In den letzten Jahren wurde die Diagnostik zunehmend durch molekularbiologische Verfahren bereichert. Für Infektionen, die durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erreger verursacht werden, wie z. B. respiratorische Infektionen oder Gastroenteritiden, wurden von verschiedenen Firmen Multiplex-PCR-Assays auf den Markt gebracht. In ähnlicher Weise werden von verschiedenen Anbietern auch kommerzielle Gastroenteritispanels (gastrointestinale Pathogenpanels, GPP) angeboten. Teils decken diese Panels ein breites Spektrum bakterieller, viraler und parasitäre Erreger ab („integrierte GPP“), teils sind sie gattungsspezifisch, testen also nur virale, bakterielle oder parasitäre Erreger. Im Folgenden wird spezifisch auf die „integrierten“ Multiplex-PCR-Assays eingegangen, die mehrere Spezies gattungsübergreifend untersuchen.
Vorteile und Limitationen
Der größte Vorteil der PCR-basierten Verfahren besteht in der im Vergleich zu Stuhlkulturen deutlich rascheren Verfügbarkeit der Resultate. Die Zeit von Vorbereitung der Probe bis zum endgültigen Resultat wird von den verschiedenen Herstellern zwischen 65 min (FilmArray®, BioMerieux, Nürtingen, Deutschland) und 5 h (xTAG®, Luminex, Austin, TX, USA) angegeben [
12]. Nicht berücksichtigt sind hier allerdings Transport- und Vorlaufzeiten vor Start des automatisierten Analysevorgangs, sodass in der Praxis die Zeit zwischen Probenasservierung und Befundmitteilung meist deutlich länger ausfällt.
Weiterhin ist der Diarrhöerregernachweis von Nukleinsäuren mittels PCR empfindlicher als der konventionelle Nachweis mittels Kultur und Mikroskopie [
2]. Dies resultiert in höheren Detektionsraten gastrointestinaler Erreger mittels Multiplex-PCR im Vergleich zu der herkömmlichen Diagnostik. In einer europäischen Studie zur ambulant erworbenen Diarrhö an 10 europäischen Zentren wurde mittels eines integrierten Gastroenteritispanels (FilmArray®) in 54 % der Proben mindestens ein Erreger nachgewiesen verglichen mit 18 % mittels konventioneller Diagnostik [
20]. Ähnlich hohe Detektionsraten (55,8 % vs. 40,1 %) zeigte eine unizentrische Studie zur ambulant erworbenen Diarrhö in Taiwan [
14]. Auch eine Metaanalyse von 21 Studien zu einem spezifischen integrierte Gastroenteritispanel und 2 Einzelstudien zu einem anderen Assay zeigten eine 1,5-fach (xTAG®, 95 %-Konfidenzintervall [95%-KI] 1,3–1,7) bzw. 1,2-fach (FilmArray®, 95 %-KI 1,1–1,3) höhere Detektionsrate von Enteropathogenen als die eingesetzten konventionellen Vergleichsverfahren [
8].
Die höhere Detektionsrate der Multiplex-PCR gegenüber der konventionellen Diagnostik hat mehrere Gründe: Zum einen bietet die PCR einen diagnostischen Vorteil bei Erregern, die schwer oder gar nicht kultivierbar sind. Beispielsweise können Shigellen in nativen Stuhlproben nur wenige Stunden überleben und deshalb bei längerem Transport zum Labor dem kulturellen Nachweis entgehen [
13]. Entsprechend zeigte sich in 2 Fall-Kontroll-Studien an Kindern in Asien und Afrika die Detektionsrate von Shigellen mittels PCR 2‑ bis 5‑fach erhöht im Vergleich zur Stuhlkultur [
15,
17]. Zum anderen ist die höhere Ausbeute der Multiplex-PCR auch darin begründet, dass sie Erreger erfasst, die in der konventionellen Diagnostik speziell angefordert werden müssten. Beispielsweise waren die in der erwähnten europäischen Multizenterstudie mittels Gastroenteritispanel am häufigsten nachgewiesene Erreger enteropathogene
Escherichia coli, die aber nur in 3 der 10 beteiligten Labore auch konventionell mittel Enzymimmunassay getestet wurden. Der in der PCR vierthäufigste Erreger, enteroaggregative
Escherichia coli, wurde konventionell gar nicht getestet [
20].
Bei Multiplex-PCR-Assays gibt es keinen definierten Referenzstandard
Dies verdeutlicht eine Schwierigkeit bei der Einschätzung der Ergebnisse der Multiplex-PCR-Assays. Da es keinen definierten Referenzstandard gibt, kann die Validität der Tests mit Angabe von Sensitivität oder Spezifität letztlich nicht genau bestimmt werden, sondern nur die vorhandene oder fehlende Übereinstimmung mit konventionellen Methoden festgestellt werden [
9]. Eine britische Analyse, die anhand von 23 vorliegenden Studien 3 integrierte Gastroenteritispanels bewertete, kam daher zu der Schlussfolgerung, dass die diagnostische Genauigkeit, mit der die Testergebnisse das Vorliegen einer klinisch relevanter Infektion anzeigen, nicht definiert werden kann [
8]. Auf der Basis dieser Analyse sprach sich das in Großbritannien für die Bewertung von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Therapien und medizinischen Verfahren zuständige National Institute for Clinical Excellence dagegen aus, Multiplex-PCR-basierte Gastroenteritispanels in die erstattungsfähige Routinediagnostik aufzunehmen [
16].
Ein weiterer Nachteil der PCR ist, dass sie nicht zwischen vitalen und avitalen Erregern unterscheiden kann. Dementsprechend kann auch bei asymptomatischen Patienten der Erregernachweis in der PCR positiv ausfallen [
2,
3,
7,
10,
21], sodass insgesamt von einer erhöhten Anzahl falsch-positiver Befunde auszugehen ist. Schließlich kommt es durch die gleichzeitige Erfassung multipler Erreger häufig zur Diagnose einer vermeintlichen Mischinfektion. Tatsächlich können in etwa 20–40 % der positiven Fälle mehr als ein Erreger in der Multiplex-PCR nachgewiesen werden [
14,
15,
20]. Für den Kliniker sind dann die Interpretation der Resultate und die Frage der zu veranlassenden therapeutischen Maßnahmen oft schwierig.
Klinischer Nutzen
Der entscheidende Punkt in der Indikation zum Einsatz eines diagnostischen Tests, ist die Frage, ob das Resultat erwartungsgemäß zu einer Veränderung der Therapie oder des Hygienemanagements führt. Aufgrund des meist selbstlimitierenden Verlaufs von gastrointestinalen Infektionen empfiehlt die deutsche Leitlinie die Einleitung einer Diagnostik nur bei Vorliegen bestimmter Konstellationen (Infobox
1). Zudem wurde hier die Empfehlung zum Ausmaß der Erregerdiagnostik an die jeweilige klinische Situation angepasst (ambulant oder nosokomial erworben, Reiserückkehrer, Immunsuppression) und ist auf Erreger beschränkt, die eine Therapieindikation (z. B. Campylobacter, Shigellen, Salmonellen, Clostridien, Giardia lamblia) oder bestimmte Hygienemaßnahmen (z. B. Kohortenisolierung bei mehreren Norovirusinfektionen) nach sich ziehen können [
13]. Im Vergleich zu den Empfehlungen der deutsche Leitlinie stellen die sehr breiten Erregerspektren der integrierten GPP bei Patienten mit ambulant erworbener Gastroenteritis eine deutliche Überdiagnostik dar und decken am ehesten das Spektrum der Diarrhö beim Reiserückkehrer ab [
13].
Bei PCR-Nachweis kann nicht zwischen vitalen und avitalen Erregern unterschieden werden
Es stellt sich somit die Frage, ob die schnellere und breitere Diagnostik der Gastroenteritispanels tatsächlich eine Veränderung von Antibiotikaverschreibungen oder Hygienemaßnahmen auslöst.
Wie bereits erwähnt wurde in der britischen Auswertung von 23 Studien zur Wertigkeit integrierter Gastroenteritispanels keine Evidenz gefunden, dass durch deren Einsatz ein anderes therapeutisches Vorgehen getriggert wurde als durch die konventionelle Diagnostik [
8]. In den amerikanischen Leitlinien werden Multiplexverfahren aufgrund der höheren Detektionsraten zwar als Zusatzuntersuchung zu kulturellen Verfahren empfohlen, die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) warnen jedoch explizit vor dem alleinigen Einsatz der Gastroenteritispanels, weil der Stuhlkultur auch aus epidemiologischen Gesichtspunkten eine hohe Priorität eingeräumt wird [
18,
19].
Dass der unreflektierte Einsatz integrierter Gastroenteritispanels sogar einen negativen Effekt auf die Versorgung von Patienten haben kann, zeigt eine Studie von Ahmad et al. In dieser retrospektiven Studie bei 268 Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung zeigte sich in der multivariaten Analyse für Patienten, die mittels GPP getestet wurden, gegenüber den konventionell getesteten ein 3‑fach höheres Risiko (95 %-KI 1,27–7,14) für den kombinierten Endpunkt aus Hospitalisierung, chirurgischer Intervention und Vorstellung in einer Rettungsstelle [
1]. Auf der anderen Seite zeigte eine andere Studie dass die Verwendung von Gastroenteritispanels gegenüber konventioneller Diagnostik – allerdings im historischen Vergleich – zu einem selteneren Einsatz einer empirischen Antibiotikatherapie führte [
5].
Zur Frage der Kosteneffizienz des Einsatzes der Multiplex-PCR-Panels in der Diagnostik der gastrointestinalen Infektionen gibt es nur wenige Daten. Eine Studie aus Großbritannien verglich die finanziellen Auswirkungen eines integrierten Gastroenteritispanels im Vergleich zur konventionellen Diagnostik an 800 Patienten. Durch den verwendeten GPP entstanden höhere Laborkosten von US$ 34.800. Durch die schnellere Diagnostik konnten hingegen 755 Tage Isolationszeit wieder eingespart werden, sodass in der Summe eine Kosteneinsparung von US$ 69.500 innerhalb der Studienzeit resultierte [
11]. Ob aber diese Daten auf das deutsche Gesundheitssystem übertragbar sind, ist in Ermangelung von Studiendaten derzeit schwer abschätzbar.