,6 μg/cm
2 und in den Lymphknoten 0,1–11,8 μg/g gemessen werden [
4].
In tätowierten Hautstellen können in der Dermis PAH-Werte von 0,1–0,6 μg/cm2 gemessen werden
Gemäß den Prävalenzzahlen tragen bis zu zwei Fünftel der Population eine oder mehrere Tätowierungen mit einer durchschnittlichen Größe von 900 cm
2 [
1,
9]. Somit werden 900 μg PAH direkt in die Dermis injiziert [
4]. Zur Illustration kann festgehalten werden, dass eine EU-weit durchgeführte Umfrage die tägliche Exposition der PAH auf 5 μg pro Person schätzte [
10].
Der hohen Bolusinjektion zu Beginn folgt die Migration in den Lymphknoten und die mögliche Distribution und Persistenz im restlichen Körper [
6].
In Bezug auf Tätowierungen als weiteres Expositionsmedium für PAH müssen die beiden Erscheinungsformen in Anbetracht gezogen werden. PAH können sowohl in gelöster freier Form als auch an Ruß adsorbiert vorliegen. Das Ausmaß und die Zeitpunkte der Freisetzung der PAH von dem Ruß gestalten sich äußerst variabel [
4].
Ein weiterer Gesichtspunkt, dem in diesem Sachverhalt Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, stellt der rege Metabolismus und der Abbau der Pigmente dar. Die bereits vorab ausgeführten Konzentrationsdifferenzen von PAH in der Tinte, der Dermis und den Lymphknoten beschreiben diese Prozesse. Die Generierung von reaktiven Zwischenprodukten komplementiert diese Thematik. Trotz des intensiven Stoffwechsels verbleiben nach derzeitigem Wissensstand Pigmente in der Dermis und in den Lymphknoten und bedingen somit eine lebenslange Persistenz von PAH im Körper. Dieser Umstand verdeutlicht die Problematik der ständigen Exposition gegenüber PAH im Gegensatz zur singulären Nahrungsaufnahme. In Bezug auf die Lymphknoten findet zusätzlich noch eine variable Freisetzung der PAH von den Rußpartikeln statt [
4]. Hinsichtlich exakter quantitativer Aussagen bräuchte es noch weiterer Forschung.
Gesundheitsschädliche Aspekte
In Anbetracht des Faktums, dass Tätowierungen als ein weiteres Expositionsmedium von PAH zu bezeichnen sind, stellt sich die Frage gemäß deren gesundheitsschädlichen Auswirkungen. In Bezug auf PAH wurden deren toxische Aspekte hinsichtlich der anderen Einwirkungsrouten bereits in vielen Teilen erforscht. Die Datenmenge, die sich explizit auf Tattoos bezieht, liegt derzeit noch in geringer Anzahl vor.
Zur Illustration konnten im Rahmen der Analyse von kommerziell erhältlicher Tätowiertinte sieben PAH gefunden werden, die anhand der Klassifikation der United States Environmental Protection Agency (USEPA) als B2 (wahrscheinlich kanzerogen) eingestuft werden. Zusätzlich wurden in 4 Proben Benzopyrene mit einer durchschnittlichen Konzentration von 0,3 μg/g nachgewiesen, die als sicher kanzerogen klassifiziert werden [
6]. Obwohl noch kein empirischer Nachweis der Assoziation von Kanzerogenität und Tätowierungen erbracht wurde, sollte diesen vorab erwähnten Evidenzen Beachtung geschenkt werden.
In puncto gesundheitsschädlicher Wirkung von PAH gilt vorab zu bedenken, dass ihr toxisches Potenzial als hoch und komplex eingestuft wird. Sowohl die Interaktion mit UV-Licht als auch der Wirkungsort sind starke Einflussfaktoren.
Interaktion mit PAH
Die Dermis stellt bezüglich des Tätowierens das erste Gewebe dar, das in Interaktion mit PAH tritt [
3]. Insbesondere die Metaboliten in Form von Diol-Epoxiden bergen gesundheitsschädliches Potenzial. Zu deren Bildung bedarf es einer nichtenzymatischen oder einer enzymatischen Aktivierung. Es liegen deutliche Tendenzen vor, dass die Tätowiertinte als entsprechender Fremdkörper agiert, der Cytochrome P450 (CYP) induziert und somit die Bildung der reaktiven Stoffwechselprodukte bewirkt. Der tatsächliche Nachweis dieser Reaktionskaskade wurde jedoch noch nicht in tätowierter Haut erbracht [
4].
Als Folge der unspezifischen Abwehr und Migration der Partikel fungieren die Lymphknoten als zweiter Wirkungsort der PAH [
3]. In Bezug auf die gesundheitsschädliche Wirkung der PAH auf das lymphatische Gewebe gilt festzuhalten, dass einige toxische Wirkungsweisen im Allgemeinen bekannt sind, jedoch deren direkte Assoziation zu Tätowierungen noch bestätigt werden muss. Nichtsdestominder beeinträchtigen PAH die Differenzierung von Makrophagen und Aktivierung von Lymphozyten [
11,
12].
Additiv führen PAH zur Aktivierung von elektrophilen und oxidativen Signalwegen in den lymphatischen und myeloischen Zelllinien [
13]. Ein weiterer Effekt umfasst die Interferenz und Störung der IgE-Regulationsabläufe [
14]. Zur Illustration führen die PAH der Dieselrußpartikel zu einer Steigerung der IgE-Antikörper Produktion [
15].
PAH können Apoptose auslösen und oxidativen Stress induzieren
Der Nachweis von PAH in vivo konnte in den wesentlichen Organen der Exkretion und des Metabolismus wie der Leber, Milz und Niere noch nicht erbracht werden. In Anbetracht der hohen Konzentrationen von PAH in der Tinte und der deutlich erniedrigten Werte in der Dermis und in den Lymphknoten kann angenommen werden, dass eine große Menge metabolisiert, ausgeschieden und abtransportiert wird [
16,
17]. Im Rahmen der Elimination über den Lymph- und Blutflussweg erfolgt mit anderen Organen entsprechender Kontakt, und daraus resultiert eine mögliche Interaktion [
4]. Unabhängig von der Exposition und dem Aufnahmeweg von PAH sind sie in der Lage in verschiedenen Geweben Apoptose auszulösen und durch die Produktion von reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS) oxidativen Stress zu induzieren [
18,
19].
Interaktion mit UV-Strahlung
Im Unterschied zu den anderen PAH-Expositionsmedien komplementiert die Interaktion zwischen Tattoo-Pigmenten und UV-Strahlung die Toxizität zusätzlich. Insbesondere die UVA-Strahlung kann mit ihrer Reichweite 1,5 mm tief in die Haut eindringen und so ihre Absorption durch PAH induzieren [
20].
Bezüglich deren Wirkungsspektren konnten Experimente der Forschergruppe rund um Johannes Regensburger zeigen, dass mit Tätowiertinte inkubierte Keratinozyten nach einer UVA-Bestrahlung deutliche Abnahmen der mitochondrialen Aktivität aufwiesen. Diese Reduktion erfolgte bereits bei einer UVA-Dosis (4 oder 8 J/cm2), die evident unter dem Wert der natürlichen Strahlung liegt.
Additiv wurde versucht, die Menge der angeregten Sauerstoffmoleküle als Folge der Absorption („singlet oxygen“) zu quantifizieren. Die gemessene Quantenausbeute erreichte Werte von 0,18 bis zu 0,85. Somit weisen sie eine höhere Effizienz als Porphyrine auf, die in der photodynamischen Therapie zur Krebs- und Bakterienbekämpfung eingesetzt werden [
6,
21]. Speziell jene reaktiven Sauerstoffverbindungen zerstören die zelluläre Integrität, oxidieren Lipide sowie Proteine und verursachen möglicherweise phototoxische Reaktionen [
3,
6]. Sie sind sogar in der Lage, die Oxidation von PAH zu bewirken und somit die Generierung der vorab erwähnten toxischen Diol-Epoxiden zu induzieren [
4].
Als Folge der lebenslangen Persistenz der Tattoo-Pigmente in der Dermis findet die Exposition gegenüber der UV-Strahlung stetig statt. Besonders diese ständige Interaktion birgt ein großes gesundheitsschädliches Potenzial. Aussagen bezüglich quantitativer Reduktion der Gesundheitsgefährdung angesichts der Konzentrationserniedrigung von PAH und inwieweit die Generierung von reaktiven Sauerstoffverbindungen auch Einfluss auf weitere Organe wie den Lymphknoten nimmt, bedürfen weiterer Forschung.
Zusätzlich gilt in diesem Sachverhalt zu bedenken, dass jene Wechselwirkung mit UV-Strahlung nicht auf die PAH der Tinte limitiert ist. Eine Vielzahl der weiteren Inhaltsstoffe kann in Folge der Absorption reaktive Sauerstoffverbindungen produzieren.
Veränderung der Hautstruktur und des Hautstoffwechsels
Im Zuge des Tätowierens bedingt das Injizieren von fremdem hydrophobem Material die Aktivierung der unspezifischen Immunantwort. Dies dient sowohl der Abwehr sowie der Elimination als auch der Wiederherstellung der Homöostase.
Zur Säuberung der Einstichstelle wird zusätzlich zum Transport der Partikel in die ableitenden Lymphwege die Exkretion von Komponenten des Immunsystems angeregt. Die Beseitigung erfolgt einerseits über den passiven Strom der Lymphe, andererseits im Rahmen der Phagozytose über Immunzellen und deren aktive Wanderung in die zugehörigen Knoten [
2,
22,
23]. Eine daraus resultierende Problematik stellen die Alterationen der Hautstrukturen und des dermalen Stoffwechsels dar.
Die Differenzen infolge der Abwehrreaktion betreffen sowohl die Protein- als auch die Lipidstruktur. Mit Hilfe der μ‑FTIR-Mikroskopie können in vivo erhöhte Werte der Lipide in der Nähe des hydrophoben Materials nachgewiesen werden. Diese gesteigerten Konzentrationen lassen sich auf die Membranen der dermalen Fibroblasten zurückführen, in denen die Pigmente persistieren [
2].
Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass nicht nur die Konzentrationen, sondern auch die Strukturen der Proteine in der Umgebung der Tattoo-Pigmente modifiziert werden. In Bezug auf die Sekundärstruktur lässt sich ein verändertes Verhältnis der α‑Helix zur β‑Faltblattstruktur mit erhöhten Werten der Zweitgenannten erkennen. In ihrer Gesamtheit liegen die Proteine in der Nähe des hydrophoben Materials zu der kollagenreichen Dermis in deutlich erniedrigter Menge vor. In den zugehörigen Lymphknoten konnten die entsprechenden Alterationen der Sekundärstrukturen der Proteine nicht nachgewiesen werden. Indessen wurden die veränderten Konzentrationslevel der Lipide ebenso in den Lymphknoten belegt [
2].
Die Veränderungen der Ultrastrukturen und der Konzentrationen tragen ihren entsprechenden Anteil zu der chronischen kutanen Inflammationsreaktion und dem allergischen Geschehen bei [
2,
24]. Inwieweit diese Alterationen jedoch zu malignen Veränderungen führen können, kann zum derzeitigen Wissensstand nicht beantwortet werden. Einerseits die Komplexität der Tumorgenese, andererseits die Diversität der metabolischen Vorgänge bedingen, dass diese Alterationen durchaus als potenzielle Risikofaktoren eingestuft werden können [
2].
Im Zusammenhang mit Veränderungen der Hautstruktur und des Stoffwechsels spielen die Nanopartikel ebenfalls eine Rolle. Die chemische Aktivität der Nanopartikel im Vergleich zu den größeren Pigmenten als höher einzustufen [
3,
8].
Erhöhte Aufmerksamkeit und Skepsis gilt in den letzten Jahren den Nanopartikeln. Aufgrund ihrer Größe werden sie vorzugsweise in den Lymphknoten transportiert und führen dort zu Veränderungen der Struktur und Konzentrationen von Elementen [
2]. Die per Definition unter 100 nm großen Partikel entstehen als Folge der Insertion und Körperabwehr. Additiv werden sie im Rahmen der Entfernung mithilfe von Lasern generiert und als Zusatzstoffe in Form von Aluminium- und Titanoxiden verwendet [
3]. Fibroblasten, die in verdünnter Tinte inkubiert werden, zeigen nicht nur an ihrer Oberfläche Nanopartikel, sondern auch ein deutlich verfrühtes Sterben.
In der Dermis, die als Reaktion auf das traumatische Stechen eine vermehrte parallele Ausrichtung der Kollagenfasern zeigt, konnten ebenso Nanopartikel nachgewiesen werden, die in das fibroelastische Netzwerk eingebettet werden [
8]. Diese Orientierung lässt sich mit der Narbenbildung infolge des Tätowierens assoziieren.
Trotz des in vitro durchgeführten Nachweises beweisen diese Ergebnisse einen Teil der Beeinflussung des dermalen Metabolismus durch Tattoos.
Potenzielle Induktion der Kanzerogenität
Inwieweit die zuvor beschriebenen diversen toxischen Inhaltsstoffe, Veränderungen der Struktur und des Metabolismus der Haut, Migration und Persistenz der Pigmente, UV-Interaktion und vieles mehr, tatsächlich Kanzerogenität induzieren können, ist eine Frage. Vorab sollte festgehalten werden, dass zum derzeitigen Wissensstand die Beantwortung weder mit einem fundierten „Ja“ noch „Nein“ erfolgen kann. Sowohl die Multifaktorialität der Tumorgenese als auch die Diversität der Inhaltsstoffe der Tinte und deren Metabolismus gestalten die Thematik variabel.
Die epidemiologische Datenlage liefert bisher keine fundierte Evidenz für eine Assoziation von Tätowierungen und Krebsinduktion. Im Verhältnis zu den millionenfach tätowierten Menschen konnten unter intensiver Recherche der Literatur nur 50 Fälle von Hautkrebs in den pigmentieren Hautstellen gefunden werden [
25]. In Bezug auf semimaligne Läsionen wie das Keratoakanthom konnte in den letzten Jahren eine vermehrte Anzahl der Fälle erkannt werden. Hierbei muss jedoch ein mögliches Publikationsbias und erhöhte Aufmerksamkeit in der Diagnose beachtet werden [
26].
Die oftmals herangezogenen freien Konzentrationen von potenziell toxischen Elementen entsprechen nicht jenen im Körper, die durch den Metabolismus und die Ausscheidung modifiziert werden [
17,
25].
Zur Veranschaulichung des Sachverhaltes wurden die vom Europarat als kanzerogen eingestuften Substanzen Benzopyrene und 2‑Anisidine der roten und schwarzen Farbe Gruppen von Mäusen tätowiert. Zur Imitierung der Interaktion mit dem UV-Licht wurde eine der 4 Kohorten diesem ausgesetzt. Nach einjährigem Follow-up konnten weder makroskopische Läsionen an der Haut noch mikroskopische systemische kanzerogene Herde (Haut, Lymphknoten, Leber, Milz, Lunge) nachgewiesen werden [
17].
Der Metabolismus und die Persistenz der Farbpigmente stellen grundsätzlich eine kontroverse Thematik dar. Eine Hypothese umfasst die schlechte Löslichkeit und den stark verlangsamten Stoffwechselprozess zur Erreichung der Langlebigkeit [
27]. Nichtsdestotrotz unterliegt die Tinte einem Reinigungsprozess. Im Rahmen einer Studie konnte in 5 von 9 Hautexemplaren ein Rückgang der roten Pigmente 22 und 112 um 87–99 % eruiert werden [
16].
A priori liegt der Entstehung eines Tumors ein multifaktorielles Geschehen zugrunde. In Bezug auf Tätowierungen finden viele diverse Prozesse statt, die ihren Teil dazu beitragen können [
25]. Bereits das im Zuge der Injektion gesetzte Trauma sowie die Narbenbildung und die chronische Inflammationsreaktion spiegeln Risikofaktoren für die Entstehung maligner Herde wider [
28].
UV-Licht gilt als primärer Risikofaktor für Hautkrebs. Inwieweit durch die Interaktion von UV-Licht und Tattoo-Pigmenten die potenzielle Induktion von Kanzerogenität gefördert wird, lässt sich schwer beurteilen. Auf das toxische Potenzial von reaktiven Sauerstoffverbindungen infolge der Einwirkung von Sonnenstrahlung wurde schon hingewiesen. Jene photochemischen Reaktionen bergen große Gefahren und können durchaus als Risikofaktor angesehen werden. Die entsprechende Datenlage bezüglich des Verhaltens tätowierter Menschen in der Sonne ist sowohl lückenhaft als auch schwer zu eruieren. Diese werden prinzipiell dazu angehalten, Sonnenschutz zu verwenden, um so die Intensität der Farben zu gewähren. Inwieweit darauf Rücksicht genommen wird und die Aufenthaltszeit in der Sonne, sollte im Rahmen von Studien entsprechend erhoben werden [
6,
25].
Die wesentliche Basis all dieser genannten Aspekte stellen jedoch die Inhaltsstoffe der Tätowiertinte dar. Die Tinte von Tattoos besteht im Wesentlichen aus Farbstoffen organischer oder anorganischer Herkunft, die mit Dispersions‑, Konservierungs- und Lösungsmittel versetzt werden. Den Standard bezüglich der Dispersionsmittel repräsentieren Wasser und Isopropylalkohol. Die Farbstoffe unterliegen ständigen Neuentwicklungen, wobei derzeit jene mit organischer Basis bevorzugt werden [
2,
3].
Titandioxid, aber auch Bariumsulfat und Eisenoxide stellen allgemein häufig verwendete anorganische Farbpigmente dar. Im Gegensatz dazu stehen die organischen Stoffe, die differenziert werden in Azo- und Polycyclischepigmente sowie Industrieruß in Form von Farbruß [
29]. Einerseits repräsentieren sie den Initiator für die Abwehrreaktion und die Migration, andererseits fungieren sie als Gegenspieler für die UV-Strahlung. Additiv beeinflussen sie diese Prozesse im starken Ausmaß durch ihre chemische Struktur [
25].
Anhand diverser Klassifikationen werden einige Substanzgruppen der Tinte als wahrscheinlich bis zu sicher kanzerogen eingestuft. Zu diesen zählen unter anderem Teile des Farbrußes und die resultierenden PAH, organische Azopigmente als auch bestimme Schwermetalle [
3,
25].
Im Hinblick auf Tätowierungen gilt zusätzlich zu bedenken, dass insbesondere der rege Metabolismus reaktive bis kanzerogene Verbindungen generieren kann. Zur Illustration kann wie schon Bäumler et al., zitiert nach Kluger et al. [
25], festgestellt hat, die kanzerogene Substanz 3,3′Dichlorbenzidin infolge des Stoffwechsels von Azopigmenten freigesetzt werden. Auch der vorab erwähnte Metabolismus der PAH und deren Bildung von ROS unterstreichen diesen Sachverhalt [
6].
Nichtsdestotrotz darf von jenen meist in vitro gemessenen Daten keine direkte Assoziation zu den in vivo stattfindenden Prozessen im Körper gezogen werden [
25]. Jene Evidenzen, dass einige Inhaltsstoffe als krebserregend eingestuft werden, verstärken zwar die Hypothese, dass Tätowierungen Kanzerogenität induzieren können, bestätigen diese jedoch nicht.
Fazit
Zusammenfassend gilt festzuhalten, dass sowohl Veränderungen der Hautstruktur als auch des Stoffwechsels durch Tätowierungen resultieren. Diese Alterationen könnten im Zusammenspiel mit der chronischen inflammatorischen Reaktion, dem Trauma, der Narbenbildung, der UV-Einwirkung und dem Metabolismus der Inhaltsstoffe neoplastische Läsionen induzieren. Bis dato konnte der tatsächliche Nachweis einer Kanzerogenität jedoch nicht erbracht werden. Die niedrige Prävalenz von Tumoren in tätowierten Hautstellen widerspricht der Hypothese der Induktion. Gleichwohl darf das toxische Potenzial von Tätowierungen nicht von der Hand gewiesen werden. Die oben genannten Aspekte können durchaus als Tendenzen in puncto Krebsinduktion und/oder als Risikofaktor betrachtet werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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